Chinesische Germanistik - GFL

Expansion und Hierarchisierung der chinesischen
Germanistik
Julian Marioulas, Shanghai & Lili Wu, Qingdao
ISSN 1470 – 9570
Julian Marioulas & Lili Wu
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Expansion und Hierarchisierung der chinesischen Germanistik
Julian Marioulas, Shanghai & Lili Wu, Qingdao
Einhergehend mit der rapiden Expansion des Hochschulwesens hat sich das Angebot an
Bachelorstudiengängen der deutschen Sprache in China seit dem Jahr 2000 mehr als
verdreifacht. Die in diesem Zuge neu entstandenen Germanistik-Institute sind häufig an
Universitäten verortet, die weder über einen geisteswissenschaftlichen noch fremdsprachlichen Hintergrund verfügen, und die es bisher kaum vermochten, ein eigenständiges
akademisches Profil zu entwickeln. Auch in der Studienqualität sehen sie sich häufig
nicht in der Lage, mit historisch gewachsenen, prestigereichen Germanistik-Instituten zu
konkurrieren. Im Hochschulwesen verortete systemimmanente Faktoren und das Entwicklungsgefälle zwischen Städten und Provinzen verstärken die entstandenen Hierarchien. Um die bestehenden Unterschiede zwischen den Universitäten und die vor ihnen
liegenden Herausforderungen abzubilden, nehmen die Autoren eine umfassende
Kategorisierung der Hochschulgermanistik in China vor. Sie regen eine weitere Auseinandersetzung mit der Problematik an, zumal kürzlich beschlossene Maßnahmen des
Bildungsministeriums, die auf eine stärker qualitative Entwicklung der Universitäten
zielen, das Potential erkennen lassen, die gegenwärtigen Defizite zumindest teilweise auszugleichen.
1. Einleitung
Die gegenwärtige chinesische Germanistik ist stark hierarchisiert, sie existiert an den
besten Universitäten des Landes als prestigereiche, akademisch versierte Wissenschaft
ebenso wie als unerwartete Erscheinung an technischen Hochschulen, die ihr geisteswissenschaftliches Profil zu stärken suchen. Während sie an der Peking-Universität auf
eine bald hundertjährige Geschichte zurückblickt, ist ihre Existenz an jüngeren
Institutionen dem bloßen Vorhandenseins eines Studienganges geschuldet, der zwar als
Bachelor der Germanistik umschrieben wird, primär aber der Ausbildung von
zukünftigen Deutschsprechern für die lokale Wirtschaft dient.1 Daher liegt bisher auch
kein großer akademischer Verband vor, der sich auf Augenhöhe begegnet: „(...) durch
die Gemeinsamkeit des Faches und als gemeinsame Profilierung gegenüber anderen
Fächern wird das Profil einer jeden germanistischen Fakultät in China gebildet“,
schreibt Qian Minru von der Pekinger Fremdsprachenuniversität (2010: 49). Die in
China bestehenden Germanistenverbände, darunter die 1983 gegründete Forschungsgemeinschaft für deutsche Literatur und die seit 2004 bestehenden Seminare für Inter1
In diesem Beitrag wird das generische Maskulinum verwendet.
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kulturelle Germanistik, gehen auf Initiativen von Universitäten in Peking und Shanghai
zurück und sind dort ansässig (Wei 2011: 20f.).
Demzufolge bestehen in der chinesischen Germanistik als Ganzes nur wenige Gemeinsamkeiten. Schon bei der Begrifflichkeit selbst kommt es zu Schwierigkeiten, denn mit
der Einrichtung eines Bachelorstudiengangs der deutschen Sprache geht zwar immer die
Gründung eines Germanistik-Institutes (德语系) an der sie tragenden Universität einher,
eine über wenige Auswahlkurse hinausgehende Vermittlung sprachwissenschaftlicher
Inhalte in dem Studiengang oder eine eigenständige Forschungsleistung durch den
Lehrkörper jedoch nicht in jedem Fall. Der Einfachheit halber werden daher im
Folgenden die Begriffe Germanistik und Germanistik-Institut nicht positiv wertend,
sondern umfassend verwendet und implizieren keine spezielle wissenschaftliche Ausrichtung. Angemerkt sei weiterhin, dass nur auf die Situation in Festlandchina eingegangen wird, d. h. Hongkong und Macao ausgenommen sind.
2. Expansion der chinesischen Germanistik
Die chinesische Germanistik ist vielerorts nur wenige Jahre alt, und doch bemüht,
eigene Schwerpunktsetzungen vorzunehmen und Profile zu entwickeln, die zukünftig
der Disziplin als Ganzes zugutekommen können. Vielfach gilt es zunächst aber einmal,
in den Studiengängen selbst gewisse Mindeststandards einzuhalten. Diese Problematik
ist eine Folge der seit dem Jahr 2000 erfolgten, enormen quantitativen Ausweitung der
chinesischen Germanistik. Allein in den Jahren 2000-2009 stieg die Zahl der an
staatlichen Hochschulen angebotenen Bachelorstudiengänge Deutsch von 23 auf 62. (Jia
2011: 32) Seitdem hat sich der Rhythmus von Neugründungen kaum verlangsamt;
gegenwärtig liegt die Gesamtzahl der Institute weitaus höher. Szurawitzki (2015: 64)
nennt eine Zahl von 102 germanistischen Abteilungen. Unter Berücksichtigung von
Zahlen des Anleitungskomitees für Fremdsprachen, das sich im Bildungsministerium
für die Rahmenbedingungen fremdsprachlicher Studiengänge verantwortlich zeichnet,
kann von 107 öffentlichen und privaten Hochschulen ausgegangen werden, an denen
2014 eine Germanistik bestand (AK Fremdsprachen 2014: 1).2
Diese 107 Institute unterteilen sich wie folgt:
2
Eine weitestgehend umfassende und aktuelle Übersicht aller Germanistikinstitute in China
findet sich unter http://college.gaokao.com/speciality/638/ (abgerufen am 1.11.2015).
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
76 öffentliche Universitäten ersten und zweiten Rangs (一本/二本院校, s. u.)

