„Lion-Project“? - Das Fremde und das Eigene

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Vorstellung
LION-PROJECT ist eine deutsche-SINTI-Initiative die sich der kultursensiblen Prävention sowie dem
Erhalt der Kultur, Geschichte und Sprache der Sinti zum Ziel gesetzt hat.
Darüber hinaus aber will Lion-Project dazu beitragen Vorurteile und Klischees abzubauen in dem es
das über die Jahrhunderte vorherrschende und verzerrte Bild der ROMA und SINTI durch Aufklärung
und Einblicke richtig darstellen und korrigieren will.
Lion-Project ist in erster Linie dem Schutz und dem Erhalt unserer Geschichte, Kultur und Sprache
verpflichtet.
Das Aufzeigen und Weitergeben unserer Geschichte, Kultur und Sprache an unseren Kindern
gewährleistet den Fortbestand einer jahrtausendalten Kulturgemeinschaft.
Lion-Project ist unabhängig, neutral und eigenständig jedoch stets zum interkulturellen Dialog und
einer Zusammenarbeit mit anderen Organisationen bereit die ihren Beitrag zum Erhalt der Kultur der
Sinti und Roma leisten wollen.
Warum „Lion-Project“?
Sinti und Roma haben trotz Jahrzehntelanger Integration und Sesshaftmachung ein unanfechtbares
und uneingeschränktes Recht auf Ausleben ihres Kulturgutes,- welches auch das Herumreisen
beinhaltet.
Nicht zuletzt aber basiert die Namensgebung dieses Projektes auf Grund unserer jungen, wilden und
freiheitsliebenden Kinder und Jugendlichen mit denen wir es von Lion-Project zu tun haben.
Unser Team
Alle 8 Mitarbeiter des Lion-Project sind ehrenamtlich in ihren Regionen als Ansprechpartner für
Roma-Und Sintikinder und Jugendliche tätig und gehören selbst der Minderheitsgruppe der Sinti an.
Tätigkeit-und Aufgabenbereiche
Vorwiegend füllen alle Mitarbeiter verschiedene Tätigkeitsbereiche im Lion-Project aus wie z.Bsp.
„Vertrauensperson“ für Jugendliche, Seelsorge für Mütter und Ehefrauen, Romaneslehrer/in( in
unserer Romaneschule), Talentförderung in der traditionellen Musik und Gesang vorwiegend der
Sinti aber auch der Roma(die durch Musiker und Sänger unterrichtete wird), Öffentlichkeitsarbeit,
Technik (bei Veranstaltungen), Konfliktbewältigung-Beratung und Begleitung im Hinblick auf den
kulturellen Hintergrund unserer Kinder und Jugendlichen in Schulen, Arbeitsplatz und im Alltag.
Ressourcen: Keine! Träger: Keine!
Alles Engagement bestreitet Lion-Project ehrenamtlich und auf eigene Kosten.
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Mythen und Vorurteile gegen SINTI und ROMA
Mythos: „Zigeuner“ stehlen Kinder!
Stahlen sie denn wirklich Kinder?
JA! Und zwar…
Im Zuge der sogenannten „Eingliederungsstrategie“ von sogenannten „Zigeunern“-Sinti
und Roma, begann man im 18. und 19.Jahrhundert den Versuch sie sesshaft zu machen.
Dieses Vorhaben scheiterte jedoch immer wieder an dem Versuch Sinti und Roma mit
Zwang in die Mehrheitsgesellschaft hinein zu pressen, sie zu assimilieren.
Der Widerstand der Sinti und Roma war also nur vorhersehbar da sie ihre soziale und
kulturelle Eigenständigkeit nicht aufgaben.
Eine äußerst einschneidende Zwangsmaßnahme, die Identität von Sinti und Roma zu
brechen, begann Ende des 18.Jahrhundert und war die Geburtsstunde eines weiteren
Mythos der Verfolgung und Hass GEGEN Sinti und Roma mit sich brachte.
In den Jahren 1770/1775 begann man von Seiten der Behörden die sogenannten
„Zigeunerkinder“ von ihren Eltern zu isolieren, man entführte die Kinder regelrecht um
sie gar nicht erst an das "Zigeunerleben" gewöhnen zu lassen.
