Regionale Schienen: Tourismus und öffentlicher Verkehr

Österreichische Post AG · Info.Mail Entgelt bezahlt
EUR 7,90 / Ausland EUR 9,90 · ISSN 1025-2282
WWW.REGIONALE-SCHIENEN.AT
3/2015
VERKEHRSPOLITIK | NAHVERKEHR | NACHHALTIGE MOBILITÄT
Tourismus und
Öffentlicher Verkehr
Verkehrspolitik
Nahverkehr
UITP-Weltkongress
in Mailand
25 Jahre Kampf
um Semmering-Tunnel
REGIONAL
|
NATIONAL
|
INTERNATIONAL
A
M
E
H 0
- T S. 3
S
R b
a
RS-THEMA
Drei Viertel aller Urlaubsgäste in Österreich nutzen den Pkw als Hauptverkehrsmittel. Vielfach wird dies als einzige Möglichkeit angesehen, mehrere
Personen mit dem nötigen Gepäck bequem ans gewünschte Ziel zu bringen und auch vor Ort mobil zu sein.
Doch gerade die Alpenländer, die mit ihren Naturschönheiten im internationalen Tourismus-Wettbewerb punkten, sollten mit gutem Beispiel vorangehen und Altnativen in der Tourismusmobilität forcieren, welche das Erleben der Landschaften ohne Staus, Lärm und Abgase ermöglichen. Denn
immer mehr Touristen suchen Ersatz von ihren Alltagsbelastungen, wozu auch der Berufsverkehr zählt.
Einige Tourismusregionen bieten beispielgebend ökologisch verträgliche Alternativen, sowohl für die An- und Abreise, als auch für die Mobilität vor
Ort. Die Öffentlichen Verkehrsbetriebe in touristisch gefragten Regionen entwickelten innovative Lösungen, um mehr Freizeit- und Urlaubsgäste vom
Umstieg auf Bahn & Bus zu überzeugen. Robert Schrempf
30
Tourismus und Öffentlicher Verkehr
Das RS-Thema mit Beiträgen von
Katharina Mayer-Ertl, Veronika Holzer, Ernst Lung,
Romain Molitor, Christine Zehetgruber, Stefanie Habersatter, Jürg D. Lüthard
Auf der Mariazellerbahn können Ausflügler zwischen den modernen Niederflur-Triebzügen (abgebildet im Bahnhof Mariazell) und Panoramawagen erster Klasse wählen. Zusätzlich
werden Nostalgiefahrten angeboten.
© Foto: Robert Schrempf
REGIONALE SCHIENEN 3 | 2015
31
[ RS-Thema ]
Mit ihrer Offensive „Tirol auf Schiene“ wirbt die Tirol Werbung für die Anreise mit der Bahn. Tirol Werbung ist klimaaktiv mobil Partner.
© Foto: Regina Recht
Nachhaltige Mobilität im Tourismus
erfordert kooperative Lösungen
Katharina Mayer-Ertl, Veronika Holzer, Ernst Lung
Tourismus und Mobilität sind eng miteinander verbunden:
Schon die Definition von Tourismus zeigt, dass es sich hier um
eine Fortbewegung von der gewohnten Umgebung zu einem
anderen Ziel zu Freizeit-, Geschäfts- oder anderen persönlichen
Zwecken handelt 1). Auch die Geschichte zeigt die enge Verknüpfung von Tourismus und Verkehr: So begann die rasante Entwicklung des Tourismus mit der Erschließung von Regionen mit
der Bahn, der nächste große Aufschwung kam mit der Zunahme
an privaten Kraftfahrzeugen.
Heute ist der Pkw das Hauptverkehrsmittel der Urlaubsgäste in Österreich mit einem Anteil von rund 75 % (Bahn 7 %, Flugzeug 7 %, Bus 6 %,
Wohnmobil 3 %, Motorrad 1 % und sonstige Anreisemittel 1 %) 2). Dies
ist auch durch die Lage Österreichs im Zentrum Europas bedingt, die
Herkunftsgebiete der Österreich-Gäste liegen zum überwiegenden Teil
in einem Einzugsbereich von 500 bis 1.000 Kilometern.
transitrouten eine Mehrbelastung durch erhöhte Schadstoff- und Treibhausgas-Emissionen entsteht. Urlaubsreisen haben einen hohen Anteil
an der durchschnittlichen Jahresfahrleistung von Pkw, diese betrug im
Jahr 2013 in Österreich rund 13.100 km 4). Eine Reise aus dem Raum
Wien nach Vorarlberg und zurück entspricht somit etwa 10 % der durchschnittlichen Pkw-Jahresfahrleistung, annähernd so groß sind auch die
Anteile an Schadstoff- und CO2-Emissionen. Staus, Lärm und Abgase
sowie Trennwirkungen durch stark befahrene Straßen beeinträchtigen
die Erholung in Ferienregionen. Große Parkplätze stellen oft auch eine
Beeinträchtigung des Landschaftsbildes dar.
