Februar 16 | #537 Das Kommunale Kino Wiens, Akademiestraße 13, 1010 Wien Hong Sang-soo, „Right Now, Wrong Then“, ab 12. Februar & Pietro Marcello, „Bella e perduta“, ab 26. Februar im Stadtkino im Künstlerhaus FrauenFilmTage 2016, von 26.2. bis 3.3. 2016 im Filmhaus Kino The Power of Soju. Zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum kommt ein Film des südkoreanischen Regiestars Hong Sang-soo regulär in die Kinos. Eine Liebeserklärung. RUDOLF THOME I m Oktober 2010 lief auf der Viennale von mir Das rote Zimmer und von Hang Sang-soo Hahaha. Ich schickte Ekkehard Knörer von „Cargo“ eine email und lud ihn ein, sich meinen Film anzusehen. Er schrieb zurück, dass er nicht kommen könne, weil er die Gelegenheit nutzen müsse, den neuen Film von Hong Sang-soo zu sehen. Danach habe ich seine Kritik dazu gelesen und war fasziniert. Ich hatte bis dahin noch nie von Hong Sang-soo gehört. Zurück in Berlin habe ich angefangen, alle erreichbaren Filme von Hong Sang-soo zu besorgen. Den ganzen November über war ich beim Sehen von insgesamt elf Filmen wie verzaubert. Und der Höhepunkt für mich war sein bis dahin letzter Film Oki´s Movie. Das hatte ich seit den Filmen von Jean-Luc Godard in den sechziger Jahren nicht wieder erlebt. Hong Sang-soo ist ein genuiner Kinoerzähler. Seine Geschichten sind extrem einfach, aber oft kompliziert erzählt, sodass man sie mindestens zweimal sehen muss, um die ganze Vertracktheit seines Erzählens zu verstehen. Es geht bei ihm immer um Männer, die fast immer Filmregisseure sind, und Frauen, die meistens jünger sind, und im Verlauf dieser Geschichten ist das koreanische Getränk Soju sozusagen der dritte Hauptdarsteller. Soju trinkt sich leichter als Wein, ist aber fast so stark wie Schnaps und damit der perfekte Screwdriver, eine Möglichkeit aus meiner Erinnerung, um Mädchen problemlos ins Bett zu kriegen, was in seinen Filmen immer wunderbar funktioniert hat. In Right Now, Wrong Then gibt es, wie auch schon in den Filmen der letzten Jahre diese Szenen nicht mehr.Was ich sehr bedauere. Die Geschichte hier ist spartanisch einfach. Ham Chunsu, ein berühmter Filmregisseur ist von einem Provinzfestival in der Nähe von Seoul eingeladen worden, zu seinem neuesten Film ein Publikumsgespräch zu machen. Das Festival hat ihn in Fortsetzung auf Seite 2 » Inhalt Der Tag, an dem der Schnee fiel. Einblicke in die Arbeit von Hong Sang-soo. 3 Mysterious Object at Noon. Apichatpong Weerasethakuls Debütfilm am 25.2. im Stadtkino. 6 FrauenFilmTage 2016. Das beliebte Festival schlägt erneut seine Zelte im Filmhaus Kino auf. Zulassungsnummer GZ 02Z031555 Verlagspostamt 1150 Wien / P.b.b. 7 02 Hong Sang-soo, „Right Now, Wrong Then“ » Fortsetzung von Seite 1 einem billigen Hostel untergebracht. Er schaut morgens aus dem Fenster und sieht ein junges Mädchen, das auf ihn wartet. Er denkt, die ist jung, schlank und schön, und dass er aufpassen muss, mit ihr nicht sofort eine Liebesgeschichte anzufangen. Sie arbeitet als Volontärin für das Festival.Vor dem Hostel erfährt er von ihr, dass sie ihn bewundert und dass seine Filme in ihrem Leben schon immer eine wichtige Rolle gespielt haben, und dass sie davon träume, bei ihm in einem neuen Film mitzuarbeiten. Der Regisseur sieht Leute, die in der Nähe auf einem Eisstadion Schlittschuh fahren. In der dritten Szene des Films zieht der Regisseur sie auf einem Brett mit Schlittschuhkufen über das Eis. Sie freut sich. Er fällt, weil das Eis glatt ist, hin. Er bezahlt den Eintritt. Danach geht er in einen Tempel und beobachtet Heejung, ein anderes Mädchen. Er spricht sie an und lädt sie ein, mit ihm einen Kaffee zu trinken. Beide fangen an, sich Dinge aus ihrem Leben zu erzählen. Danach möchte er mit ihr etwas Essen gehen. In der vierten Szene essen sie zusammen, was man nicht sieht, und trinken dazu Soju. Hong Sang-soo zeigt das in einer Zehnminuten-Einstellung. Das Mädchen von der Seite. Er frontal. Er sagt immer wieder „du bist so schön“. Sie sagt, weil er so viel Soju trinkt „du bist ein richtiger Mann“. Er antwortet „und du bist eine richtige Frau“. Irgendwann hört er auf zu reden und starrt sie einfach an. Beim ersten Sehen der DVD bin ich bei dieser Szene total ausgeflippt. Das was im Gesicht des Regisseurs Ham Chunsu zu spüren ist, wurde plötzlich auch mein Gefühl. Er gerät in eine Art von Trance und ich, weil die Szene so lange dauert, auch. Ich habe das Mädchen, das man nur von der Seite sieht, vor allem ihren Hals, bewundert. Ich bin schon da in eine Dimension jenseits von Kino abgerutscht, jenseits dessen was passiert, wenn man normalerweise einen Film sieht. Von da an wusste ich, dass ich diesen Film lieben werde. Die Beiden besuchen das Atelier des Mädchens. Sie ist Malerin. Regisseur Ham Chunsu kommentiert das Bild, das sie malt, mit Worten wie „du bist auf einem schwierigen Weg, du weißt noch nicht, wo du hin willst, aber du hast Talent“. So wie eine Wahrsagerin sprechen würde. Heejung ist tief beeindruckt. Danach fällt Heejung ein, dass sie mit Freundinnen verabredet ist und sie gehen beide hin. Es sind zwei ältere Frauen, die ihn umschwärmen und ihm Fragen stellen, wie das so ist als Filmregisseur bei der Arbeit mit Schauspielerinnen, ob er mit ihnen Liebesgeschichten habe. Bei seinen offenen Antworten, denn er hat zunehmend weiter Soju getrunken, erzählt er schließlich, dass er verheiratet ist und zwei Kinder hat. Das Gesicht von Heejung, die ihn da hingebracht hat, erstarrt bei seinen Antworten zunehmend. Sie ist verletzt über das, was er sagt. Die Kamera zoomt auf ihr Gesicht. Sie sagt, dass sie müde ist, steht auf und verschwindet in einen Nebenraum. Statt Soju wird auch manchmal Tee getrunken - sonst: ein typischer Hong Sang-soo Er geht später zu ihr, aber sie schickt ihn weg. Später geht sie allein nach Hause. Sie wohnt noch immer bei ihrer Mutter und die erwartet sie schon auf der Straße. Am zweiten Tag im ersten Film macht Ham Chunsu sein Publikumsgespräch. Er soll die Frage seines Gastgebers beantworten, was für ihn Film bedeute. Was ist Film? Möglichst in einem Satz. Ham Chunsu sucht nach Worten, findet keine und fängt urplötzlich an, den Gastgeber zu beschimpfen. Er verlässt den Kinosaal, die Volontärin ist bei ihm, er schimpft weiter und fährt zurück nach Seoul. rät ins Schwimmen. Das verstärkt sich in der Szene im Atelier des Mädchens. Sie benutzt eine andere Farbe beim Malen eines Bilds und das Bild sieht man diesmal nicht. Jetzt lobt er sie nicht mehr, sondern kritisiert sie. Er sagt, sie male aus Selbstmitleid und zu konventionell. Das macht sie wütend. Sie sagt, dass er nicht nachdenkt, bevor er den Mund aufmacht. Weil er nicht weiter weiß, will er eine Zigarette rauchen und das verbietet sie ihm. Beim Sojutrinken im Restaurant, in derselben Einstellung wie im ersten Film gedreht, kommt Hong Sang-soo’s unglaublicher