Scheunenfunde Historische Lkw Text und Fotos: Norbert Böwing Scheunenfunde nach Jahrzehnten ausgegraben K enner der Szene wissen oft noch von einzelnen Lkw. Kippertreffen in großzügigen Sandgruben oder aufwendig organisierte Ausfahrten für Fernlastzüge, die einst Geschichte geschrieben haben: So kennt man die Szene der Liebhaber von historischen Nutzfahrzeugen hierzulande. Kaum jemand stellt sich da die Frage, wie die meisten Besitzer der bis zur Perfektion restaurierten Alt-Lkw an ihre rollenden Schätze gekommen sind. Tatsächlich boomt die Szene, alleine in der Nutzfahrzeuge Veteranen Gemeinschaft (NVG) sind bundesweit rund 1.000 Mitglieder organisiert. Und die Zahl historischer Lkw wird hierzulande auf knapp 10.000 Exemplare geschätzt. Doch woher kommt der Nachschub an alten Lkw eigentlich? „Kenner wissen häufig noch, wo ein einzelner Lkw steht und rufen uns zum Beispiel an“, berichtet Experte Helmut Hoffmann, der wie kaum ein anderer über Kontakte zu Sammlern und Speditionen in ganz Europa verfügt und in den letzten Jahrzehnten selbst viele Lkw vor dem Schrottplatz gerettet hat. Bei alten Autos wissen wir es: Da gibt es immer wieder unglaubliche Scheunenfunde, die für Schlagzeilen sorgen. Doch wie ist das bei in die Jahre gekommenen Lkw? Die sind nach einem langen Arbeitsleben meistens fix und fertig. Dann werden sie verkauft oder in den Export geschickt. Scheunenfunde sind also extrem selten. Die TRUCK XXL hat gemeinsam mit Helmut Hoffmann vom Nutzfahrzeuge Veteranen Center (NVC) in Oberhausen zwei besonders seltene Exemplare in Friesland entdeckt und geborgen! Existenz des MAN und Henschel seit 20 Jahren bekannt Tatsächlich ist Hoffmann bekannt dafür, dass er für das NVC in Oberhausen jährlich tausende von Kilometern unterwegs ist, um nach alten Lkw Ausschau zu halten. Er gilt als Experte mit Augenmaß. In den meisten Fällen ist es so, dass Hoffmann die Entscheidung über einen Ankauf der häufig schrottreifen Lkw unmittelbar „vor Ort“ trifft. „Am Telefon erzählen die Leute oft viel. Wie es aber tatsächlich um die Substanz eines alten Lastwagen bestellt ist, verraten keine Fotos. Das muss man an Ort und Stelle sehen. Und dazu muss man ein Fahrzeug persönlich in Augenschein nehmen und hinfahren“, so der 68-jährige. Dass sich in Friesland in einer zugestellten Scheune noch ein 1950-er MAN Mk und ein 1955-er Henschel HS 120 befanden, davon wusste Hoffmann bereits seit langer Zeit. „Vor über 20 Jahren war ich das erste Mal da. Aber die drei Lkw, für die ich mich interessiert hatte, • • Helmut Hoffmann vom NVC in Oberhausen ist in seinem Element. Über eine Woche lang dauerte die Bergung der historischen Nutzfahrzeuge in Friesland • • Ein alter MAN und ein alter Henschel sind die bedeutensten Raritäten. Beide Fahrzeuge standen jahrzehntelang in einer Scheune und haben nun in Oberhausen ihr neues Zuhause gefunden konnte ich erst ab 2002 nach und nach abholen. Es waren ein MAN 10.212, ein MAN 10.210 und ein MAN 19.256. Schon damals waren mir die beiden uralten Lastwagen aufgefallen, doch der Besitzer wollte sich einfach nicht von ihnen trennen“, erzählt Hoffmann. Nicht für Geld und gute Worte. • Endlich, tet nach Lkw nach dutzende gebracht Hartnäckigkeit des Besitzers verhinderte frühe Bergung Viele Jahre waren vergangen, seit Hoffmann das letzte Mal in Friesland war. Auch zwischenzeitliche Telefonate mit dem Besitzer der beiden hoffnungslos zugestaubten Wracks brachten ihn keinen Zentimeter weiter. „Wir sind immer in Kontakt geblieben. Doch der Mann, der früher einen Baustoffhandel und eine eigene Kiesgrube hatte, wollte sie einfach nicht verkaufen. Der MAN mit 120 PS und Acht-LiterSechsyzylinder erinnerte