Entschließungsantrag - SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag

Sächsischer Landtag
6. Wahlperiode
DRUCKSACHE 6/2581
Entschließungsantrag
der
CDU-Fraktion und SPD-Fraktion
zum
Thema:
Fachregierungserklärung „Gesamtaufgabe Asyl – gemeinsam für
Unterbringung, Sicherheit und Integration“
Der Landtag möge beschließen:
I.
Der Landtag stellt fest:
Die gegenwärtige Asyl- und Flüchtlingspolitik stellt uns vor eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe. Wir bekennen uns zu einem weltoffenen und toleranten Freistaat Sachsen und zu
einem humanitären Flüchtlingsschutz. Asylsuchenden, die Schutz benötigen, wird dieser
gewährt.
Der Sächsische Landtag verurteilt auf das Schärfste die rassistisch motivierten
Ausschreitungen gegen Polizeibeamte im Umfeld der Erstaufnahmeeinrichtung in Heidenau.
Menschenverachtende Hetze, Hass und Gewalt gegen Asylsuchende, Helfer und den Staat
sind nicht zu akzeptieren. Dem muss sich eine wehrhafte demokratische Gesellschaft
konsequent entgegen stellen. Die Sicherheit der Flüchtlinge und der ehrenamtlich Helfenden
muss zu jedem Zeitpunkt garantiert werden.
Die Bundesrepublik Deutschland steht gegenwärtig vor einer großen humanitären und
gesellschaftlichen Herausforderung. Voraussichtlich 800.000 Menschen werden im Jahr
2015 wegen politischer oder religiöser Verfolgung, Flucht vor Krieg und Gewalt in ihren
Heimatländern oder auf der Suche nach einem Ausweg aus der wirtschaftlichen Situation in
ihrer Heimat Asyl in der Bundesrepublik Deutschland beantragen. Für den Freistaat Sachsen
bedeutet dies, dass etwa 40.000 Menschen aufgenommen werden müssen und für deren
humane Behandlung und Unterbringung Sorge zu tragen ist.
Dresden, 1. September 2015
Unterzeichner: i.V. Christian Piwarz
Frank Kupfer MdL
CDU-Fraktion
Eingegangen am: 01.09.2015
Unterzeichner: Dagmar
Neukirch
Datum: 01.09.2015
i. V.
Dirk Panter MdL
SPD-Fraktion
Ausgegeben am: 01.09.2015
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Diese Herausforderung ist nur zu bewältigen, wenn Bund, Staatsregierung, Kommunen und
Parlament, aber auch Wohlfahrtsverbände, Ehrenamtsinitiativen und Bürgerinnen und
Bürger zusammenarbeiten. Insbesondere den vielen ehrenamtlich engagierten Menschen
und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Verwaltung und den Hilfsorganisationen, die
sich schon bisher engagiert haben, sprechen wir unseren großen Dank für ihren unschätzbar
wichtigen Einsatz aus. Die in der aktiven Flüchtlings- und Migrationsarbeit engagierten
Menschen und Vereine wollen wir bei ihrer Arbeit in Zukunft noch stärker und zielgerichteter
unterstützen.
Der am 20. August 2015 vom Kabinett beschlossene Maßnahmenkatalog Asyl ist ein
wichtiger Schritt, dem noch viele weitere folgen müssen. Der Landtag wird die
Staatsregierung bei der Umsetzung und Weiterentwicklung ihres vorgelegten
Maßnahmenkatalogs umfassend begleiten und unterstützen.
II.
Die Staatsregierung wird vor diesem Hintergrund ersucht zu berichten,
1. wie sich nach gegenwärtigem Planungsstand die zeitliche, strukturelle und örtliche
Umsetzung
der
im
Maßnahmenpaket
dargestellten
Schaffung
der
Unterbringungskapazitäten an den einzelnen Standorten darstellt;
2. wie sich die Abstimmung und Kommunikation mit der kommunalen Ebene hinsichtlich
der regionalen Verteilung der Unterbringungskapazitäten und bei der konkreten
Standortauswahl im Einzelfall darstellt und welche Verbesserungen hier geplant sind;
3. wie in den bestehenden sowie neu zu schaffenden Erstaufnahmeeinrichtungen und
Notunterkünften menschenwürdige Qualitätsstandards garantiert werden, insbesondere
für die soziale und gesundheitliche Betreuung, und wie hierbei sichergestellt wird, dass
ausreichend hauptamtliches Personal verfügbar ist und beschäftigt wird;
4. wie ehrenamtlich engagierte Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen und
Notunterkünfte eingebunden und organisatorische Strukturen gewährleistet und von
Seiten des Freistaates unterstützt werden, damit die Arbeit dieser Menschen koordiniert
wird;
5. ab welchem Zeitpunkt in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Dresden und Leipzig eine
Registrierung und Gesundheitsuntersuchung möglich sein wird und welche
Maßnahmen von welcher Stelle noch durchzuführen sind;
6. welche
konkreten
Maßnahmen
bislang
innerhalb
des
angestoßenen
Evaluierungsprozesses zur Angemessenheit der Kostenpauschalen im SächsFlüAG
durchgeführt wurden und bis zu welchem Zeitpunkt dem Landtag ein Zwischen- sowie
der Abschlussbericht vorliegen werden;
7. welcher zusätzliche vorläufige und dauerhafte Personalmehrbedarf bei der Zentralen
Ausländerbehörde (ZAB) besteht und wie dieser ausgeglichen werden soll;