Trends im Tourismusverkehr
Die fortschreitende Internationalisierung des Tourismus, aber auch der
Trend zu kürzeren und häufigeren Urlaubsreisen sowie saisonale Spitzen werden die Situation noch verstärken.
Insbesondere in den urlaubsbedingten Saisonspitzen (Februar, Juli /
August) treten auf Österreichs hochrangigem Straßennetz hohe Belastungen auf. Zum Zielverkehr der Gäste kommt der Urlaubs-Transitverkehr vor allem Richtung Süden und zurück.
Für Europa wird bis 2020 eine Zunahme des touristischen Ausreiseverkehrs
um 2,3 % auf 1,37 Milliarden Reisen pro Jahr prognostiziert 5). In Österreich ist für das Jahr 2030 – konservativ geschätzt – mit rund 150 Millionen
Gäste-Nächtigungen zu rechnen (2014: 131,9 Millionen 6)), was einer jährlichen Zunahme von durchschnittlich 1 % entsprechen würde. 7)
Pro „Reise-Samstag“ werden auf Österreichs Transit-Autobahnen rund
1 Million Stau-Stunden verzeichnet 3), wodurch entlang der Urlaubs-
Zuwächse werden dabei insbesondere auch aus Fernmärkten (z. B.
Russland, asiatischer Raum) erwartet. Die Anreise aus diesen Regionen
32
[ RS-Thema ]
erfolgt meist mit dem Flugzeug und bringt somit ein anderes Reiseverhalten, welches auch Einfluss auf Bedürfnisse für die Mobilität der letzten Meile (Transfer vom Flughafen bzw. Bahnhof zum Quartier) und im
Urlaubsort (zu Ausflugszielen) hat.
Eine Veränderung des Mobilitätsverhaltens der Gäste bringen auch
Trends wie die demografische Entwicklung (Alterung, kleinere Haushalte, …), der Wertewandel („Zurück zur Natur“, „Nutzen statt Besitzen“, Car-Sharing statt eigenes Auto). So verzichten etwa viele junge
Menschen, vor allem im urbanen Bereich, auf ein eigenes Auto, verreisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mieten bei Bedarf ein Fahrzeug (in Wien besitzen ca. 40 % der Haushalte keinen eigenen Pkw).
Auch ältere Menschen schätzen die Bahnreise, wenn die ganze Wegekette komfortabel ist und bei Bedarf ein Haus-zu-Haus-Gepäckservice
angeboten wird.
Somit wird der Freizeit- und Tourismusverkehr zum erfolgversprechenden
Markt für Bahn- und Busunternehmen. Die ÖBB-Personenverkehrs AG
rechnet 38 % ihrer Fahrgäste dem Segment „Freizeit und Tourismus“ zu.
Nachhaltige Mobilitätslösungen notwendig
Aus diesen Entwicklungen ergibt sich dringender Handlungsbedarf bei
der touristischen Mobilität. Auch die nationalen, EU-weiten und globalen Klimaschutzziele 8) erfordern neue, nachhaltig verträgliche Lösungen. Das Weißbuch zur EU-Verkehrspolitik von 2011 9) fordert bis 2050
eine Verminderung der vom Verkehr emittierten Treibhausgas-Emissionen um 60 %.
Die Herausforderung besteht nun darin, nachhaltige Mobilitätslösungen in Tourismus und Freizeitwirtschaft – sowohl im Hinblick auf die
Erreichbarkeit der Destination als auch auf die Mobilität vor Ort – für die
Weiterentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit des Tourismus-Standortes Österreich zu finden. Unter „nachhaltig“ wird sinngemäß „längerfristig tragfähig“ verstanden.
Konkret heißt das für die Gestaltung touristischer
Mobilitätslösungen:
• Umweltaspekte berücksichtigen: Gesetzte Maßnahmen dürfen
die Grundlagen für den Tourismus in Zukunft nicht zerstören. Eine
wesentliche Voraussetzung ist eine intakte Umwelt. Dazu tragen
möglichst geringe Lärm-, Schadstoff- und Treibhausgas-Emissionen
ebenso bei wie ein sparsamer Umgang mit Flächen, die Vermeidung von Beeinträchtigungen des Orts- und Landschaftsbildes und
von Trennwirkungen durch Verkehrswege.