Witz Hong Sang-soos Geschichten sind extrem einfach, aber oft kompliziert erzählt, sodass man sie mindestens zweimal sehen muss, um die ganze Vertracktheit seines Erzählens zu verstehen. Nach einem Schwenk auf eine Buddhastatue beginnt der zweite Film, der jetzt so wie der Haupttitel heißt. Der erste Film, dessen Ablauf ich gerade erzählt habe, hieß „Wrong Now, Right Then“. Das ist zunächst ziemlich verwirrend. Was ist wahr, was ist falsch? In den Kritiken nach Locarno dachte ich, dass mich der Film nicht wirklich interessieren würde, denn alle schrieben, dass man zwischen erstem und zweitem Teil vor allem auf die geringfügigen Veränderungen achten müsse. Darauf hatte ich keine Lust. Der zweite Film beginnt so ähnlich. Die Szene im Eislaufstation fällt weg. Die Begegnung mit der Heejung im Tempel und die Szene beim Kaffeetrinken sind fast gleich erzählt. Das löst beim Anschauen bereits ein merkwürdiges Gefühl von Irrealität aus. Die Fiktion ge- zum Vorschein, denn der zweite Film bezieht sich auf den ersten Film. Heejung ist wie verwandelt. Sie trinkt wesentlich mehr Soju als im ersten Film. Er sagt zwar wieder, wie schön sie ist und dass sie eine richtige Frau sei. Aber sie antwortet, dass er das wahrscheinlich allen Frauen sage, die er kennenlernt. Er schaut sie wieder lange an und gesteht, dass er sich in sie verliebt habe. Sie lacht. Er sagt, ich möchte dich heiraten. Sie: du bist ganz schön verrückt. Er: aber ich kann dich nicht heiraten, denn ich bin schon verheiratet und habe zwei Kinder, aber ich liebe dich. Da fängt er plötzlich an zu weinen. Ihre Antwort: ich wünschte ich hätte dich früher kennengelernt. Damals warst du bestimmt schöner. Sind dir viele Mädchen nachgelaufen? Er zieht einen Ring aus der Tasche, den er vorher auf der StadtkinoZeitung Straße vor dem Restaurant gefunden hat. Sie sagt, das ist unser Ehering und er sagt: jetzt sind wir verheiratet. Beide strahlen und gehen dann zusammen zu Party im Café ihrer Freundinnen. Heejung ist diesmal von Anfang an im Nebenzimmer. Auch hier fragen ihn die beiden Frauen aus. Ham Chunsu will nach einer Weile aufstehen, ist aber viel zu betrunken und fällt auf den Boden. Die Freundinnen sind bestürzt. Er rappelt sich wieder auf und sagt, er habe das nur für sie gespielt. Er sei ein guter Schauspieler. Dann fängt er an, seinen Pullover, sein Hemd und seine Hose auszuziehen. Die Freundinnen sind zuerst irritiert und dann schockiert. Denn er macht immer weiter, und steht, was wir nicht sehen, nackt vor den beiden Frauen da, denn diese schreien völlig entsetzt laut auf. Wieder angezogen geht er zu Heejung ins Nebenzimmer und sagt ihr, dass er gehen will. Sie fasst ihn sanft am Gesicht an. Er legt seine Hand für einen Augenblick auf ihre Hand. Das ist der zärtlichste Moment in dieser doppelten Liebesgeschichte. Es ist ein verrücktes wildes Kinomärchen mit Dialogen wie in einem alten Hollywoodfilm. • Rudolf Thome, geboren 1939, ist einer der international geachtetsten deutschen Filmemacher. In den 60er Jahren begann er in Bonn als Filmkritiker, drehte aber bald seine ersten Filme, u.a. 1969 „Rote Sonne“ mit Marquard Bohm und Uschi Obermaier, der zu einem Schlüsselwerk der Münchner Filmemacher-Szene der späten 60er Jahre avanciert. Seine Filme beschreiben immer wieder das Verhältnis von Mann und Frau, aktuelle Lebensverhältnisse und Bewusstseinszustände und finden dabei stets neue Formen, Emotionen und Bedürftigkeiten seiner Protagonisten darzustellen. Zu seinen bekanntesten Filmen gehören „Detektive, Supergirl“, „Beschreibung einer Insel“, „Berlin Chamissoplatz“, „Tarot“, „Der Philosoph“, „Frau fährt, Mann schläft“ und „Pink“. Er betreibt einen sehr empfehlenswerten Blog auf seiner Homepage www.moana.de und ist ein bekennender Fan der Filme Hong Sang-soos. Hong Sang-soo Jigeumeun matgo geuttaeneun teullida Right Now, Wrong Then (Korea (Rep.) 2015) Regie und Drehbuch Hong Sang-soo Darsteller Jung Jae-young, Minhee Kim Kamera Park Hong-yeol Schnitt Hahm Sung-won Musik Jeong Yong-jin Ton Song Yea-jin Produktion Jeonwonsa Film Co. Verleih Stadtkino Filmverleih Länge 121 Min. Format DCP / Farbe Ab 12. Februar im Stadtkino im Künstlerhaus StadtkinoZeitung Hong Sang-soo, „Right Now, Wrong Then“ 03 Der Tag, an dem der Schnee fiel Hong Sang-soo über „Right Now, Wrong Then“. CHRISTOPHER SMALL & DANIEL KASMAN E inen Tag bevor Hong Sang-soo beim Filmfestival in Locarno den Goldenen Leopard erhielt, trafen ich und Daniel den Regisseur auf der Veranda seines Hotels am See.Während wir uns unterhielten, zogen Wolken von der Mitte des Sees auf und es begann zu regnen. Dadurch erschien die Veranda mehr und mehr wie ein intimer, abgeschlossener Raum. Hong erzählte mit ruhiger Stimme, und sich eine Zigarette nach der anderen ansteckend, von seinem Film, der sowohl bei der Jury als auch beim Publikum gefeiert wurde. Christopher Small Wir wollen mit einer praktischen Frage beginnen. Du hast gesagt, das Budget betrug ca. 100.000 Dollar … Hong Sang-soo Nicht genau, die Produktion selbst hatte 50.000$, aber mit allem, was dann noch dazu kommt, waren es wohl ca. 100.000$. CS Gibt es ein Prozedere, das du normalerweise durchläufst, um Förderung zu bekommen? Hong Ich bekomme keine Förderung mehr. Ich kann überleben. Daniel Kasman Weil du einen Produzenten hast, der sich um diese Dinge kümmert? Hong Ja, ich habe für fast jeden Film ein paar Leute, die für mich arbeiten. Ich habe Schauspieler, die für fast gar nichts arbeiten. Die Kosten sind somit sehr niedrig und meine Filme finden ihr Publikum innerhalb und außerhalb von Korea. Ich kann also ohne Förderung oder ähnliches einen neuen Film machen. DK Bedeutet diese Unterstützung Freiraum, einen Film anders zu drehen? Hong Ich bin eben ein Glückskind. Ich kann machen, was ich will und muss es nicht mit jemandem diskutieren. CS Warum kehrst du immer zu denselben Figuren zurück? Es gibt auch in dem neuen Film wieder einen Regisseur, eine Filmstudentin, einen Kritiker … Hong Es kommt mir gelegen (lacht). Es ist nicht so wichtig, dass es Filmregisseure sind, verstehst du? Ich kenne sie nur. Ich habe nicht das Bedürfnis, neue Berufe oder andere Charaktere aufzuspüren. Was ich mit diesen simplen Elementen in jedem Film mache, ist wichtig. Eine neue Profession wäre gegen meine Natur. Es entspricht mir eher, mit den Dingen zu arbeiten, die ich bereits kenne und so Neues zu entdecken. Ein Regisseur ist lediglich eines dieser wichtigen Elemente, die ich gut kenne. Ich würde keinen Film über einen Piloten machen – müsste ich ihn beschreiben, wäre das vermutlich sehr stereotyp. DK Wie viele deiner Filme endet auch dieser mit einer gewissen Lektion: Der Regisseur benimmt sich in der zweiten Geschichte des Films besser, er ist ehrlicher und somit endet es besser für ihn. Gehen deine Filme von solchen Grundideen aus? Wo begann für dich