Armut ist kein Kinderspiel Von Henrike Neuhaus und Jennifer Kunstreich Kinderarmut in Deutschland ist ein wachsendes Problem. Das Deutsche Kinderhilfswerk stellt in seinem „Kinderreport 2007“ fest, dass 14% der unter 18-jährigen in Deutschland offiziell in Armut leben. Mit 23% liegt die Statistik für Göttingen weit über dem Bundesdurchschnitt. Die Dunkelziffer ist vermutlich viel höher. Was steht hinter diesem Zahlen? Was bedeutet Armut für Kinder in Deutschland? Wie geht Göttingen damit um? Dass Kinderarmut ein Thema ist, das mittlerweile auch eine reiche Industrienation wie Deutschland betrifft, setzt sich erst langsam im Bewusstsein der Bevölkerung fest. Armut ist relativ – sie ergibt sich aus einer Verhältnisbestimmung des Einzeleinkommens zum durchschnittlichen Lebensstandart. Wenn ein Kind im Verhältnis zu Altersgenossen arm ist, dann bedeutet dies oft, dass es in vieler Hinsicht benachteiligt und ausgegrenzt wird. Kinder die von Hartz IV oder anderen Sozialhilfeleistungen leben, können vieles, was für andere Kinder normal ist, nicht in Anspruch nehmen. Entwicklungsangebote außerhalb der Schule, wie Reisen, privater Musikunterricht oder Sportverein fallen weg. Armut ist ein Teufelskreis Tatsächlich haben arme Kinder insgesamt ein niedrigeres Bildungsniveau. Durch Mangelnde Gesundheitsaufklärung, ungesunde Nahrung und weniger Bewegung sind materiell benachteiligte Kinder öfter krank und leiden häufiger unter Konzentrationsschwächen, die ihre schulischen Leistungen früh beeinflussen. Heranwachsende mit hohem Armutsrisiko leben zudem vielfach in Wohnvierteln, die durch ein geringes Einkommen der Bewohner definiert sind, und sie haben im Bezug auf ihre Zukunftschancen ein negatives Selbstbild, sagt der „Kinderreport 2007“. So entstehen Amutsbiographien deren Charakteristika sich von einer Generation zur nächsten vererben. Armut von Kindern in Deutschland ist ein vielschichtiges Problem, dass Auswirkungen auf die soziale, seelische, intellektuelle und körperliche Entwicklung der Betroffenen hat und damit Prozesse in Gang setzt, die die Zukunft unserer gesamten Gesellschaft prägen. Wo kann man ansetzten, um diese Spirale der Armut zu unterbrechen? Gesundheit und Bildung Ein Erfolg versprechendes Konzept sieht Elke Lahmann, Geschäftsführerin der Bürgerstiftung Göttingen, beispielsweise darin, Kinder von Geburt an in fördernde Netzwerke einzubinden. So plant der Zusammenschluss „Bildungsregion Göttingen“ die gesundheitliche Frühversorgung von Kindern aus armen Familien auszuweiten. Insbesondere Einwandererfamilien, die überdurchschnittlich oft arm sind und zudem mit Sprachbarrieren zu kämpfen haben, sollen dazu bewegt werden kinderärztliche Vorsorgeuntersuchungen stärker in Anspruch zu nehmen. Dabei sollen Familien durch Ärzte, aber auch durch Familienhebammen langfristig betreut werden. Neben der Gesundheit setzt die Bürgerstiftung Göttingen auf die Förderung von Bildung und sozialer Kompetenz. Die Projekte „Zeit für Kinder“ und „Zeit für Jugendliche“ suchen Paten bzw. Mentoren für Kinder und Jugendliche. Erwachsene Helfer nehmen sich einmal in der Woche einige Stunden Zeit für einen Heranwachsenden. Eingebettet in diese Aktion ist eine Kooperation zwischen der Bürgerstiftung und dem Deutschen Theater Göttingen. Drei bis vier Jugendstücke pro Spielzeit können junge Menschen gemeinsam mit ihren Paten oder Mentoren kostenfrei besuchen und haben nach der Aufführung die Möglichkeit mit den Akteuren des gesehenen Stückes zu sprechen. Für die konkrete, materielle Unterstützung initiiert die Bürgerstiftung eine Schülertafel und vergibt Sozialfonds an Schulen. Aus diesen Fonds können Familien Zuschüsse für Lehrmittel und Klassenfahrten entgegennehmen. Durch einen sehr diskreten Umgang mit Förderungsanträgen wollen die Betreuer dieser Fonds eine Stigmatisierung der materiell schlechter gestellten Kinder vermeiden und damit Hemmschwelle senken, sich aus der Not helfen zu lassen. Kinderarmut in Deutschland: www.kinder-armut.de Bürgerstiftung Göttingen: www.buergerstiftung-goettingen.de
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