Kooperative Lösungen sind gefragt
Gemeinsam ist fast allen Aktivitäten zur umweltfreundlichen touristischen Mobilität, dass interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Beteiligten eine wesentliche Erfolgsvoraussetzung ist:
Kompetenzrechtlich sind die Angelegenheiten des Tourismus Ländersache. Auf Bundesebene sieht sich die Sektion „Tourismus und Historische Objekte“ im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und
Wirtschaft (BMWFW) u.a. als Informationsdrehscheibe und Anlaufstelle
für den Tourismus. In seiner Tourismus-Strategie räumt das BMWFW
der nachhaltigen Tourismus-Mobilität breiten Raum ein.
Da touristische Mobilität Auswirkungen auf Klima und die Umwelt hat,
befasst sich auch das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) mit dieser Frage. Es bietet im
Rahmen seines „klimaaktiv mobil“ genannten Beratungs- und Förderprogramms – der Klimaschutzinitiative des BMLFUW im Verkehrsbereich
– ein eigenes Beratungsprogramm für Freizeit, Tourismus und Jugend.
Schließlich ist touristische Mobilität mit großen Verkehrsleistungen
(Personenkilometer) und Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur
verbunden und daher auch für das Bundesministerium für Verkehr,
Innovation und Technologie (BMVIT) ein wichtiges Aufgabengebiet.
Die drei Ministerien arbeiten daher seit Jahren eng zusammen.
Praktische Beispiele für die Zusammenarbeit und
ermutigende Erfolge
Bereits Mitte der 1990er-Jahre erkannten die drei Ministerien die Notwendigkeit der Erarbeitung von gemeinsamen Strategien und Maßnahmen zu einer nachhaltig verträglichen Mobilität im Tourismus,
wobei schon damals Klimaschutzziele eine wichtige Rahmenbedingung
waren:
Sie setzten gemeinsam das innovative Modellvorhaben „Sanfte Mobilität – autofreier Tourismus“ um, bei dem neben den drei Ministerien das
Land Salzburg und die Modellgemeinden Werfenweng, Bad Hofgastein
(bis 2005), Neukirchen am Großvenediger (ab 2006) Projektpartner
waren.
• Auf soziale Verträglichkeit achten: Alternativen zum Auto für Gäste
und Einheimische anbieten (insbesondere Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Handicaps, Familien und sozial schwächere
Gruppen berücksichtigen); vor allem in peripheren Regionen sind
innovative Lösungen gefragt.
• Die wirtschaftliche Tragfähigkeit sicherstellen: Tourismus sichert
Arbeitsplätze in der Region, besonders bedeutend ist dies auch für
periphere Gebiete. Bei Angeboten muss darauf geachtet werden,
dass diese langfristig bestehen können und auch rentabel sind.
Des Rätsels Lösung sind also:
• umweltfreundliche, kundenfreundliche, unkomplizierte, leistbare
und sozial gerechte intermodale Mobilitätslösungen,
• die Sicherstellung der lückenlosen Reisekette von Tür zu Tür, das
heißt: Angebote für die An- und Abreise ebenso wie für die „letzte
Meile“, also vom Bahnhof zum eigentlichen Ausflugs- oder Urlaubsziel und für die Mobilität in der Urlaubsregion,
• übersichtliche Informationen über öffentliche Verkehrsmittel und
bestehende Angebote.
Um dies zu erreichen, ist das Zusammenwirken der tourismus-, verkehrsund umweltpolitisch Verantwortlichen auf allen Ebenen notwendig.
Bürgermeister Dr. Peter Brandauer präsentiert stolz E-Fahrzeuge, die man
mit der „Sanft Mobil“-Card in Werfenweng kostenlos ausleihen kann.