Right Now Wrong Then? Hong Ich hatte zu Beginn gar keine Idee. Meistens fange ich mit gar nichts an. Ich kümmere mich um Drehorte und Schauspieler, aber nicht um Charaktere. Ich treffe sie möglichst ohne eine Intention zu haben. Ich denke mir nur: „Vielleicht will ich diesen Mann oder diese Frau sehen“, dann rufe ich sie an, wir treffen uns. Mich kümmert es nicht, was sie in anderen Filmen gemacht haben, die ich manchmal gar nicht gesehen habe. Ich will nur die Person sehen. Diese ersten Eindrücke erinnern mich dann vielleicht an etwas aus der Vergangenheit. Das ist wichtig für den Anfang. Und genauso funktioniert es auch mit Drehorten. Manchmal durchstreife ich einfach ein paar Straßen, und wenn ich ein Gefühl dafür habe, gehe ich einfach zu einem Geschäftsbesitzer oder Lokalbesitzer und sage: „Ich bin Hong Sang-soo und vielleicht drehe ich hier einen Film. Meine Arbeitsweise ist etwas seltsam. Ich weiß nicht, was ich tun werde, aber vielleicht komme ich zwei, drei Mal her. Ich informiere Sie wegen Hong Sang-soo mit seinem Goldenen Leoparden beim Filmfestival in Locarno 2015. des Drehtages.“ Und so habe ich Drehorte und Schauspieler. Dann gehe ich in ein Motel oder Hotel und bleibe ein paar Tage, um über eine Struktur nachzudenken. Manchmal fange ich auch ohne das an. Das ist okay. Selbst wenn ich mir eine Struktur zu Recht gelegt habe, ist sie alles andere als final, sie dient nur als Vorwand, den Film anzufangen. Manchmal beginne ich mit gar nichts. Mein Assistent ruft dann an den Drehorten an und sagt ihnen, dass ich komme, und ich rufe die Schauspieler an. Am ersten Drehtag lege ich endgültig fest, was ich mir ausgedacht habe. Dann drehen wir und am Ende des Tages sehe ich es mir an und versuche ein Gefühl für den Rest des Films zu bekommen. Und wenn sich das nicht einstellt, versuche ich es am nächsten Tag wieder. Normalerweise habe ich innerhalb von drei Tagen den Film im Kopf. Und dann folge ich dieser Vision und Hong Das ist das erste Mal, dass ich so arbeite. Obwohl es aussieht, als wäre die zweite Episode dieselbe Geschichte, gibt es feine Unterschiede in den Details: in unterschiedlichen emotionalen Einstellungen, Gesichtsausdrücken, bei der Intonation. Das war es, was ich zu Beginn machen wollte – einen Film mit einer verdoppelten Struktur, aber mit Unterschieden. Wenn diese zu offensichtlich ausfallen, ist es leicht. Aber bei diesem Film – was ist das? (lacht) Nur zwei unterschiedliche Welten, die nicht logisch erklärt werden können. Die Unterschiede kann man nur fühlen. Ich habe gehofft, das Publikum in eine Art Schwebezustand zu bringen, sodass es sich fragt: „Oooh, was ist Leben?“ (lacht). DK War es eine Herausforderung, diese Szenen noch einmal unterschiedlich zu inszenieren? Hong Ja, ein bisschen. Deshalb habe ich den Ich gehe nicht mit festen Intentionen an einen Film, sondern bin lieber offen für das, was passiert. Das ist mein Temperament. weiß manchmal nach der Hälfte des Drehs, was ich eigentlich will. DK Bedeutet das, dass du das Drehmaterial der ersten Tage nicht verwendest? Hong Doch, ich benutze alles. Aber das ist meine Natur und so arbeite ich schon lange Zeit. Irgendwie kann man dieses Material verwenden. Seltsam, aber es geht. CS Arbeitest du mit Schauspielern und Sets genauso, dass du am Drehtag die Einstellung festlegst? Hong Was sie sagen und tun sollen ist immer im Drehbuch. In der Früh bekommen sie das für den jeweiligen Tag.Vor Drehbeginn beobachte ich so viel wie möglich. Ich will nicht nach irgendwelchen Plänen arbeiten, denn das bedeutet, dass man das wiederholt, was man in der Vergangenheit gehört und gesehen hat. Das ist nicht neu und nicht interessant. Ich versuche eher zu beobachten und darauf zu reagieren. Das ist alles viel interessanter als das, was ich mir vorher ausdenken legen hätte können. Nach irgendwelchen Absichten vorzugehen, wäre für mich komplett uninteressant und langweilig. Ich brauche jeden Tag etwas Neues, Unerwartetes. Nur so fühle ich mich lebendig und kann arbeiten. DK Ich habe gehört, du hast bei Right Now Wrong Then zuerst die erste Geschichte gedreht, sie den Schauspielern gezeigt und dann den zweiten Teil. Warum hat dich diese Konstellation interessiert? ersten Teil geschnitten und den Hauptdarstellern gezeigt. Ohne es ihnen zu erklären – und am Schluss habe ich nur gesagt: „Vielleicht wollt ihr da ein bisschen einsamer werden, oder ein bisschen mehr so.“ Ganz einfache Anweisungen. Und zum Hauptdarsteller: „Vielleicht hast du eine ähnliche Erfahrung wie beim ersten Mal, aber jetzt willst du ein guter Mann für diese Frau sein.“ Ganz einfach – ohne große Erklärungen. CS Wie lange dauert der Schnitt bei dir? Hong Nur einen Tag. Es gibt nicht viele Schnitte. (lacht) Es sind nur wenige Szenen und ich weiß, was ich will. Es dauert oft nur drei oder vier Stunden, und dann habe ich den Film geschnitten. Dann brauche ich eine Pause, etwa eine Woche, um es noch einmal mit einem distanzierteren Blick zu sehen. Und dann zeige ich ihn ein paar Freunden um andere Ansichten zu bekommen. So fügt sich dann alles zusammen. DK Das hört sich nach einer ständigen Veränderung an – beim Drehen, beim Schneiden. Hong Genau das brauche ich. DK Hat der Film dich am Schluss überrascht? Hong Ich war sehr neugierig, als ich den Film meinen Freunden gezeigt habe. Und musste zwei Stunden warten … (lacht) CS Und das Publikum hier in Locarno? Hong Ich habe ein gutes Gespür für die Qualität von Applaus, und ich denke, hier war er sehr gut. DK Bei diesen langen Einstellungen frage ich mich, wie viele Takes du drehst, bis es für dich stimmt. Es sieht so aus, als bestünde eine Choreografie zwischen dem Text und der Darstellung. Hong Das ist von Szene zu Szene unterschiedlich. Wenn es sehr lange dauert, dann 15 Takes, manchmal mehr. Aber normalerweise sind es so 7-8 Wiederholungen. DK Und die Trinkgelage? Hong Wenn sie trinken, ich meine wirklich trinken, dann brauche ich meistens 2 oder drei Takes, denn sonst … DK In der ersten Sushi-Szene im Film macht der Schauspieler einen ziemlich betrunkenen Eindruck. Hong Er war es auch. Beide sind betrunken in der Szene. Wir haben es vielleicht im zweiten Anlauf geschafft. Ich sagte: „Wenn ihr euch betrinkt, dann können wir keine 10 Takes machen. Also konzentriert euch, seid mutig und nichts wie ran!