Was unternahmen wohl die Sinti oder Roma die ihre Kinder mehr lieben als alles andere?
Sie entführten, sie „stahlen“ ihre-EIGENEN KINDER- wieder zurück!
In diese Zeit entstand diese Verleumdung von den „Zigeunern die Kinder stehlen“.
Keineswegs raubten bzw. stahlen Sinti oder Roma fremde Kinder, sondern sie waren
gezwungen sich ihre EIGENEN Kinder zurückzuholen die ihnen der Staat im Zuge von
Zwangsmaßnahmen weggenommen hatte.
Wohlmöglich gab es aber auch Einzelfälle in denen völlig verarmte Einheimische, Sinti
oder Roma ihre Kinder mitgaben, die auf der einen Seite nun froh darüber waren einen
Mund weniger durchfüttern zu müssen und auf der anderen Seite sich dadurch erhofften,
das Kind käme vielleicht irgendwann als Erwachsener wieder zurück mit neuen Berufsund Lebensperspektiven.
Der Ausspruch: „Wenn du nicht artig bist gebe ich dich den „Zigeunern“ mit!“,- spricht
wohl hier Bände.
Auch gab es Fälle in denen ein ungewolltes Kind einer Bauernmagd, dessen Vater der
Bauer selbst war, den Hof verlassen musste oder schon als Baby den am Waldrand
campierenden oder im Dorf gastierenden „Zigeunern“ mitgegeben wurden.
Meist war es aber so, dass die vom Staat geraubten „Zigeunerkinder“ (Jugendliche)
selbst die Initiative ergriffen und aus den Heimen oder Bauernhöfen in und auf denen sie
Zwangsarbeit verrichten mussten flohen und sich auf die Suche nach ihrer „Sippe“ bzw.
nach ihren Eltern begaben.
In einer Zeit in dem ein „Zigeunerdekret“ und „Zigeunergesetz“ auf das andere folgte, in
denen letztendlich Sinti und Roma als „Vogelfrei“ erklärt wurden, ist es wohl völlig
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Unrealistisch, ja geradezu irrsinnig zu behaupten „Zigeuner“, die genug mit sich selbst
und ihrer Umwelt zu kämpfen hatten, würden sich noch zusätzlich, zu all ihrem Übel,
wohlmöglich noch ein blondes, blauäugiges, gestohlenes Kind aufhalsen; Zumal es ihre
ohnehin schon lebensgefährliche Situation und Lebensumstände, zu dieser Zeit, sehr
erschwert hätte.
Auf Grund also ihrer eigenen, herzzerrbrechenden Erfahrungen, haben Sinti und Roma
zur keiner Zeit ihrer Geschichte, so etwas wie „Kinderraub“ anderen Eltern angetan!
„Zigeuner“ scheuen die Arbeit? Keineswegs!
Geschichte von der Grille und der Ameise:
Eines schönen, klaren Wintertages begegnete eine hungrige Grille einer Ameise, die etliche
Körner herbeitrug, um sie in der Sonne zu trocknen.
„Würdest du mir etwas zu essen geben, gute Ameise", bat die Grille, „damit ich ein wenig
meinen Hunger stille? Ich hatte schon lange nichts mehr zu essen."
„Wie komme ich dazu, dich zu ernähren!" entgegnete die Ameise.
„Was hast du den ganzen Sommer über getan?"
„Im Sommer", erwiderte die Grille nicht ohne Künstlerstolz, „da habe ich tagaus, tagein
gesungen!"
„Ausgezeichnet!" bemerkte die Ameise. „Da du im Sommer gesungen hast, solltest du jetzt
vielleicht im Winter tanzen."
„Ich könnte dir schon einige Körner abgeben, dafür musst du mir aber etwas vortanzen. In
diesen kalten Wintertagen wird man ganz trübsinnig und dein Gesang und dein Tanz
könnten mein Herz erwärmen."
Grille und Ameise teilten also die Mahlzeit und dann sang und tanzte die Grille zur Freude
der Ameise.