25 öffentliche Universitäten dritten Rangs, private Universitäten und Unabhängige
32
Colleges (三本院校/民办院校/独立学院)

6 Hochschulen mit dreijährigen, anwendungsorientierten Studiengängen (大专院校)
Universitäten ersten Rangs unterstehen in der Mehrzahl direkt dem Bildungsministerium oder anderen zentralen Regierungsstellen. Dazu gehören vor allem die nationalen
211-Universitäten, die zentralen Ministerien zugeordnet sind und über höheres Prestige
wie auch größere finanzielle Mittel verfügen. Die Bezeichnung als Universität ersten
Rangs rührt daher, dass sie in der ersten Zulassungsrunde im Anschluss an die jährliche
Hochschulaufnahmeprüfung, der Gaokao (高考), die Studenten mit den höchsten Punktzahlen aufnehmen, wobei je nach Prestige der Hochschule und des Studiengangs noch
mal verschiedene Zulassungsschwellen bestehen. Auch fallen den Provinzen unterstehende Schwerpunktuniversitäten in diese Kategorie.
Andere provinzielle Universitäten sind Universitäten zweiten Rangs, die in der zweiten
Zulassungsrunde alle weiteren Studenten aufnehmen, die genügend Punkte erreicht
haben, um ein Bachelorstudium aufzunehmen. In diese Gruppe fallen viele technische
Hochschulen, die nach der Jahrtausendwende zu Universitäten hochgestuft wurden.
Einige Provinzen immatrikulieren in einer dritten Zulassungsrunde weitere Studierende
an Hochschulen, wobei die Zulassung noch einmal einfacher ausfällt. Diese Institutionen dritten Rangs bieten ebenfalls Bachelorstudiengänge an, sind jedoch nicht vollständig mit Universitäten gleichgestellt.3
Private Universitäten fallen in den zweiten und dritten Rang. Hochschulen mit dreijährigen, anwendungsorientierten Studiengängen hingegen sind offen für Studenten, die
3
Im Falle von Universitäten in Shanghai ergaben sich im Jahr 2013 in der Gaokao durchschnittlich folgende Hürden für die Zulassung zum Bachelorstudium Deutsch/Germanistik
(nur auf Studenten aus Shanghai bezogen):
 Fremdsprachenuniversität Shanghai (Kategorie 1, s. u.): 503,6 Punkte (geisteswissenschaftlicher Schwerpunkt), 475,1 Punkte (naturwissenschaftlicher Schwerpunkt)
 Tongji-Universität (Kategorie 2): 510 (Geistesw.), 490 (Naturw.)
 TU Ostchinas (Kategorie 3): 478,4 (Geistesw.), 453,2 (Naturw.)
 TU Shanghai (Kategorie 4): 464 (Geistesw.), 438 (Naturw.)
 Hochschule für Angewandte Technik Shanghai (Kategorie 5): 431 (Geistesw.), 372,5
(Naturwissenschaften)
Die Gesamtpunktzahl liegt bei 600. 2013 erreichten die zwei besten Prüflinge der Provinz
Ergebnisse von 537 (Geistesw.) und 539 (Naturw.) Punkten.
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nicht genügend Punkte erreicht haben, um einen vierjährigen Bachelorstudiengang
aufzunehmen. Im Folgenden wird die Situation an den 76 öffentlichen Universitäten
ersten und zweiten Rangs dargestellt, da diese die Grundlage des 2011 veröffentlichten
Untersuchungsbericht zu den Bachelorstudiengängen Deutsch in China bildeten, und
sie zudem über Entwicklungsmöglichkeiten verfügen, die Universitäten dritten Rangs
und Unabhängigen Colleges verschlossen sind, darunter die Möglichkeit, Masterstudiengänge einzurichten.
Das rasche Wachstum der Zahl an Germanistik-Instituten eingeschriebener Studenten
lässt sich aus den Teilnehmerdaten an der landesweiten Prüfung Germanistik für das
Grundstudium (PGG) extrapolieren.4 Nahmen im Jahr 2003 nur 21 Universitäten und
708 Studenten daran teil, so waren es 2012 bereits 69 Universitäten und 2.231 Studenten. Die Zahl aktiver Bachelorstudenten lag 2004 bei 3.753, die der Masterstudenten
bei 166, weiterhin gab es 33 Doktoranden. (Wei 2011: 11). Im Jahr 2014 schließlich lag
die Zahl der Bachelorstudenten öffentlicher Universitäten, die an der PGG teilnahmen,
bei 2.503. Dies lässt aufgrund von vierjähriger Studiendauer auf eine Gesamtzahl von
über 10.000 Studenten im Studiengang Deutsch/Germanistik schließen (AK Fremdsprachen: 2014).
2.1 Gründe und Folgen der Expansion
Diese rapide Entwicklung der Germanistik ist zum Großteil auf zwei Faktoren
zurückzuführen. Sie ging einher mit der Expansion des chinesischen Hochschulwesens
als Ganzes, die 1998 begann und zu einem Anstieg der Gesamtstudierendenzahlen von
seinerzeit 5,56 Millionen (davon 3,40 Millionen in Bachelorstudiengängen) im Jahr
2000 auf 24,68 Millionen (davon 14,94 Millionen in Bachelorstudiengängen) im Jahr
2013 führte (Ministry of Education 2014). Dadurch bekamen viele Schüler erstmals die
Möglichkeit, ein Hochschulstudium aufzunehmen. Gleichzeitig blieb eine hinreichende
Finanzierung häufig aus, so dass Mängel in der Lehrqualität eine unvermeidliche Begleiterscheinung der Expansion darstellen. Auch sehen sich Hochschulabsolventen einer
stärkeren Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt, und Universitätsabschlüsse
4
Die Prüfung Germanistik für das Grundstudium ist eine jährliche stattfindende, standardisierte Sprachprüfung, die von Studenten in Studiengängen Deutsch/Germanistik zum
Ende des vierten Semesters hin abgelegt wird, bei Nichtbestehen ein weiteres Mal im
sechsten Semester. Die obigen Zahlen beziehen sich nur auf erstmalige Prüfungsteilnehmer.
Vgl. AK Fremdsprachen (2013: 8f.) und Kong (2014: 3).
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führen nicht mehr wie früher automatisch in eine sichere Beschäftigung (Wu & Zheng
2008: 10).
Weiterhin wurde während dieser Zeit die Notwendigkeit für Studiengänge in der
deutschen Sprache durch den gestiegenen Außenhandel mit Deutschland befördert.
Interesse an Germanistik als wissenschaftlicher Disziplin, wie sie an vielen älteren
Instituten im Mittelpunkt stand und steht, war dabei kein ausschlaggebender Grund für
die Neugründungen. Einer Umfrage der Ningbo-Universität zufolge, durchgeführt unter
365 Absolventen des Bachelorstudiengangs Deutsch/Germanistik im Norden der
Provinz Zhejiang, entschlossen sich über die Hälfte – 50% der Männer und 58% der
Frauen – bereits vor ihrem Studienabschluss, eine feste Beschäftigung zu suchen und
keine Fortsetzung ihres Studiums im In- oder Ausland anzustreben. Innerhalb dieser
Gruppe äußerten 58% der Frauen und 78% der Männer eine Präferenz für Jobs im
Handelssektor (Li & Jin 2010: 86).
Ein Ergebnis dieser Expansion ist auch, dass nunmehr in Regionen, die vormals kaum
Anknüpfungspunkte an Deutschland besaßen, und an Universitäten, die während der
Jahrtausendwende aus spezialisierten Bildungseinrichtungen heraus entstanden sind,
Germanistik-Institute bestehen. Während unter den 23 Instituten, die im Jahr 2000
bestanden, zwölf in Peking und Shanghai beheimatet waren, weitere zehn in Großstädten und eines an einer speziellen Fremdsprachenhochschule der Volksbefreiungsarmee in Luoyang, stellt sich das gegenwärtige Verhältnis fundamental verschieden dar:
21 Institute befinden sich in Peking und Shanghai, weitere 55 in anderen Städten.
Anders als bei naturwissenschaftlichen Studiengängen, die häufig kostenaufwendige
Einrichtungen benötigen, sind Neugründungen von Fremdsprachenfakultäten für die
Universitäten mit weniger Investitionen verbunden. Die größte Hürde besteht darin,
einen neuen Bachelorstudiengang durch das Bildungsministerium genehmigt zu bekommen. An Universitäten, die den Provinzregierungen unterstellt sind, stehen die aufgewendeten Sachmittel selten in Bezug zu den Ambitionen, und was den Lehrkörper
betrifft, so stellt die Verfügbarkeit sein wichtigstes Kriterium dar, so dass einige
