VG Bayreuth: BayVwZVG, Vollstreckungsverfahren, RGebStV

VG Bayreuth, Beschluss v. 19.05.2015 – 3 E 15.185
Titel:
VG Bayreuth: BayVwZVG, Vollstreckungsverfahren, RGebStV, einstweilige Einstellung,
Kopp Schenke, Rechtsquelle, Erledigungserklärung, Anscheinsbeweis,
Leistungspflichtige, ohne mündliche Verhandlung, Stundung der Forderung, Ereignis,
Anordnungsanspruch, Vollstreckungsanordnung, Prozeßkostenhilfe,
Vollstreckungsvoraussetzung, Rundfunkgebühren, Rechtsbehelf, Rechtmäßigkeit
Normenketten:
VwGO §§ 80, 87a, 92 III, 123, 161 II, 166
ZPO § 114
BayVwZVG Art. 17, 19, 21, 23, 24
RGebStV § 4 III
§ 166 VwGO
§ 123 Abs. 1 VwGO
§ 114 ZPO
VwGO §§ 80, 87a, 92 III, 123, 161 II, 166
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Zwangsvollstreckungseinstellung, Rundfunkgebührenbescheid, Anscheinsbeweis,
Nichterweislichkeit, Zugang, Verfahrenseinstellung, Erledigungserklärung, Einstellungsbeschluss,
Erfolgsaussicht, Vollstreckung, Leistungsbescheid, Zustellung, Vollstreckungsersuchen
Tenor
I.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., ..., wird abgelehnt.
II.
Das Verfahren wird eingestellt.
III.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
IV.
Der Streitwert wird auf 169,65 EUR festgesetzt.
Gründe
1. Über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist im Einstellungsbeschluss durch den
Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VwGO zu entscheiden (Entscheidungsreife lag bereits vor
Eintritt des erledigenden Ereignisses vor). Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt gemäß § 166
VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO voraus, dass die betreffende Partei außer Stande ist, ohne Beeinträchtigung
des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten und die
beabsichtigte Rechtsverfolgung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Hinreichende
Erfolgsaussichten sind gegeben, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs besteht (vgl. BayVGH
vom 15.11.1999 Az. 10 C 99.1419; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., Rdnr. 8 zu § 166).
Der Antragstellerin kann vorliegend Prozesskostenhilfe jedoch nicht bewilligt werden, weil die mit dem
Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg
bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).
Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung glaubhaft
gemacht. Denn nach summarischer Prüfung ist die beabsichtigte Zwangsvollstreckung zulässig.
Verwaltungsakte, die auf die Leistung einer öffentlich-rechtlichen Geldforderung gerichtet sind, können
vollstreckt werden, wenn der Verwaltungsakt entweder unanfechtbar ist (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG)
oder ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung entfaltet (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG) bzw. die
sofortige Vollziehung angeordnet ist (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 BayVwZVG), die Verpflichtung zur Zahlung noch
nicht erfüllt ist (Art. 19 Abs. 2 BayVwZVG), der zu vollstreckende Verwaltungsakt dem Leistungspflichtigen
zugestellt worden ist (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG), die Forderung fällig ist (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2
BayVwZVG) und der Leistungspflichtige gemahnt wurde (Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 BayVwZVG). Zudem muss
eine Vollstreckungsanordnung vorliegen, die den Anforderungen des Art. 24 BayVwZVG genügen muss.
Die Rechtmäßigkeit des der Vollstreckung zugrunde liegenden Verwaltungsaktes wird im
Vollstreckungsverfahren jedoch grundsätzlich nicht mehr geprüft. Nur nach Maßgabe des Art. 21
BayVwZVG hat der Schuldner im Vollstreckungsverfahren die Möglichkeit, materielle Einwendungen gegen
den zu vollstreckenden Anspruch geltend zu machen. Gem. Art. 21 Satz 2 BayVwZVG sind derartige
Einwendungen jedoch nur zulässig, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu
vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden sind (z. B. Erfüllung, Verzicht bzw. Erlass oder Stundung der
Forderung) und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können.
