Archäologisches Institut

Universität zu Köln
Archäologisches Institut
Kurs: Griechische Porträts
Dozent: J. Lang
Protokollantin: Clarissa Ott
Datum: 12.05. und 26.05.
Stundenprotokoll: 12.05.
Das Thema der ersten Seminarhälfte war ein Vergleich verschiedener Bronzeköpfe
miteinander und ihre darauf basierende chronologische Einordnung.
Zunächst stand der Oberbegriff „Überlieferung“ im Mittelpunkt. Plastiken können als
griechische Originale oder aber als römische Kopien überliefert werden, wobei die römischen
Kopien heute in einer größeren Anzahl erhalten sind als die Originale. So besteht die
Möglichkeit, anhand der Kopien auf die Originale zurück zuschließen. Allerdings besteht die
Gefahr, dass die Originale nicht zu 100% in den Kopien wiedergegeben werden, da die
römischen Künstler eigene Ideen und die Vorstellungen des Auftraggebers haben
miteinfließen lassen.
Zur genauen Datierung und Benennung sind Bildnisse und Inschriften auf Münzen sowie
literarische Quellen hilfreich, wobei in letzteren meist nur kurze Erwähnungen und keine
genauen Beschreibungen zu erwarten sind.
Im anschließenden Teil wurde der sog. „Bronzekopf von Porticello“ analysiert. Er wurde in
einem Wrack nahe Porticello gefunden und ist durch die Konservierung durch das Wasser in
einem guten Zustand. Der Körper ist nicht erhalten. Zur Datierung des Kopfes kann das
Schiffswrack als Orientierung genommen werden, da der Kopf auf jeden Fall vor dem Sinken
entstanden sein muss. Das verwendete Holz kann ebenso zur Datierung genutzt werden, falls
es durch das Wasser nicht zu sehr verwittert ist. Sicherer ist es, sich an Beifunden wie
Keramiken zu orientieren.
Beschreibung des Kopfes: es ist der Kopf eines älteren Mannes, der einen langen,
voluminösen und plastisch gut ausgearbeiteten Bart, einen Schnurrbart und mittellanges,
welliges Haar hatte. Die Nase ist kantig und kann als „Adlernase“ bezeichnet werden. Das
Jochbein steht stark hervor; die Augenhöhlen sind tief; nur rechts ist der Augapfel erhalten.
Die Augenbrauen sind wenig ausgearbeitet. Es sind Stirnfalten und stark ausgeprägte
Nasolabialfalten zu erkennen. Die Ohren sind teilweise von den Haaren bedeckt, außerdem ist
in den Haaren ein „Knick“ zu sehen, der auf ein Haarband schließen lässt.
Unter den gefundenen Fragmenten, die der Statue zugeordnet wurden, befindet sich eine
Bleiplinthe, die die Statue an einem festen Standort verankert haben muss. So kann man
sagen, dass die Statue vor ihrer Verschiffung bereits aufgestellt gewesen sein muß.
Zur Datierung ist eine genaue Betrachtung der Haare und der Körperhaltung (sofern erhalten)
hilfreich. Die Binnenzeichnung, die Form des Bartes und die plastische Ausarbeitung der
Haare können gute Hinweise geben.
Als ersten Vergleich wurde der „Gott aus dem Meer“ herangezogen, der auf 470/60 v. Chr.
datiert wird. Beschreibung: er hat einen langen Bart, ist aber weniger plastisch, eher
blockhaftiger mit seinem stark abstehenden Bart. Daraus lässt sich schließen, dass dieses
Porträt vor dem Kopf von Porticello gefertigt wurde.
Die zweite Vergleichsfigur war ein „Seher vom Zeustempel“. Da der Zeustempel auf 456 v.
Chr. fest datiert ist, dass die Giebelfiguren wie dieser Seher danach datieren müssen.
Beschreibung: Der bärtige Kopf hat kringelige Locken. Der Gesichtsausdruck ist
nachdenklich und weise. Die hohe Stirn lässt auf eine höheres Alter oder zumindest Weisheit
schließen. Falten sind wenig stark ausgeprägt. Die Nase ist eher allgemein gehalten. Die
Augen sind ein gefärbter Glasguss.
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Daraufhin kam die Frage auf, ob der Bronzekopf von Porticello ein Porträt oder eine
Idealplastik sei. War die die dargestellte Person real, hat sie wirklich gelebt? Aufgrund des
Fehlens von Inschriften sollten typologische Vergleiche angestellt werden. So konnte man
erkennen, dass Götter mit stark idealisierten Gesichtszügen dargestellt werden. Der Kopf von
Porticello hingegen wirkt in seinem Ausdruck viel menschlicher.