Dozenten der Germanistik nur über Bachelorabschlüsse verfügen. Viele Universitäten
haben deshalb keine Dozenten mit Doktortitel, und im Jahr 2009 bestand an 32 von 62
Germanistik-Instituten keine einzige Professur (Jia 2011: 31). Seitdem konnte dieser
Mangel an einigen Hochschulen durch Verleihung von Assistenzprofessuren innerhalb
der eigenen Fakultät oder durch Fremdanwerbungen behoben werden; neu gegründete
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Institute weisen jedoch das gleiche Problem auf, so dass diese Zahl keinen signifikanten
Rückgang erfahren hat.5 Ein kritischer Hinweis sei jedoch erlaubt. Rückschlüsse auf die
Fakultät anhand der Universitätswebseiten sind schwierig, da diese häufig veraltet sind.
So führt beispielsweise die chinesische Webseite der Germanistik an der TongjiUniversität überhaupt keine Liste des Lehrkörpers auf, und an der deutschen Sprachversion wurden seit März 2014 keine Aktualisierungen vorgenommen.
Als weiterer die etablierten Universitäten bevorzugender Faktor ist die Verbesserung
des Lern- und Forschungsumfelds zu erwähnen, die an ihnen stattgefunden hat. In den
vergangenen fünfzehn Jahren konnten sie ihren historischen Vorsprung durch qualitative Maßnahmen weiter ausbauen, sei es durch DAAD-Lektorate, der Verleihung des
Promotionsrechts oder spezieller Einrichtungen (etwa das seit 2008 an der Shanghaier
Fremdsprachenuniversität bestehende Zentrum für Germanistische Literaturforschung).
Dies bedeutet auch, dass auf dem Papier ähnlich erscheinende – da in Teilen durch das
Fremdsprachenkomitee des Bildungsministeriums vorgegebene – Curricula sich in der
Praxis enorm zwischen den Universitäten unterscheiden, und somit auch die Qualität
der Studiengänge als Ganzes.
2.2 Jüngere Entwicklungen
Auf der 2014 in Xi'An stattgefundenen Jahrestagung des dem Anleitungskomitee für
Fremdsprachen zugehörigen Komitees für Germanistik diskutierten Vertreter der Disziplin über das Thema Intensives Entwicklungsmodell des Faches Germanistik. Die dort
getroffenen Beschlüsse markieren einen Paradigmenwechsel, der nicht nur für das
Studium der deutschen Sprache gilt, sondern vermehrt in der chinesischen Bildungspolitik Anwendung findet. Denn nach einer Phase schneller quantitativer Expansion der
Hochschulbildung um das Jahr 2000 herum, die wie bereits erwähnt auch die Zahl der
Germanistik-Institute in die Höhe schießen ließ, wird nunmehr eine Konsolidierung und
Steigerung qualitativer Merkmale angestrebt. Auf Chinesisch wird dieser Prozess als
5
An chinesischen Universitäten gibt es für den Lehrkörper vier akademische Titel: Lehrassistent, Dozent, Assistenzprofessor und Professor. (Ministry of Education 1999: Artikel
47) Diese sind unabhängig vom akademischen Grad, so dass es Professoren gibt, die über
einen Master und vereinzelt nur über einen Bachelorabschluss verfügen, letztere vor allem in
älteren Jahrgängen. Da die Zahl der Promotionen in China stark gestiegen ist, wird diese
inzwischen an vielen Universitäten bei neuen Festanstellungen vorausgesetzt. (Gu et. al.
2014: 181f.)
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Übergang von einer Extensiven Entwicklung (外延式发展) hin zu einer Intensiven
Entwicklung (内涵式发展) bezeichnet (vgl. Liu 2014: 3f.).
Im hiesigen Kontext ist die bisher extensive Entwicklung als ein Prozess zu verstehen,
der hauptsächlich die Steigerung der Quantität und den Ausbau des Umfangs der Fächer
betonte, ohne dass dabei allzu große Gedanken auf ihren eigentlichen Inhalt verwendet
wurden. Das Erfolgsmoment für die Universitäten lag darin, neue Fakultäten zu gründen
und ihr Studienangebot auszubauen. Wissenschaftliche, gar germanistische Erwägungen
spielten dabei kaum eine Rolle. Die nunmehr einsetzende intensive Entwicklung
markiert ein Umdenken, das sowohl von Seiten der Universität, als auch vom Lehrkörper ausgeht, und reflektiert den Wunsch, dass diese Studiengänge eine höhere Sichtbarkeit erfahren und sich stärker an den Notwendigkeiten des Arbeitsmarkts orientieren,
aber auch, dass sich zwischen den Instituten unterschiedliche Schwerpunktsetzungen
herausbilden und die Qualitätsstandards im Allgemeinen eine Steigerung erfahren
sollen.
Darüber hinaus tritt auch die Fach-Zertifizierung auf die Agenda der chinesischen
Germanisten. Dies ist unausweichlich, da laut Beschlüssen der Zentralregierung für alle
Studiengänge entsprechende Zertifizierungen eingeführt werden sollen, was bisher nur
für technische Fächer galt. Daher arbeitet eine Kommission von Experten, ausgewählt
durch das Bildungsministerium, nunmehr an Nationalen Qualitätsstandards für das
Fach Germanistik in China, deren Veröffentlichung ursprünglich für die erste
Jahreshälfte 2015 vorgesehen, jedoch später auf das Frühjahr 2016 verschoben wurde.
Die festzulegenden Normen sollen drei Ebenen umfassen: Grundlegende Standards,
Standards für die einzelnen Fachgebiete, und Standards für die einzelnen Hochschulen.
Diese Wende von einer eher routinemäßigen Akkreditierung zur Fach-Zertifizierung
entspricht einem weiteren postulierten Grundsatz, demzufolge zukünftig die
Quantisierende Exzellenz (分层卓越) einer individuelleren Klassifizierenden Exzellenz
(分类卓越) weichen soll. Dies bedeutet im Wesentlichen, dass einzelne Fakultäten und
Institute durch diese Zertifizierung die Möglichkeit haben, in ihrem Fachbereich als
exzellent anerkannt zu werden, auch wenn ihre Universität grundsätzlich ein anderes
Schwerpunktprofil aufweist – was auf viele technisch orientierte Hochschulen zutrifft,
die in den vergangenen 15 Jahren eine Germanistik eingerichtet haben. Idealerweise soll
sich so eine neue, vielfältigere Hochschullandschaft herausbilden.
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Erfahrungen und Anregungen bestehen bereits. So erfolgt in einigen Studiengängen
Deutsch/Germanistik ab dem dritten Studienjahr eine Ausrichtung nach Interessen und
Stärken der Studenten, beispielsweise in Literatur, Wirtschaft oder Übersetzung. Eine
solche Modularisierung wird einerseits die Anforderungen des chinesischen Arbeitsmarktes in Betracht ziehen, in denen eine Vielzahl von Zeugnissen und Qualifikationen
den Weg zu einer Beschäftigung eröffnen. Andererseits geht es um die Vertiefung von
Sprachkenntnissen und kulturspezifischem Wissen, um Absolventen die Möglichkeit zu
eröffnen, sich auch akademisch weiterzubilden oder mit deutschen Unternehmen in
Kontakt zu treten. Eine weitere Möglichkeit ist die Einführung von Zwei-Fach
Bachelor-Studiengängen, in dem Deutsch durch ein Nebenfach ergänzt wird, das die
Stärken der Universität unterstützt (Hou et al. 2011).
Auf dieser Grundlage sollte es möglich sein, künftige Innovationen anzustoßen und eine
gerechtere Ressourcenverteilung einzufordern. Dies ist umso nötiger, als dass sich das
chinesische Hochschulwesen durch Ungleichheiten auszeichnet, die in mehr als nur
einer historischen Perspektive begründet sind.
3. Hierarchien in der chinesischen Germanistik
Kategorisierungen und Evaluationen der bestehenden Germanistik-Studiengänge
werden von chinesischer Seite regelmäßig vorgenommen, wobei sich angesichts ihrer
stetig wachsenden Anzahl mehrere Möglichkeiten herausgebildet haben, nach denen sie
sortiert werden. So verweisen chinesische Publikationen, darunter der in Kapitel 2
erwähnte Untersuchungsbericht, auf eine Trennung von germanistischen Instituten nach
folgendem Kriterium:

