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Materialien zu
Tag Hicks oder
fliegen für vier
Ein Theaterstück von Kirsten Fuchs
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Liebe Leserin, lieber Leser,
Unsere Gesellschaft ist durch ein Nebeneinander vieler möglicher Lebensmodelle gekennzeichnet. Bis auf den Satz „Familie ist da, wo ein Kind mit einem oder mehreren Eltern
zusammenlebt“ ist eigentlich alles offen. Die heterosexuelle Zwei-Eltern-Kind(er)-Familie
ist nur eine von vielen Lebensentwürfen, für die sich Mütter / Väter heute entscheiden.
Und dann sind diese Familienzusammenhänge immer öfter veränderlich. Durch Wechselfälle im Lieben und Leben, durch Umzug, Arbeitswechsel, Scheidung, neue Partnerschaften, Entscheidung, Tod oder was auch immer. Ein „normal“ gibt es nicht, oder vielmehr ist
normal das, was im eigenen Soziotop eben als solches verbreitet oder bestimmt ist.
Gerade am Übergang zwischen Kindsein und Jugend, dem Beginn der Pubertät, beschäftigt Kinder die Frage: Was ist normal? Was nicht? Auch damit tarieren sie die Verhältnisse
zu den anderen Menschen, besonders Gleichaltrigen, aus.
Wenn sich das Leben ändert, das Gewohnte entschwindet: was bedeutet das für Kinder?
Wie verlaufen diese Veränderungsprozesse und wie gehen sie damit um? Was gibt ihnen
Halt und Kraft? Und welche Rolle spielen dabei Gleichaltrige, Freundschaften und Beziehungen?
„Tag Hicks oder fliegen für vier“ ist das Siegerstück des »berliner kindertheaterpreises
2015«, den das GRIPS Theater gemeinsam mit der GASAG durchführt. Es ist das erste
Theaterstück der Autorin Kirsten Fuchs. Es beschreibt einen Tag im Leben von Lewin, genannt Hicks. Eine Reihe von Umständen führen ihn und drei seiner Mitschüler*innen auf
dem Dachboden von Hicks‘ Haus zusammen. Die vier Kinder haben große Fragen ans Leben und zugleich hier und jetzt sehr konkrete Probleme aus ihrem unmittelbaren Umfeld
zu bewältigen. Gefragt sind nun ihre sozialen Kompetenzen und ihre jeweils individuelle
Art, mit Bindung umzugehen.
Dieses Stück ist weder ein Themen-, noch ein Problem- noch ein Scheidungsstück. Es
schildert vielmehr aus der Sicht von 12Jährigen mögliche, sehr individuelle Lösungsstrategien auf große, reale Lebensveränderungen. Was von Erwachsenen zu wünschen wäre
und was mögliche „Forderungen“ von Kindern an sie sein könnten, das formuliert es beinahe nebenher.
Einer der Schlüsselbegriffe unserer Beschäftigung mit dem Stück ist der des „Übergangs“.
Entsprechend haben wir die Kapitel unseres Materialheftes genannt. Schwerpunkt war
für uns jedoch neben soziologischen und theoretischen Grundlagen die Frage danach, wie
Kinder ihre eigenen sozialen Beziehungen organisieren und auf welche Kräfte sie dabei
zurückgreifen. Mit einigen praktischen Anregungen möchten wir Sie für die Vor- und
Nachbereitungen zum Stück inspirieren.
Viel Spaß beim Lesen und Ausprobieren der spielerischen Übungen!
Ihre
Susanne Rieber (Theaterpädagogin)
Henrik Adler
(Dramaturg)
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Jens Mondalski, Christian Giese, Esther Agricola, Regine Seidler
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Besetzung und die Autorin Kirsten Fuchs
Inhalt des Stückes
Kapitel 1: ZWISCHEN FAMILIE UND SCHEIDUNG Aus Szene 1 & Aus Szene 7
Berliner Familien 2015
„Patchwork und andere Familienangelegenheiten“
Abenteuer Familie
Scheidung der Eltern
Aus Szene 10
Zusammenwirken im Familienkonflikt e.V.
