Ausgabe 08/2016 Tipp – Selbstmanagement Kind und Karriere unter einen Hut So gelingt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Immer noch sehen sich berufstätige Mütter und Väter mit diversen Vor- Autorin urteilen konfrontiert, wie die noch immer präsenten Betitelungen Rabenmutter und Rabeneltern belegen. Diese Vorurteile können die Entscheidung, ob bzw. wann Mama oder Papa nach der Geburt ihres Kindes wieder arbeiten geht, direkt beeinflussen. Zudem hat die unterschwellige Vorwurfshaltung der Gesellschaft einen immensen Einfluss auf den Wohlfühlfaktor von Familien, die sich für eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf entschieden haben. Eltern, vor allem berufstätige Mütter haben genau aus diesem Grund oftmals mit einem schlechten Gewissen zu kämpfen. Ihr Bild eines souveränen Um- Eva-Maria Popp Dipl.-Pädagogin Univ., Unternehmensberaterin, Coach, Inhaberin der Firma basic-erfolgsmanagement, Autorin Kontakt: [email protected] Mehr Informationen unter: › projektmagazin.de/autoren gangs mit dem Thema Kind und Karriere wird dadurch stark verzerrt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist Kopfsache Schuldgefühle haben sowohl auf die Arbeit als auch auf die Familie ei- ähnliche Artikel › Beruf und Familie vereinbaren – nur eine Frage der Einstellung nen negativen Einfluss. Zum einen ist ein schlechtes Gewissen ein in- › Projektkarriere in Teilzeit - eine Frage der Organisation! konsequenter Erzieher: Mütter oder Väter, die aufgrund ihrer Berufstä- sowie in den Rubriken tigkeit weniger Zeit für ihre Kinder aufbringen können und deswegen ihnen gegenüber ein schlechtes Gewissen haben, werden nur schwer erzieherische Maßnahmen rigoros durchziehen können. Andererseits › Selbstmanagement › Kommunikation sind sie am Arbeitsplatz z.T. abgelenkt und fühlen sich innerlich zerrissen, da sie in Gedanken oftmals zu Hause bei ihren Kindern sind. Zudem können Schuldgefühle zu einer gewissen Überempfindlichkeit gegenüber Bemerkungen (oder auch nur vermeintlich gefallenen Bemerkungen) von Kollegen führen, die dann wiederum für Konflikte sorgen. Erleben Sie den Vortrag "Familie und Karriere? Ich schaff das!" von Eva-Maria Popp auf der PM Welt am 26. April 2016 in München Dornach. © 2016 Projekt Magazin. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftl. Genehmigung der Redaktion www.projektmagazin.de – Das Fachportal für Projektmanagement 1/5 Ausgabe 08/2016 Kind und Karriere unter einen Hut So gelingt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Qualität statt Quantität Pädagogen und Psychologen sind sich schon lange darüber einig, dass bei der frühkindlichen Betreuung nicht nur die Quantität der elterlichen Anwesenheit entscheidend ist. Vielmehr ist eine qualitativ emotionale und liebevolle Zuwendung ausschlaggebend. Verantwortungsvolle und fürsorgliche Pflegerinnen und Pfleger können dabei problemlos einen Teil der Betreuung übernehmen. Dabei kommt es besonders auf eine Kontinuität und die emotionale Haltung an. Wenn der Arbeitnehmer sich selbst und die Kinderbetreuung gut organisiert, werden weder die Arbeitsleistung noch das Verhalten zu Hause negativ beeinflusst. Achten Sie bei sich und Ihrem Partner/Ihrer Partnerin bewusst auf die eigene Einstellung! Sobald Sie erste Anzeichen eines schlechten Gewissens oder Unsicherheiten erkennen, reden Sie darüber! Wenn der direkte Vorgesetzte unterstützende Maßnahmen verwehrt Viele Unternehmen legen im Zeichen des Fachkräftemangels inzwischen großen Wert auf unterstützende Maßnahmen von berufstätigen Eltern. Mit Homeoffice-Plätzen, flexiblen Arbeitszeitmodellen, Zeitkonten, Kinderbetreuungsangeboten usw. zeigen sie sich solidarisch mit ihren Arbeitnehmern, die Kinder haben und "dennoch" weiter Karriere machen wollen. Allerdings gibt es in der Praxis einen großen Dissens zwischen der offiziellen Marschrichtung eines Unternehmens und der gelebten Umsetzung – gerade im mittleren Management. So berichten mir immer wieder berufstätige Mütter und Väter, dass ihre direkten Vorgesetzten kein Verständnis zeigen und die von der Unternehmenszentrale angebotenen Maßnahmen einfach ignorieren. Eine optimale Umsetzung von Homeoffice-Plätzen, flexiblen Arbeitszeitmodellen und anderen Maßnahmen werden teilweise einfach eigenmächtig ausgesetzt. Sprechen Sie Ihren