▲ MANAGEMENT & UNTERNEHMER Markenrelaunch Jolly Fotos: Brevillier-Urban Wenn der Kasperl wieder lacht Jeder kennt ihn, den Jolly-Kopf, und jeder denkt dabei an Buntstifte. Die Traditionsmarke aus dem Haus BrevillierUrban hat vier Jahrzehnte auf dem Buckel, zuletzt hatte der Kasperl aber wenig zu lachen. Alles, was ihm gefehlt hat, war ein kleines Face-Lifting. VON ALEXANDER PEER ▲ eit rund einem Jahr ist Markus WeS ber als Geschäftsführer der Brevillier-Urban-Gruppe darum bemüht, Jolly wieder auf Vordermann zu bringen. Verwässerung der Marke, rückgängige Kinderzahlen und billige Konkurrenz haben dem zur österreichischen Kirchdorfer Industrie Holding gehörenden Unternehmen Kopfzerbrechen bereitet. „Wir haben eine deutliche Produktbereinigung vorgenommen. Heute befinden sich rund 400 Produkte im Sortiment“, schildert der germanische Kopf der rund 75 Mitarbeiter zählenden, autonom handelnden BrevillierUrban Österreich ein wesentliches Element des Schnitts. Davor gab es nämlich fast 4.000 Artikel. Die Marke Jolly hatte enorm an Glaubwürdigkeit eingebüßt. „Jetzt fokussieren wir wieder auf unsere Zielgruppe und das sind nun mal Kinder 82 von drei bis zwölf Jahren“, sagt Weber. Vorher war die Versuchung einfach zu groß, die Bekanntheit des JollyKopfs auf Nebenschauplätzen, wie etwa für Taschen und modische Accesoires für Jugendliche zu verheizen. Die Rechnung dafür bekam man hinterher präsentiert. Zusätzlich machte die Geiz-ist-geil-Denkweise der Qualitätsmarke zuschaffen. „Das Verheizen von Marken ist unnötig und teilweise wird auch von Handelsseite wieder versucht, dagegen zu steuern. Es geht auch nicht darum, dem Kunden mehr aus der Tasche zu holen. Aber wir drehen uns in einer ganz schlimmen Spirale: Wenn der Preis der Markenware Jolly immer mehr gedrückt wird, gefährdet das die Wirtschaftlichkeit der Produktion in Graz“, redet sich Weber in Rage und hält ein Plädoyer für Markenpflege. Als Kindermarke war Jolly der Superstar unter den Marken. Dort will Weber wieder hin. Sein Lachen wirkt offenbar ansteckend. Brevillier-Urban-Geschäftsführer Markus Weber hat seiner Edel-Kindermarke neues Leben eingehaucht Jolly kennt jeder! Und wer ist Brevillier-Urban? Mit Jolly ist Brevillier-Urban ein Phänomen gelungen, wonach viele Markenentwickler streben, das aber nur wenige erreichen: Jolly ist ein Synonym für Buntstifte. Laut einer 2004 vom Marktforschungsinstitut Karmasin durchgeführten Umfrage gaben 91 Prozent der Befragten „Jolly“ zur Antwort, als ihnen folgende Frage gestellt wurde: „Welche Namen bzw. Marken von Bleistiften, Buntstiften etc. kennst du?“ Dass man bei einer Umfrage über die Bekanntheit des Unternehmens Brevillier-Urban nur einen herben Bruchteil des Jolly-Werts erzielen könnte, weiß Weber, stört ihn aber nicht. Erstaunlich ist ferner, dass laut firmeninternen Untersuchungen kaum GEWINN 9/06 MANAGEMENT & UNTERNEHMER Markenrelaunch Jolly einer weiß, wie der Jolly-Kopf im Detail aussieht, aber fast jeder dessen grüne Farbe benennen kann. Dabei kam 1965 der erste Jolly-Kopf in den Farben Rot-Weiß-Rot auf den Markt. Später wurde ihm ein Blau untergemischt, seit den 70er-Jahren ist er grün und erfuhr in dieser Farbe drei Designänderungen. Jolly wird jetzt ein Comic-Held Ein Kopf ohne Körper ist etwas fleischlos. Deshalb hat Brevillier-Urban die Figur in den letzten Monaten nach und nach vervollständigt und mit Leben gefüllt. Durch Community, Interaktivität und eine eigene Erlebniswelt. Der Jollyclub beinhaltet unter anderem ein gleichnamiges, ab 2007 viermal jährlich erscheinendes Clubmagazin im Stil eines Comics. Darin sind zum Beispiel spannende Abenteuer der Jolly-Bande nachzulesen: Jolly als Held erlebt mit seinen Freunden, die das Aussehen von Stiften, Radiergummis, Bleistiftspitzer oder Pinsel haben eine Menge Aufregung und Spaß. Beigelegt wird es zielgruppen-affinen Familienzeitschriften. „Wir haben Jolly auch die Haube abgenommen, weil immer wieder angefragt wurde, welche Haarfarbe er hat“, erzählt Weber. Diese Live-Kontakte, die vor allem über die neu gestaltete Website ermöglicht werden, verstärken die