Im vorliegenden Fall sind alle Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt.
a) Gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG i. V. m. Art. 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO hat ein förmlicher
Rechtsbehelf gegen die streitgegenständlichen Leistungsbescheide keine aufschiebende Wirkung. Die
Antragstellerin hat ihre Verpflichtung zur Zahlung der in diesen Bescheiden geltend gemachten
Rundfunkgebühren und Säumniszuschläge zudem noch nicht erfüllt, Art. 19 Abs. 2 BayVwZVG.
b) Das Gericht hat auch keine Zweifel daran, dass die streitgegenständlichen Bescheide der Antragstellerin
zugegangen sind.
Nach Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG kann ein Leistungsbescheid vollstreckt werden, wenn dieser Bescheid
dem Leistungspflichtigen zugestellt worden ist. Die Zustellung des der Zwangsvollstreckung zugrunde
liegenden Leistungsbescheides richtet sich nach Art. 1 bis 17 BayVwZVG. Es ist mithin die Zusendung von
schriftlichen Bescheiden durch einfachen verschlossenen Brief gemäß Art. 17 Abs. 1 BayVwZVG möglich.
Gemäß Art. 17 Abs. 2 BayVwZVG gilt bei der Zusendung durch einfachen Brief die Bekanntgabe mit dem
dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bewirkt. Auf der bei den Akten verbleibenden Urschrift ist der Tag
der Aufgabe zur Post zu vermerken. Nach Art. 17 Abs. 4 Satz 2 BayVwZVG können bei der Zustellung
maschinell erstellter Bescheide - wie vorliegend der Fall - an Stelle des Vermerks die Bescheide nummeriert
und die Absendung in einer Sammelliste eingetragen werden. Der Antragsgegner hat vorliegend die
Voraussetzungen der gesetzlichen Zugangsvermutung des Art. 17 Abs. 2 BayVwZVG durch Übersendung
einer Hardcopy der sogenannten History-Aufstellung des elektronisch geführten Beitragskontos
nachgewiesen. Darin sind die Postauslieferungsdaten der Bescheide als elektronische „Post-Ab-Vermerke“
aufgelistet. Da die Versendung der Bescheide damit ausreichend belegt und dokumentiert ist, genügt das
bloße Bestreiten des Erhalts von sieben Bescheiden, die an die jeweils zutreffende Anschrift der
Antragstellerin gerichtet waren, nicht. Ernsthafte und für das Gericht nachvollziehbare Zweifel am Zugang
der Bescheide hat die Antragstellerin nicht (ausreichend) glaubhaft gemacht. Die Bekanntgabe gilt daher
gemäß Art. 17 Abs. 2 BayVwZVG mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bewirkt.
Unabhängig von der Zugangsfiktion des Art. 17 Abs. 2 BayVwZVG gelten die streitgegenständlichen
Leistungsbescheide im vorliegenden Fall jedenfalls nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises als
zugegangen. Die Behörde erfüllt nämlich im Falle der Nichterweislichkeit des Zugangs eines Bescheides
ihre Beweispflicht nach den Grundsätzen über den Beweis des ersten Anscheins, wenn sie Tatsachen
vorträgt, aus denen nach allgemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass der Empfänger den
Bescheid tatsächlich erhalten haben muss (BayVGH, B. v. 6.7.2007 - 7 CE 07.1151 - juris Rn. 8; VG
Würzburg, U. v. 28.9.2010 - W 3 K 10.843 - juris; VG München, B. v. 15.12.2014 - M 6b E 14.4417 - juris
Rn. 34). Solche für einen Zugang sprechenden Tatsachen sind hier ersichtlich gegeben. Wie bereits
dargestellt, sind nach der History-Aufstellung zum elektronischen Beitragskonto der Antragstellerin alle
sieben streitgegenständlichen Bescheide versandt worden, ohne dass auch nur einer der Bescheide als
unzustellbar zurückgekommen wäre. Sämtliche Bescheide waren mit der von der Antragstellerin jeweils
bekannten und aktuellen Anschrift versehen und waren damit im Zeitpunkt der jeweiligen Versendung
korrekt adressiert. Es erscheint lebensfremd und in hohem Maße unwahrscheinlich, dass alle sieben
streitgegenständlichen Bescheide im Postbetrieb verlorengegangen sein könnten, zumal sich aus dem
Ausstandsverzeichnis zum Vollstreckungsersuchen vom 02.02.2015 ergibt, dass die Rundfunkgebühren für
den Zeitraum vom 01.06.2010 bis 31.08.2010 in Höhe von 20,00 EUR ausgeglichen wurden. Der
Antragstellerin ist es demgegenüber nicht gelungen, schlüssig vorzutragen, warum in ihrem Fall von einem
atypischen Geschehensablauf auszugehen ist. So hat die Antragstellerin beispielsweise nicht vorgetragen,
dass sie in der fraglichen Zeit auch andere Störungen der Postzustellung bei anderen Postsendungen
bemerkt hätte. Vielmehr hat die Antragstellerin lediglich pauschal und substanzlos bestritten, die sieben
Leistungsbescheide erhalten zu haben, ohne einen atypischen Geschehensablauf auch nur im Ansatz
vorzutragen.