Wie Sie anhand dieses „klischeehaften“ Beispiels sehen,- ist der Begriff und die
Wahrnehmung von Arbeiten ganz unterschiedlich.
„Wir arbeiten um zu leben,-und leben nicht um zu arbeiten!“
Das Vorurteil Sinti oder Roma würden nicht arbeiten wollen,- ist nicht wahr!
Es ist vielmehr so, dass Sinti oder Roma auf verschiedenster Art-und Weise arbeiten, vor
allem in den Berufen die sie ganz besonders gut können wie z.Bsp.im Handel, im
Instrumentenbau und anderen handwerklichen Berufen. Vorwiegend aber arbeiteten Sinti
und Roma in den Bilden bzw. darstellenden Künsten wie Theater, Tanz oder Musik und
Gesang.
Selbst heute noch werden Berufe im „Entertainment“, von der Mehrheitsgesellschaft, als
nicht „bodenständige, ordentliche Arbeiten bzw. Berufe“ angesehen.
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Seit ihrer Ankunft hier in Europa, und das ist bei den deutschen Sinti über 600Jahre und bei
den Roma etwa 200Jahre her, bis zum 2.Weltkrieg, wo sie noch mit ihren Pferden und
ihren Kutschen durch die Lande zogen und sich vorwiegend außerhalb von Dörfern und
Städten aufhielten, fertigten sie, meist auf ihren noch fahrenden Wagen oder an ihren
Lagerplätzen ihre Produkte und verkauften sie auf Märkten oder boten ihre Waren von
Haus zu Haus an.
Musik und Tanz sowie Theatervorführungen und Puppenspiele zählten ebenfalls zu ihren
festen, regelmäßigen Einnahmequellen.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass viele Sinti und Roma auch schon zu Beginn des 19Jhrd.
sesshaft waren und einer geregelten Arbeit nachgingen.
Von den Nachkriegsjahren bis etwa 1990 fanden immer mehr Sinti und Roma auch feste
Arbeit und Anstellungen in Firmen. Durch Stellenabbau, Abwanderungen von Firmen oder
der Zuwanderung von billigeren Arbeitskräften aus dem ehemaligen Ostblock, waren unter
vielen anderen auch Sinti und Roma als erste betroffen, die dadurch wieder ihre
„ordentliche“ Arbeit verloren.
Flexibilität und Improvisation ist der zweite Name für Sinti und Roma.
Viele Sinti und Roma machten sich wieder Selbstständig im An-und Verkauf von
Antiquitäten und deren Restauration oder im Metallhandel, im Textilhandel oder auch als
Teppichhändler.
Herumsitzen und nichts tun, das gibt es bei Sinti oder Roma nicht,- und wenn sie es tun,
dann entweder nur um das so romantische und klischeehafte Lagerfeuer oder in ihrem
dicken, neuen Mercedes.
Wobei ich schon beim nächsten Vorurteil wäre, worauf ich aber jetzt nicht eingehen
möchte, schlicht und einfach aus dem Grund, weil leider die Mehrheit der Sinti oder Roma
keinen Mercedes oder den neuesten Tabbert-Wohnwagen dahinter besitzen.
Sicherheit und Wohlstand ist in der heutigen Zeit ein Grundbedürfnis,- wobei dies, wie
Alles, relativ ist. So ist also auch für Sinti und Roma Arbeit und die daraus resultierende
Sicherheit und der relative Wohlstand durchaus auch ein legitimes Bedürfnis und Ziel,allerdings nicht auf Kosten unserer sozialen Bindungen oder kulturellen Grundfesten.
Auf Grund der vielen negativ-Erfahrungen, nicht zuletzt unserer Verfolgungsgeschichte
wegen, lösen Begriffe wie Schlüsselkinder, KinderGANZTAGESstätten oder gar 24Stunden Kitas bei Sinti und Roma Urängste aus; Da solch ein Vorgehen, gegenüber den
Kindern, ganz erheblich die „natürliche“ Entwicklung unserer Kinder sowie das
empfindliche, kulturelle Gleichgewicht und die Strukturen eines fest-und
gutfunktionierenden Familienlebens stören und beeinflussen würde.