© Foto: www.werfenweng.org
Das Modellvorhaben hatte auch die Funktion eines Schirmprojekts
für weitere gemeinsame Projekte, die im Rahmen des EU-Regionalförderprogramms umgesetzt wurden: „Alps Mobility“, „Alps Mobility II
– Alpine Pearls“, „Alpine Awareness“ und „Mobilalp“. Ein weiteres,
ähnlich gelagertes Projekt wurde in der Region Neusiedlersee – Fertö-tó
umgesetzt: „Nachhaltig umweltverträglicher Verkehr und Tourismus in
sensiblen Gebieten“ 10)
REGIONALE SCHIENEN 3 | 2015
33
[ RS-Thema ]
Auch die Projekte „Access2Mountain“, „TRANSDANUBE“ und „AlpInfoNet“, die in der Förderperiode 2007 bis 2013 in den Programmen der
Europäischen Territorialen Zusammenarbeit umgesetzt wurden, haben
umweltfreundliche touristische Mobilität zum Inhalt. In Access2Mountain wurde u.a. an Good-Practice-Fallbeispielen gezeigt, dass Regionalbahnen kundenfreundliche und originelle Angebote erfolgreich am
Tourismusmarkt platzieren können 11).
• Seit der gemeinsamen Studie von BMWFW, BMVIT und ÖBB zu Möglichkeiten der stärkeren Vernetzung konnte die Zusammenarbeit zwischen den ÖBB und dem Tourismus auf allen Ebenen intensiviert werden. So wurde u.a. 2013 die Mobilitätsbroschüre „Bahn und Postbus
– Angebote im Tourismus“ veröffentlicht (2014, 2. Auflage).
• Startschuss für die „Rail Tour für Touristiker“ im Oktober 2014: Bei
diesen Netzwerk-Veranstaltungen in den Bundesländern haben Tourismusregionen die Möglichkeit, sich mit Experten von ÖBB und „klimaaktiv mobil“ sowie anhand bestehender Beispiele zum Thema „umweltfreundliche Mobilitätslösungen im Tourismus“ auszutauschen.
Wichtige Kooperationspartner sind selbstverständlich auch Länder und
Gemeinden, Verkehrsverbünde, andere Verkehrsunternehmen, beispielsweise Privatbahnen, die Tourismuswirtschaft und – bei den erwähnten
EU-Projekten – auch Partner aus dem Ausland.
Moderner Triebwagen („Himmelstreppe“) und nostalgische Reise im
Salonwagen
© Foto oben: NÖVOG/Heussler; Foto unten: Gejza Legen
Im Jahr 2013 riefen die drei Bundesministerien die Arbeitsgruppe „Nachhaltige Mobilität im Tourismus“ ins Leben, um den Austausch und die
Zusammenarbeit zu intensivieren und durch gemeinsame Veranstaltungen die verschiedenen Akteure besser zu erreichen und zu sensibilisieren:
• Erste gemeinsame Aktion war eine Fachveranstaltung „Nachhaltig
mobil in Tourismusregionen“, welche am 16. Jänner 2014 im Rahmen der Wiener Ferienmesse abgehalten wurde 12).
• Am 16. Oktober 2014 fand in Innsbruck der erste Tourismus-Mobilitätstag statt, bei dem das Thema einerseits theoretisch aufbereitet wurde und andererseits für die rund 130 Teilnehmer/innen aus
Österreich die Möglichkeit zu Austausch und Vernetzung bestand 13).
• Eine gute Übersicht und Tipps liefert auch der im Oktober 2014
erschienene Leitfaden „Nachhaltige Mobilität im Tourismus“, den
die drei Ministerien gemeinsam mit den ÖBB herausgegeben haben.
• Beim zweiten Tourismus-Mobilitätstag am 16. Oktober 2015 am Hauptbahnhof in Wien werden konkrete Fragestellungen bei der integrierten Angebotsentwicklung und der nachhaltigen Umsetzung von
Mobilitätslösungen bearbeitet (Details siehe Ankündigung Seite 37).
34
Titelblätter des Leitfadens und der Broschüre und angeregte Diskussion
beim 1. Tourismus-Mobilitätstag am 16. 10. 2014 in der Hofburg Innsbruck
© Foto: Birgit Pichler
Bahn-Anreise und attraktive Angebote für die Mobilität
ohne Auto in den Ferienregionen
Die Verlagerung eines erheblichen Teils des touristischen Verkehrs vom
Pkw und von Kurzstreckenflügen auf die Schiene bewirkt erhebliche
Umweltentlastungen: Österreich ist in der günstigen Situation, dass 92 %
des Bahnstroms aus regenerierbaren Quellen kommen, davon 90 % aus
Wasserkraft 14).
Trotz Erfolgen bei der Verkehrssicherheitsarbeit im Straßenverkehr ist die
Bahn das erheblich sicherere Verkehrsmittel.
