1. Bibelkunde und Aufbau - EKHN

Examensvorbereitung AT von Simon Ahäuser
Hiob
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Literatur:
• Angelika Berlejung: Repetitorium Alte Testament (Mitschrift: Universität Leipzig).
• Ludger Schwienhorst-Schönberger: Das Buch Ijob, in: Erich Zenger/ Christian Frevel: Einleitung in das
Alte Testament, Stuttgart 82012, 414-428.
Hiob
1. Bibelkunde und Aufbau
Hi 1-2
Prolog → Hiobs Frömmigkeit und Reichtum
1. Himmelsszene (Vorsprache Satans) – Prüfung (Vieh; Kinder)
2. Himmelsszene (Vorsprache Satans) – Prüfung (Krankheit)
Prosa
Hi 3-42
Dialogteil
Poesie
Hi 3
Monolog Hiobs: „Wäre ich nie geboren“
Hi 4-27
Dialoge mit den Freunden:
4-14 Erster Redegang ; 15-21 Zweiter Redegang; 22-27 Dritter Redegang
Hi 28
Lied über die göttliche Weisheit
Hi 29-31
Herausforderungsreden Hiobs (Vergangenes Glück und jetziges Elend) +
Unschuldsbekenntnis („Der Allmächtige antworte mir: Wo ist die Klageschrift?“)
Hi 32-37
Elihu Reden
Hi 38-42,6
Gottesreden (Theophanie im Sturmwind als Antwort auf 29-31; listenartige
Aufzählung der Schöpfungswerke)
Gott: „Wo warst du, als ich die Erde gründete...?
Hiob: „Siehe, zu gering bin ich! Was kann ich dir erwidern?“ (40)
Hi 42,7-17
Epilog
Hiobs Rechtfertigung vor seinen Freunden; Wiederherstellung und Ende
Prosa
1.1. Gibt es einen Gedankenfortschritt in Hiob?
• Entgegen vieler Behauptungen lässt die Abfolge der Reden im Dialogteil sehr wohl einen
„Gedankenfortschritt“ erkennen:
• Zunehmend findet eine Entfremdung zwischen Hiob und seinen Freunden und einer im
Ausdruck und Hoffnung stärker werdenden Hinwendung Hiobs zu Gott.
◦ Dieser wird zunächst als Richter (9), dann als Zeuge (16) und schließlich als Löser (19)
angerufen.
• Schließlich fordert Hiob ihn zu einer direkten Antwort auf.
1.2. Der Dialogteil
Erster Redegang:
• Vorwurf Hiobs gegen Gott – Freunde versuchen verschiedene Modelle, um sein Leid zu
erklären (kreatürliche Schwäche; Strafe für Sünde; Gottes Walten ist unergründlich).
Zweiter Redegang:
• Hiob fordert Gott stärker heraus; die Freunde sprechen den Verdacht aus, Hiob selbst sei
ein Frevler.
Dritter Redegang und Fortgang der Dialoge:
• Elifas beschuldigt Hiob, Verbrechen begangen zu haben → Leid als Strafe.
• Das Lied der Weisheit schlägt den Bogen zurück zu 1 (Gottesfurcht)
• Abschlussrede (29-31): Hiob möchte eine Antwort Gottes.
• Elihu tadelt in seinen Reden (32-37) die Freunde und Hiob selbst – er weist seine
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Anklagepunkte Punkt für Punkt zurück. Elihu fragt stärker nach dem Zweck als nach dem
Grund des Leides.
◦ Sie sind der Versuch, das „Hiobproblem“ durch die traditionelle Weisheit zu lösen.
2. Entstehung
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Die Hauptfrage hinter der Entstehung ist erst einmal, ob das Buch aus einer Hand
entstanden ist oder nicht?
Das Buch behandelt ein gemeinorientalisches Thema, kein explizit israelitisches.
Viele Texte ähneln Hiob oder haben Ansätze, die hier übernommen wurden (bspw.
Prometheus und volkstümliche Sagen).
