Wenn der Kasperl wieder lacht

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MANAGEMENT & UNTERNEHMER
Markenrelaunch Jolly
Fotos: Brevillier-Urban
Wenn der Kasperl wieder lacht
Jeder kennt ihn, den Jolly-Kopf, und jeder denkt dabei an
Buntstifte. Die Traditionsmarke aus dem Haus BrevillierUrban hat vier Jahrzehnte auf dem Buckel, zuletzt hatte der
Kasperl aber wenig zu lachen. Alles, was ihm gefehlt hat,
war ein kleines Face-Lifting.
VON ALEXANDER PEER
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eit rund einem Jahr ist Markus WeS
ber als Geschäftsführer der Brevillier-Urban-Gruppe darum bemüht,
Jolly wieder auf Vordermann zu bringen. Verwässerung der Marke, rückgängige Kinderzahlen und billige Konkurrenz haben dem zur österreichischen
Kirchdorfer Industrie Holding gehörenden Unternehmen Kopfzerbrechen
bereitet. „Wir haben eine deutliche Produktbereinigung vorgenommen. Heute
befinden sich rund 400 Produkte im
Sortiment“, schildert der germanische
Kopf der rund 75 Mitarbeiter zählenden, autonom handelnden BrevillierUrban Österreich ein wesentliches
Element des Schnitts. Davor gab es
nämlich fast 4.000 Artikel.
Die Marke Jolly hatte enorm an
Glaubwürdigkeit eingebüßt. „Jetzt fokussieren wir wieder auf unsere Zielgruppe und das sind nun mal Kinder
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von drei bis zwölf Jahren“, sagt Weber. Vorher war die Versuchung einfach zu groß, die Bekanntheit des JollyKopfs auf Nebenschauplätzen, wie
etwa für Taschen und modische Accesoires für Jugendliche zu verheizen.
Die Rechnung dafür bekam man hinterher präsentiert. Zusätzlich machte
die Geiz-ist-geil-Denkweise der Qualitätsmarke zuschaffen.
„Das Verheizen von Marken ist
unnötig und teilweise wird auch von
Handelsseite wieder versucht, dagegen
zu steuern. Es geht auch nicht darum,
dem Kunden mehr aus der Tasche zu
holen. Aber wir drehen uns in einer
ganz schlimmen Spirale: Wenn der
Preis der Markenware Jolly immer
mehr gedrückt wird, gefährdet das die
Wirtschaftlichkeit der Produktion in
Graz“, redet sich Weber in Rage und
hält ein Plädoyer für Markenpflege. Als
Kindermarke war Jolly der Superstar
unter den Marken. Dort will Weber wieder hin.
Sein Lachen wirkt offenbar ansteckend.
Brevillier-Urban-Geschäftsführer Markus
Weber hat seiner Edel-Kindermarke neues
Leben eingehaucht
Jolly kennt jeder! Und wer ist
Brevillier-Urban?
Mit Jolly ist Brevillier-Urban ein Phänomen gelungen, wonach viele Markenentwickler streben, das aber nur wenige erreichen: Jolly ist ein Synonym
für Buntstifte. Laut einer 2004 vom
Marktforschungsinstitut Karmasin
durchgeführten Umfrage gaben 91
Prozent der Befragten „Jolly“ zur Antwort, als ihnen folgende Frage gestellt
wurde: „Welche Namen bzw. Marken
von Bleistiften, Buntstiften etc. kennst
du?“
Dass man bei einer Umfrage über
die Bekanntheit des Unternehmens
Brevillier-Urban nur einen herben
Bruchteil des Jolly-Werts erzielen
könnte, weiß Weber, stört ihn aber
nicht. Erstaunlich ist ferner, dass laut
firmeninternen Untersuchungen kaum
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Markenrelaunch Jolly
einer weiß, wie der Jolly-Kopf im Detail aussieht, aber fast jeder dessen
grüne Farbe benennen kann. Dabei
kam 1965 der erste Jolly-Kopf in den
Farben Rot-Weiß-Rot auf den Markt.
Später wurde ihm ein Blau untergemischt, seit den 70er-Jahren ist er grün
und erfuhr in dieser Farbe drei Designänderungen.
Jolly wird jetzt ein Comic-Held
Ein Kopf ohne Körper ist etwas fleischlos. Deshalb hat Brevillier-Urban die
Figur in den letzten Monaten nach und
nach vervollständigt und mit Leben gefüllt. Durch Community, Interaktivität und eine eigene Erlebniswelt.
Der Jollyclub beinhaltet unter anderem
ein gleichnamiges, ab 2007 viermal jährlich erscheinendes Clubmagazin im Stil
eines Comics. Darin sind zum Beispiel
spannende Abenteuer der Jolly-Bande
nachzulesen: Jolly als Held erlebt mit
seinen Freunden, die das Aussehen von
Stiften, Radiergummis, Bleistiftspitzer
oder Pinsel haben eine Menge Aufregung und Spaß. Beigelegt wird es zielgruppen-affinen Familienzeitschriften.
