Erfahrungsbericht Kiezspaziergang

Erfahrungsbericht des Kiezspazierganges am 09. Mai 2015 „Yorckstraße und drumherum“
Vorwort
Etwa fünfzig Menschen beteiligten sich an dem vom Verein Möckernkiez e.V. am
09. Mai 2015 veranstalteten Kiezspaziergang
„Yorckstraße und drumherum“
Themenschwerpunkt war „Barrierefreiheit“ - für einen lebenswerten und bewe­
gungsfreundlichen Kiez.
Mit dabei waren Nachbarn und Nachbarinnen aus dem „Kiez“, Mitglieder des
Vereins und der Genossenschaft Möckernkiez, Expertinnen und Experten aus der
Bezirksverwaltung, befreundete Vereine und Organisationen. Es haben sich ­
verteilt auf drei Gruppen - sechs Rollstuhlfahrer*innen und eine Teilnehmerin mit
einem Rollator beteiligt.
Wir teilten uns in vier Gruppen auf (rot, blau, grün und gelb), die jeweils ver­
schiedene Wege durch das Quartier gingen.
Anschließend kamen wir im Treffpunkt des Möckernkiez, Yorckstr. 62 zusammen
und tauschten bei Kaffee und Kuchen die Erkundungsergebnisse aus.
Wir vereinbarten, dass alle Teilnehmenden ein zusammengefasstes Ergebnis­
protokoll erhalten, welches die Grundlage für ein Auswertungstreffen sein wird,
auf dem die nächsten praktischen Schritte für notwendige Veränderungen und
Verbesserungen besprochen werden.
Das mit Fotos dokumentierte Protokoll ist jetzt fertig. Wir haben die fest­
gestellten Mängel/Probleme der vier Rundgänge unter einige Überschriften zu­
sammengefasst: Zu kurze Ampelphasen an Kreuzungen, fehlende Bordstein­
absenkungen, Mängel auf Straßen und Bürgersteigen, Unzugänglichkeit von UBahnhöfen, Mängel an Bushaltestellen, Probleme mit Müllboxen, Glas- und
Kleidercontainern, mangelhafte Zugänglichkeit zu Geschäften, Cafes, Ärzten,
u.a.m, Verschiedenes zu Grünanlagen und Grünstreifen.
Nun laden wir herzlich ein zu einem Auswertungstreffen am Samstag, den 27. Juni um 15 Uhr im Möckernkiez-Treffpunkt, Yorckstr. 62
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Grünphase der Ampeln für Fußgänger
Sämtliche Ampelphasen entlang der
Yorckstraße sind für Fußgänger grund­
sätzlich zu kurz.
Beispiele dafür sind insbesondere Yorck-/
Ecke Möckernstraße (Foto). Die Ampel­
phase für eine Straßenhälfte beträgt
sieben Sekunden.
Auch an der Yorck-/Großbeerenstraße und
Yorckstraße/Mehringdamm sind die Grün­
phasen der Ampeln so kurz geschaltet,
dass selbst Fußgänger, die nicht beein­
trächtigt sind, eine Straßenhälfte bis zum
Mittelstreifen nicht während einer Grün­
phase überqueren können. Auffällig ist
auch die Ampel an der Großbeeren­
/Hagelberger Straße, auch weil hier
Schulkinder von der Adolf-GlaßbrennerGrundschule die Straße überqueren.
Auch wenn der Autoverkehr nicht sofort
nach dem Umschalten in die rote Ampel­
phase fahren kann, besteht für Fußgänger
- ob mit oder ohne Beeinträchtigung - ein
Gefühl der Unsicherheit bei Überqueren
der Straßen und Warten auf dem Mittelteil.
Besonders betroffen davon sind Menschen
mit Beeinträchtigung und ältere Menschen.
Bordsteinabsenkungen
um mit einem Rollstuhl bzw. Rollator sicher
über die Straße zu kommen.
Wartburg-/Großbeerenstraße und
Hagelbergerstraße/Mehringdamm:
Auffällig ist die Überquerung der Hagel­
berger Straße, die nur über den Radweg
überquert werden kann. Der Übergang
zwischen Fuß- und Radweg ist ebenfalls
nicht ebenerdig.