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Kapitel 2: ZWISCHEN KINDHEIT UND PUBERTÄT17
Aus Szene 17 und 18
Die großen Chancen der Latenz
Der Körperkult: Grenzgänge
Warum gibt es die Pubertät
Was denken die sich nur? „Typisch Eltern...“
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Kapitel 3: ZWISCHEN FREUNDSCHAFT UND LIEBE
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Kapitel 4: ANREGUNGEN FÜR DEN UNTERRICHT
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Weiterführende Literatur
Dank & Impressum
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Aus Szene 12 & Aus Szene 13
Kinder brauchen Freunde
Gedichte zu „Du und ich“
„Freundschaft ist wie...“
Aus Szene 8
Aus Szene 14/2
Fragen zur Nachbereitung des Theaterbesuches
Allgemeine Spielanregungen zur Nachbereitung
Spielanregung zum Thema Freundschaft
Spielanregung zum Thema Liebe
Spielanregung zum Thema Familie
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Besetzung
Tag Hicks oder fliegen für vier
Ein Theaterstück von Kirsten Fuchs
Für Menschen ab 10
Uraufführung: 29. 01. 2016
Christian Giese
Lewin Hickelmann, genannt Hicks
Regine Seidler
Valerie
Jens Mondalski
Esther Agricola
Bärbel Schwarz
Alle
Gastauftritt als Hicks‘ Vater
Regie
Janis Racke
Friederike, genannt Flieger-Rike
Hicks´ Mutter
Herr Wolf, Lehrer
Máni Thomasson
Grete Pagan
Musik (Komposition und Einstudierung) David Pagan
Bühne und Kostüme
Dramaturgie
Theaterpädagogik
Regieassistenz
Hospitanz Regie
Hospitanz Theaterpädagogik
Lena Hinz
Henrik Adler
Susanne Rieber
Gabriel Frericks
Antonia Kritzer
Anne-Katrin Strick
Licht: Harald Breustedt, Martin Gerth | Ton: Vincent Peter | Technik: Herbert Sowinski | Bühnenbau: Mark
Eichelbaum | Requisite: Máni Thomasson | Schneiderei: Anne Rennekamp, Sabine Winge | Maske: Sedija
Husak, Sarah-Jane Ruhnow
Die Autorin Kirsten Fuchs
Kirsten Fuchs, 1977 in Karl-Marx-Stadt geboren, ist vermutlich die bekannteste und beliebteste Autorin der
Berliner Lesebühnenszene. 2003 gewann sie den renommierten Literaturwettbewerb Open Mike. Seither
hat sie einen festen Platz in der jüngeren deutschen Literatur. 2005 erschien ihr vielgelobter Debütroman
Die Titanic und Herr Berg, 2008 der Roman Heile, heile und 2015 Mädchenmeute. In diesem Roman beschreibt sie das sommerliche Waldabenteuer einer Gruppe von 15jährigen Mädchen, die aus einem Feriencamp ausreißen und mit einem geklauten Kleintransporter samt Hunden ins Erzgebirge verschwinden, um
dort, auf sich gestellt und frei, sich durch die Tage zu schlagen.
In Moabit betreibt sie seit 2014 die Lesebühne «Fuchs und Söhne». Tag Hicks oder fliegen für vier ist ihr erstes Theaterstück. Es ging als Siegerstück aus dem Wettbewerb „berliner kindertheaterpreis 2015“ hervor.
Aktuell unternimmt sie mit ihrer 5jährigen Tochter eine Reihe von Fernreisen, die sie (nicht nur) in einem
Blog literarisch verarbeitet. http://welt-und-kind.blogspot.de
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Inhalt des Stückes
Szenen 1 bis 5: Auf dem Weg zur Schule
Hicks und Janis, 12 Jahre alt, leben in einer Kleinstadt mit zwei Bergen. Heute Morgen sind sie mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Schule. Da Janis immer, und so auch heute, bergauf fahren will, hat Hicks echte Mühe,
ihm zu folgen. Dabei möchte er Janis erzählen, was ihm heute früh beim Aufstehen widerfahren ist:
Er hat nämlich seinen Vater dabei ertappt, wie er aus dem Schlafzimmer seiner Mutter herauskam. In Unterhosen. Da die Eltern schon seit 8 Jahren geschieden sind und Hicks es sich mit seiner Mama ganz gut
eingerichtet hat, findet Hicks das sehr seltsam. Umso mehr, als sein Vater sich einfach so aus der Wohnung
geschlichen und seine Mutter ihm keinerlei Erklärung gegeben hat.
