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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
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zu resezieren, um ein Rezidiv zu vermeiden.
Darüber hinaus sind derartige Abszessbildungen häufig mit Stenosen vergesellschaftet
(Jürgens et al. 2010).
Therapierefraktärer Verlauf
Die Operation ausschließlich aufgrund eines
therapierefraktären Verlaufs und nicht aufgrund einer Stenose bzw. Fistel ist sehr selten
indiziert, da mit der modernen immunsuppressiven Therapie i. d. R. doch eine Remission erzielte werden kann. Die Strategie beim
therapierefraktären Verlauf entspricht dem
Vorgehen bei Stenosen. Hier sollten sparsame
Resektionen erfolgen, um unnötigen Darmverlust zu vermeiden. Zu berücksichtigen ist,
dass bei Operationen wegen eines therapierefraktären Verlaufs die Patienten oft mit einer
signifikanten immunsuppressiven Medikation zur Operation gelangen. Insbesondere
bei hohen Steroiddosierungen ist von einem
erhöhten Komplikationsrisiko auszugehen.
Dies sollte bei der Verfahrenswahl berücksichtigt werden.
4.3.4
Operationstechnische
­Aspekte
Anastomosen
Bei MC sind alle gängigen Anastomosierungstechniken vertretbar. Dies bedeutet, es
kann sowohl ein- oder zweireihig, fortlaufend
oder in Einzelknopftechnik, mit oder ohne
Rückstich anastomosiert werden. Des Weiteren sind auch Klammernahtanastomosen,
sofern sie wie die anderen korrekt technisch
durchgeführt werden, sehr sicher. Insgesamt
ist per se nicht von einer erhöhten Anastomoseninsuffizienz gerade bei MC auszugehen.
Allerdings gibt es bei der Crohn-Chirurgie
mehrere mögliche Cofaktoren, die das Risiko erhöhen. Dies betrifft die perioperative
Medikation, Anastomosen in entzündeten
Darmabschnitten sowie Anastomosierungen vor weiterbestehenden Stenosen. Es gibt
einige Hinweise, dass die Anlage einer weiten
Anastomose mit einem großen Lumen vorteilhaft ist, weil es bei Remanifestationen des
MC in der Anastomose und nachfolgenden
Fibrosierungen/Narbenkontraktionen bei
großem Lumen länger dauert, bis es durch
die narbigen Einengungen wieder zu Stenosen mit Symptomatik kommt. Bei der Ana­
stomosierung ist darauf zu achten, dass diese
im makroskopisch entzündungsfreien Darmabschnitt vorgenommen wird. In der Regel ist
dies gegeben, wenn die Anastomose ca. 2 cm
vom makroskopisch äußerlich entzündeten
Darm entfernt platziert wird (Fazio et al.
1996). Ein mikroskopisch freier Resektionsrand ist unnötig und führt nicht zu besseren
Langzeitergebnissen. Onkologisch-radikale
Resektionen mit großem Sicherheitsabstand
sind ebenfalls unnötig und sollten wegen des
damit verbundenen größeren Darmverlustes
unbedingt vermieden werden.
Strikturoplastiken
Strikturoplastiken haben den Vorteil, dass
sie es ermöglichen, ohne Darmverlust eine
Erweiterung von Stenosen herbeizuführen.
Hierzu existieren unterschiedliche Techniken. Neben der Strikturoplastik nach Heineke-Mikulicz gibt es die Strikturoplastik
nach Finney bei längerstreckigen Stenosen
(▶ Abb. 4-8) sowie die Seit-zu-Seit-isoperi­
staltische Strikturoplastik, die von ­Michelassi
1996 beschrieben wurde (▶ Abb. 4-9). Zu
beachten ist, dass bei der Strikturoplastik
das entzündete Areal auf keinen Fall entfernt wird und deshalb anschließend eine
Fortsetzung einer medikamentösen Therapie einzuplanen ist. Des Weiteren sollte die
Strikturoplastik nicht bei Colonstenosen
vorgenommen werden, da hier immer mit
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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
4.3 Chirurgische Therapie
a
b
Abb. 4-8 Techniken der Strikturoplastik. a Strikturoplastik nach Heinecke-Mikulicz. Hier wird die kurzstreckige
Stenose längs inzidiert und quer vernäht. b Strikturoplastik nach Finney. Diese ist für längerstreckige Stenosen
geeignet. Problematisch ist, dass bei der Finney-Plastik ein Blindsack entstehen kann, weshalb im eigenen Vorgehen der Strikturoplastik nach Michelassi (▶ Abb. 4-9) der Vorzug gegeben wird. Allerdings muss bei der Plastik
nach Michelassi das Mesenterium durchtrennt werden, was bei der Finney-Plastik entfällt.
einem Malignitätsrisiko zu rechnen und eine
Tumoreröffnung durch eine Strikturoplastik ungünstig ist, ebenso wie ein potenzielles
Belassen von tumorösen Anteilen, die zur
Stenose führten.