“ DK Die Anfangsmusik in deinen Filmen ist oft ähnlich. Wie arbeitest du mit dem Komponisten? Hong Ich verlange eigentlich nur drei Dinge: Einen schnellen Rhythmus, eine kurze Melodie – wie bei einem Kinderlied, und auf möglichst einfachen Instrumenten. CS Die Musik die wir im Kino am Schluss hören, ist die von Hill of Freedom (2014), nicht? Hong Ja. Wenn die Musik zu stark ist, stößt sie mit dem, was ich im Film machen will zusammen. Das will ich nicht sehen. Und ich will auch keine emotionale Unterstützung durch Musik. Ich will sie in der Mitte, ein bisschen unabhängig, ein bisschen als Hilfe – sie soll mit dem Film zusammenspielen, nicht darunterliegen, nicht darüber und nicht zu stark sein. DK Da die Frau sich in den beiden Geschichten sehr subtil unterscheidet und der Mann klarer anders ist, habe ich immer auf sie geachtet um ihre Reaktion auf sein Anderssein zu sehen. Für mich war sie eine Art Wegweiser, zu sehen, was anders ist in der Welt. Näherst du dich Frauen als moralische Instanzen an oder als Bestätigung, ob du etwas richtig machst? Hong Vielleicht, ja. Aber auch bei Männern. Wir sollten es fühlen, aber vielleicht tun Frauen es mehr? Darüber habe ich nie nachgedacht. Ich glaube, dass – wenn man es so nennen kann – „wahre Liebe“ zwischen einem Mann und einer Frau das kostbarste im Leben ist. Wahre Liebe. Es ist sehr schwer, sie zu erreichen und zu bewahren.Vielleicht hast du somit Recht. In meinem dritten Film gibt es einen Zwischentitel aus Shakespeares Sommernachtstraum („Find’t seinen Deckel jeder Topf, Und allen geht’s nach ihrem Kopf.“). Und daran glaube ich fest. Das Leben scheint sehr kompliziert und es gibt so viele Probleme. Aber wenn du jemanden wirklich liebst und in dieser Beziehung erfolgreich bist, dann tut dir alles andere nicht so weh. Da es aber so schwer zu erreichen ist, suchen wir immer nach anderen Lösungen. Bin ich jetzt ein Romantiker? (lacht) CS Das führt uns zum Ende des Films. Der Film war zuvor ziemlich geradlinig, fast schon ironisch und sehr witzig. Der Schluss ist aber sehr zärtlich: Man sieht eine Frau im Kino, der Regisseur kommt und setzt sich hinter sie, die beiden beginnen zu reden. Und als sie nach draußen gehen, schneit es. Wie hast du diesen Wetterumschwung in den Film gebracht? Hong Nun, an diesem Tag hat es geschneit und ich danke dem Himmel dafür. So arbeite ich – ich passe mich den Gegebenheiten an. Ich gehe nicht mit festen Intentionen an einen Film, sondern bin lieber offen für das, was passiert und versuche, danach zu reagieren und etwas daraus zu machen, das am Schluss ein Ganzes ergibt. Das ist mein Temperament. Zuerst erschienen auf mubi.com - Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung. 04 Pietro Marcello, „Bella e perduta“ StadtkinoZeitung Der Büffel Sarchiapone und sein Diener Pulcinella „Dass dieser Palast wieder lebt“ Ein Meisterwerk: „Bella e perduta“ von Pietro Marcello. CLAUS PHILIPP O ft fällt in Zeiten der Veränderung der Satz, es sei nun Schluss mit den Märchen. Gern wird von Dingen, die – vermeintlich – „falsch“ dargestellt werden, gesagt, es handle sich um Mythen, mit denen man „aufräumen“ müsse. Besonders beklemmend agieren dann pessimistische „Realisten“, die meinen, man müsse aufhören mit den Märchenstunden, es sei Zeit, die Verhältnisse so zu sehen und zu beschreiben, „wie sie sind“. Dem sei einmal entgegengehalten: In Kampanien lebte einst ein armer Schafhirte, der liebte einen alten Palast. Während Räuber und Banditen bei jeder sich bietenden Gelegenheit die verfallenden Gemäuer zu plündern suchten, wendete Tommaso all seine Zeit und Mühe daran, das was vom alten Glanz noch übrig war, zu erneuern. „Ich wünsche mir, dass dieser Palast wieder lebt“, meinte er.Viele hielten Tommaso für einen Narren, aber als er an einem Weihnachtsabend starb, da beklagten alle den Tod des „Engels von Carditello“. Und wie zum Hohn bestellten die Mächtigen des Landes nach Tommasos Abgang plötzlich einen Verwalter für den Palast, sie hängten eine blaue Fahne mit vielen Sternen über sein Tor. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann reden sie noch heute des öfteren von Kulturerbe. Irgendwo in Pietro Marcellos Bella e perduta fällt einmal der Satz, Märchen und Fabeln sollten die Wahrheit bzw. von der Wahrheit erzählen. Der junge italienische Filmemacher wollte Leben und Arbeit des Tommaso Cestrone dokumentieren. Und von Beginn an wollte er dessen Bemühungen um den königlichen Palazzo di Carditello in einen märchenhaften Zusammenhang rücken: Cestrone findet einen kleinen Wasserbüffel; nach dem Tod des Hirten erfüllt eine klassische Figur der Commedia dell’Arte, der maskierte Kasper Pulcinella den letzten Wunsch des Verstorbenen. Er nimmt sich des Büffels an und macht sich mit ihm auf eine Reise durch ein Italien, in dem in vielerlei Hinsicht vieles abhanden gekommen zu sein scheint: Das Verständnis für und das wortwörtliche Verstehen von Tieren; die Liebe zu einer Vergangenheit und zu (Erzähl-)Traditionen, die mit „Kulturerbe“ nur unzureichend umschrieben sind; und, einhergehend mit dieser Entfremdung, der Natur wie der Kultur gegenüber - die Fähigkeit, Gegenwart lebbar, nachvollziehbar werden zu lassen. Man träumt wieder vom italienischen Kino, wie es zu Zeiten der Fahrraddiebe quasi bei- läufig höchste Leichtigkeit gepaart mit inständigster Ausdruckskraft verband, wenn man Bella e perduta sieht. Einen stummen Schrei von einem Film, einen Stummfilm geradezu (wäre da nicht die von D’Annunzio, Leopardi, Piovese inspirierte Sprache), in dem sich das Hilflose und (wenn man so will) Lachhafte zu wahrer Größe, Grandezza erheben. Allein, wenn das Büffelbaby am Anfang des Films mit von schwerem nassem Lehm über eine Wiese stakst, versteht wirklich jedes Kind: Es gibt etwas Leichtes im Schweren, das es zu bewahren gilt. Und wenn am Ende der ausgewachsene Büffel vor dem Pritschenwagen zurückscheut, mit dem er zur Schlachtbank transportiert Vergehen. Wo er kein großes Hochglanz-Produkt bereitzustellen hat, verlässt er sich auf die Magie der Handlungs- und Bild-Fragmente, die fürwahr auch ein Breitwandepos tragen würden. Und wenn er am Ende seinen Helden und ihrer Bestimmung treu bleibt, anstatt auf die Kitschtube zu drücken, dann ist das getragen von wahrer Erkenntnis. Pulcinella, der maskierte Kaspar und Anarchist, er ist nämlich nicht nur eine Karnivalsfigur. Er ist wirklich ein Narr. Und weil er ein Narr ist, will er irgendwann nicht länger maskiert durch die Lande zielen, sondern erkennbar Mensch und Liebhaber werden. Dafür bezahlt er nicht nur mit seiner Unsterblichkeit; Es gibt etwas Leichtes im Schweren, das es zu bewahren gilt. werden wird: Nach Momenten wie diesem kann man im Kino dieser Tage lange suchen. Finden wird man sie vielleicht in den Filmen eines Albert Serra, eines Miguel Gomés, eines Aki Kaurismäki – großer Humanisten, denen sich Pietro Marcello mit Bella é perduta nachgerade mühelos, in jedem Fall selbstverständlich zugesellt. Es gibt in der Tat wenig mit diesem Film Vergleichbares im Kino dieser Tage, in denen sich wirklich alles gegen erzählerische Unabhängigkeit von ökonomischer, politischer, gesellschaftlicher Schwerkraft zu wenden scheint: Lieber deklinieren sogenannte „Arthouse“Produzenten und –Kinobetreiber die hundertste französische Mittelklasse-Komödie oder die zweihundertste britische Kostümschmiere durch, bevor