Als die beiden Freunde endlich in der Schule angekommen sind und ihre Räder abgeschlossen haben, erhält
Hicks eine SMS von seiner Mutter mit der Nachricht, dass für 18 Uhr ein Gespräch zwischen Mutter, Vater und
ihm stattfinden soll. Sie erinnert ihn außerdem daran, dass er am Nachmittag mit Valerie verabredet ist, die
ihm Nachhilfe in Englisch erteilt. Da der Lehrer Herr Wolf die Kinder energisch darauf hinweist, dass Handys
in der Schule ausgeschaltet sein müssen, hat Hicks keine Chance mehr, seiner Mutter zu antworten.
In diesem Moment werden wir auch mit den beiden Mitschülerinnen Friederike, genannt Flieger-Rike, und mit
Valerie bekannt. Valerie ist dicklich, trägt immer denselben Pullover und riecht, so Janis, sehr deutlich nach
Ziegenstall.
Szenen 6 bis 14: In der Schule
Hicks versucht, mit den Erlebnissen des Morgens klarzukommen. Während der Unterrichtsstunden unterhalten sich die beiden Freunde über ihre Eltern, immer wieder unterbrochen von den Ermahnungen des
Lehrers. Während Hicks sich an der Zeit vor der Scheidung seiner Eltern nur an ihre vielen Streite erinnert,
berichtet Janis, dessen Eltern zusammen sind, von seinen (widersprüchlichen) Erfahrungen.
In der Pause unternimmt Flieger-Rike seltsame Annäherungsversuche an Hicks. Janis, fasziniert bis verliebt
in das Mädchen, beobachtet das aufmerksam. Rike lässt Hicks unauffällig einen Zettel zukommen, in dem sie
ihn in der Pause zum geheimen Ort „Haue oder Knutsche“ zum Gespräch bittet.
Da Hicks‘ Mutter keine Rückmeldung von ihm bekommen hat, sucht sie ihn in der Schule auf, um ihn auf
das Treffen mit dem Vater zu verpflichten. Hicks ist das unangenehm und peinlich. Offenbar hat sie die Hoffnung, dass sie wieder mit Hicks‘ Vater zusammenkommen kann, eine Vision, die Hicks umso mehr Angst
macht, je konkreter er sie sich vorstellt.
Beim geheimen Treffen eröffnet Flieger-Rike Hicks, dass sie auf den Dachboden von Hicks‘ Haus will. Es
steht am Hang und ist das einzige Haus mit einer hohen Aussicht. Überdies muss es heute sein, denn kurz
vor Ferienbeginn ist jeder andere Tag der Woche bereits belegt. Was sie da oben vorhat, verrät sie nicht,
bestreitet aber energisch Hicks‘ Vermutung, sich umbringen zu wollen. Hicks willigt schließlich ein – unter
der Bedingung, dass er sie mit nach oben begleitet.
Zu spät fallen ihm das Treffen mit dem Vater und die Nachhilfestunde ein. Beim Versuch, Rike wieder einzuholen, entdeckt Janis Hicks‘ geheimen Machenschaften hinter seinem Rücken und wird eifersüchtig. In
der Turnstunde geraten beide in Streit. Der Lehrer versucht einzuschreiten. In einer wilden, lauten RaufeSession verfliegt der Ärger, doch Janis lässt sich nicht abschütteln. Misstrauisch kündigt er ihm an, ihn nicht
aus den Augen zu lassen.
In einer weiteren Schulstunde gelingt es Hicks, das Treffen mit Flieger-Rike nach vorne zu verlegen, sodass
jetzt alles geklärt scheint: 16 Uhr Treffen mit Flieger-Rike auf dem Dachboden, danach Englisch-Nachhilfe
mit Valerie, um 18 Uhr Gespräch mit seinen Eltern – wobei Janis eben überall dabei ist.
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Szenen 15 bis 21: Auf dem Weg zum Dachboden
Als die Kinder vor dem Schultor endlich wieder ihre Smartphones anschalten dürfen, ist eine neue Nachricht von Mama da: Papa kommt schon um 17 Uhr. Was tun? Hilft nur, die Englisch-Nachhilfe abzusagen.
Valerie verweigert das und verlangt 10 Euro dafür, dass die Nachhilfe-Stunde nicht stattfindet. Ein Geld, das
Hicks nicht hat. Also muss auch sie mit auf den Dachboden.