Fehlende Bordsteinabsenkungen sind
insbesondere aufgefallen an den Kreu­
zungen: Tempelhofer Ufer/Großbeeren­
straße (Foto). Hagelberger-/Großbeeren­
straße:
Hier sind die Bordsteinkanten auf der
Westseite der Großbeerenstraße abge­
senkt, auf der Ostseite allerdings entwe­
der gar nicht oder nicht ausreichend flach,
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Oft sind Bordsteinabsenkungen auch mit
Autos zugeparkt - wie hier in der Großbee­
renstraße. (Foto)
Der frei bleibende Raum, um hier mit
einem Rollstuhl sicher auf die andere
Straßenseite zu kommen, ist zu eng.
Besonders auffällig ist die Überquerung
der Hornstraße vom begrünten Mittel­
streifen auf die rechte oder linke Stra­
ßenseite.
In beiden Straßenhälften sind Erhöhungen
angebracht, damit die Autos nicht zu
schnell fahren. Problem ist, dass diese
Erhöhungen zwar von der Seite des
Mittelstreifens barrierefrei sind, aber an der
gegenüberliegenden Straßenseite erhöht
bleiben.
Dazwischen ist eine ca. 20 bis 30 cm
breite Fahrbahnvertiefung und der Bord­
stein zum Gehweg ist extrem hoch. Die
Gefahr ist, dass Rollstühle in dieser
Vertiefung hängen bleiben. Rollstuhl­
fahrer*innen müssen auf der Straße
fahren, bis sie am Bürgersteig eine
Bordstein-absenkung finden. Eine völlig
absurde Situation.
Ein weiterer Mangel wurde am Übergang vom Gleisdreieckpark über die Möckernstraße
zur Hornstraße festgestellt. Die Bordsteinabsenkung ist zu hoch für die kleinen Roll­
stuhlräder.
Das heißt, Rollstuhlfahrer müssen grundsätzlich entweder mit einer Begleitperson unter­
wegs sein oder oftmals lange Umwege in Kauf nehmen, um einigermaßen schadlos von
einer Straßenseite zur anderen zu kommen. Ohne Ortskenntnisse ist dies eigentlich
nicht zu bewältigen.
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Mängel auf Straßen und Bürgersteigen
Beispiel hierfür sind die Bürgersteige am
Tempelhofer Ufer und entlang der Ostseite
der Großbeerenstraße: Die Gehwegplatten
sind hochgehoben z.B. durch Baumwurzeln.
Hier besteht Stolper- und Kippgefahr für
Rollstühle, E-Rollstühle, Rollatoren und
Kinderwagen. Teilweise sind die Gehwege
mit Teer uneben ausgebessert.
Hinzuzufügen ist, dass z.B. auf dem
relativ engen Bürgersteig am Tempel­
hofer Ufer auch Fahrradfahrer unterwegs
sind, da es keinen gesonderten Fahr­
radweg auf der von Autos sehr stark
befahrenen Straße gibt.
Dasselbe Problem findet sich auf dem
westlichen Bürgersteig der Möckern­
straße.
In der Großbeerenstraße gibt es auf der Straße zwar einen Fahrradweg, der extra
markiert ist, aber oftmals von in der zweiten Reihe parkenden Autos zugeparkt ist.
Weitere Behinderungen für Rollstuhlfahrer*innen sind die Engpässe auf Bürgersteigen, die durch
abgestellte Fahrräder bzw. Straßenschilder wie hier in der Wartenbergstraße und Möckern­
/Yorckstraße herbeigeführt werden.
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Ganz besonders prekär ist dies am westlichen
Teil des Mehringdamms zwischen U-BahnEingang und Yorckstraße: Hier behindern auf
dem eigentlich sehr breiten Bürgersteig ab­
gestellte Fahrräder und Menschenschlangen an
den Imbissbuden Rollstühle, E-Rollis und Kin­
derwagen.
Wenn dann auch noch eine Baustelle - wie
hier - dazu kommt, ist das Durchkommen für
Menschen im Rollstuhl völlig unmöglich.
Rampen
Die Rampe, die zum Gleis­
dreieckpark führt, ist genau das,
was sich Menschen im Rollstuhl
wünschen - einwandfrei und
wirklich barrierefrei zu befahren!
Anders verhält es sich bei einer
Rampe, die das Tempelhofer
Ufer und die Ruhlsdorfer Straße
verbindet:. Sie ist zu steil und
hat unebenes Kopfsteinpflaster.