direkten Vorgesetzten darauf an! Holen Sie sich ggf. Unterstützung vom Betriebsrat oder überspringen Sie auch einmal eine Hierarchieebene! Das verlangt ein bisschen Mut, ist aber sehr wichtig für Ihre persönliche Situation. Die "lieben" Kollegen In einem Unternehmen lassen sich die Mitarbeiter in zwei verschiedene Kategorien einordnen: Partei "Kinderlos" und Partei "Familie". Diese beiden Parteien stehen sich meist vollkommen verständnislos und unter Umständen sogar feindselig gegenüber: Partei "Kinderlos" Sie haben zwar selbst keine Kinder und keine Erfahrungen mit der Kindererziehung, dennoch hat so mancher immer einen "guten Rat parat" oder kritisiert die Methoden und Vorgehensweisen der berufstätigen Eltern: "Da muss man hart durchgreifen", "Ich würde es den kleinen Rackern schon zeigen", "Schon wieder krank, der Kleine? Sie sollten mal auf eine gesunde Ernährung achten, Frau Kollegin", "Immer diese Mütter, die ständig Ausnahmen brauchen". © 2016 Projekt Magazin. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftl. Genehmigung der Redaktion www.projektmagazin.de – Das Fachportal für Projektmanagement 2/5 Ausgabe 08/2016 Kind und Karriere unter einen Hut So gelingt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Partei "Familie" Die Familienpartei ist ein Zusammenschluss von solidarischen berufstätigen Eltern. Häufig hört man aus deren Ecke Nörgeleien über die "Kinderlosen", wie z.B.: "Wer zahlt denn später mal deren Rente? Das sind doch unsere Kinder", "Die haben KEIN Verständnis für uns". Komplettiert wird die Familien-Partei durch eine weitere Untergruppierung: Partei "Frisch gebackene Eltern" (ehemalige Angehörige der Partei "Kinderlos") Bis zur Geburt des eigenen Kindes waren sie eingefleischte Kritiker von familienfreundlicher Unternehmenspolitik. Danach wechselten sie jedoch mit wehenden Fahnen ins "feindliche Lager". Nach dem Wiedereinstieg müssen die Mütter und Väter dann oftmals darum kämpfen, als vollwertige Kollegen und Arbeitskräfte anerkannt zu werden – zumindest glauben sie, dass sie es müssen. Schnell können dann auch kleine Wörter bzw. Floskeln eine große psychologische Wirkung haben: • Warum arbeitet man nach dem Wiedereinstieg NUR noch in Teilzeit? Was bedeutet in diesem Zusammenhang "nur" – ist Teilzeitarbeit etwa weniger wert als Vollzeitarbeit? Bin ich nun weniger wert? Muss ich doppelte Schlagzahl vorlegen, damit ich mein früheres Pensum nun in kürzerer Anwesenheitszeit schaffe? • "FRAU MEYER IST HEUTE NICHT DA, DIE IST ZU HAUSE." – Warum sagen meine Kollegen nicht, dass ich heute im Homeoffice arbeite? Ist der Homeoffice-Platz ein Arbeitsplatz zweiter Klasse? Leiste ich zuhause weniger? Muss ich zuhause schneller arbeiten, damit ich den anderen beweisen kann, dass es geht? Dieses Mehrparteiensystem sorgt auch insgesamt für reichlich Konfliktpotential im Kosmos eines Unternehmens und birgt so einiges an Sprengstoff, der das Arbeitsklima fest im Griff hat, bis hin zu Mobbing und Burn out. Um Konflikten vorzubeugen, ist es wichtig, sich über die eigene Position als berufstätige/r Mutter/Vater im Klaren zu sein. Kommunizieren Sie klar und deutlich, dass Sie sich voll in ihrer Arbeitsstelle einbringen, aber auch gleichzeitig voll zu ihrer Familie stehen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf IST selbstverständlich und ein gesellschaftlicher Standard. Dafür müssen Sie sich weder erklären noch entschuldigen. Kommunikation schafft gegenseitiges Verständnis Bevor Sie wieder an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren, sollten Sie ein klärendes Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber führen. Beantworten Sie in diesem Gespräch folgende Fragen: • Was können und wollen Sie leisten? • Was können Sie nicht mehr leisten? Wenn Sie Ihre Stelle wieder beziehen, sollten Sie außerdem das Gespräch mit Ihren Kollegen suchen, um von Beginn an für klare Verhältnisse zu sorgen. Gehen Sie dabei auf die folgenden Schwerpunkte ein: © 2016 Projekt Magazin. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftl. Genehmigung der Redaktion www.projektmagazin.de – Das Fachportal für Projektmanagement 3/5 Ausgabe 08/2016 Kind und Karriere unter einen Hut So gelingt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf • An welchen Tagen muss ich ultimativ weg und habe keine Möglichkeit ein paar Minuten länger zu bleiben? • An welchen Tagen habe ich einen Puffer und kann auch mal länger bleiben? Mögliche Schwierigkeiten sollten Sie zudem vorrausschauend kommunizieren. Kann es in aktuellen Situationen zu Problemen kommen, teilen Sie dieses den Betroffenen rechtzeitig mit und treffen Sie Vorkehrungen: Müssen Sie z.B. nach einer Konferenz pünktlich weg, bitten Sie schon zu Beginn darum, Ihr Statement als Erster vortragen zu dürfen. Notfallpläne vorbereiten und kommunizieren Als berufstätige/r Mutter/ Vater ist es sehr wichtig, Klarheit für alle Betroffenen zu schaffen: "Was passiert wenn….." Im Leben eines Kindes gibt es immer wieder spontane Vorkommnisse, wie aufgeschlagene Knie, hohes Fieber, Grippe oder auch größere Unfälle. Dann ist die Anwesenheit von Mama oder Papa ultimativ gefordert. Ohne Schwarzmalen zu wollen: Solche Eventualitäten MÜSSEN Sie einplanen und mithilfe von Notfallplänen vorbeugen. Schmieden Sie deshalb innerhalb der Familie einen Notfallplan! Wie reagieren wir als Familie, wenn das Kind für ein paar Tage krank ist oder die Erzieherinnen in der Kita streiken? Option 1: Sie reichen Sonderurlaub ein und übernehmen selbst die Betreuung. Aber Achtung: Sie können maximal fünf Tage am Stück bei einer plötzlichen Erkrankung Ihres Kindes laut § 616 BGB als Sonderurlaub freinehmen. Option 2: Sie suchen nach Notfallhelfern. Sprechen Sie mit den Großeltern, anderen Verwandten, Freunden oder Tagesmüttern auf Zeit. Treffen Sie im Vorfeld Vereinbarungen mit ihnen, wer im Notfall unkompliziert einspringen kann. Die Vereinbarungen mit Notfallhelfern müssen verbindlich sein und im Notfall wirklich funktionieren! Bleiben Sie regelmäßig mit ihnen im Gespräch und erneuern Sie die Vereinbarungen in regelmäßigen Abständen! Option 3: Es gibt in größeren Städten von den Arbeitgeberverbänden Notfallnummern, die kurzfristig eine Betreuungsperson zur Verfügung stellen, wenn Not am Mann ist. Kommunizieren Sie diese Notfallpläne an Ihren Vorgesetzten und besprechen Sie die Gesamtsituation im Vorfeld. Das ist sehr wichtig, damit sich auch der Arbeitgeber auf die Notfallsituation einstellen kann. Stimmen Sie die Notfallpläne möglichst auf die spezielle Situation am Arbeitsplatz ab. Zeitmanagement für berufstätige Eltern als Antistressmaßnahme Auch der Umgang mit der Zeit bedarf einer neuen Ausrichtung. Planen Sie immer einen Puffer ein! Damit können Sie sich schon im Vorfeld viel Stress ersparen. Kinder brauchen unter Umständen für alltägliche Handlungen (wie z.B. Zähneputzen, Anziehen, Frühstücken) länger als man erwartet. Auch wenn Sie nach der Arbeit Ihr Kind abholen wollen, kann ein Stau auf dem Weg zur Kita Ihrem Zeitplan einen Strich durch die Rechnung machen. Ein Zeitpuffer entspannt hier die Situation und verhindert, dass Sie (wieder einmal) zu spät kommen und dadurch Ärger mit dem Kita-Personal bekommen. © 2016 Projekt Magazin. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftl. Genehmigung der Redaktion www.projektmagazin.de – Das Fachportal für Projektmanagement 4/5 Ausgabe 08/2016 Kind und Karriere unter einen Hut So gelingt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Fazit • Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf entsteht im Kopf! Um in beiden Bereichen leistungsfähig zu sein, müssen Sie sich frei von Schuldgefühlen machen. Wer Kind und Karriere vereinen möchte, ist weder eine Rabenmutter/-vater noch ein Mitarbeiter/in zweiter Klasse. • Eine umfangreiche Kommunikation sorgt für klare Verhältnisse und verringert das Konfliktpotential! Klarheit im Arbeitsumfeld können Sie nur erreichen, wenn Sie sich zuvor über die persönliche Position klar werden und diese kommunizieren. • Zeit ist relativ! Sobald Sie das erste eigene Kind haben, wird Ihnen das noch deutlicher bewusst als jemals zuvor. Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Bewerten Sie ihn im Projekt Magazin online und teilen Sie so Ihre Meinung anderen Lesern mit. Wählen Sie dazu den Artikel im Internet unter http://www.projektmagazin.de/ausgaben/2016 oder klicken Sie hier, um direkt zum Artikel zu gelangen. © 2016 Projekt Magazin. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftl. Genehmigung der Redaktion www.projektmagazin.de – Das Fachportal für Projektmanagement 5/5
© Copyright 2025 ExpyDoc