entsprechend des disziplinären Profils der Universität, welche entweder als Volluniversität, Technische Universität, Pädagogische Universität, Rechtswissenschaftliche oder
Fremdsprachenuniversität klassifiziert ist.
Damit wird einer Einteilung gefolgt, die von Seiten des Bildungsministeriums vorgenommen wird. Es bestehen weitere disziplinär ausgerichtete Hochschulen, darunter
Medizinische Universitäten sowie Kunst- und Sportakademien (Gu et.al. 2009: 28).
Diese Kategorisierung ist geeignet, den Stellenwert der Germanistik im Gefüge der
jeweiligen Universität zu erkennen. Dieser ist an Fremdsprachenuniversitäten am
höchsten, an technischen Hochschulen eher niedrig. Als alleiniges Merkmal ist sie
jedoch ungeeignet, da die Standards und Lehrpläne der germanistischen Studiengänge
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selbst nicht von der nominellen Ausrichtung der Gesamtuniversität betroffen sind. So
unterscheiden sich pädagogische Hochschulen in China im Namen und den
angebotenen Studiengängen von anderen Universitäten. Eine besondere Methodik in der
Vermittlung von Studieninhalten ist dadurch jedoch nicht vorgegeben. Entsprechende
Innovationen anzustoßen, obliegt den Universitäten selbst (Cai & Kohtamäki 2014,
282f.). Ähnlich verhält es sich mit anderen Institutionen: aus ihrem Namen und ihrem
gegenwärtigen Schwerpunktprofil lassen sich in Bezug auf Lehrpersonal und Methoden,
sowie Ausstattung und Standards nur wenige Schlüsse ziehen. Ein weiteres Kriterium
klassifiziert die Germanistik-Studiengänge:

in Universitäten ersten, zweiten und dritten Rangs, entsprechend der Priorität, anhand
der sie im Anschluss an die Gaokao ihre Bachelorstudenten immatrikulieren.
Mehrere Hochschulen haben Fakultäten, die in unterschiedliche Rangkategorien fallen,
was die Immatrikulation ihrer Studenten betrifft. So rekrutiert die Universität und
Wissenschaft und Technik Qingdao Studenten für technische Fächer in der ersten Zulassungsrunde, die Fremdsprachenfakultät ihre Studenten jedoch in der zweiten Zulassungsrunde.
Was die Germanistik-Institute der Universität selbst betrifft, so lässt sich laut
Professorin Qian im Groben folgende Unterscheidung in vier Typen treffen (Qian 2010:
48):