2.1. Literarkritische Wachstumsgeschichte
• Der älteste Kern liegt wohl im Grundbestand der Rahmenerzählung vor (Prolog: 1-2;
Epilog: 42).
• Die erste umfangreiche Erweiterung geschah durch Einfügung des Dialogteils (3-27; 2931; 38-42).
◦ Die Elihureden (32-37) und das Lied der Weisheit (28) sind sekundär.
• Diese Beobachtungen stützen sich auf Spannungen zwischen Rahmen- und Dialogteil:
◦ Dialogteil in Poesie; Rahmen in Prosa geschrieben.
◦ Unterschiedliche Gottesbezeichnungen:
▪ Im Rahmen vor allem JHWH und Elohim.
▪ Im Dialogteil vor allem El, Eloha und Schaddaj.
◦ Auch gibt es theologische Differenzen:
▪ Der Hiob im Rahmenteil nimmt sein Leid gottergeben an.
▪ Der des Dialogteils lehnt sich auf und fordert von Gott eine Antwort.
• Für die Elihureden gibt es folgende Gründe des sekundären Einschubs:
◦ Er wird im Rahmen mit keiner Silbe erwähnt, die Reden unterbrechen den
Zusammenhang zwischen Hiobs Ruf zu Gott und dessen Antwort.
• Die Mehrheit der Forschung hält sie für sekundär, nur wenige wie Wahl sehen sie zum
Grundbestand gehörend. Inhaltlich setzen sie die Gottesreden schon voraus, sind also
zeitlich nach ihnen entstanden.
2.2. Weitere literarkritische Differenzierungen
• Im dritten Redegang gibt es einige Unregelmäßigkeiten, formal und inhaltlich.
• Was Hiob in 27 sagt, passt nicht zu dem, was er sonst gesagt hat, wohl jedoch zur Theologie
der Freunde.
◦ Das Lied der Weisheit in 28 gehört formal zu der in 27 einsetzenden Rede Hiobs,
scheint aber eine nachträgliche Ergänzung zu sein.
• Die Gottesreden können verschieden interpretiert werden: Ich persönlich gehe davon aus,
dass diese mitsamt den beiden Antworten Hiobs zum ursprünglichen Bestand der ersten
Erweitung von Hiob gehören (Kubina).
2.3. Geschichtlicher Kontext
• Am wahrscheinlichsten ist eine frühnachexilische Entstehung aus der Perserzeit.
◦ Der „Held“ der Erzählung ist ein Nichtisraelit, ähnlich wie in Jona, Rut und Daniel.
◦ Viele Aramaismen weisen sprachlich darauf.
◦ In der erweiterte Form der Erzählung word der „Satan“ (Ankläger) – ähnlich wie in
Sach 3 – als ein dem Menschen feindlich gesinntes Himmelswesen bezeichnet, ist aber
noch nicht wie in 1Chr 21 ein Eigenname.
• Terminus post quem ist das Ende des 2.Jh., da Aristeas das Buch einschließlich der
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Elihureden voraussetzt.
3. Theologie
3.1. Schöpfungstheologie Hiobs
• Wie oft in weisheitlicher Literatur findet sich auch in Hiob eine explizite
Schöpfungstheologie. Hier ist es eine Konflikt-/Kampftheologie.
• In den Gottesreden spricht von der Schöpfung als eine Kriegssituation im Kampf gegen den
Leviathan.
◦ Hi 41: „Niemand ist so kühn, dass er es reizen möchte; wer kann aber vor mir bestehen?
Wer ist mir zuvorgekommen, dass ich es ihm vergelte? Unter dem ganzen Himmel ist
alles mein!
• Hiob orientiert sich an eine altorientalische Schöpfungsmythologie: Der Kampf des
höchsten Gottes mit Chaosmächten.
◦ Sie sind Feinde der Schöpfung und werden ins Meer gebannt.
◦ Aus diesem Grund wird auch nicht das Meer von Gott geschaffen.