Laparoskopische Operationen
Die Operationen bei MC-Patienten werden
häufig bei jungen Patienten durchgeführt, die
auf ein gutes kosmetisches Ergebnis großen
Wert legen. Hier bietet sich die Laparoskopie an. Sofern keine Kontraindikation, wie
mehrfache Voroperationen bzw. Konglome-
rattumoren oder gravierende Adipositas,
vorliegen, können fast alle abdominalen Eingriffe bei MC laparoskopisch erfolgen. Neben einem häufig günstigeren kosmetischen
Resultat sind eine schnellere Rekonvaleszenz,
geringerer Schmerzmittelbedarf und geringere Rate an Minor-Komplikationen (Wundinfekte, Narbenhernien etc.) als Vorteil der laparoskopischen Chirurgie zu nennen, sodass
diese, wenn technisch möglich, als Standard
angesehen werden kann. Dennoch ist darauf
zu achten, dass laparoskopische Operationen
nicht erzwungen werden. Insbesondere wenn
aufgrund ungünstiger Begleitfaktoren infol-
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Abb. 4-9 Darstellung einer isoperistaltischen Seit-zu-Seit-Strikturoplastik, die von Michelassi et al. (1996)
beschrieben wurde. a Intraoperativer Befund nach Vorverlagerung der stenosierten Dünndarmschlinge via
Mini-Laparotomie. b Durchtrennung des Mesenteriums und des Darms. c Nebeneinanderhalten der beiden
Darmenden. d Naht der Hinterwand. e Naht der Vorderwand. f Vollständige Seit-zu-Seit-Anastomose mit jetzt
weitem Darmlumen ohne Verlust von Dünndarmoberfläche.
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ge z. B. ausgedehnter abdominaler Verwachsungen die Laparoskopie stark erschwert ist,
sollte im Sinne der Patientensicherheit eine
Konversion als der bessere Weg angesehen
werden.
4.3.5
Indikation zur Stomaanlage
Bei Patienten, die an MC leiden, gibt es unterschiedlichste Gründe, warum ein Stoma
erforderlich werden kann. Zunächst kann
ein perianaler Befall, der zu einer untragbaren Versorgungssituation führt, eine Stomaanlage ratsam und sinnvoll erscheinen
lassen. Darüber hinaus können die Stomata sehr sinnvoll bei kritischen Anastomosierungsverhältnissen eingesetzt werden,
entweder indem ein protektives Stoma vor
einer Anastomose vorgeschaltet oder eine
Diskontinuitätsresektion
vorgenommen
wird. Bei Diskontinuitätsresektionen ist es,
sofern technisch möglich, ratsam, ein Stoma
im Sinne einer Halbanastomose auszuleiten.
Allerdings ist bei dieser Vorgehensweise sorgsam darauf zu achten, dass ein gut platziertes
und gut versorgbares Stoma resultiert, damit
die Zeit bis zur Stomarückverlagerung pro­
blemlos überbrückt werden kann. Aufgrund
der schlechten Versorgbarkeit sind atypische
Stomaanlagen, z. B. die Zäkalfistel oder Stomaanlagen in der Wunde, als obsolet anzusehen. Die Stomaanlagen sollten, wann immer
möglich, auch in der Notfallsituation geplant,
d. h. mit dem Patienten vorab besprochen
werden. Des Weiteren ist es für die spätere
Versorgung von enormer Bedeutung, dass
das Stoma präoperativ angezeichnet wird und
der Patient präoperativ eine Stomaberatung
erhält.
4.3.6
Postoperative ­Behandlung
und Komplikations­
management
Für Patienten mit CED gelten die gleichen
Grundregeln der modernen postoperativen
Behandlung wie für Patienten, die aufgrund
anderer Indikationen operiert werden. Dies
bedeutet insbesondere, dass ein früher Kostaufbau angestrebt werden sollte. Auf Drainagen sollte möglichst verzichtet werden.
Werden diese für unverzichtbar gehalten,
sollten sie zügig, d. h. am ersten oder zweiten
postoperativen Tag, wieder entfernt werden.
Wunddrainagen (Redon-Saugdrainagen)
sind ebenfalls nicht vorteilhaft und damit
nicht sinnvoll, genauso wie das routinemäßige Belassen von Magensonden bei Elektiveingriffen. Alle diese Maßnahmen belasten den
Patienten, verursachen unnötige Schmerzen
und verzögern dadurch die Rekonvaleszenz.
Magensonden können am Operationsende
entfernt werden, sofern sie intraoperativ erforderlich waren. Eine Ausnahme besteht,
wenn der Patient in einer Ileus-Situation
operiert wurde. Wenn offene Operationsverfahren gewählt werden, ist ein Periduralkatheter für die postoperative Schmerztherapie
hilfreich. Nach unserer Erfahrung sind für
laparoskopisch operierte Patienten die normalen Analgetika-Gaben systemisch ausreichend; dies umso mehr, wenn die Gabe
mit PCA-Pumpen organisiert ist. Kommt es
zu einer postoperativen Atonie bzw. einem
postoperativen Ileus, ist neben Zuwarten
und Abführmaßnahme eine Zurücknahme
der Kost sinnvoll. Dies betrifft allerdings nur
einen Teil der Patienten.
Postoperative Komplikationen bei abdominalen Operationen wegen MC müssen
zeitnah erkannt und beherrscht werden. Neben kleineren Komplikationen, wie Wundinfekten, Harnwegsinfekten oder Pneumonie,
ist als Hauptproblem die Anastomoseninsuf-
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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
4.3 Chirurgische Therapie