ein philologischer Schwerpunkt, der sich tendenziell an die Inlandsgermanistik anlehnt

ein interkulturell-kommunikativer Schwerpunkt

ein interdisziplinärer Schwerpunkt mit fachübergreifenden Studien

eine Kombination mit technischen Wissenschaften
Die von ihr in diesem Zusammenhang genannten Beispiele für die ersten drei
Kategorien beziehen sich alle auf Germanistik-Institute, die vor dem Jahr 2000
gegründet wurden. Für einen mit technischen Wissenschaften kombinierten Fachaufbau
nennt sie wiederum weniger konkret „technische Hochschulen und Universitäten“, also
den Typus, der seit 2000 eine Vorreiterrolle in der Einrichtung von neuen
Studiengängen Deutsch/Germanistik einnimmt.
Von deutscher Seite erfolgt über die Aktivitäten des DAAD ebenfalls eine – angesichts
der großen Zahl von Universitäten in China notwendige – Schwerpunktsetzung in
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Förderung und Engagement. Fachbereichsübergreifend bestehen spezielle Konditionen
für Studierende an 211-Universitäten, sofern sie ein Studium in Deutschland
aufzunehmen gedenken: Vor allem ist es ihnen möglich, sich bereits nach einem
Semester an ihrer chinesischen Hochschule für einen fachgebundenes Bachelorstudium
in Deutschland zu bewerben. (DAAD Shanghai: 2014) Auf die Germanistik bezogen,
stellt das DAAD-Lektorat die zentrale Einrichtung dar, durch welches das Vorhandensein von vergleichsweise leistungsstarken und gut ausgestatteten deutschsprachigen Studiengängen markiert wird. Sie zählen derzeit 30 in China, davon 19 in
Peking und Shanghai (an manchen Universitäten bestehen mehrere Lektorate), und fast
ausschließlich an Germanistik-Instituten, die bereits vor dem Jahr 2000 gegründet
wurden. Im Rahmen der „Leuchtturmprojekte“ des DAAD besteht zudem an der
Peking-Universität ein Zentrum für Deutschlandstudien, welches gemeinsam mit der
HU und FU Berlin ein dreijähriges Masterstudium Deutsche Kultur und sozialer
Wandel anbietet. Für Qualität und Prestige eines Studienganges spielt der Grad der
Involvierung des DAAD eine nicht unerhebliche Rolle. Unabhängig von diesen
Schwerpunktprojekten besteht für deutsche Dozenten der Germanistik an allen
chinesischen Universitäten die Möglichkeit, im Rahmen des DAAD-Ortslektorenprogramms spezielle Fördermittel zu beantragen, wobei ein diesbezügliches Engagement
freiwillig stattfindet (DAAD: 2013).
Weiterhin ist auch das Goethe-Institut in China aktiv und unterhält deutschsprachige
Bibliotheken in Peking, Shanghai, Guangzhou und Xi'An sowie Sprachlernzentren in
sieben Städten, fünf davon in Zusammenarbeit mit ortsansässigen Universitäten
(Hunold et. al. 2011: 169).
3.1. Studienwahl und Bildungsungerechtigkeit
Große Unterschiede hinsichtlich historischer Beschaffenheit, Studienqualität, akademischen Standards und damit auch dem Prestige der Universitäten ist kein singulär
chinesisches Phänomen. In allen Staaten der Sinosphäre ist die Konkurrenz um
Studienplätze stark ausgeprägt. Der Erfolg in Aufnahmeprüfungen entscheidet über die
Universitätszulassung und vor allem darüber, an welcher Hochschule studiert werden
darf (für Taiwan vgl. Lay 2009). Rankings, sowohl auf Gesamtinstitutionen, als auch
auf Studiengänge bezogen, stellen wichtige Entscheidungshilfen für angehende Studenten dar. Unter den 20 besten Hochschulen finden sich fast ausnahmslos Universitäten
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mit langer Geschichte, die in Peking, Shanghai und den entwickelten Küstenprovinzen
verortet sind (Liu 2007: 59f.). Ähnlich verhält es sich in der chinesischen Germanistik,
deren gemeinhin als am stärksten wahrgenommene Institute in Peking und Shanghai
liegen, und dort an Volluniversitäten und Fremdsprachenhochschulen. Eine Zulassung
zum Bachelorstudium setzt dort entsprechend hohe Punktzahlen in der Gaokao voraus
(vgl. Fußnote 3 für Shanghai).
Zudem wiegt die Bildungsungleichheit in China schwer. Jede Provinz hat eine eigene
Hochschulzugangsprüfung und die Punkteschwellen, die erreicht werden müssen, um an
einer 211-Universität studieren zu können, liegen unterschiedlich hoch. Die Metropolen
Peking, Shanghai und Tianijn haben anteilsmäßig viele Schüler, die sich über die
Gaokao an Universitäten ersten Rangs, also 211-Universitäten und provinziellen
Schwerpunktuniversitäten, immatrikulieren können. In bevölkerungsreichen Provinzen
wie Henan und Sichuan liegt der Prozentsatz wesentlich niedriger. Dies ist der
ungleichen historischen Entwicklung des Universitätswesens und der aktuellen
Ressourcenverteilung geschuldet. So verfügt Peking mit 22 Millionen Einwohnern über
23 Hochschulen des 211-Projekts, und Shanghai mit 25 Millionen Einwohnern über
zehn 211-Universitäten6, die Provinz Shandong bei 97 Millionen hingegen nur über drei
dieser Universitäten und Henan mit 94 Millionen Einwohnern gar nur über eine. Zwar
bedeutet die Bildungsexpansion auch eine verstärkte Förderung von Universitäten
außerhalb der Metropolen, doch bleibt der Vorsprung in Prestige und Qualität an den
etablierten Universitäten enorm (zu dieser Problematik im gesellschaftlichen Zusammenhang vgl. Sheng 2014).
Wie in Kapitel 2 erwähnt, hat die Expansion der chinesischen Germanistik zu einer
vermehrten Gründung von Instituten in Provinzen geführt, die im Vergleich zu Peking
und Shanghai in jeder Hinsicht schlechtere Studienbedingungen vorweisen. Während
aber an 211-Universitäten auch in ärmeren Provinzen dank ihrer Mitfinanzierung durch
zentrale Ministerien diese Nachteile zumindest in Teilen ausgeglichen werden, ist es um
die Situation an anderen Universitäten weniger gut bestellt. Sie tragen jedoch rund die
Hälfte der neuen Institutsgründungen. Und anders als vor dem Jahr 2000 sind es in
dieser Gruppe nicht nur Fremdsprachenuniversitäten, oder solche, die wie im Fall der
6
In beiden Städten verfügt zudem eine große Zahl der Einwohner nicht über einen ständigen
Wohnsitz (户口 Hukou) in der Stadt, was auch einen Einfluss auf die Möglichkeit ihrer
Kinder hat, an der lokalen Gaokao teilzunehmen.
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Qingdao-Universität über spezielle Fördermittel aus Deutschland verfügen, an denen
nunmehr eine Germanistik besteht.
Die hohen Hürden, mit denen sich
chinesische Schulabgänger vor ihrem
Hochschulzugang konfrontiert sehen, bedeuten aber auch, dass Germanistik-Institute in
bevölkerungsreichen Provinzen ungeachtet der bestehenden Mängel über einen Studentenpool mit hohem Potential verfügen. Diese doppelte Bildungsungerechtigkeit (bessere
Studienbedingungen und einfacherer Studienzulassung in den Metropolen) schlägt sich
in der Germanistik besonders stark wieder, da ihre besten Studiengänge in Peking und
Shanghai beheimatet sind. Für die angestrebten Maßnahmen der Qualitätsverbesserung
bedeutet es, dass diese an den Studenten selbst nicht scheitern dürften.
4. Kategorisierung
Anhand der bestehenden Faktoren, die für die Hierarchisierung der chinesischen
Germanistik verantwortlich sind, und unter Bezugnahme auf die bisherigen, sowohl von
chinesischer als auch deutscher Seite getroffenen differenzierenden Merkmale, lässt sich
ein Modell entwickeln, dass alle bestehenden Institute in eine von fünf Kategorien
verortet. Das Primärkriterium ist dabei die Unterscheidung der Universitäten in Mitglieder und Nicht-Mitglieder des 211-Projekts und das Gründungsdatum des Instituts
vor der Hochschulexpansion. Für die Germanistik spezifische Sekundärkriterien sind
das Vorhandensein eines Masterstudiengangs und eines DAAD-Lektorats sowie innerhalb der Universitäten des 211-Projekts deren Klassifizierung als Fremdsprachenhochschule.
Dieses Modell erlaubt es ebenfalls, weitere Faktoren miteinzubeziehen, die eine
genauere Unterscheidung innerhalb der Kategorien erlauben. So wäre es möglich, das
Promotionsrecht und die Rekrutierung deutscher Professoren als qualitative Merkmale
in Betracht zu ziehen. Sinnvoll wäre ebenfalls eine Erhebung hinsichtlich des zahlenmäßigen Verhältnisses zwischen Dozenten und Professoren und ihre Einarbeitung als
weiteres Kriterium.
Kategorie 1
Die Einordnung eines germanistischen Instituts zur Kategorie 1 wird primär festgelegt
durch die Zugehörigkeit der Universität zum 211-Projekt und sekundär durch die
folgenden Kriterien:
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
Gründungsdatum des Instituts vor dem Jahr 2000