Diese unbeabsichtigte Ballung der Termine und Menschen ist für Hicks ein echtes Problem, das erst in den
Hintergrund gerät, als er sich mit Janis auf den Weg machen will: irgend jemand hat Hicks‘ und Janis Fahrrad
zusammengeschlossen. Hicks gelingt es, mit einem Schlüssel und ohne, dass Janis es bemerkt, das fremde
Schloss aufzubrechen. Davon beeindruckt, stimmt Janis zu, diesmal den Weg bergab zu nehmen. Und nun
erfährt Hicks auch, warum Janis immer bergauf fahren will.
Sie fahren los. Janis, im Abwärtsfahren ungeübt, stürzt, das Fahrrad ist kaputt. Verspätet erreichen sie humpelnd Hicks‘ Haus. Dort warten schon Valerie und Flieger-Rike. Es ist 16.15 Uhr. Da jedes der vier Kinder
ein Interesse daran hat, dabei zu sein, gehen sie gemeinsam hinauf. Nun aber stellt sich heraus, dass der
Schlüssel zum Dachboden verbogen ist – mit ihm hat Hicks das Schloss aufgehebelt. Valerie verrät, dass sie
das Schloss angebracht hat – in der Hoffnung, mit Janis und Hicks ins Gespräch zu kommen und so Freunde
zu finden. Flieger-Rike ist verzweifelt, dass ihr der Dachboden verschlossen bleibt. Aus ihr bricht es heraus,
was sie auf dem Dachboden will: Durch ein Erlebnis auf dem Berliner Fernsehturm hat sie Grund anzunehmen, dass sie unter Höhenangst leidet. Ihr größter Traum droht zu zerbrechen: Pilotin zu werden. Kurzerhand besorgt Hicks bei seiner Mutter einen neuen Schlüssel.
Szenen 21 bis 29: Auf dem Dachboden und Finale
Endlich oben angelangt, begibt Rike sich ans Fenster. Janis geht zu ihr und hält ihre Hand. Der Schwindel
stellt sich nicht ein, Rike ist geheilt. Übermütig geworden, steigt sie aus dem Fenster und balanciert auf dem
Dach. Die anderen versuchen hektisch, sie wieder hineinzuziehen. Der darauf folgende Moment der Erleichterung löst eine Reihe von Klärungen aus: Rike und Valerie finden heraus, dass der Grund der Übelkeit auf
dem Fernsehturm eine verdorbene Currywurst gewesen sein muss; Valerie lüftet das Geheimnis ihres Gestanks; Hicks versucht, sich im Gespräch mit den anderen in seine Eltern hineinzuversetzen und über seine
eigenen Wünsche klar zu werden. Für einen Moment stellt er sich das Zurückkommen seines Vaters vor. Die
Vier entwickeln eine Strategie, wie Hicks auf die Entscheidung der Eltern Einfluss nehmen kann.
Die Mutter ruft Hicks. Sie ist traurig, wütend und enttäuscht. Der Vater hat, wie so oft, abgesagt, das Treffen
findet nicht statt. Ihr Leben geht zu zweit weiter, wie gewohnt.
Hicks steigt wieder zu den anderen hinauf auf den Dachboden. Das gemeinsame Spiel beginnt, erleichtert
und froh „heben“ die vier Kinder „ab“.
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Kapitel 1
ZWISCHEN FAMILIE
UND SCHEIDUNG
Bärbel Schwarz, Christian Giese
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Aus Szene 1
HICKS: Meine Eltern sind wieder zusammen. Glaube ich.
HICKS: Nicht krass. Eklig.
JANIS: JANIS: HICKS: JANIS: HICKS: JANIS: HICKS: JANIS: HICKS: JANIS:
Is ja krass!
Eklig?
Ja, irgendwie. Is doch eklig, wenn Eltern zusammen sind.
Meine sind auch zusammen.
Is doch eklig.
Normal. Find ich normal. Ist doch normal, dass die zusammen sind.
Findste? Bei uns in der Klasse gibts nicht so viele, wo die Eltern zusammen sind.
Ja, stimmt. Nur meine.
Und die von Flieger-Rike.
Ja, aber die ist auch voll komisch.
Aus Szene 7 Prosaeinschub, freu dich doch
Freust du dich nicht, wenn deine Eltern wieder zusammen sind?
Freust du dich nicht, wenn die Oma kommt? Die Oma mit den vielen Fragen.
Freust du dich nicht, wenn die Schule anfängt? Die Schule mit den vielen Antworten.
Freust du dich nicht, dass du eine neue elektrische Zahnbürste vom Weihnachtsmann bekommen hast?