Somit hebt sich aufgrund des Kopfsteinpflasters (Foto links) und
des steilen Winkels die Barrierefreiheit dieser Rampe auf.
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Müllboxen, Glascontainer, Kleidercontainer, Briefkästen
Wie die folgenden Bilder zeigen, sind Glascontainer - hier
in der Möckernstraße -, Kleidercontainer, Müllboxen und
Briefkästen für Menschen im Rollstuhl unzugänglich.
Glascontainer an der Möckernstraße Kleidercontainer und Briefkasten in der Möckernstraße
Das heißt, sie sind grundsätzlich auf fremde Hilfe ange­
wiesen und dadurch in ihrer Selbständigkeit stark einge­
schränkt.
Müllbox auf dem Mittelstreifen der Yorckstraße
Parks und Grünanlagen
Der Gleisdreieckpark bekommt eine gute Note. Er ist sehr gut begeh- und befahrbar. Er
ist für unterschiedlichste Sportarten geeignet, die Toiletten sind zugänglich und die Be­
leuchtung voll ausreichend.
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Einschränkend ist aber zu sagen,
dass das WC für Rollstuhlfahrer­
*innen zu eng ist.
Die barrierefreie Toilette am Eis­
laden hat eine Türe, die sich nur
nach außen öffnen lässt - sie ist
somit für Menschen im Rollstuhl
nicht handhabbar: Also eigentlich
nicht barrierefrei.
Bedienungsfreundlicher wäre eine
Schiebetüre oder ein automatischer
Türöffner.
Am Viktoriapark wird es schwieriger für körperlich beeinträchtige Menschen. Am Ein­
gang an der Kreuzbergstraße in Höhe der Großbeerenstraße sind Stangen eingelassen,
die mit einem Rollstuhl umständlich umfahren werden müssen. Der Eingang an der
Katzbach-/Kreuzbergstraße hat Stufen und ist somit für Rollstuhlfahrer*innen nicht ge­
eignet.
Bei den Grünanlagen fällt der Mittelstreifen
in der Hornstraße einerseits durch seine
Sauberkeit auf: es gibt saubere und
zugängliche Mülleimer mit Plastiktüten und
auch der Spielplatz ist einwandfrei nutzbar.
Andererseits findet man im Buschbereich
doch auch einigen Müll.
Obwohl es Sitzbänke gibt, ist der Mittel­
bereich der Yorckstraße von der Möckern­
zur Katzbachstraße auf den zweiten Blick
nicht ganz so einladend.
In den Büschen ist viel Müll abgeladen und zum Verweilen auf den Holzbänken ist es
eigentlich zu laut durch den enorm starken Straßenverkehr in der Yorckstraße.
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Als besonders problematisch
wird das Grüne Dreieck mit
Trafohäuschen an der Mö­
ckern-/Ecke Yorckstraße ge­
sehen.
Die Meinungen über dieses Dreieck gehen auseinander, deshalb wird eine Befragung
der Anwohner vorgeschlagen.
Grundsätzlich zu bemängeln
sind nicht vorhandene Hun­
dekottütenspender.
Die Verschmutzung durch
Hundekot ist enorm und man
stelle sich vor, als Rollstuhl­
fahrerIn kann man dieser
Unannehmlichkeit nicht aus­
weichen.
In der Wartenbergstraße Foto - gibt es Sitzgele­
genheiten zum Ausruhen.
Leider sind sie etwas zu tief
geraten und ältere Menschen,
die sich gerne mal unterwegs
ausruhen, können diese nicht
wirklich nutzen.
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Geschäfte, Dienstleistungseinrichtungen, Restaurants
Mangelhafte Zugänglichkeit zu Dienst- walts-Praxen finden sich in der Großbee­
leistungen wie Arzt- und Rechtsanrenstraße und z.B. am Mehringdamm 50.
Auch das Büro der Möckernkiez eG ist
für Rollstuhlfahrer*innen nicht
barrierefrei
und der Gemeindesaal der Christusgemeinde
ist auch nur über Stufen erreichbar.
Eine beispielhafte Ausnahme findet sich an
der Ziethenapotheke in der Großbeeren­
straße. Rechts von der Türe ist an der
Wand eine Klingel angebracht und es
heißt:: Bitte klingeln, wir helfen gerne!