Filme wie Bella e perduta die ihnen zustehende Öffentlichkeit erhalten, ausserhalb dessen, was man heute gemeinhin den Festival-Circuit nennt.War das früher besser? Ja, früher war das anders. Und genau davon erzählt Pietro Marcello mit diesem Film, in dem er gleichsam sämtliche Speere, die sich gegen ihn gerichtet haben, auf gleichmütigste, freundlichste, stoische Weise umdreht: Den Tod seines Protagonisten, der Marcello dem Vernehmen nach überrascht und klarerweise hart getroffen hat, nimmt er zum Ausgangspunkt für einen noch intensiveren, weitsichtigeren Blick auf allgemeines sein Handeln bedeutet auch, dass sein Freund, der Büffel (wie man so weise umgangssprachlich sagt:) „daran glauben muss“. Es ist kein Verlass auf Narren, egal ob sie maskiert oder als verliebte Menschen agieren, und der Preis, der dafür zu zahlen ist – ihn bezahlen meistens die Anderen. Spätestens an diesem Punkt verlässt Bella e perduta auch die Position der wie auch immer „märchenhaften“ Dokumentation, und der Film tritt ein in einen Raum des Mythischen, des Mythos schlechthin, im Oszillieren zwischen (wir zitieren Hans Blumenberg) „Weltzeit und Lebenszeit“. Kann man dem Märchen noch unterstellen, es vereinfache verworrene Bedingungen zugunsten einer schematisierten Komplexität, so geht der Mythos entschieden weiter: Seine Voraussetzung sind gewissermaßen Veränderungen und Verwandlungen („Metamorphosen“), egal, ob es um Menschen geht, die von Göttern träumen, oder um Götter, die sich mit den Menschen erst einigen müssen. Tommaso Cestrone, der Hirte, der nicht davon lassen konnte, einen alten hinfälligen Palast zu renovieren, mag auch ein Narr gewesen sein. Pietro Marcello erweist ihm die Ehre, diese Lesart stehen zu lassen und Certone gleichzeitig in den Rang einer mythischen Figur zu erheben: Jemanden, der (einmal lacht er, (weint er?) an einen Baum gelehnt) Vergan- genes als Gegenwart zu lesen und zu verändern und zu verwandeln weiß. Man muss sich Prometheus als einen begeisterungsfähigen Menschen vorstellen, der Erkenntnis und Erfahrung teilen wollte. Dafür wurde er bestraft, das war sein Ende. Aber über dieses Ende wird ewig erzählt werden. Nicht anders verhält es sich mit Sarchiapone, dem kampanischen Wasserbüffel, der am Ende eine Hinrichtung ohne Schuld über sich ergehen lassen muss. Er vollzieht den Lauf der Dinge, wie sie eben sind, aber zugleich verschwindet er nicht im Vernichtungsapparat der Alltäglichkeiten. Man weiß jetzt, dass er sprechen konnte. Man hört immer noch, was er erzählt hat. Man hat gesehen, wie seine Augen schimmern, und was sich in ihnen gespiegelt hat, als er dem Ende entgegen sah. • Premiere am 26.2. in Anwesenheit des Regisseurs (angefragt) im Stadtkino im Künstlerhaus. In Kooperation mit der Italienischen Zentrale für Tourismus ENIT und den ÖBB verlosen wir einen Reisegutschein nach Italien.Tickets ab sofort reservierbar. Gewinnen Sie ein Ticket für 2 Personen im ÖBB Nachtreisezug von Wien nach Florenz, Pisa oder Livorno und retour. Sie reisen im eigenem Double-Schlafwagenabteil inklusive Welcome-Package und Wahlfrühstück. Entdecke Italien auf www.enit.at Mit dem ÖBB Nachtreisezug in die Toskana www.oebb.at/nachtreisen Pietro Marcello Bella e perduta (Italien 2015) Regie Pietro Marcello Drehbuch Maurizio Braucci, Pietro Marcello Darsteller Tommaso Cestrone, Sergio Vitolo, Gesuino Pittalis, Elio Germano (Stimme) Kamera Pietro Marcello, Salvatore Landi Schnitt Sara Fgaier Musik Marco Messina Ton Riccardo Spagnol Produktion L'Avventurosa Film, RAI Cinema Verleih Stadtkino Filmverleih Länge 87 Min. Format 16mm / DCP / Farbe Ab 26. Februar im Stadtkino im Künstlerhaus Pietro Marcello, „Bella e perduta“ StadtkinoZeitung 05 Was einmal war, ist für immer verloren und wir begehren das Unmögliche Ein Gespräch mit Pietro Marcello und Maurizio Braucci. Die Entstehung des Films Das Projekt war von einem Buch von Guido Piovene inspiriert und von der Idee, eine Reise über die gesamte italienische Halbinsel zu machen. Ausgangspunkt waren unsere eigenen Wurzeln, also Kampanien, wo wir zufällig auf den „Engel von Carditello“,Tommaso Cestrone, stießen und einen jahrhundertelang verlassenen Bourbonenpalast: die Geschichte dieses Hirten, der im Palast nach dem Rechten sieht und die männlichen Büffel vor ihrem Schicksal bewahrt, hätte eine Episode des Films werden sollen. Doch während der Dreharbeiten starb Tommaso unerwartet und es schien uns wichtig, seiner Geschichte zu folgen. Der Film ist gleichzeitig eine Dokumentation, ein Traum (wie alle Träume voller Bezüge zur Realität) und ein modernes Märchen. Das Schloss von Carditello Die Geschichte dieses Schlosses ist paradox, exemplarisch für die Schizophrenie in unserer Gesellschaft, in der viel vom Schutz der kulturellen und landschaftlichen Güter die Rede ist – diese aber verfallen oder zerstört werden. Das Schloss wurde von Charles de Bourbon im 18. Jahrhundert gebaut, es war eine „ModellFarm“, ein Ort, mit Vorreiterschaft, was Tierschutz betraf, und an dem Wissenschaftler aus ganz Europa arbeiteten: eine gloriose „Institution“ – bis die Savoyen kamen, die das Schloss einem Gutsherrn aus Casal di Principe überließen – einem Cammorista aus der Zeit – unter dem der Niedergang begann. Im 20. Jahrhundert war das Schloss ein Versteck für den Casalesi-Clan und in seiner Umgebung ein Lager für Waffenschmuggel. Aus all diesen Gründen ist Carditello ein Symbol für die unvollständige Geschichte Italiens, eines Italiens, das nie von der Vision Mazzinis, von dem geplünderten Süden, vereint wurde. Es wurde zum Zeichen für das Pech, das das Land der Arbeit überkommen hat, das in den letzten Jahren ein Land der Feuer wurde. Ein Land das sehr fruchtbar war, auf dem drei Mal im Jahr geerntet werden konnte – und das heute von drei Mülldeponien belagert wird – eine davon zählt zu den größten Europas, und einem Entwurf für eine Hochgeschwindigkeitszugverbindung. Mensch und Natur: ein universelles Thema Wir präsentierten das Projekt indem wir mit dem begonnen, was wir am Besten kannten, aber das Umweltdesaster, das Kampanien traf, ähnelt vielen auf der ganzen Welt und die Beziehung zwischen Mensch und Natur ist vermutlich ein ziemlich universelles Thema unserer Zeit: Bella e perduta ist eine sehr poetische Geschichte – gesehen durch die Augen eines Tiers – über diese Beziehung, in der aus Harmonie ein Konflikt wird. „unser“ Sarchiapone ist gewissermaßen das Symbol einer mehr und mehr überwältigenden Beziehung: An der Art, wie Menschen ihre Tiere behandeln, misst man, wie weit ihre Zivilisation fortgeschritten ist. Der Zorn der Gerechten Wer hat sich über die Jahrhunderte denn gegen die Gewalt, die der Natur angetan wurde, gewehrt? Das waren bestimmt nicht die Beamten, die Büroangestellten. Es waren die Bescheidenen, die Armen: Ihr Kämpfen wurde oft als selbstsüchtig, reaktionär