Touristische Angebote für Bahn- und Busunternehmen ermöglichen eine
gleichmäßigere Auslastung: Wenn Schüler und Pendler schon am Ziel sind
[ RS-Thema ]
– sowie in den Schulferien –, nutzen die Touristen die Verkehrsmittel, die
zwischen den klassischen Verkehrsspitzen zumeist freie Kapazitäten haben.
In Österreich bietet die Bahn ein relativ dichtes Netz und auf den meisten Strecken auch attraktive Fahrpläne. Außerdem erfolgten in den letzten Jahren bedeutende Verbesserungen der Schienen-Infrastruktur durch
Neu- und Ausbau. Auch im Rahmenplan für den Bahnausbau von 2014
bis 2019 sind insgesamt 13,1 Milliarden Euro 15) vorgesehen. Die leistungsfähige Schienen-Infrastruktur, die rasches und sicheres Reisen ermöglicht,
sollte in Zukunft mehr als bisher für den touristischen Verkehr genützt werden. Gerade im Freizeit- und Tourismus-Verkehr kommt neben den ÖBB
auch anderen Bahnunternehmen (u.a. der Zillertalbahn, der Pinzgauer
Lokalbahn, der Mariazellerbahn...) Bedeutung zu.
„Bahnfahren ist langsam“ stimmt nicht mehr
Bahnfahren ist nicht langsam: Auf der Westbahnstrecke sind in vielen
Relationen die Fahrzeiten schon kürzer als mit dem Pkw. Mit der Verkehrsauskunft Österreich, die mit Unterstützung des BMVIT im Rahmen eines
Projekts des Klima- und Energiefonds entwickelt wurde, steht ein nutzerfreundliches, verkehrsmittelübergreifendes Verkehrsauskunftssystem
zur Verfügung, in dem u.a. Bahn- und Pkw-Fahrzeiten verglichen werden
können. Die Software der Verkehrsauskunft Österreich wird derzeit vom
ÖAMTC, von der ASFINAG, vom Land Salzburg, vom Auskunftssystem
„AnachB“ der ITS Vienna Region, von den Verkehrsverbünden VOR, OÖVV,
SVV, VVT und VVV sowie von den Wiener Lokalbahnen verwendet 16).
Mobilitätsnetze in den Regionen
Die lückenlose Verknüpfung der Bahn mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln, die die Mobilität in den Regionen sicherstellt, ist für die Möglichkeit, ohne eigenes Auto zu reisen, von essenzieller Bedeutung: In
jüngster Zeit konnten hier, auch dank der Unterstützung von Beratungsund Förderprogrammen, insbesondere durch „klimaaktiv mobil“ des
BMLFUW und des Klima- und Energiefonds (gemeinsam vom BMLFUW
und dem BMVIT finanziert), zahlreiche innovative und flexible Lösungen
geschaffen werden: u.a. Anrufsammeltaxis, Wanderbusse, Mietstationen für Fahrräder, Elektrofahrräder und Elektro-Scooter.
Radurlaube und -ausflüge werden immer beliebter. Während in Zügen
des Nahverkehrs großteils kundenfreundliche Möglichkeiten zur Fahrradmitnahme verfügbar sind, besteht vor allem im grenzüberschreitenden
Fernverkehr noch Verbesserungsbedarf.
Zusammenarbeit zwischen Tourismus- und
Verkehrswirtschaft
Die Tourismuswirtschaft kann wesentlich zur umweltfreundlichen, bequemen und sicheren Mobilität in Ferienregionen beitragen. Wichtige Maßnahmen dazu sind die Information (potenzieller) Gäste über die Anreisemöglichkeiten und die Mobilität in der Ferienregion mit öffentlichen
Verkehrsmitteln im Internet und in Printmedien. Dabei soll womöglich
auch auf günstige Tarifangebote der Bahnen wie „Vorteilscard Familie“,
Sparschiene-Tickets oder Eventtickets hingewiesen werden. Hotels oder/
und Tourismusorganisationen können Abholdienste von Bahnhöfen
einrichten. Eine fortgeschrittene Form der Zusammenarbeit von Tourismus- und Verkehrsunternehmen sind Gästekarten, die freie Fahrt in den
regionalen öffentlichen Verkehrsmitteln ermöglichen. Solche „All-inklusive-Angebote“ werden zumeist über ein Umlageverfahren, in Form von
moderaten Zuschlägen zu den „Kurtaxen“, finanziert.