Auch das Restaurant "Kreuzberger Him­
mel" in der Yorckstraße 89 ist barrierefrei
zugänglich.
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Öffentlicher Personen-Nachverkehr
Erfahrungen wurden gemacht am U-Bahnhof Mehringdamm Nord. Dort sind zwar zwei
Fahrstühle vorhanden, aber sehr schwer zugänglich.
Bemängelt und als gefährlich eingestuft wird von einem Rollstuhlfahrer die mangelnd
einsehbare Biegung im Zwischengeschoss der U-Bahn zwischen den Aufzügen nach
oben zur Straße und den Aufzügen zu den Gleisen - hier sollte ein Spiegel angebracht
werden. Durch Baumaßnahmen sucht man auch erst einmal die Fortsetzung des
Fahrstuhl zum Bahnsteig bzw. zur Straße. Hier könnte mit Hinweisschildern und Pfeilen
Abhilfe geschaffen werden. Der südliche Eingang zum U-Bahnhof Mehringdamm ist für
Rollstuhlnutzende unzugänglich.
Am U-Bahnhof Möckernbrücke gibt es
keine Fahrstühle - weder für die U1 noch
für die U7.
Sowohl für Rollstuhlfahrer*innen als auch
für Kinderwagen gibt es von keiner Seite
dieser beiden U-Bahnhöfe eine Nutzungs­
möglichkeit.
Am S- und U-Bahnhof Yorckstraße fehlt jegliche Form der Barrierefreiheit.
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Die Bushaltestelle für den Bus M19, Yorck­
/Katzbachstraße Richtung Grunewald/Ha­
genplatz - direkt am Möckernkiezgrund­
stück - hat weder eine Überdachung noch
eine Sitzgelegenheit - man steht buchstäb­
lich im Regen. Außerdem ist der
Wartebereich sehr eng und durch den viel
befahrenen Fahrradweg - direkt neben
dem Bürgersteig - auch gefährlich.
Zusammenfassung
Die in diesem Erfahrungsbericht aufgezeigten Probleme und Mängel können sicher noch ergänzt werden, zumal es die vier Gruppen des Kiezspaziergangs gar nicht geschafft haben, in jede Straße des Quartiers zu kommen. Daher bitten wir um Ergänzungen, die wir noch in die Liste aufnehmen können. Am 27.6.2015 wollen wir gemeinsam über nächste Schritte beraten. Welches Problem ist vorrangig, welches wollen wir weiter verfolgen? Hier sind besonders das Wissen und die Erfahrung der beteiligten Rollstuhlfahrer*innen gefragt. Was tun, wenn Geschäfte, Arztpraxen u. ä. nicht zugänglich sind wegen Treppen­
/Stufen? Welchen Nutzen können Rampen haben? Wer ist Ansprechpartner*in, z.B. in der Verwaltung, der Politik oder bei der BVG, wer kann uns unterstützen? Wir wollen aber auch darüber sprechen, welche Fragen und Themen offen ge­
blieben sind. Z.B.: Welche Geschäfte, Dienstleistungen, Treffpunkte, Bänke, feh­
len in der Nachbarschaft? Was soll aus dem „grünen Dreieck“ an der Ecke Möckern-/Yorckstraße werden? Vielen Dank an alle, die diesen Kiezspaziergang möglich gemacht haben: ● Gruppe Kiezspaziergang mit Möckernkiezverein: Daniela Przuntek, Christine Raiser-Süchting
Heike Rodust, Barbara Schäfer.
● Protkollant*innen der vier Routen: Cornelia Wagner, Rebecca Kassen, Markus Runge,
Sabine Jewasinski
● Fotograf*innen der vier Routen: Dieter Barz, Petra Althoetmar, Hanjo Bergemann,
Eva Zimmermann
● Dokumentation: Eva Zimmermann
Der Verein Möckernkiez e.V. hat die Dokumentation finanziell unterstützt http://www.moeckernkiez.de/verein/
Kontakt für Rückfragen: Dr. Daniela Przuntek, Tel.: 0171 312 58 58 Weitere Links für Barrierefreiheit in der Stadt: http://wheelmap.org/ - http://www.openstreetmap.de/ - http://www.mobidat.net 11