Beziehung der Kinder zur Marke. „Wir bekommen täglich mehrere hundert Mail-Anfragen. Da sitzt jemand vorm Monitor, der nichts anderes tut, als diese life zu beantworten“, offenbart Weber. Die Website ist für den diesjährigen Multimedia-Staatspreis in der Kategorie Multimedia4kids nominiert. Bislang hat Jolly auch bei Veranstaltungen etc. stets Kooperationen durchgeführt, in Zukunft wird Jolly als Pacemaker fungieren: mit eigenen Events und klassischen CRMTools, etwa Geburtsgeschenken für die Clubmitglieder. „Wichtig ist uns, dass wir mit den Kindern in Kontakt stehen“, philosophiert Weber, „am Ende des Tages kaufen zwar die Eltern die Stifte, aber das Kind wird ablehnend reagieren, wenn es keine Beziehung zur Marke hat.“ Deutschland zum Narren machen Ein imposanter Vergleich ergibt sich, wenn man die Tagesproduktion an Stiften des Werks in Graz-Gösting aufeinander stellt. Von den insgesamt 230.000 produzierten Schreibgeräten sind GEWINN 9/06 Wie kommt die Mine in den Stift? lles beginnt mit einem Brettchen aus speziellem Stifteholz. Zuerst werden in das Brettchen Rillen gefräst. Dann werden die Minen in das Brettchen eingelegt und mit Leim verklebt. Anschließend klebt man ein zweites Brettchen wie einen Deckel auf das untere. Damit aus dem Brettchen mit den eingelegten Minen ganze Stifte werden, kommen diese Brettchen jetzt unter den Hobel. Dort bekommen sie ihre meist sechseckige Form. Nachdem die Stifte auseinander geschnitten worden sind, werden sie lackiert, damit du gleich siehst, welche Farbe sie haben. Eine spezielle Maschine sorgt dafür, dass die Stifte eine schöne Spitze bekommen. Dann prüfen wir natürlich noch, ob die Qualität der Stifte auch passt. A 173.000 so genannte holzgefasste Ware, Buntstifte, die unter der Bezeichnung „Supersticks“ laufen. Stellt man die Supersticks aufeinander, dann überragen sie den Großglockner acht Mal. Schade, dass das Gleiche nicht Buntstifte sind eben nicht nur innen, sondern auch außen bunt. Gleich nach dem Schneiden werden die Stifte lackiert. Der Automatisierungsgrad bei Jolly ist hoch mit den Geldscheinen möglich ist, die ins Haus flattern, mag sich Weber denken. Denn heuer wäre man schon froh, wenn die Umsatzentwicklung, wie geplant, stabil verlaufen würde. Weber ist zuversichtlich und das Ergebnis soll auch positiv ausfallen. Trotz des Relaunches, trotz einzelner Änderungen im Vertrieb. 9,8 Millionen Euro betrug der Umsatz 2005, 2,8 Millionen Euro davon erwirtschaftete der Export. Die Produkte sind in fünf Hauptsegmente einteilbar: holzgefasste Ware (Bunt- und Grafitstifte), Fasermaler, Deckfarben, Wachskreiden und Handelswaren (z. B. Schultaschen, Radiergummi, Anspitzer). Das Werk in GrazGösting soll eine Zukunft haben. Die Einsparpotenziale, zum Beispiel Mitarbeiterabbau, sind fast abgeschlossen. In der Distribution gibt es eine Änderung. Jolly konzentriert sich auf Großhandel, Fachhandel und KeyAccounts wie Libro als zentrale Absatzpartner. Ein großes Vorhaben ist der Eintritt in den deutschen Markt. Dafür wurde eigens ein Profi mit 20-jähriger Branchenerfahrung engagiert. Vielleicht werden also bald nicht nur zur Karnevalszeit vermehrt Narrenkappen in Deutschland zu sehen sein. Jolly goes TV Den Clou startet man aber im anstehenden Herbst. Ab Ende Oktober werden Brettspiele, Puzzles sowie einfache Denkspiele vertrieben, die alle Jolly-Attribute innehaben: gehobene Qualität, gute Haltbarkeit und der besondere Spaßfaktor. Die Spiele wurden im Rahmen eines neuen Fernsehformats für Kinder entwickelt. Dieses wird ab 11. September beim reichweitenstärksten Sender für Kinder bzw. in dessen ÖsterreichFenster zu sehen sein. Es handelt sich um eine mit guten Inhalten gefüllte Sendung mit Interviews von Prominenten, Reportagen von Spielemessen und vielem mehr. „Der Weg der Marke kann nur über das Kind gehen. Wir haben die spannende Aufgabe zu lösen, unsere guten Imagewerte bei den Erwachsenen zu erhalten und gleichzeitig nah bei den Kindern zu sein“, präzisiert Weber. Übrigens, Jolly hat blondes Haar. Website: www.jolly.at G 83
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