„Wir haben Jolly auch die Haube
abgenommen, weil immer wieder angefragt wurde, welche Haarfarbe er hat“,
erzählt Weber. Diese Live-Kontakte,
die vor allem über die neu gestaltete
Website ermöglicht werden, verstärken
die Beziehung der Kinder zur Marke.
„Wir bekommen täglich mehrere hundert Mail-Anfragen. Da sitzt jemand
vorm Monitor, der nichts anderes tut,
als diese life zu beantworten“, offenbart Weber. Die Website ist für den diesjährigen Multimedia-Staatspreis in
der Kategorie Multimedia4kids nominiert. Bislang hat Jolly auch bei
Veranstaltungen etc. stets Kooperationen durchgeführt, in Zukunft wird
Jolly als Pacemaker fungieren: mit eigenen Events und klassischen CRMTools, etwa Geburtsgeschenken für
die Clubmitglieder.
„Wichtig ist uns, dass wir mit den
Kindern in Kontakt stehen“, philosophiert Weber, „am Ende des Tages kaufen zwar die Eltern die Stifte, aber das
Kind wird ablehnend reagieren, wenn
es keine Beziehung zur Marke hat.“
Deutschland zum Narren machen
Ein imposanter Vergleich ergibt sich,
wenn man die Tagesproduktion an Stiften des Werks in Graz-Gösting aufeinander stellt. Von den insgesamt 230.000
produzierten Schreibgeräten sind
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Wie kommt die
Mine in den Stift?
lles beginnt mit einem Brettchen
aus speziellem Stifteholz. Zuerst
werden in das Brettchen Rillen gefräst. Dann werden die Minen in das
Brettchen eingelegt und mit Leim verklebt. Anschließend klebt man ein
zweites Brettchen wie einen Deckel
auf das untere. Damit aus dem Brettchen mit den eingelegten Minen
ganze Stifte werden, kommen diese
Brettchen jetzt unter den Hobel. Dort
bekommen sie ihre meist sechseckige
Form. Nachdem die Stifte auseinander
geschnitten worden sind, werden sie
lackiert, damit du gleich siehst, welche Farbe sie haben. Eine spezielle
Maschine sorgt dafür, dass die Stifte
eine schöne Spitze bekommen. Dann
prüfen wir natürlich noch, ob die Qualität der Stifte auch passt.
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173.000 so genannte holzgefasste Ware,
Buntstifte, die unter der Bezeichnung
„Supersticks“ laufen. Stellt man die Supersticks aufeinander, dann überragen sie den Großglockner acht Mal.
Schade, dass das Gleiche nicht
Buntstifte sind eben nicht nur innen, sondern auch außen bunt. Gleich nach dem
Schneiden werden die Stifte lackiert. Der
Automatisierungsgrad bei Jolly ist hoch
mit den Geldscheinen möglich ist, die
ins Haus flattern, mag sich Weber
denken. Denn heuer wäre man schon
froh, wenn die Umsatzentwicklung, wie
geplant, stabil verlaufen würde. Weber ist zuversichtlich und das Ergebnis soll auch positiv ausfallen. Trotz des
Relaunches, trotz einzelner Änderungen im Vertrieb. 9,8 Millionen Euro
betrug der Umsatz 2005, 2,8 Millionen
Euro davon erwirtschaftete der Export.
Die Produkte sind in fünf Hauptsegmente einteilbar: holzgefasste Ware
(Bunt- und Grafitstifte), Fasermaler,
Deckfarben, Wachskreiden und Handelswaren (z. B. Schultaschen, Radiergummi, Anspitzer). Das Werk in GrazGösting soll eine Zukunft haben. Die
Einsparpotenziale, zum Beispiel Mitarbeiterabbau, sind fast abgeschlossen. In der Distribution gibt es eine Änderung. Jolly konzentriert sich auf
Großhandel, Fachhandel und KeyAccounts wie Libro als zentrale Absatzpartner.
Ein großes Vorhaben ist der Eintritt in den deutschen Markt. Dafür
wurde eigens ein Profi mit 20-jähriger
Branchenerfahrung engagiert. Vielleicht werden also bald nicht nur zur
Karnevalszeit vermehrt Narrenkappen in Deutschland zu sehen sein.
Jolly goes TV
Den Clou startet man aber im anstehenden Herbst. Ab Ende Oktober
werden Brettspiele, Puzzles sowie einfache Denkspiele vertrieben, die alle
Jolly-Attribute innehaben: gehobene
Qualität, gute Haltbarkeit und der besondere Spaßfaktor.
Die Spiele wurden im Rahmen eines neuen Fernsehformats für Kinder
entwickelt. Dieses wird ab 11. September beim reichweitenstärksten Sender
für Kinder bzw. in dessen ÖsterreichFenster zu sehen sein. Es handelt sich
um eine mit guten Inhalten gefüllte Sendung mit Interviews von Prominenten,
Reportagen von Spielemessen und
vielem mehr.
„Der Weg der Marke kann nur
über das Kind gehen. Wir haben die
spannende Aufgabe zu lösen, unsere
guten Imagewerte bei den Erwachsenen zu erhalten und gleichzeitig nah
bei den Kindern zu sein“, präzisiert Weber.
Übrigens, Jolly hat blondes Haar.
Website: www.jolly.at
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