3.2. Das rechte Verhalten im Leid
• Die rechte menschliche Haltung nach der Rahmenerzählung ist die gottergebene Annahme
des Leids.
◦ Im Dialogteil wird diese Lösung problematisiert. Hier wird die Klage im Leid vom
Hiob-Dichter als eine menschlich legitime Handlung anerkannt.
◦ In 31 schwört Hiob vor Gott in einem Reinigungseid: Er erklärt, welche Sünden er nicht
getan hat.
◦ Hiob kritisiert das Chaos der Welt, damit übersteigt er seine Kompetenzen. Nach
weisheitlichen Grundgedanken darf er aber auch als Frommer mit seinem Gott streiten.
• Die Weisheit Hiobs ist größer als die der Freunde, da er als Lösung seiner Probleme die
persönliche Hinwendung sucht.
◦ Seine Freunde bleiben bei der Rede über Gott behaftet. Im Hintergrund steht bei ihnen
immer die Frage des TEZ → Was könnte Hiob falsch gemacht haben?
„Grausamer himmlischer Test“ Gottes (Schmid).
3.3. Ursache und Zweck des Leids
• Die Rahmenerzählung ohne Himmelsszenen thematisiert die Frage nach Zweck und
Ursache überraschenderweise nicht.
• Leid ist nach den Reden der Freunde:
◦ Folge menschlicher Schuld.
◦ Form göttlicher Erziehung und Zurechtweisung.
◦ Prüfung des Frommen.
• Stärker als bei Elifas ist das Leid bei Elihu eine Erziehungsmaßnahme Gottes.
• Noch vor seinem Tod und der Wiederherstellung gelangt Hiob zur Schau Gottes.
◦ Er erklärt den Streit mit Gott für beendet (40,4-5) und wird auch äußerlich
wiederhergestellt (42,10-17).
• In den Himmelszenen jedoch wird es weiter reflektiert. Gott lässt das Leid zu.
◦ Das Leid stammt weder direkt von Gott, noch geht es auf die Initiative Gottes zurück.
Initiativ wird der Satan, und er führt es auch durch, allerdings unter Zulassung, aber
auch klarer Eingrenzungen des Ausmaßes des Leids durch Gott.
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3.4. Aktuelle Forschung zwischen Seelsorge und Satan
• Das Buch Hiob bietet der theologischen Forschung, im Gegensatz zu anderem Thema
immer noch viel Potential.
• Manch einer schießt dabei über das Ziel hinaus: Der Heidelberger Manfred Oeming sieht
„Hiob als Beispiel gelungener Seelsorge“.
◦ Das Hiob gerne auch in der gemeindlichen Praxis ein Thema bleibt, ist unbestritten.
Seine These ist jedoch völliger Blödsinn.
◦ Im Gegensatz zu Hiob kriegt ein Mensch nicht alles wieder, und erst nicht doppelt und
dreifach. Des weiteren bietet diese Tatsache auch in der Seelsorge nur wenig Trost.
• Der Göttinger Spieckermann geht bei der Frage nach der Ursache des Leids deutlich weiter
als die bisherige Forschung. Er spricht bei Hiob von einer „Satanisierung Gottes“.
◦ Der Satan überredet Gott im Rahmenteil, mit Hiob allerlei Experimente anzustellen, um
seinen Glauben zu testen.
• Monotheismus bedeutet, dass Gottes alles tut und wirkt, demnach auch das Böse.
◦ Er ist also auch für das Böse zuständig, und demnach ist er Satan.
◦ Ursache des Leids ist also Gott.
• Der katholische Theologie Berges aus Bonn geht den gleichen Weg, spricht aber von der
„Ambiguität (Mehrheitlichkeit) des biblischen Gottesbildes“.
◦ Soll von einem konsequenten Monotheismus geredet werden, kann es keinen
Gegenspieler wie den Satan geben und Gott muss alles zugeschrieben werden.
◦ Der Mensch weiß nach Hiob nicht, wann Gott etwas tut und vor allem nicht warum.