Schließlich entwickelt die Tourismuswirtschaft zunehmend interessante
und innovative Angebote und Produkte, die die umweltfreundliche Mobilität mitberücksichtigen oder sogar zum Inhalt haben, wie Angebote an
(Weit-)Wanderwegen, Radrouten u.v.a.m.
Fazit: Umweltfreundliche Angebote ausbauen
Der Überblick zu nachhaltig verträglicher Mobilität im Tourismus zeigt,
dass umweltfreundliche Angebote im „Mainstream“ angekommen sind
und sehr gut angenommen werden, wenn die Qualität stimmt.
Im Urlaub ist man Neuem eher aufgeschlossen als im Alltag, daher sind
nachhaltige Lösungen für den touristischen Verkehr oft ein Ansatz, inno-
Tauernradweg – von „klimaaktiv mobil“ gefördertes Projekt „Sanft mobil
durch die Wildkogel-Arena“
© Foto: Wildkogel-Arena Neukirchen & Bramberg, Tourismusverbände Neukirchen & Bramberg
vative technische Lösungen – z. B. Elektrofahrzeuge – stressfrei kennenzulernen und längerfristig auch im Alltag zu nützen.
Es gibt in Österreich mittlerweile zahlreiche Tourismusregionen, die auf
nachhaltig verträgliche Mobilität setzen. Dort ist ein Urlaub ohne eigenes Auto kein Verzicht, sondern vielmehr ein Genuss. Zur Bahn(an)reise
gibt es sicher Verbesserungspotenziale, doch auch dabei überwiegen die
positiven Erfahrungen. Die ÖBB konzentrieren sich zunehmend auf das
Marktsegment „Freizeit- und Tourismusmobilität“ und sehen dort die
größten Wachstumspotenziale im Personenverkehr.
Die wesentlichste Erfahrung aus allen erfolgreichen Projekten zur „sanften Mobilität“ ist allerdings: Es kommt auf gute interdisziplinäre Partnerschaften an und darauf, gemeinsam „Win-Win-Win-Situationen“ zu
erkennen, Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Und wenn es
einmal nicht so gut läuft, wie erwartet: Nicht den Mut verlieren und die
Maßnahmen nachjustieren.
1)
2)
3)
4)
Siehe Welttourismusorganisation UNWTO
Siehe Tourismuserhebung T-MONA 2011
Angaben des ÖAMTC und Berechnungen der ÖHV
Quelle zur Jahresfahrleistung: http://www.vcoe.at/de/presse/aussendungen-archiv/details/items/vcoe-oesterreichs-autofahrer-fahren-immer-weniger-kilometer
5) Feasibility and preparatory study regarding a Multi-stakeholder European Targeted Action for Sustainable
Tourism & Transport
6) Quelle: Statistik Austria
7) Siehe „Tourismusmobilität in Österreich 2030“, Studie der TU-Wien im Auftrag des BMWFW
8) Siehe: www.bmlfuw.gv.at/umwelt/klimaschutz.html
9) Roadmap to a Single European Transport Area - Towards a competitive and resource efficient transport system
2011: http://ec.europa.eu/transport/themes/strategies/2011_white_paper_en.htm
10) Nähere Informationen unter: www.alpine-pearls.com;
www.alpine-space.org/2000-2006/alpineawareness.html und
www.bmvit.gv.at/verkehr/gesamtverkehr/tourismus/projekte/abgeschlossen/autofrei.html
11) Weitere Informationen unter: www.access2mountain.eu, www.transdanube.eu, www.alpinfonet.eu
12) Nähere Informationen unter:
www.klimaaktiv.at/mobilitaet/mobilitaetsmanagem/freizeit_tourismus/Ferienmesse2014.html
13) Nähere Informationen unter
www.bmwfw.gv.at/Tourismus/Veranstaltungen/Seiten/Tourismus-Mobilit%C3%A4tstag-2014.aspx
14) Quelle: http://blog.oebb.at/csr/umwelt/klimaschutz/gruenstrom
15) Quelle Rahmenplan: http://www.bmvit.gv.at/verkehr/gesamtverkehr/ausbauplan/index.html
16) siehe www.verkehrsauskunft.at
Mag a. Katharina Mayer-Ertl (links), Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Abteilung II/3 Tourismus – Servicestelle
DI Ernst Lung (Mitte), Bundesministerium für Verkehr, Innovation und
Technologie, Abteilung I/K2, Wege- und externe Kosten, Maut, Verkehr
und Umwelt
Dr in. Veronika Holzer (rechts), Bundesministerium für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Abteilung I/5 für
Mobilität, Verkehr, Lärm
REGIONALE SCHIENEN 3 | 2015
35
[ RS-Thema ]
Klimaaktiv mobil – die Klimaschutzinitiative
des BMLFUW im Verkehrsbereich:
zwei Beispiele
Veronika Holzer, Romain Molitor, Christine Zehetgruber
Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt
und Wasserwirtschaft bietet mit dem klimaaktiv mobil Programm „Mobilitätsmanagement für Tourismus, Freizeit und
Jugend“ attraktive Beratungs- und Förderangebote zur Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur klimafreundlichen Anund Abreise sowie für eine sanfte Mobilität in den Regionen.