Vorhandensein eines DAAD-Lektorats

Vorhandensein eines Masterstudiengangs Germanistik

Klassifizierung der Universität als Fremdsprachenhochschule
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Die Germanistik der Pekinger Fremdsprachenuniversität steht landesweit an erster
Stelle, gefolgt von ihrem Gegenpart in Shanghai. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum
211-Projekt und ihrem Charakter als Fremdsprachenuniversitäten und dem daraus
resultierenden Lernumfeld gelten diese beiden als beste Hochschulen für ein Studium
der deutschen Sprache in China. Sie verfügen über das Recht, Studenten noch vor der
ersten Zulassungsrunde zu rekrutieren, und bieten in ihren Masterstudiengängen der
Germanistik eine Vielzahl an möglichen Schwerpunktsetzungen an. Finanzielle und
personelle Ressourcen sind hier sowohl von chinesischer und deutscher Seite stark
gebündelt, und die Institute weisen eine hohe Forschungsaktivität auf.
Kategorie 2
Die Einordnung eines germanistischen Instituts zur Kategorie 2 wird primär festgelegt
durch die Zugehörigkeit der Universität zum 211-Projekt und sekundär durch die
folgenden Kriterien:

Gründungsdatum des Instituts vor dem Jahr 2000

Vorhandensein eines DAAD-Lektorats

Vorhandensein eines Masterstudiengangs Germanistik

Nicht-Klassifizierung der Universität als Fremdsprachenhochschule
Auch wenn sie sich nicht durch einen speziellen Schwerpunkt in den Fremdsprachen
auszeichnen, verfügen die hier eingeordneten Universitäten über eine lange Tradition in
der Germanistik, deren vergleichsweise Stärke zudem durch DAAD-Lektorenstellen
befördert wird. Es handelt sich mit wenigen Ausnahmen um Volluniversitäten, die zu
den zwanzig besten Hochschulen des Landes gezählt werden. Allesamt sind in entwickelten Metropolen verortet, verfügen über hohes Prestige und nehmen Studenten
auf, die Höchstpunktzahlen in der Gaokao erzielt haben. Die Peking-Universität, die
Nanjing-Universität, die Zhejiang-Universität sowie die Fudan- und Tongji-Universität
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Expansion und Hierarchisierung der chinesischen Germanistik
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in Shanghai verfügen zudem über das Promotionsrecht in der Germanistik und haben in
der Disziplin eigene Forschungsschwerpunkte herausbilden können.
Einen Grenzfall stellt die TU Peking dar, die erst seit dem Jahr 2002 über eine
Germanistik verfügt. Da diese jedoch auf ein Deutsch-Sprachlernzentrum zurückgeht,
das bereits 1989 gegründet wurde, und inzwischen sowohl Masterstudiengänge anbietet
als auch über ein DAAD-Lektorat verfügt, ist eine Einordnung in dieser Kategorie angemessen.
Kategorie 3
Die Einordnung eines germanistischen Instituts zur Kategorie 3 wird primär festgelegt
durch die Zugehörigkeit der Universität zum 211-Projekt und sekundär durch die folgenden Kriterien:

Gründungsdatum des Instituts nach dem Jahr 2000

Fehlen eines DAAD-Lektorats

Fehlen eines Masterstudiengangs Germanistik
Alle hier eingeordneten Universitäten haben eine Germanistik, deren Gründung in den
letzten 15 Jahren erfolgt ist. Einige von ihnen verfügen inzwischen über Masterstudiengänge, deren Prestige jedoch, wie auch das der Institute selbst, hinter denen der
Kategorie 2 zurücksteht. Dennoch verfügen sie als Teil des 211-Projekts über vergleichsweise hohe Standards und eine solide finanzielle Ausstattung.
Zwischen ihnen bestehen zweifellos Unterschiede, die ihre zukünftige Entwicklung
beeinflussen werden. So wird an der Jiatong-Universität Shanghai, einer der
renommiertesten technischen Hochschulen in China, ab dem Wintersemester 2015-16
ein DAAD-Lektorat eingerichtet. Im Gegensatz dazu zählen einige Universitäten im
Landesinnern trotz Zugehörigkeit zum 211-Projekt nicht zu den besten Institutionen des
Landes und weisen aufgrund ihrer geographischen Abgeschiedenheit für das
Sprachstudium und die Beschäftigungsmöglichkeiten von Absolventen bisher keine
allzu förderliche Umgebung vor.
Es steht daher zu vermuten, dass sich innerhalb dieser Kategorie mehrere Universitäten
aufgrund ihrer geographischen Lage (z. B. in Peking und Shanghai) oder ihrer Eingebundenheit in geisteswissenschaftliche Traditionen (z. B. die Xiamen-Universität) einen
Vorteil werden erarbeiten können.
 gfl-journal, No. 3/2015
Julian Marioulas & Lili Wu
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Kategorie 4
Die Einordnung eines germanistischen Instituts in Kategorie 4 wird primär festgelegt
durch die Nicht-Zugehörigkeit der Universität zum 211-Projekt und sekundär durch die
folgenden Kriterien:

Gründungsdatum des Instituts vor dem Jahr 2000

Vorhandensein eines DAAD-Lektorats

Vorhandensein eines Masterstudiengangs Germanistik
Die Charakterisierung als Fremdsprachenhochschule trifft auf den Großteil der hier
kategorisierten Universitäten zu. Bei den zwei Ausnahmen handelt es sich zum einen
um die Qingdao-Universität, deren Germanistik alle drei sekundären Kriterien erfüllt
und der dank einer langjährigen Kooperation zwischen dem Bundesland Bayern und der
Provinz Shandong auch eine den Fremdsprachenuniversitäten vergleichbare, herausgehobene Schwerpunktsetzung zugutekommt. Weiterhin fällt die TU Shanghai in diese
Kategorie, da sie sich trotz des Fehlens eines gesonderten Masterstudiums Germanistik
durch eine lange Institutsgeschichte, ein DAAD-Lektorat und gute Vernetzung nach
Deutschland hin auszeichnet.
Im Vergleich zur Kategorie 3 verfügen die hier eingeordneten Universitäten über eine
als Gesamtinstitution geringe Sichtbarkeit, die jedoch durch die Stärke in den Fremdsprachen kompensiert wird. Zudem fallen ihre Zulassungsbeschränkungen nur geringfügig niedriger als die der 211-Universitäten aus. In den vergangenen Jahren haben
einige Fremdsprachenuniversitäten das Promotionsrecht erhalten und verfügen so über
das Potential, dem bisherigen Mangel an gut ausgebildeten Germanisten außerhalb der
Metropolen entgegenzuwirken.
Kategorie 5
Die Einordnung eines germanistischen Instituts zur Kategorie 5 wird primär festgelegt
durch die Nicht-Zugehörigkeit der Universität zum 211-Projekt und sekundär durch die
folgenden Kriterien:

Gründungsdatum des Instituts nach dem Jahr 2000

Fehlen eines DAAD-Lektorats

Fehlen eines Masterstudiengangs Germanistik
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Expansion und Hierarchisierung der chinesischen Germanistik
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Die in diese Kategorie fallenden Hochschulen sind in Bezug auf die Sekundärkriterien
sehr heterogen, da ihre Institute ausnahmslos jüngeren Datums sind, mit einer
Ausnahme nur Bachelorstudiengänge anbieten und auch bisher kein DAAD-Lektorat
vorweisen. Über diese Kriterien hinaus, sind die Unterschiede jedoch enorm, und sie
unterscheiden sich in Bezug auf Geschichte, akademische Standards und vor allem
finanziellen Ressourcen stark voneinander. Einige hier kategorisierte Institutionen
verfügen selbst in ihren Schwerpunktdisziplinen nur über wenige Masterstudiengänge.
Eine Forschungsausrichtung ist bei ihnen nicht zu erwarten. Ob diese GermanistikInstitute überhaupt langfristig bestehen können, wird in starkem Maße von den
Beschäftigungsmöglichkeiten ihrer Absolventen abhängen.
5. Fazit
Durch die Expansion der chinesischen Hochschullandschaft hat sich die vormals
überschaubare Germanistik diversifiziert. Die daraus entstandenen Hierarchien lassen
sich anhand mehrerer Kriterien verdeutlichen und aufschlüsseln. Aufgrund des
unterschiedlichen Entwicklungsstandes der Städte und Provinzen und des an den schon
länger bestehenden Instituten akkumulierten Prestiges steht es nicht zu erwarten, dass
die Neugründungen zu ihnen aufschließen können. Die hohen Hürden, die für den
Hochschulzugang gerade dort bestehen, wo Studiengänge der deutschen Sprache eine
Neuerscheinung sind, bedeuten jedoch auch, dass großes Potential für zukünftige
Verbesserungen besteht. Eine forschungsorientierte Germanistik wird dort nicht angestrebt und kann zumindest mittelfristig nicht das Ziel sein, da zunächst die angebotenen
Studiengänge selbst eine Steigerung in ihrer Qualität erfahren können und müssen.
Durch Einführung zertifizierter Standards und der Möglichkeit, in Teilbereichen eigene
Exzellenzen zu entwickeln, bestehen zumindest Anreize, das Lehrniveau zu verbessern
und den lokalen Bedingungen angepasste Schwerpunktsetzungen vorzunehmen.
Wir schlagen vor, dass die in der chinesischen Germanistik stattfindenden Reformen
von Seiten des DAAD konstruktiv begleitet werden. Das bisherige Engagement ist auf
bereits etablierte Universitäten konzentriert, insbesondere auf jene in Peking und
Shanghai. Dies spiegelt auch die von chinesischer Seite erfolgende Ressourcenallokation wider. Eine Förderung von Instituten jüngeren Datums braucht hingegen nicht mit
hohen Investitionen einhergehen, sondern erfordert zunächst nur, dem dortigen Lehrkörper die Möglichkeit an ohnehin bestehenden Fortbildungs- und Fördermöglichkeiten
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Julian Marioulas & Lili Wu
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zukommen zu lassen. Insbesondere mit Universitäten der Kategorie 5, die bisher über
keine Verbindungen zu deutschen Kultur- und Bildungsträgern verfügen, sollte daher
eine stärkere Vernetzung erfolgen. Ein künftiger Ausbau regionaler Aktivitäten sollte
vor allem in Provinzen erfolgen, in denen es in den vergangenen 15 Jahren zu
vermehrten Neugründungen von Germanistik-Instituten gekommen ist.
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 gfl-journal, No. 3/2015
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Biographische Angaben
Marioulas, Julian, M.A. ([email protected]) Geschichte und Politikwissenschaft,
Universität Oldenburg; Doktorand der Sinologie mit sozialwissenschaftlicher Ausrichtung an der Universität Wien; seit 2014 Dozent an der Fremdsprachenfakultät der
Technischen Universität Ostchinas. Arbeitsschwerpunkte: Internationalisierung der
Hochschulbildung, Deutsch-Chinesische Kooperation im Bildungswesen
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Wu, Lili, M.A. ([email protected]) Germanistik, Qingdao-Universität; seit 2009
Dozentin und Institutsleiterin der Germanistik an der Universität für Wissenschaft und
Technik Qingdao; ebenfalls Tätigkeit als professionelle Übersetzerin und Dolmetscherin. Arbeitsschwerpunkte: Linguistik, Übersetzungstheorie und -praxis.
Anhang
Übersicht der Germanistik-Institute an öffentlichen Hochschulen ersten und
zweiten Rangs , Stand Wintersemester 2014/15
Kategorie 1: 211-Universitäten mit fremdsprachlichem Schwerpunkt, (zwei
Hochschulen)

Peking: Pekinger Fremdsprachenuniversität

Shanghai: Fremdsprachenuniversität Shanghai
Kategorie 2: 211-Universitäten mit Tradition germanistischer Studiengänge /
DAAD-Lektorat, (zwölf Hochschulen)

Peking: Peking-Universität, Chinesische Universität für Politikwissenschaft und
Recht, Chinesische Volksuniversität, Technische Universität Peking, Universität
für Außenwirtschaft und Handel

Shanghai: Fudan-Universität, Tongji-Universität, Pädagogische Universität
Ostchinas

Restliches Festlandchina: Nanjing-Universität, Sun-Yat-Sen Universität,
Wuhan-Universität, Zhejiang-Universität
Kategorie 3: 211-Universitäten ohne Tradition germanistischer Studiengänge, (25
Hochschulen)

Peking: Chinesische Universität für Medienkommunikation, Universität für
Luft- und Raumfahrt Peking, Universität für Wissenschaft und Technik Peking

Shanghai: Jiaotong-Universität Shanghai, Technische Universität Ostchinas

Restliches Festlandchina: Anhui-Universität, Chinesische Ozean-Universität,
Chinesische Universität für Bergbau und Technologie (Xuzhou), Chongqing gfl-journal, No. 3/2015
Expansion und Hierarchisierung der chinesischen Germanistik
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Universität, Fuzhou-Universität, Jiaotong-Universität Südwestchinas, JiatongUniversität Xi'an, Lanzhou-Universität, Liaoning-Universität, Nanchang-Universität, Nankai-Universität, Pädagogische Universität Nanjing, Polytechnische
Universität Nordwestchinas, Universität Südwestchinas, Shandong-Universität,
Suzhou-Universität, Universität für Wissenschaft und Technik Zentralchina,
Universität Nordostchinas, Xiamen-Universität, Zhengzhou-Universität
Kategorie 4: Universitäten mit Tradition germanistischer Studiengänge / DAADLektorat, (zehn Hochschulen)

Peking:
Hochschule
für
Internationale
Studien
Peking,
Pädagogische
Hauptstadt-Universität

Shanghai: Technische Universität Shanghai

Restliches Festlandchina: Fremdsprachenuniversität Dalian, Fremdsprachenuniversität Tianjin, Fremdsprachenuniversität Sichuan, Fremdsprachenuniversität Xi’an, Qingdao-Universität, Universität für Fremdsprachen und Außenhandel
Guangdong,
Fremdsprachenuniversität
der
Volksbefreiungsarmee
(letztere Hochschule verfügt als einzige in dieser Kategorie über kein DAADLektorat)
Kategorie 5: Universitäten ohne Tradition germanistischer Studiengänge, (27
Hochschulen)

Peking: Universität für Sprache und Kultur Peking

Shanghai: Hochschule für Angewandte Technik Shanghai, Hochschule für
Elektroenergie Shanghai, Universität für Politikwissenschaft und Recht
Ostchinas

Restliches Festlandchina: Bohai-Universität, Hefei-Universität, HeilongjiangUniversität, Henan-Universität, Hochschule für Wissenschaft und Technik
Zhejiang, Jianzhu-Universität Shandong, Jinan-Universität, Jinggangshan-Universität, Ningbo-Universität, Pädagogische Universität Jilin, Pädagogische Universität Mianyang, Pädagogische Universität Tangshan, Polytechnische Universität Nanjing, Polytechnische Universität der Inneren Mongolei, ShanxiUniversität, Universität für Luftfahrt Nanchang, Universität für Technologie
Jiangsu, Universität für Wirtschaft Shandong, Technische Universität Ningbo,
 gfl-journal, No. 3/2015
Julian Marioulas & Lili Wu
50
Universität für Wissenschaft und Technik Qingdao, Universität für Wissenschaft
und Technik Wuhan, Xiangtan-Universität, Yanshan-Universität
Schlagworte
Auslandsgermanistik, Bildungsexpansion, China, Hochschulreform, Studienzugang
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