Der nächste zu untersuchende Kopf war der „Bronzekopf von Antikythera“, der ebenfalls in
einem Schiffswrack gefunden wurde. Beschreibung: er stellt einen älteren Mann mit
individuellen Zügen dar, der einen plastischen, detaillierten Bart trägt. Dessen Locken sind in
einzelne Haare aufgeteilt und zeichnen sich durch eine feine Binnenzeichnung aus. Auch die
Haare sind derart ausgearbeitet. Sie sind von einem Wirbel nach vorne gekämmt und fallen ab
der Schläfe in einzelnen Locken herab. Sie wirken abgelöst und dadurch voluminöser. Der
Übergang zwischen Haar und Bart ist undeutlich. Auffallend sind die Stirnfalten,
Nasolabialfalten, Augenfalten und Tränensäcke. Die Nase ist platt und breit mit ausgeprägten
Nasenflügeln. Das Gesicht ist allgemein sehr asymmetrisch.
Der Kopf wird auf das späte 4. Jh. bzw. frühes 3. Jh. datiert. Der Porticellokopf muss nach
vergleichender Betrachtung früher eingeordnet werden. Also zwischen 456 (dem Bau des
Zeustempels) und 400 v. Chr. (dem Entstehen des Antikytherakopfes).
Danach wurde die Statue eines kynischen Philosophen analysiert. Die kynische Philosophie
geht zurück auf Diogenes und stellt die Bedürfnislosigkeit des Menschen und die
Unwichtigkeit materieller Dinge in den Vordergrund.
Beschreibung: Die Statue hat starke Stirnfalten und stark bewegte Augenbrauen. Die
Wangenknochen sind ausgearbeitet; Haare und Bart sind voluminös und wirken wild. Das
Gesicht hat generell individuelle Züge und ähnelt dem Kopf von Antikythera.
Weiter Bildnisse, die bearbeitet wurden, sind die römischen Kopien des Sokrates. Dieser ist in
3 Fassungen (Typus A, B, C) erhalten. Ähnlichkeiten sind in der Mundpartie, der Stülpnase,
der Stirnglatze und den hervorstehenden Augen zu erkennen. Zur Datierung kann gesagt
werden, dass alle nach 399 v. Chr. entstanden sein müssen, da dies das Todesjahr des Sokrates
war.
Typus B oder auch lysippischer Typus wird nach schriftlichen Überlieferungen auf 330 v. Chr.
datiert. Den Typus A hingegen schätzt man auf das frühe 4. Jh. v. Chr. ein. Er existiert in
wenigen Kopien. Das verschmitzte Lächeln ist wohl eine römische Zugabe. Er weist
Ähnlichkeiten mit einem Satyrn/ Silen auf: die knubbelige Nase, die hohe Stirn und das
flächige Gesicht. Was sagt diese Ähnlichkeit über Sokrates aus? Der Silen wird in
Zusammenhang mit Dionysos, Alkohol und provokantem Verhalten gesetzt. Kann man diese
Attribute so auch auf Sokrates beziehen? Kann man ihn deshalb als „Silen des Platon“
bezeichnen? Es ist kaum anzunehmen, dass diese Interpretation zutrifft. Negative Merkmale
einer Person wurden nicht in einem Porträt umgesetzt. Es wurden eher die guten
Charakteristika desjenigen herausgearbeitet. So erscheint eine andere Interpretation
angebrachter. Der Silen wird steht in der Antike nämlich auch für einen weisen Lehrer, der
Sokrates auf jeden Fall auch war.
Typus C ist der seltenste und wird auf das 2. Jh. v. Chr. datiert.
In der zweiten Hälfte des Seminars wurde ein Referat zum Thema „Die Schreiberstatuetten“
gehalten. Dies ist eine Gruppe von 3 Statuen, die auf der Akropolis in Athen gestanden haben.
Sie bestanden aus einer größeren und zwei kleineren Figuren.
Schreiber I ist eine männliche Figur aus pentelischem Marmor, die sich nach rechts wendet.
Sie trägt einen Mantel, der die rechte Brust freilässt. Der Mantelzipfel liegt links über der
Brust und fällt in Wellen nach vorne. Der rechte Arm ist ergänzt. Es fehlen überdies auch die
linke Hand, das linke Knie und die rechte Hüfte. Der Schreiber ist sitzend dargestellt. Zu
erkenn ist ein Sesselkissen.