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Ich will ihnen ein Geheimnis verraten!
Was meine Sie, warum in den letzten 15 bis 20 Jahren auf den Autobahnen mittlerweile
mehr „Holländer“ mit ihren Wohnwägen zu sehen sind, als Sinti oder Roma?
Der Hauptursache hierfür ist,- unsere Kinder gehen in den Kindergarten, in die Schule,
andere besuchen weiterführende Schulen und studieren oder stehen in einer Lehre
und auch die Eltern arbeiten, meist als Selbstständige aber auch als Angestellte und
Arbeiter.
Das „Herumreisen“ ist also vorwiegend nur auf die Ferien beschränkt.
Das Herumreisen mit dem Wohnwagen, wie ich es noch als Kind/Jugendlicher kannte, das
von April/Mai bis Oktober andauerte, in denen die selbstständige Tätigkeit im Handel
ausgeübt wurde, gibt es so nicht mehr. Dementsprechend sind unsere Kinder und
Jugendlichen auch ganzjährig in der Stadt und sind somit auch „ganzjährig“ den Gefahren
einer Stadt ausgesetzt.
Hier setzten wir von Lion-Project unsere wenigen Mittel aber unsere ganze Kraft in unseren
Projekten dazu ein um unseren Jugendlichen vor solchen Gefahren wie Arbeitslosigkeit,
sinnloses Herumhängen, Alkohol, Drogen-und Spielsucht und vieles mehr, aufzuklären,
vorzubeugen, zu sensibilisieren und somit möglichst zu verhindern.
Darüber hinaus fördert die Festigung unserer Kultur im höchsten Maße das
Selbstbewusstsein unserer Jugendlichen und die hieraus resultierende erhöhte
Bereitschaft, unter vielen anderen Dingen, auch „NEIN“ zu negativen-Einflüsse zu sagen die
ihren positiven Lebensweg als Sinti oder Roma und ihrer Karriere im Berufsleben
beeinflussen könnten.
Zur aktuellen Lage in den Schulen, Universitäten und Arbeitsplätzen ist folgendes mit
großer Sorge zu beobachten:
Gerade in einer Zeit wo sich deutsche Sinti und Roma wirklich integrieren wollen und auch
größten Teils schon integriert haben,- nimmt die Diskriminierung von Sinti du Romakindern
in Schulen, an den Universitäten und am Arbeitsplatz wieder drastisch zu. Und ich rede
hier nur von Deutschland und deutschen Sinti und Roma.
Ganz zu schweigen von der antieuropäischen Abschiebepolitik Frankreichs aber auch
Deutschlands oder den faschistischen Entwicklungen in Ungarn, Tschechien und anderen
osteuropäischen Ländern in denen der Bildungszugang für Roma ganz untersagt ist oder nur
unter unvorstellbaren Ängsten und unter Lebensgefahr der Kinder stattfinden kann.
Lion-Project bemüht sich Klischees und Vorurteile gegen alle Sinti und alle Roma durch
Aufklärung und Transparenz abzubauen.
Sie sehen also, dass das Vorurteil Sinti oder Roma wären arbeitsscheu oder ungebildet so
nicht zutrifft, sondern nur weil sie den vorgegebenen Normen oder Ansichten einer
„anständigen“ Arbeit, den vorgegebenen Bildungssysthem nicht entsprechen, oder ihnen
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schlichtweg, nur weil WIR Sinti oder Roma sind, der Zugang zur Bildung und Arbeit
untersagt wird, zu solchen abgestempelt werden.
Hand in Hand und International müssen wir die Notwendigkeit begreifen
unseren Kindern und Jugendlichen, die unsere sowie die Zukunft Europas sind,
eine Stimme zu geben sowie auf ihren kulturellen Hintergrund und ihre
Lebenssituationen aufmerksam machen; Denn unsere Kinder und Jugendlichen
sind das bunte Europa von Heute und Morgen,-und das gilt es zu bewahren!
Rene G Daniel
Lion-Project