Call for Projects (v.a. Dissertationsprojekte, auch Masterarbeiten und PostDoc-Projekte) Europa-Skepsis und EU-Kritik Innerhalb des Forschungsschwerpunktes „Kulturelle Begegnungen – Kulturelle Konflikte“ hat sich im WS 2015/16 eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe EuropaSkepsis und EU-Kritik formiert. Dass sowohl die EU als Organisation als auch Europa als Idee gegenwärtig turbulente Zeiten erleben und teilweise fundamental in Frage gestellt werden, ist unübersehbar. Die FSP-Arbeitsgruppe möchte jedoch Forschungen anregen, die dieses Phänomen nicht nur tagesaktuell, sondern historisch informiert, kulturtheoretisch perspektiviert, im Dialog der Disziplinen und sowohl von „innen“ als auch von „den Rändern“ untersuchen. In diesem Sinne werden Studierende und Mitarbeitende aller Qualifikationsstufen der Universität Innsbruck gesucht, die Qualifikationsschriften und/oder Projekte in diesem thematischen Feld bearbeiten möchten und die FSP-Arbeitsgruppe als Denk- und Diskussionsraum hierfür nutzen und bereichern möchten. Gegenwärtig sind folgende (alphabetisch geordnete) Disziplinen an der Arbeitsgruppe beteiligt, Erweiterungen sind jederzeit möglich: Europäische Ethnologie, Germanistik, Geschichtswissenschaften, Linguistik, Medienwissenschaft, Philosophie, Politikwissenschaft, Slawistik, Theologie, Vergleichende Literaturwissenschaft Wir bitten Interessierte aller Disziplinen, sich bis 10. Mai 2016 mit Projekten, insbesondere Dissertationsprojekten aller Stadien (von der ersten noch vagen Idee bis hin zum bereits laufenden uns aber noch unbekannten Projekt) mit einem max. 1-2-seitigen Abstract und kurzen CV-Angaben formlos unter [email protected] für die Mitarbeit zu bewerben. Darüber hinaus bitten wir alle Lehrenden, diese Information in ihrem Wirkungskreis bekannt zu machen. Um mögliche Fragestellungen anzudeuten, finden sich unten exemplarische Denkimpulse aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven, die jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Rück- und Nachfragen sind jederzeit an Timo Heimerdinger, den Sprecher der Arbeitsgruppe, möglich, wir freuen uns auf jegliche Projektideen und werden die Interessenten dann gerne zu unseren Arbeitstreffen einladen, dort werden wir dann auch die weiteren Perspektiven der Zusammenarbeit und Unterstützung besprechen. 1 Europäische Ethnologie Ethnografisch gedacht steht die Alltagsperspektive des/r Menschen im Mittelpunkt: Wie wird „Europa“ von unterschiedlichen AkteurInnen erlebt, konzipiert und bewertet? Welche historisch gewachsenen Bilder und Erfahrungen sind hierbei wirksam und in welcher Weise kollidieren bzw. korrespondieren diese Konzepte mit konkreten Alltagsvollzügen? Derartige Untersuchungen könnten sich z.B. entlang konkreter Praxis- bzw. Politikfelder entwickeln (Arbeit, Reise, Verkehr, Ökonomie, Migration), müssten soziokulturell spezifiziert erfolgen und könnten gegenwärtige wie historische Perspektiven umfassen. Zwei unterschiedliche Zugänge erscheinen hierfür gleichermaßen sinnvoll: der Blick auf die Ränder Europas wie der Blick auf und in die Zentren. Germanistik Die moderne Germanistik hat sich weit von einer Wissenschaft der Nationalsprache und Nationalliteratur entfernt und beschäftigt sich mit dem deutschen Sprach- und Kulturraum in seinen Vernetzungen, Kontrasten, Gemeinsamkeiten und Konflikten mit Europa und der europäischen Gemeinschaft. Aus Sicht der Germanistik sind sowohl sprach- als auch literaturwissenschaftliche Fragestellungen in diesem Zusammenhang denkbar: z.B. die deutsche Literatur im Kontext einer europäischen Literaturgeschichte, politolinguistische Studien (z.B. Sprachgebrauch von PolitikerInnen), diskurswissenschaftliche und diskurslinguistische Fragen (z.B. Europa-Metaphern). Eine Verbindung mit historischen, linguistischen, kultur- und medienwissenschaftlichen Fragestellungen bietet sich an (siehe andere Bereiche). Medienwissenschaft Aus medienwissenschaftlicher Perspektive interessiert vor allem der Beitrag, den unsere Medien heute bei der Konstruktion europaskeptischer Sichtweisen und Einstellungen leisten. Welche Deutungsmuster dominieren in der Berichterstattung über Europa und EU? Aus welchen Perspektiven wird das Thema behandelt? Welche Bewertungen sind damit verbunden? Wie konvergent stellt sich die Berichterstattung in unterschiedlichen Medien dar? Als theoretischer Ausgangspunkt könnte beispielsweise der Framing-Ansatz dienen, der Frames (anknüpfend an Entman) als Deutungsmuster auffasst, die einerseits als mentale Strukturen sowohl bei JournalistInnen als auch bei RezipientInnen die Weltsicht prägen, die andererseits aber auch in der medialen Kommunikation, also in Texten und Bildern, greifbar sind. Besonders interessant wären empirische Untersuchungen, die das sprachliche und/oder visuelle Framing in Medien interkulturell vergleichend betrachten. Philosophie In der Geschichte philosophischen Denkens ist der Name „Europa“ wiederholt mit Vorstellungen einer fundamentalen (gesellschaftlichen, kulturellen, institutionellen oder weltanschaulichen) „Krise“ verbunden wurde. Gerade in der Zwischenkriegszeit wurden – etwa von Spengler, Husserl, Valery oder Heidegger – eine Menge von 2 philosophischen Positionen artikuliert, die sich so oder anders europakritisch anmuten bzw. die Krise Europas thematisieren. In Erinnerung an solch programmatische Europa-Kritiken, die seit der Einrichtung der Europäischen Union von weiteren Intellektuellen (z.B. Habermas/Derrida, Agamben, Sloterdijk, Balibar) vorgetragen wurden und werden, kommt es darauf an, sich auf die Spur der philosophischen Auseinandersetzungen mit der „Vision“ Europas zu begeben, um so besser zu begreifen, wieso diese – offenkundig – krisenanfällig ist. Vergleichende Literaturwissenschaft Aus der Sicht der Vergleichenden Literaturwissenschaft kann, auf der einen Seite, das Thema „EU-“ respektive „Europa-Skepsis“ motiv- und stoffgeschichtlich anhand eines Korpus von (literarischen) Texten sowie – in intermedialer Perspektive – von Bildmaterial (Fotografie, Film) untersucht werden. Auf der anderen Seite und in Verbindung damit ist auch die Frage verfolgenswert, mit welchen "Narrativen" (im Sinne Albrecht Koschorkes) – Identität und Differenz, Gemeinschaft und Gesellschaft, Nation und Staat, Kultur/Religion, Arbeit und Kapitalismus etc. – Konstruktionen von Europa/der EU (und die Skepsis daran) erzählt, d.h. ins Werk gesetzt wurden und werden. Da politische Gebilde immer „imagined communities“ (Benedict Anderson) darstellen, ist die Frage nach dem ‚Bildervorrat‘, mit dem solche Konstrukte arbeiten, von politischer Bedeutung, gerade angesichts einer Zeit vielbeschworener „Krisen“ (Eurokrise, Griechenlandkrise, Flüchtlingskrise). 3
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