Eine mit zwei Geschwindigkeitsstufen und einem Piratenbild auf dem Griff?
Freust du dich nicht, dass du jetzt 12 bist? Fast erwachsen. Mensch, Mensch. Bald geht’s los.
Freu dich doch, dass du erst 12 bist. Fast noch ein Kind. Noch so viel Zeit.
Freust du dich nicht, dass deine Eltern sich getrennt haben? Deine Eltern, die sich immer nur gestritten
haben?
Sieh das doch ein. War doch besser so. Soll ich es dir nochmal erklären.
Nicht gepasst. Sich gehasst. Besser so. Arschpopo. Liebe weg. Taubendreck. Ehe vorbei. Heulerei.
Freust du dich nicht, dass deine Eltern wieder zusammen sind?
Freu dich doch mal!
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Berliner Familien 2015
Das Berliner Familienleben ist bunt
In den meisten Familien lebt ein Kind
Der Berliner Beirat für Familienfragen ist nicht
nur aufgefordert, dem Senat in jeder Legislatur
einen Bericht zur Lage von Familien vorzulegen.
Vielmehr begreift er diese Aufgabe als Chance, Familie in ihrer Vielfalt und in ihren unterschiedlichen Lebenslagen zu zeigen. Traditionelle Familienformen haben in Berlin genauso ihren Platz wie
Eineltern-, Patchwork- oder Regenbogenfamilien.
Ob mehrere Generationen zusammenleben, ob
Eltern nach einer Trennung wechselweise ihre
Kinder versorgen, ob Menschen von Angehörigen
gepflegt werden oder ob Ersatzgroßeltern ehrenamtliche Familienarbeit leisten – unter jedem Dach
wird Familienleben anders gelebt. Nicht überall ist
das Zusammenleben einfach. Ungünstige Rahmenbedingungen und schwierige Lebenslagen wirken sich auf Eltern, Kinder, Heranwachsende und
Großeltern aus. Viele Familien müssen Herausforderungen meistern, manche leben in Armut und
einige mit gesundheitlichen Einschränkungen.
In den Statistiken hat sich in den vergangenen
Jahren gezeigt, dass in allen Familienmodellen in
Berlin die Einkindfamilie überwiegt. Im Jahr 2013
hatten 57% der Familien ein Kind, 32% zwei Kinder und 11% drei oder mehr Kinder.
Mit Blick auf die unterschiedlichen Familienmodelle hinsichtlich der Anzahl der Kinder fällt auf,
dass der Anteil der Familien mit zwei oder mehr
Kindern bei verheirateten Eltern steigt. Alleinerziehende und Eltern mit unverheirateten Eltern
haben in fast drei Viertel der Fälle ein Kind. Dagegen lebt in beinahe jeder zweiten Familie mit
verheirateten Eltern mehr als ein Kind.
Aus: Dazugehören, mitgestalten – Familien in der Stadtgesellschaft. Berliner Familienbericht 2015“ Herausgeber:
Berliner Beirat für Familienfragen
Vielfältige Familienmodelle in Berlin
2012 lebten insgesamt 327.400 Familien mit
521.000 Kindern unter 18 Jahren in Berlin. Ein
Jahr später ist die Zahl der Familien den statistischen Angaben zufolge deutlich gestiegen: 2013
wurden 432.400 Familien gezählt, weit über die
Hälfte (250.000 Familien) hat ein Kind, weniger
als die Hälfte davon ist verheiratet (218.000).
Das Zusammenleben zeichnet sich durch vielfältige Familienmodelle aus. 51% der Kinder leben
mit verheirateten Eltern, 17% in nicht ehelichen
Lebensgemeinschaften und 32% in alleinerziehenden Haushalten.
Berlin: Hauptstadt der Alleinerziehenden
In fast jeder dritten Familie wachsen Kinder mit
einem Elternteil auf – die Tendenz ist weiter steigend. Insgesamt leben 150.000 alleinerziehende
Eltern in Berlin. Die meisten von ihnen haben ein
Kind zu versorgen (105.000). Bundesweit verzeichnet Berlin den höchsten Anteil an Einelternfamilien. Die meisten Alleinerziehenden sind Frauen
– in Berlin sind 90,4% aller Alleinerziehenden weiblich.