angesehen, aber stattdessen – das haben wir über die Jahre gelernt – haben sie das Land und die Gesundheit verteidigt. Die Protagonisten dieser Verteidigung waren diejenigen, die die Auswirkungen dieser Attacken der Menschen auf die Natur zu spüren bekommen haben: Vergiftetes Gras, verseuchtes Wasser.Tommaso Cestrone war ein Hirte, ein einfacher Mann, der das Schöne geliebt hat, der wusste, wie man es erkennt, aber der nicht wusste, wie er das ausdrücken sollte – außer durch seine Fürsorge, die er auch den Tieren zukommen ließ: Das ist das Emblem einer Generation, die, obwohl sie nicht über die Werkzeuge verfügte, eine UmweltschutzDebatte zu führen, eine Bastion wurde – die einzige zum Schutz der Landschaft. Bella e perduta ist die pikareske Erzählung der Abenteuer dieser zwei bescheidenen Seelen – einem Menschen, Tommaso, und einem Tier, Sarchiapone – aber der Film erzählt auch die Geschichte einer Wiedergutmachung, in der die demütigen Seelen, die Mythen, die Träger diese „Zorns der Gerechten“ werden, die ohne intellektuell zu sein gegen Unehrlichkeit und Spekulation aufstehen. Pulcinella und das Märchen Heute kennt man Pulcinella als maskierte Figur aus der Tradition der Commedia dell’Arte. Eigentlich stammt er aber aus dem etruskischen Kulturkreis, wo er ein Halbgott war, der den Toten zuhörte, die zu den Lebenden sprachen, und Nachrichten aus dem Jenseits überbrachte: unserem Pulcinella wurde die Große Schönheit im bukolischen Stil Aufgabe zuteil, Sarchiapone, den jungen Büffel, den Tommaso kurz vor seinem Tod gerettet hatte, weg vom Schloss zu führen.Wir dachten uns eine Reise aus, die die beiden an ein neues Ziel, Tuscia, führen sollte. Und währenddessen erinnert sich das Tier wie durch Magie an seine eigene Geschichte. Diese schrieben wir direkt vor Ort, während wir uns auf diese Reise begaben, gewissermaßen als Antwort auf die Umwelt. Als wir schließlich bei Gesuino, einem Hirten im nördlichen Latium (Maremma), ankamen, versorgte uns er mit einer weiteren Verbindung zwischen Märchen und Realität. Er schlug uns ein tragisches „reales“ Ende für Sarchiapone vor: Das Tier kann seinem Schicksal, Untertan des Menschen zu sein, nicht entkommen. Und so steht am Ende wieder der Tod, diesmal als Ritual, als Opfer, aber nichtsdestotrotz: Der Tod des Tiers. Pietro Marcello über „Bella e perduta“ Meinen Blick auf Italien habe ich geschärft, als ich viel mit dem Zug gefahren bin und die Landschaften betrachtet habe. Mit der Zeit habe ich die Schönheit und den Ruin des Landes kennen gelernt. Oft habe ich darüber nachgedacht, eine Art „Reisefilm“ zu drehen, der die Provinzen durchstreifen und so das Land beschreiben würde: Schön, ja, aber verloren. Leopardi beschrieb es einst als weinende Frau, den Kopf in ihren Händen, aufgrund der Lasten der Geschichte, das atavistische Böse zu schön zu sein. Als ich zufällig das Schloss von Carditello und das Märchen – denn es ist in Wahrheit eines – von Tommaso, dem „Engel von Carditello“, einem Hirten, der alles hinter sich ließ, nur um sich um dieses verlassene Anwesen zu kümmern, sah ich eine starke Metapher dafür, was ich unbedingt beschreiben wollte. Was auf den unerwarteten Tod Tommasos folgte, ursprünglich als „Reise durch Italien“ geplant war, wurde ein anderer Film: Eine Verwebung von Märchen und Dokumentation, von Traum und Realität. Carditello ist das Symbol verlorener Schönheit und dem Kampf eines Individuums, eines Waisen, der sich keinem verrotteten Mechanismus der Zerstörung und des Verfalls ergeben will. Gleichzeitig ist der Film tief in der Geschichte unseres Landes verwurzelt, und erforscht ein Thema, das nie so universell war: Die Beziehung zwischen Mensch und Natur.• EDITION FILMMUSEUM 98 APICHATPONG WEERASETHAKUL MYSTERIOUS OBJECT AT NOON Mit dieser Edition liegt zum ersten Mal die vom Filmmuseum und der Film Foundation aufwändig restaurierte Fassung von Apichatpong Weerasethakuls genreübergreifendem Langfilmdebüt Mysterious Object at Noon (2000) auf DVD vor. Zum Bonusmaterial gehören drei vom Regisseur persönlich ausgewählte Kurzfilme – thirdworld (1997), Worldly Desires (2005) und Monsoon (2011) – sowie exklusiv auf dieser DVD die 2009 erschienene und inzwischen vergriffene Buchpublikation Apichatpong Weerasethakul von Filmmuseum und Synema als PDF im ROM-Bereich. „… a film unlike any other …“ Elvis Mitchell, New York Times Laufzeit: 85 Minuten (+63 Minuten Bonusmaterial), deutsche und englische Untertitel All Regions, 16:9/4:3 PAL DVD-Rom-Bereich mit 256-seitigem Buch als PDF (in englischer Sprache) 20-seitiges Booklet mit einem Text über Mysterious Object at Noon von James Quandt (erstmals in deutscher Übersetzung) sowie Informationen zur Restaurierung PREIS: €19,90 - ERHÄLTLICH IM FILMMUSEUM, STADTKINO IM KÜNSTLERHAUS, FILMHAUS KINO AM SPITTELBERG UND AUF WWW.FILMMUSEUM.AT ODER WWW.EDITION-FILMMUSEUM.COM Apichatpong Weerasethakul, „Mysterious Object at Noon“ 06 Meine Geschichte ist etwas unzusammenhängend „Mysterious Object at Noon“ – jetzt restauriert. JAMES QUANDT D as erste Geschenk von Apichatpong Weerasethakul an die Kritiker war der Titel seines Langfilmdebüts: Seine Filme wurden seither unzählige Male – und dies gar nicht flapsig unbedacht, sondern ganz ernsthaft – als „geheimnisvolle Objekte“ bezeichnet. Sich von vornherein auf die Rätselhaftigkeit eines Werks zu berufen, setzt dessen Unergründlichkeit voraus und dient auch als vorauseilende Entschuldigung, falls man an der kritischen Analyse scheitern sollte. Diese Taktik erweist sich bei dem vorliegenden dichten und schillernden „Dingsbums“ als besonders verlockend – angesichts seiner Ursprünge in der thailändischen Populärkultur und im amerikanischen Dokumentar- und Experimentalfilm, seiner verwirrenden und erfrischenden Verschmelzung von Genres (Märchen, Roadmovie, Dokumentar-, Horror- und Science-Fiction-Film, Musical) und Tonlagen (abwechselnd traurig, surreal, ausgelassen, scherzhaft oder rau) sowie seiner handgestrickten und zugleich höchst geordneten Herangehensweise: Die Struktur des Films ist sowohl linear als auch verschachtelt, und schon im Titel kommen das nicht Erfassbare (geheimnisvolles Objekt) und das zeitlich Exakte (Mittag) sehr anschaulich zusammen. Während sich die zeitliche Präzision als irreführend erweist (Zeit kann hier kaum je festgemacht werden, sie befindet sich den ganzen Film über im Fluss, samt historischer Anachronismen und mangelnder Angaben zum Tagesablauf oder zur dreijährigen Entstehungsdauer des Films), beruht der Modus Apichatpong Weerasethakuls Debüt wird am 25.2. in einer Sondervorstellung im Stadtkino im Künstlerhaus gezeigt. Operandi von Mysterious Object at Noon wie so oft in Apichatpongs späteren Arbeiten auf Überraschung und Unzuverlässigkeit: Der Film gleicht einem bewussten Umherirren nicht nur im Verlauf der Erzählung, sondern auch hinsichtlich formaler Aspekte wie der akustischen Quellen und Erkennungsmerkmale auf der Tonspur, der Abfolge der Einstellungen und der Identifizierung von Schauplätzen und Darstellern. Mit einem winzigen Budget und mit zahlreichen Unterbrechungen gedreht, lehnt sich Mysterious Object at Noon an das Modell des Torsten Fischer und Herbert Schäfer Blue Moon Eine Hommage an Billie Holiday Regie Torsten Fischer Bühnenbild und Kostüme Herbert Schäfer, Mit Vasilis Triantafillopoulos Sona MacDonald und Nikolaus Okonkwo »Hinreißend gelungen. MacDonald imitiert Holiday nicht, sondern verschmilzt mit dem Gesang, den sie zugleich sorgfältig präpariert. Der Mond strahlt, die vierköpfige Band (Leitung: Christian Frank) legt einen daunenweichen Teppich. Formvollendet.