ihn an seine beruflichen Anfänge und war einmal im Besitz seines ersten Arbeitgebers. Und mit dem Henschel, dessen 6,1-Liter-Motor ebenfalls 120 PS hat, glaubte er selbst noch etwas anfangen zu können“, so Hoffmann. Nachdem der ehemalige Firmenchef aber vor wenigen Monaten plötzlich verstorben war, nahm Hoffmann noch einmal Kontakt zu den Angehörigen auf. Dabei bot er an, gegen die Zahlung einer zuvor festgesetzten Summe die Lkw abzuholen und auch die Sanierung des Firmenareals mit zu übernehmen. Und tatsächlich. Die Verwandtschaft willigte ein und Hoffmann machte sich mit mehreren Freunden und Mitarbeitern auf den Weg nach Friesland. Alter MAN hatte letzten TÜV-Termin vor über 50 Jahren Auf was er sich bei seinem Deal aber tatsächlich eingelassen hatte, das wurde Hoffmann erst bei seinem Eintreffen klar. „Das ist in zwei bis drei Tagen über die Bühne“, lautete die ursprüngliche Annahme, nachdem er zuvor bereits einen Container für gemischte Abfälle zum Befüllen in den Norden gebracht hatte. Doch als Hoffmann dann eine Woche später mit zwei Sattelaufliegern und einem Radlader samt Crew aus dem Ruhrgebiet anreiste, fiel er aus allen Wolken: „Da ist ja noch gar nichts gemacht ...“. Tatsächlich sollten die Aufräumarbeiten in Friesland eine ganze Woche lang dauern. Und hätte es zwischendurch nicht erste Erfolgserlebnisse gegeben, wäre dem ehemaligen Transporterunternehmer aus dem Ruhrgebiet vermutlich der Kragen geplatzt. Einer der Höhepunkte der ganzen Aktion sollte die „Befreiung“ der alten Lkw sein, wozu sogar ein Brenner eingesetzt werden musste. Doch dann dieses überwältigende Gefühl: Endlich konnten der MAN und der Henschel aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt werden. Am TÜV-Siegel des MAN ließ sich sogar noch erkennen, dass dieser den nächsten Termin für die Hauptuntersuchung im Jahr 1964 gehabt hätte. Der sichere Beweis dafür, dass der alte Kipper über 50 Jahre gestanden hatte. Unglaublich! 70 Tonnen Alteisen wurden zum Schrott geschleppt Neben den beiden Lkw wurde in der Scheune noch ein stark heruntergekommener Ford Transit Lieferwagen aus den 1950-er Jahren gefunden. Der stand eingeklemmt zwischen zwei Original-Böseler-Anhängern, Baujahr 1963, die allerdings mit Altreifen und Schrott beladen waren. • Auch ein Ford Lieferwagen aus den 1960-er Jahren wurde entdeckt. Mit Freunden und Bekannten war Helmut Hoffmann nach Friesland gekommen, um die Nutzfahrzeuge zu heben die Bergung ist geschafft. Jetzt starvielen Tagen der Abtransport der alten Oberhausen. Insgesamt mussten Tonnen von Altmetall zum Verwerter werden Doch deren Inhalt fällt nicht weiter ins Gewicht, wenn man die gewaltigen Mengen von Alteisen im Außenbereich auf sich wirken lässt. Rund 70 Tonnen kamen zusammen und mussten Container für Container zu einem Verwerter geschleppt werden. Höhepunkt war sicherlich das Zerschneiden eines alten Schwimmbaggers, bei dem sogar das mitgebrachte Werkzeug schlappzumachen drohte. Doch auch hier hat sich die Mühe gelohnt. Ein alter Radlader aus den Anfängen der 1980-er Jahre fand seinen Weg ins Ruhrgebiet. Ebenso jede Menge Ersatzteile für Baumaschinen, die zwischen Bäumen festgewachsen waren und jetzt in Oberhausen stehen. Was aber wird nun aus dem alten Henschel und dem noch älteren MAN? Helmut Hoffmann macht sich keinen Stress: „Abwarten! Zunächst muss ich mal sehen, ob wir die Motoren wieder gangbar bekommen. Davon hängt vieles ab. Fest steht aber, dass wir die Patina von beiden Lkw in jedem Fall erhalten wollen, denn die ist wunderbar original. Der Rest wird sich zeigen ...“ Weitere Informationen: www.nvc-oberhausen.de
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