8. welcher zusätzliche Personalmehrbedarf bei den sächsischen Gerichten und
Staatsanwaltschaften besteht und wie dieser ausgeglichen werden soll, um trotz der
weiterhin steigenden Asylverfahrenszahlen insbesondere einen raschen und
reibungslosen Ablauf der Asylverfahren zu garantieren, die familiengerichtliche
Betreuung unbegleiteter ausländischer Kinder und Jugendlicher sicherzustellen sowie
eine effiziente und schlagkräftige Strafverfolgung, insbesondere von Straftaten im
Zusammenhang mit dem Thema Asyl, zu gewährleisten;
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9. zu welchem Zeitpunkt die 150 befristeten Einstellungen von DaZ-Lehrkräften zur
Absicherung des Schuljahres 2015/16 erfolgen werden und wie sichergestellt werden
kann, dass ausreichend qualifizierte Lehrkräfte gewonnen werden können;
10. welche Ergebnisse die Abfrage in den einzelnen Ressorts ergeben hat, mit der
pensionierte Beamtinnen und Beamten bzw. in Rente gegangenen Tarifbeschäftigten
befristet für einen Einsatz im Asylbereich gewonnen werden sollen;
11. welche konkreten personellen und organisatorischen Maßnahmen für ein
beschleunigtes Verfahren beim Bundesamt für Flüchtlinge (BAMF) bislang eingefordert
wurden bzw. noch werden, um die im Bundesvergleich äußerst langen
Verfahrensdauern zu verkürzen;
12. bis wann die Einrichtung von Außenstellen des BAMF an den Standorten Leipzig und
Dresden erfolgen wird und in welchem Umfang der Freistaat Sachsen bzw. sächsische
Kommunen das BAMF zum aktuellen Zeitpunkt mit Personalabordnungen unterstützen;
13. in welchem Umfang es zu Doppelerfassungen bei der Zusammenarbeit von BAMF und
der ZAB kommt, welche Verbesserungen hier erzielt werden könnten und welche
tatsächlichen und rechtlichen Hindernisse hierfür beseitigt werden müssen und
14. welche weiteren Aufträge zur verbesserten Integration der Asylbewerber und
Flüchtlinge an die Ressorts ergangen sind und bis wann und in welcher Form der
Landtag über die Ergebnisse unterrichtet wird.
III.
Die Staatsregierung wird darüber hinaus ersucht zu berichten,
1. wie sich das aktuelle Lagebild bei fremdenfeindlichen und rechtsextremistisch
motivierten Vorfällen im Freistaat Sachsen im Zusammenhang mit der Unterbringung
Asylsuchender sowie der Integration Asylberechtigter darstellt und welche Maßnahmen
ergriffen werden;
2. wie sich die Situation und die Handlungsoptionen in Bezug auf ausländerfeindliche und
zu Straftaten aufrufenden Äußerungen im Internet mit sächsischem Bezug darstellen
und welche Maßnahmen ergriffen werden;
3. wie sich das aktuelle Lagebild bei Straftaten, die durch Asylsuchende begangen
wurden, entwickelt hat und welche Maßnahmen ergriffen werden;
4. welche zusätzlichen Möglichkeiten gesehen werden, die in der aktiven Flüchtlings- und
Migrationsarbeit engagierten Menschen und Vereine bei ihrer Arbeit noch stärker und
zielgerichteter zu unterstützen;
5. welche zusätzlichen Möglichkeiten gesehen werden, die sächsischen Landkreise und
Kreisfreien Städte bei der Flüchtlingsunterbringung auf kommunaler Ebene mit dem
Ziel einer geordneten Unterbringungs- und Integrationsplanung zu unterstützen;
6. inwieweit die soziale Betreuung der Asylbewerberinnen und Asylbewerber gesichert
wird und wie in der Förderrichtlinie und über die bestehende Förderrichtlinie „Soziale
Betreuung“ hinaus Verbesserungen erreicht werden können;
7. welche Zielstellung die neue Förderrichtlinie „Integrative Maßnahmen“ verfolgt und
inwieweit sie perspektivisch ausreichend für den Förderbedarf in diesem Bereich in
Sachsen sein wird;
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8. inwieweit die Asylbewerberinnen und Asylbewerber Zugang zu Sprachkursen haben
und ob diese ehrenamtlich oder hauptamtlich durchgeführt werden;
9. welche Erkenntnisse und Erfahrungen sich bisher aus dem Verbändegespräch ergeben
haben und wie die weitere Vernetzungsarbeit mit den Vereinen und Verbänden geplant
ist und wie sie von Landesebene aus unterstützt werden kann;
10. welche Maßnahmen ergriffen werden, um sich beim Bund für eine einheitliche
europäische Migrationspolitik, insbesondere für ein einheitliches europäisches
Asylrecht unter angemessener Verteilung von Asylsuchenden auf die EUMitgliedsstaaten, einzusetzen;
11. welche Maßnahmen ergriffen werden, um durch eine verstärkte Rückkehr-Beratung
den Anteil der freiwillig in ihr Heimatland Zurückkehrenden zu erhöhen und welche
Maßnahmen im Bereich der unfreiwilligen Ausreise getroffen werden und
12. welche personellen und organisatorischen Maßnahmen ergriffen werden, um
rechtskräftig ausreisepflichtige Personen in ihre Herkunftsländer rückzuführen.