Informationen zum Beratungsprogramm im beiliegenden Folder,
unter www.klimaaktivmobil.at/tourismus sowie über die Fördermöglichkeiten unter www.umweltfoerderung.at.
An zwei Beispielen, beide über das Programm beraten und gefördert,
soll dies verdeutlicht werden:
Nationalpark Gesäuse – Mobilitätsplattform GSEISPUR
(Entwicklung und Vorbereitung: EU-Förderung (EFRE) im Rahmen des
ETZ-Projekts „Access2Mountain“, Umsetzung: klimaaktiv mobil, 2012)
„Vollwertig mobil ohne eigenes Auto“ ist das Ziel der Mobilitätsplattform „GSEISPUR“. Aufgrund der stetig steigenden Mobilitätsbedürfnisse
im Bereich Freizeit & Tourismus und der gleichzeitigen Ausdünnung des
öffentlichen Verkehrsangebotes im ländlichen Raum, ist die Schaffung
von einfachen, flexiblen und zielgruppenorientierten Mobilitätsangeboten als Ersatz zum privaten Pkw zunehmend wichtig.
Mit der Entwicklung der flächendeckenden GSEISPUR hat es der Nationalpark Gesäuse geschafft, den Gästen eine vollwertige Mobilität ohne
eigenes Auto zu ermöglichen. Ziel ist es außerdem, durch die sanften
Mobilitätsangebote einerseits den Autoverkehr zu verringern und andererseits die regionale Wertschöpfungskette zu erhöhen. Zudem soll durch
Fahrtenbündelungen und eine möglichst hohe Personenauslastung pro
Fahrt der CO2-Ausstoß pro Kilometer und Fahrgast minimiert werden. Ein
weiteres Ziel ist es, auch für Personen mit Mobilitätshandicap eine einfache Fortbewegung mit barrierefreien Fahrzeugen zu ermöglichen.
Gseismopedspur © Foto: Nationalpark Gesäuse
bei über vier Personen angelangt ist. In der Zwischenzeit wird das Angebot sowohl von den Gästen als auch von den Einwohnern als Service
wahrgenommen und genutzt. Wesentlich für den Erfolg ist es, dass die
unterschiedlichen mitwirkenden Akteure, wie Taxiunternehmen, Wirte
und Beherbergungsunternehmen gut aufeinander eingespielt sind und
gemeinsam einen reibungslosen Ablauf garantieren.
Nähere Informationen unter www.gseispur.at
Die erwartete Einsparung der CO2-Emissionen aufgrund dieser Maßnahme beträgt 134,84 t CO2 pro Jahr.
Hinsichtlich der sanft-mobilen Angebote ist die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz (vom bzw. zum Bahnhof Selzthal, Liezen und Ardning) von
Bedeutung, das durch die GSEISHUTTLESPUR erfolgt. Ein weiteres flexibles
Angebot ohne Fahrplan und ohne Haltestellen steht mit dem GSEISTAXISPUR
zur Verfügung. Durch weitere alternative Mobilitätsformen, wie der GSEISMOPEDSPUR oder der GSEISAUTOSPUR
besteht zudem die Möglichkeit, die
einzigartige Naturkulisse der Regionen
Gesäuse und Eisenwurzen geräuschlos
zu erkunden. Die Buchung der jeweiligen Mobilitätsform erfolgt dabei über
die Nationalpark Gesäuse App oder die
GSEISPUR Hotline (+43 (0) 3637 212).