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Es ist anzunehmen, dass die Figur bemalt war, da Spuren von Farbe entdeckt wurden. Der
Mantel war vermutlich ockergelb mit einer grün/roten Borte. Die Vertiefungen am Stuhl
sollen rot gewesen sein. Die rechte Hand ist zu einer Faust geballt, in der der Schreiber einen
Stift hält. Auf dem Schoß befindet sich ein kastenförmiger Abdruck und Einbohrungen. Dies
weist auf einen weiteren Gegenstand hin, den die Figur getragen haben muss: eine
Schreibtafel (Triptychon). Die linke Hand ist höher gehalten und verweilt direkt über dem
Schreibgerät. Die Brustmuskulatur ist kräftig; der Rücken ist gewölbt; die Schulterblätter
treten hervor. Die Schienbeine und Waden sind plastisch ausgearbeitet.
Der kleine Schreiber I wurde aus Marmor gefertigt. Er ist ca. 44 cm groß. Die Beine sind
geschlossen. Die Füße sind abgebrochen. Es fehlen außerdem die linke Hand, der rechte Arm
und der Kopf. Der Mantel liegt über der linken Brust, verläuft über den linken oberarm nach
hinten und umhüllt den Unterkörper. Die Knie und Unterschenkel drücken sich leicht durch.
Die Falten des Gewandes werden durch graphische Linien angegeben. Hier wurden ebenfalls
Farbspuren entdeckt: rot, grün und gelb. Der geglättete Oberkörper war vermutlich nicht
bemalt. Man kann aber sagen, dass überall dort, wo die Oberfläche geraspelt, also rauer war,
sich Farbe befunden haben kann. Der kleine Schreiber I hält so wie der Schreiber I einen
Schreibkasten im Schoß, dessen Deckel herabhängt. Auf seinem Sitz liegt ein ehemals rotes
Kissen mit abgerundeten Kanten.
Der kleine Schreiber II ist ebenfalls sitzend dargestellt. Er ist aus Marmor und 29,3 cm hoch.
Der Oberkörper und die Füße fehlen. Der kleine Schreiber II sitzt auf einem Block. Man kann
Fragmente eines Mantels erkennen. Außerdem hielt auch er einen Kasten auf dem Schoß,
dessen Deckel über die Knie hing. Der Kasten ist nach vorne angehoben. Im rechten Daumen
befindet sich ein Bohrloch. Oberflächen und Farbgestaltung sollen denen des großen
Schreibers ähneln.
An den Schreibern ist ein klarer Unterschied in der Fertigung zu erkennen. Der große
Schreiber ist präziser als die beiden kleineren. Daher kommt man in der Forschung zu der
Vermutung, dass der große Schreiber eventuell von dem Meister, die kleineren von seinen
Gesellen gefertigt wurden.
Die Gruppe wird auf 580 v. Chr. datiert. Man orientiert sich hier an dem Kuros „Kalbträger“
aus dem 6. Jh. , der Übereinstimmungen bei Muskeln und Manteldarstellung (enganliegend,
kurz) aufweist. Der Mantel lässt die Körper durchscheinen, die Falten sind als geometrische
Linien angedeutet und verlaufen im Zickzack. Dies verweist auf eine mögliche Datierung im
späten 6. Jh. In neuerer Forschung konnte dem großen Schreiber ein Kopffragment
zugeordnet werden, dessen Kurzhaarfrisur ebenfalls auf das späte 6. Jh. weist. Als weiteres
Vergleichsstück kann die Euthydikos-Kore herangezogen werden, die um 490/80 datiert wird.
Die Statuen wurden gleichzeitig aufgestellt, vermutlich zum Anlass der Amtsübergabe von 3
Beamten. Dazu sollte ihre Rolle in der Gesellschaft hervorgehoben und die Beamten selbst für
ihre Verantwortungsstellung gewürdigt werden.
Zur Aufstellung ist zu sagen, dass Säulen auf der Akropolis gefunden wurden, die eine
Inschrift zum Thema der Amtsübergabe tragen und eine Einlassung vielleicht für einen
kleinen Schreiber aufweist. Die Schreiber könnten vielleicht auf dieser Säule gestanden
haben.
Abschließend bleibt hier die Frage, ob man die Schreiberstatuetten als Porträts gelten können.
Es gibt keine Inschriften mit Namen, auch sind nicht alle Köpfe erhalten. Allerdings ist ein
essentieller Bestandteil der griechischen Skulptur auch der Körper, der die Person genauer
charakterisiert. Die Porträts in der Archaik sind mehr Rollenporträts. Die Abbildung des
Menschen in seiner sozialen Rolle ist in dieser Zeit wichtiger als die Darstellung von
Individualität im Sinne vom Aussehen. Die Skulpturenköpfe sind nie mit der Wirklichkeit
übereinstimmend.
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