IV.
Die Staatsregierung wird ersucht,
1. zeitnah alle Kommunikationsmaßnahmen zu ergreifen, die eine frühestmögliche
Einbindung und Information der vor Ort betroffenen Akteure, insbesondere der
Kommunen sowie der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet;
2. die Sicherheit der Asylsuchenden, der in diesem Bereich tätigen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der Verwaltung sowie der Hilfsorganisationen und der ehrenamtlich Tätigen
zu gewährleisten;
3. die nötigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass asylfeindliche Straftaten
konsequent verfolgt, zur Anzeige gebracht und verurteilt werden; hierbei muss
insbesondere eine wirksame Verfolgung von menschenverachtender Hetze und
Gewaltaufrufen im Internet sichergestellt werden;
4. ehrenamtliches Engagement finanziell, organisatorisch und strukturell angemessen und
nachhaltig zu unterstützen;
5. die finanzielle Unterstützung der Kommunen bei der Unterbringung Asylsuchender und
Integration von Asylberechtigten sicherzustellen;
6. sich beim BAMF für eine Verkürzung der Asylverfahrensdauern einzusetzen und mit
dieser Zielrichtung flankierende, im Verantwortungsbereich des Freistaates Sachsen
liegende Maßnahmen zu ergreifen;
7. sich gegenüber dem Bund für eine umfassendere finanzielle Unterstützung der Länder
und Kommunen einzusetzen, insbesondere für eine vollständige Kostenübernahme des
Bundes bei einer länger als drei Monate andauernden Bearbeitung der Asylverfahren
bis zum Erstbescheid;
8. sich mit Blick auf den anstehenden Asylgipfel in Berlin am 9. September 2015 für eine
Verbesserung der Rahmenbedingungen einzusetzen, insbesondere
a) beim Vollzug der
Bundespolizei;
Rücküberstellung
von
sogenannten
Dublin-Fällen
bei
der
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b) bei der Prüfung der Neuausrichtung von Geld- und Sachleistungen für Asylbewerber;
c) für eine Prüfung der Notwendigkeit der Weiterentwicklung des bestehenden
Aufenthaltsgesetzes zu einem Zuwanderungsgesetz;
9. die Bundesregierung anzuhalten, gemeinsam mit den Regierungen der als sicher
geltenden Staaten des Westbalkans vor Ort über die geringen Erfolgsaussichten eines
Asylantrages aufzuklären und stattdessen über Möglichkeiten legaler Zuwanderung in
die Bundesrepublik Deutschland zu informieren;
10. beim Bund dafür einzutreten, dass das Schengener Abkommen und die Dublin IIIVerordnung konsequent eingehalten und umgesetzt bzw. aufgrund der aktuellen
Entwicklungen überprüft und ggf. weiterentwickelt werden und
11. dem Landtag fortlaufend in regelmäßigen Abständen zur Umsetzung und
Weiterentwicklung des am 20. August 2015 beschlossenen Maßnahmenpakets Asyl zu
berichten.
Begründung:
Die Themen Asyl und Integration werden uns noch lange beschäftigen. Die Situation in den
Kriegs- und Krisenregionen wird sich auf absehbare Zeit nicht entspannen. Auch weiterhin
werden viele Menschen flüchten und versuchen, sich und ihre Familien in Sicherheit zu
bringen. Dabei werden auch Deutschland und Sachsen vor der humanitären
Herausforderung stehen, den Geflüchteten eine menschenwürdige Unterbringung, Sicherheit
und schnelle Gewissheit über ihren weiteren Weg zu bieten. Regierung und Parlament sind
hier in besonderer Verantwortung.
Mit dem Maßnahmenkatalog hat die sächsische Staatsregierung auf die neuen Bedingungen
nach den korrigierten Zahlen der Bundesregierung reagiert und erste Handlungsansätze
vorgelegt. Die Koalitionsfraktionen wollen mit diesem Antrag umfassende Informationen zur
aktualisierten Lage einholen, um den nun anstehenden Umsetzungs- und
Weiterentwicklungsprozess intensiv parlamentarisch begleiten und unterstützen zu können.
Gemeinsames Ziel muss es sein, für alle Asylsuchenden eine menschenwürdige
Unterbringung zu gewährleisten, die Verfahrensdauern zu verkürzen und die Integration auf
allen Ebenen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu verbessern.
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