« (Der Standard) U Trailer zu sehen auf FFÜ R AU H RU NG www.josefstadt.org Karten und Info unter: T +43 1 42700-300 INSERAT_Blue_Moon_02.indd 1 18.01.16 10:10 Cadavre exquis an – jenes berühmte, von den französischen Surrealisten entwickelte Verfahren, bei dem Zeichnungen oder Texte von einem Künstler an den nächsten weitergegeben und fortgeführt werden. Das Ausgangsmaterial bleibt dabei dem jeweiligen Bearbeiter verborgen, sodass jeder Zusatz nicht auf „logische“ oder festgelegte Weise erfolgt. Daraus resultiert ein kollektives, zufällig zusammengesetztes Werk. Das Wechselspiel von Zufall und Berechnung in dieser Art desadditiven Erzählens, das Changieren zwischen „blinden“, ungestümen oder unbeabsichtigten Details einerseits und ihrer gewaltsamen Einarbeitung in einen gegliederten Ablaufandererseits, wurde von Apichatpong virtuos genützt. Apichatpong und seine Assistenten reisten von Norden nach Süden durch das ländliche Thailand, wobei sie ein unsichtbares geografisches Muster auf eine scheinbar ziellose Fortbewegung übertrugen und Fremde aufforderten, vor Ort zu improvisieren, d.h. eine Geschichte weiterzuspinnen, die zuerst von einer Frau am Beginn des Films erzählt wurde. Doch der Schleier der Ungewissheit, der über der Autobiografie der Frau liegt, die die Geschichte ins Leben rief, lässt den Zuschauer nicht nur hinterfragen, ob der herzzerreißende Bericht über ihre eigene – man vermutet, reale – schmerzhafte Vergangenheit, dem sie eine Fiktion anfügt (die fantasierte Flucht einer Lehrerin namens Dogfahr, die einen querschnittgelähmten Jungen in einem Rollstuhl pflegt), der Wahrheit entspricht, sondern auch, was prinzipiell im Film als „real“ oder nicht konstruiert gelten kann. „Es war einmal“, der erste der zahlreichen Stummfilm-ähnlichen Zwischentitel von Mysterious Object at Noon, beschwört schon vor dem eigentlichen Beginn des Films eine spielerische oder märchenhafte Aura herauf, die unmittelbar mit der dokumentarischen Beschaffenheit des Vorspanns bricht – das erste Beispiel für das ständige Pendeln des Films zwischen Ebenen und Stimmungen. Gedreht wurde im 16mmFormat, in grobkörnigem, häufig überbelichtetem Schwarzweiß und mit der Handkamera. All dies verleiht dem Film eine vielleicht ungewollte „Direct Cinema“-Authentizität, die im Kontrast zum oftmals fantastischen Erzählmaterial steht. (Man könnte hier z. B. an die Kombination aus Gespensterhaftem und Neorealismus denken, wie sie Roberto Rossellini in La macchina ammazzacattivi - Die Maschine Bösetöter (1952) praktizierte). Mysterious Object at Noon beginnt mit einem Lieblingsverfahren Apichatpongs: einer langen, ungeschnittenen Kamerafahrt durch Straßen und über Autobahnen (in seinen späteren Filmen finden diese Fahrten unter freiem Himmel und am Land statt und sind befreiender als hier im engen städtischen Raum).Während sich das Fahrzeug, aus dem die Kamera blickt, verlangsamt und ei- StadtkinoZeitung nen schlingernden Weg durch den Dschungel der Straßenschilder bahnt, annonciert die Tonspur zuerst den Namen einer thailändischen Soap Opera namens Tomorrow I Will Love You - Morgen werde ich dich lieben und beginnt dann, Fragmente von Radiowerbungen wiederzugeben: Reklamen für Kräuter-Räucherwerk der Marke Chatra Lotus (ideal für buddhistische Rituale) oder für gedünsteten und gesalzenen Thunfisch, Meeresfrüchte und Krabbensauce. Die Quelle der Werbesprüche bleibt ungeklärt, sie kann nicht eindeutig verortet werden und kommt vielleicht aus einem Radio im Fahrzeug oder aus den Läden, die den Weg des bis jetzt unidentifizierten Fahrzeugs säumen; oder sie stammt überhaupt nicht aus dem Ort der Handlung. Ein paar abrupte Schnitte offenbaren schließlich sowohl den Lieferwagen als auch den Ursprung der Werbesprüche: Es handelt sich um einen Fischverkäufer, der mittels Mikrofon Produkte bewirbt und deren Preise ansagt, während er nach einem Parkplatz sucht, um seine Waren zu verkaufen. Ganz gegen seinen Charakter erscheint Apichatpong in Mysterious Object at Noon zunächst wie ein Materialist – wie ein moderner Naruse, der auf Geldbeträge, auf den Preis von Dingen fixiert ist. Acht oder neun Baht für verschiedene Arten Fisch; fünfzig, sechzig, achtzig Baht für Schuhe; 38.000 Baht für ein Hörgerät; 500 Baht pro Nadelstich für einen Arzt, der einen verletzten Kickboxer vernäht; und, im wohl erschütterndsten Beispiel: die 1700 Baht, die ein Mann als Bezahlung für seine Tochter erhält. Der Rest des Films entwickelt sich aus der sonderbaren Geschichte, die eben diese Tochter über Dogfahr und deren Schützling, den an den Rollstuhl gefesselten Jungen erzählt. Die Erzählung wird ihr auf eine Weise abgerungen, die die Authentizität ihrer eigenen Lebensgeschichte in Zweifelstellt. Sie schildert in einem ergreifenden Bericht, wie sie von ihrem Vater einem Onkel als Bezahlung für eine Busfahrkarte überlassen wurde und anschließend aus ihrer ländlichen Heimat nach Bangkok flüchtete. Die Off-Stimme des Regisseurs fragt bei der aufgelösten Frau sanft nach, ob sie noch „andere Geschichten“ weiß, und versichert ihr, „(es kann) eine wirkliche oder ausgedachte (sein)“ – ein Hinweis darauf, dass ihre Lebensgeschichte genauso so erfunden oder übertrieben sein könnte wie andere Erzählungen im Film. Mysterious Object at Noon wurde oft als Dokumentarfilm bezeichnet, obwohl nichtganz klar ist, was hier „dokumentiert“ sein sollte: die Genese des Films selbst vielleicht oder das nationale Unbewusste der ländlichen Bevölkerung? Der Film hat in seinen Porträts der verschiedenen Menschen sicherlich den Charakter einer protokollierenden Beobachtung: Deren gesprochene, gesungene, geschriebene, gebärdensprachliche Reaktionen auf die Dogfahr-Geschichte offenbaren sowohl die beißende Schärfe mündlich überlieferter Volkssagen als auch die Bewusstheit modernistischer Erzählweisen; in diesem Sinn fungiert der Film gleichzeitig als Dokument und als Fiktion, als Porträt eines Landes und als Studie seiner kollektiven Traumwelt. Apichatpong hat allerdings den bloßen Begriff des Dokumentarfilms dezidiert abgelehnt: „Ich glaube nicht an den Dokumentarfilm, so wie er gemeinhin verstanden wird. Ich glaube nicht an Realität im Film. Für mich gibt es da keine Realität, weil das Filmemachen ein sehr künstlicher Vorgang ist. Also gibt selbst das, was man als Dokumentarfilm bezeichnet, die Wahrheit nicht wieder, weil es zu subjektiv ist und man keinen Film dreht, nur um sich bestimmte Dinge genauer anzusehen. Deshalb glaube ich, dass die Filme nur mein eigener Ausdruck meines Lebens sind. Aber das bedeutet nicht notwendigerweise die Wahrheit.