c) Auch die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 BayVwZVG liegen vor. Nach Art. 23
Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG waren die mit den streitgegenständlichen Leistungsbescheiden festgesetzten
Rundfunkgebühren fällig, weil diese kraft Gesetzes gemäß § 4 Abs. 3 RGebStV in der Mitte eines
Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten sind. Die Antragstellerin ist mit Schreiben vom
01.12.2014 gemäß Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 BayVwZVG auch ergebnislos gemahnt worden.
d) Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass sie als Bezieherin von Harz-IV-Leistungen von der Zahlung der
Rundfunkgebühren zu befreien sei, so ist diese Einwendung im Vollstreckungsverfahren gemäß Art. 21 Satz
2 BayVwZVG unzulässig, weil es sich hierbei um eine materielle Einwendung handelt, die die
Antragstellerin mit förmlichen Rechtsbehelfen gegen die Leistungsbescheide hätte geltend machen müssen.
Aber selbst wenn es hierauf im Vollstreckungsverfahren ankäme, wären die streitgegenständlichen
Leistungsbescheide auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden, weil die Antragstellerin für den
streitgegenständlichen Zeitraum ihre Rundfunkempfangsgeräte nicht abgemeldet hat und auch keinen
Befreiungsantrag gestellt hat.
Nach alledem war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren abzulehnen, weil
der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung mangels
Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166
VwGO, § 114 ZPO).
2. Die Parteien haben die Hauptsache mit den am 8. April 2015 bzw. am 15. April 2015 bei Gericht
eingegangenen Erklärungen für erledigt erklärt. Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung von
§ 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
3. Nach § 161 Abs. 2 VwGO ist über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. In der Regel entspricht es der Billigkeit,
demjenigen die Kosten zu überbürden, der im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Bei der
Billigkeitsentscheidung ist jedoch auch zu berücksichtigen, auf wen das erledigende Ereignis
zurückzuführen ist.
Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen, weil - wie bereits
unter Nummer 1 des Beschlusses dargestellt - der Antrag nach 123 Abs. 1 VwGO mangels
Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs keinen Erfolg in der Sache hatte. Dass der Antragsgegner
das Vollstreckungsersuchen vom 02.02.2015 einstweilen zurückgezogen hat und daher der
Anordnungsgrund für dieses Verfahren entfallen sein mag, rechtfertigt keine anteilige Kostenbeteiligung des
Antragsgegners. Denn allein die Antragstellerin hat das Verfahren verursacht, weil sie einstweiligen
Rechtsschutz begehrte, ohne einen Anordnungsanspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zu
haben.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Die der Zwangsvollstreckung
zugrunde liegende Forderung beträgt insgesamt 339,30 EUR (siehe hierzu das dem
Vollstreckungsersuchen vom 02.02.2015 anliegende Ausstandsverzeichnis). Ausgehend hiervon wird der
Streitwert auf 169,65 EUR festgesetzt, weil im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als Streitwert die
Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwertes anzusetzen ist (vgl. Ziffer 1.5 des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).