In seinem dritten Betriebsjahr angelangt, kann die GSEISPUR bereits auf
Erfahrungswerte zurückgreifen. Stolz ist
der Projektträger darauf, dass die Besetzungsdichte (durchschnittliche Personen pro Fahrt im Auto) mittlerweile
36
Gseishuttlespur © Foto: Nationalpark Gesäuse
[ RS-Thema ]
Neukirchen am Großvenediger und Bramberg am
Wildkogel – „Sanft-mobil unterwegs mit der Wildkogel
Card“ (klimaaktiv mobil, 2012)
Der Tourismusverband Neukirchen am Großvenediger hat in Kooperation mit dem Tourismusverband Bramberg am Wildkogel das Projekt
„Sanft-mobil unterwegs mit der Wildkogel Card“ umgesetzt, bei welchem die nachhaltige Mobilität im Sommertourismus im Vordergrund
steht. Ziel ist es, dass die bestehenden öffentlichen Verkehrsverbindungen vermehrt von den Gästen zur An- und Abreise in die Urlaubsdestination sowie auch für Ausflüge genutzt werden sollen. Zu den wichtigsten
Maßnahmen zählen neben der kostenlosen Benützung von bestehenden öffentlichen Verkehrsmitteln (Bahn und Bus) auch die Einführung
von drei zusätzlichen Wanderbussen. Zudem wurden (E-) Fahrradverleiher in das Projekt mit eingebunden. Dabei wurde eine Kooperation
mit den örtlichen (E-) Fahrradverleihern zur Integration des Angebotes
geschaffen, um attraktive Pauschalangebote anbieten zu können. Seit
2014 kann jeder Gast pro Aufenthalt ein Fahrrad einen Tag lang mit
der „Wildkogel Card“ kostenlos ausleihen. Neben diesen kostenlosen
Mobilitätsangeboten sind in der Wildkogel Card auch Eintritte in einige
touristische Einrichtungen sowie viele weitere Ermäßigungen in der
Region inkludiert. Durch die Gratis-Benutzung des Öffentlichen Verkehrs
in Verbindung mit den Wanderbussen und Bergbahnen kann bei der
An- und Abreise wie auch bei den Ausflügen in die Region auf das Auto
verzichtet werden. Neben den Gästen profitiert auch die Bevölkerung
von den zusätzlichen Mobilitätsangeboten.
Wildkogel Card
© Foto: Wildkogel-Arena, Neukirchen - Bramberg
Die Wildkogel Card ist bei den teilnehmenden Beherbergungsbetrieben
– inzwischen über 70 Betriebe vom Privathaus und Ferienwohnungsvermieter bis zum 4-Sterne-Hotel – im Übernachtungspreis inbegriffen
und wird gleich nach dem Einchecken an die Gäste ausgehändigt. Sie ist
während des gesamten Aufenthalts, inklusive der An- und Abreisetage,
gültig.
Nähere Informationen unter www.wildkogel-card.at
Die erwartete Einsparung der CO2-Emissionen aufgrund dieser Maßnahme beträgt 222,62 t CO2 pro Jahr.
Dr in. Veronika Holzer (links), BMLFUW, Abt. I/5 für Mobilität, Verkehr, Lärm
DI Dr. Romain Molitor (Mitte), DI in Christine Zehetgruber (rechts),
Programmmanagement klimaaktiv mobil Beratungsprogramm „Mobilitätsmanagement für Tourismus, Freizeit und Jugend“, komobile w7 GmbH
Pinzgauer Lokalbahn
© Foto: Wildkogel-Arena, Neukirchen - Bramberg
Save the date!
2. Tourismus-Mobilitätstag
16. Oktober 2015, Wien Hauptbahnhof
Die Mobilität ist im Wandel! Um im internationalen Wettbewerb punkten zu können, muss Österreich sich weiterhin als qualitativ hochwertiges, umwelt- und klimafreundliches Urlaubsland positionieren und wirtschaftlich rentable Tourismusangebote mit umwelt- und kundenfreundlichen Mobilitätslösungen entwickeln.
Am 2. Tourismus-Mobilitätstag am 16. Oktober 2015 in der ÖBB-Zentrale am Hauptbahnhof in Wien erhalten Sie Impulse zu Produktentwicklung, Marketing und Kommunikation von nachhaltigen touristischen Mobilitätslösungen.
Nutzen auch Sie diese Vernetzungs-Plattform mit tourismus-, verkehrs- und umweltpolitisch Verantwortlichen aller Ebenen und diskutieren
Sie mit erfahrenen Expertinnen und Experten über Ideen, Hürden und Partner bei der Umsetzung nachhaltiger Tourismus-Mobilitätslösungen.
Wenn Sie am 2. Tourismus-Mobilitätstag teilnehmen wollen, wenden Sie sich an [email protected], Programm und
Anmeldeformular werden Ihnen dann gerne zugeschickt.
REGIONALE SCHIENEN 3 | 2015
37