“ • Der vollständige Text (Übersetzung von Renaud Tschirner) ist im Booklet der DVD Ausgabe „Mysterious Object at Noon“ der Edition Filmmuseum enthalten.Wir präsentieren die restaurierte Fassung des Films am 25. Februar um 19 Uhr im Stadtkino im Künstlerhaus in Kooperation mit dem Österreichischen Filmmuseum. Die DVD ist ab sofort auch an unseren Kinokassen erhältlich. Restored in 2013 by the Austrian Film Museum and the World Cinema Project. Apichatpong Weerasethakuls aktueller Film „Cemetery of Splendour“ ist weiterhin in unseren Kinos zu sehen. StadtkinoZeitung FrauenFilmTage 2016 07 Neue Frauenfiguren im Film Wieder im Filmhaus Kino am Spittelberg: Die FrauenFilmTage 2016. Nahid A ntiheldinnen im Film straucheln, fallen nieder und finden ihren eigenen Weg. Sie versuchen den Konventionen zu entsprechen und doch gelingt es ihnen nicht immer, ihre persönlichen Bedürfnisse mit jenen der Familie und Gesellschaft in Einklang zu bringen. Die FrauenFilmTage 2016 widmen einen Teil der Filme diesen Antiheldinnen. Wichtig ist dabei, dass es keine Frauenfiguren aus der Retorte sind und es keine Lebensläufe sind, die man im Kino schon vielfach gesehen hat. Ganz im Gegenteil haben die Protagonistinnen ein Recht darauf zu scheitern und ihre ganz eigenen Wege zu gehen. Die Veranstalterinnen der FrauenFilmTage finden, dass das den Blick auf Frauenfiguren im Film ungemein erweitert. Für ihren ersten Spielfilm Vergine giurata über eine junge Albanerin, die an einem sozialen Leben nur als Mann - indem sie ihrer Sexualität abschwört - teilnehmen kann, konnte Laura Bispuri als Hauptdarstellerin Alba Rohrwacher gewinnen. Sie verkörpert „Mark“, die in ihrer albanischen Gemeinschaft nun als Mann wahrgenommen wird - in ihrer Körperhaltung und Gestik beeindruckend! Der Rollenzwang in dem sich „Mark“ befindet wird nach Jahren brüchig und sie beschließt sich auf die Suche nach ihrer Schwester in Italien zu machen. Langsam zerbricht das Schutzschild, das sie sich jahrelang aufgebaut hat. Dass auch im Iran eine neue, junge Generation von FilmemacherInnen heranwächst beweist der erste Spielfilm von Ida Panahandeh. In Nahid ist die Hauptprotagonistin Sarah Bayet tief verschuldet und kämpft jeden Tag um ihr finanzielles Überleben. Geschieden von ihrem drogensüchtigen Mann darf sie ihre neue Liebe nicht heiraten, ohne das Sorgerecht für ihren Sohn zu verlieren. Aus diesem Zwiespalt entsteht eine Kette von Maßnahmen mit dem Ziel, sich ihre materiellen Wünsche zu erfüllen – auch wenn das gerade ein rotes Sofa ist - und ihre Liebe zu leben. Ida Panahandeh hat bisher Kurz- und Dokumentarfilme realisiert und für das Fernsehen gearbeitet. Ihr erster Spielfilm hatte Premiere auf dem Filmfest in Cannes 2015. Auch von Schulden geplagt und konfrontiert mit einem neuen Wirtschaftssystem ist Nino, die Protagonistin Salome Alexis Spielfilm Kreditis Limit (zu Gast auch bei Crossing Europe 2015). Nino versucht trotz der prekären wirtschaftlichen Verhältnisse das Familienleben aufrecht zu erhalten und jedem Mitglied seinen gewohnten Lebensstandard zu ermöglichen. Dass das nur gelingt, in dem die Familienwerte verkauft und verpfändet werden, ist die dunkle Seite der Geschichte, die von Regisseurin Salome Alexis paradox-humorvoll erzählt wird. Die Regisseurin wird zur Vorführung anwesend sein und über Frauen & Humor im Film sprechen. The Girl King Unangepasst agiert auch Königin Kristine, wunderbar dargestellt von Malin Buska in Mika Kaurismäkis aktuellem Film The Girl King. Kristine musste als 18-Jährige die Thronfolge antreten, war unglaublich gut im Fechten und weit ihrer Zeit (1626-1689!) voraus als Modernisiererin ihres Landes. Sie war mit Descartes auf Du und Du und hat sich blindlings in ihre Hofdame Ebba Sparre (Sarah Gadon) verliebt, eine nicht zu akzeptierende Verbindung in den Augen des Kanzlers, dargestellt von Michael Nyqvist (Verblendung). In Nebenrollen Martina Gedeck als irre Mutter in noch irrerem Kostüm und Peter Lohmeyer als Bischof von Stockholm – ein lustvoller Griff in die Melodramen-Kiste und ein Kostümschinken erster Güte. Was für ein Spaß an der Freude! Regie: Mika Kaurismäki (Moro no Brasil, Mama Africa). • FrauenFilmTage von 26.2. bis 3.3. 2016 im Filmhaus Kino Eröffnung am 25.2.2016 im Filmcasino Veranstaltung zu Frauen & Flucht im Haus der Europäischen Union am 4.3.2016 Programm unter www.frauenfilmtage.at Die FrauenFilmTage 2016 werden gefördert von Filminstitut,Wien Kultur, Österreichische Entwicklungszusammenarbeit,VDFS,VAM, F&MA, Bundesministerium für Bildung und Frauen. » Wenn also die GRENZEN unsere STÄDTE durchziehen und ZERTEILEN, dann sind der KAMPF um DEMOKRATISIERUNG oder die Acts of Citizenship gerade hier zu VERORTEN.« Jochen Becker / metroZones – Zentrum für städtische Angelegenheiten dérive N°61: Perspektiven eines kooperativen Urbanismus, S. 11 Jetz t be stel Einz elhe len! ft € Jahr es-A 8 bo (4 H e f te )€2 ww 4 w.d eriv e.at Vergine giurata Impressum Telefonische Reservierungen von Mo. bis Do. 8.30-17 Uhr, Fr. 8.30-14 Uhr unter 522 48 14 – während der Kassaöffnungszeiten: Stadtkino im Künstlerhaus Akademiestraße 13, 1010 Wien, Tel. 712 62 76 / Filmhaus Kino am Spittelberg Spittelberggasse 3, 1070 Tel. 522 48 16. Online www.stadtkinowien.at Herausgeber, Medieninhaber Stadtkino Filmverleih und Kinobetriebsgesellschaft m.b.H., Spittelberggasse 3/3, 1070 Wien Graphisches Konzept Markus Raffetseder Redaktion Claus Philipp Druck Druck Styria GmbH & Co KG, Styriastraße 20, 8042 Graz Offenlegung gemäß Mediengesetz 1. Jänner 1982 Nach § 25 (2) Stadtkino Filmverleih und Kinobetriebsgesellschaft m.b.H. Unternehmungsgegenstand Kino, Verleih, Videothek Nach § 25 (4) Vermittlung von Informationen auf dem Sektor Film und Kino-Kultur. Ankündigung von Veranstaltungen des Stadtkinos. Preis pro Nummer 7 Cent / Zulassungsnummer GZ 02Z031555 Verlagspostamt 1150 Wien / P.b.b. Zeitschrift für Stadtforschung Stadtkino_derive_134x212_0216.indd 1 www.derive.at 26.01.16 12:07 Aus dem Nichts Ein Film von Angela Summereder AB 11. MÄRZ 2016 IM KINO Ko nzept und Ges tal tung Ecke B onk / Pho to Daniela Zei linger / B il dbear bei tung Arthu r Summereder / N ach ei nem G emä l de vo n René Magri tte, Le P ri nci pe du P l ai si r (Da s L ustpri nzi p), 1937
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