Harninkontinenz: Männer und junge Frauen leiden
besonders – und oft unnötig
Petra Plaum
04. Dezember 2015
Prof. Dr. Ursula
Peschers
Junge Patientinnen: Zwischen Scham und Sehnsucht nach erfüllter Sexualität
Die Inkontinenz der Frau wird häufiger thematisiert, den Patientinnen werden auch eher Therapien
angeboten, so Prof. Dr. Ursula Peschers, Chefärztin für Gynäkologie, Urogynäkologie und
rekonstruktive Beckenbodenchirurgie am Kontinenz- und Beckenbodenzentrum München, Mitglied
im Expertenrat der Deutschen Kontinenz Gesellschaft und ebenfalls Kongresspräsidentin. Trotzdem
müsse auch hier eine Gruppe oft lange auf Unterstützung warten: jüngere Frauen.
Peschers erläuterte: „Manche 25-Jährige verliert nach der Geburt ihres ersten Kindes bei jedem
Husten, Niesen oder Springen Urin.“ Außerdem passiere das nicht selten beim Sexualverkehr –
bei bis zu 12% aller inkontinenten Frauen. „Das ist ihnen peinlich, selbst in gut funktionierenden
Partnerschaften“, gab Peschers zu bedenken. Von sich aus würden die Frauen das selten
ansprechen.
Oft ist eine Beckenbodenfunktionsstörung Ursache der Inkontinenz. Nach schwerer körperlicher
Arbeit, Schwangerschaften, vaginalen Geburten und bei Übergewicht wird sie wahrscheinlicher.
Die Expertin ermutigte Kollegen, ihren Patientinnen die Wege zurück zur Kontinenz und gleichzeitig
zu mehr sexueller Zufriedenheit aufzuzeigen. Auch bei Frauen ist intensives Beckenbodentraining
bei fachkundigen Physiotherapeuten ein sinnvoller erster Schritt.
Vorteile und Risiken operativer Behandlungen
Hilft dies nicht, bleibt die operative Behandlung als Alternative. Das Einlegen eines
Kunststoffbandes unter die mittlere Harnröhre ist die Standardtherapie und dauere „in geübten
Händen nur etwa 15 Minuten“. Nach 1 bis 2 Tagen dürfen die Patientinnen nach Hause. Peschers
betonte, dass dann, wenn „die richtigen Patientinnen in den richtigen Zentren operiert“ werden, die
Komplikationsrate niedrig sei – etwa 5% hätten hinterher geringe Beschwerden, zum Beispiel
Blasenentleerungsstörungen, die aber reversibel seien.
Manche 25-Jährige verliert nach der Geburt ihres ersten Kindes bei
jedem Husten, Niesen oder Springen Urin.
Prof. Dr. Ursula Peschers
Ist eine erhebliche Senkung Ursache der Inkontinenz, kommt auch eine Deszensusoperation infrage.
In Hinblick auf die Sexualität sei aber gut zu überlegen, ob der Eingriff den gewünschten Erfolg
bringe. Peschers hob hervor, dass Senkungsoperationen zu Narben, die beim Sexualverkehr
Schmerzen bereiten, und zu Nervenverletzungen führen können. Wenn Netze eingesetzt werden, ist
auch eine Netzerosion in die Scheide möglich.
Peschers empfahl Kollegen, vor den Operationen offen mit den Patientinnen über ihre
Erwartungen, über mögliche Verbesserungen, aber auch Risiken durch die infrage kommenden
Eingriffe zu diskutieren.
REFERENZEN:
1. 27. Jahreskongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft, 27. bis 28. November 2015, München