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»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
„Patchwork und andere Familienangelegenheiten“
Von Klasse 5c der Herman-Nohl-Schule
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„Wenn Eltern für immer zusammenbleiben, ist es ja auch irgendwann langweilig.“
„Wenn Mama und Papa sich immer nur streiten, ist es besser für alle, wenn sie sich trennen.“
„Mein Papa hat mit der neuen Frau zwei Schwestern für mich gemacht, zum Spielen! Das fand ich echt
nett.“
„Ich kenne meinen Vater nicht, das find ich so traurig.“
„Ich habe so viele Geschwister, Halbgeschwister und Stiefgeschwister, da komme ich selber ganz durcheinander.“
„Eltern müssen sich ja nicht quälen, wenn sie sich nicht mehr verstehen.“
Bärbel Schwarz, Christian Giese
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Abenteuer Familie
Von Wladimir Kaminer
Unser großes Kaufhaus wird gegen 15:00 Uhr von
Schulkindern in Geiselhaft genommen. Sie verbarrikadieren mit ihren Ranzen die Gänge, fahren die
Rolltreppe rauf und runter, kleben an den Schaufenstern großer Läden und geben ihr letztes Kleingeld für Bubbel-Tees oder Eis aus. Sie eilen nicht
nach Hause, wo möglicherweise Mama und Papa
auf sie warten, jedenfalls theoretisch. An den Wänden des Kaufhauses hängen seit Wochen Plakate,
die zu einer Ausstellung einladen: „Abenteuer Familie“. Dafür wird mit Fotos von bekannten Schauspielern und Fußballern geworben, von denen
die Welt weiß, dass sie regelmäßig neue Familien
gründen und neue Kinder in die Welt setzen.
An dieser Ausstellung haben die Schulkinder kein
Interesse, sie wissen selbst aus erster Hand, wie
abenteuerlich das Familienleben sein kann. Zum
Beispiel Jenny, die gute Freundin meiner Tochter:
viele Wege stehen Jenny jeden Tag nach der Schule
offen. Während meine Tochter nur die Wahl hat,
mit den anderen Mädels im Kaufhaus abzuhängen
oder nach Hause zu gehen, kann sich ihre Freundin oft nicht entscheiden, wo sie hin soll. Sie könnte zu ihrer Mutter oder zu ihrem Vater gehen, die
beiden haben sich nämlich getrennt und neue Familien gegründet. Sie könnte auch zu ihrem Opa,
der in einem Wohnwagen am Rand der Stadt mit
seiner neuen Freundin lebt, die er über Facebook
kennen gelernt hat. Allerdings kann Jenny diese
Freundin nicht leiden, die viel jünger ist als ihr
Opa und erwachsene Kinder hat, die sie ständig
mit Jenny vergleicht. Und natürlich findet sie die
eigenen immer besser. Jenny könnte auch zu ihrer älteren Schwester gehen, die in einem Atelier
wohnt. Sie versucht sich gerade als selbstständige
Modedesignerin und verbringt Tage und Nächte
bei der Arbeit, nur um nicht nach Hause gehen zu
müssen. Jennys Schwester ist eine Halbschwester,
das Resultat eines zweiwöchigen Amerika Urlaubs,
indem ihre Mutter einen netten Franzosen kennen
gelernt hat. Jennys Schwester hatte sich als Kind
nie besonders für ihren leiblichen Vater interessiert, erst als Erwachsene fragte sie ihre Mutter
aus, recherchierte im Internet und fand den Franzosen. Sie schrieb ihm einen Brief, er antwortete
und schickte ihr Fotos von seiner französischen
Familie. Es stellte sich heraus, dass Jennys Schwester in Frankreich eine ganze Menge Geschwister
hat. Im Sommer will sie nach Frankreich fahren
und ihren Vater kennen lernen. Sie ist wegen dieser Reise total nervös und kaum noch ansprech-
bar, sie macht sich große Sorgen, ob sie dem Vater
gefallen wird. Jenny ist eifersüchtig auf die neue
französische Verwandtschaft ihrer Schwester, deswegen geht sie zur Zeit lieber nicht in deren Atelier. Eigentlich kann sie nirgendwo hin. Ihre Mutter ist zur Zeit allein und hat zu Hause eine noch
nie da gewesenen Erziehungseifer entwickelt. Sie
schaut ständig in den Schrank ihrer Tochter, will
ihre Gedanken kontrollieren und hat sogar in ihrer Abwesenheit die Plakate an der Wand ausgetauscht: Peter Fox und Salvador Dali entfernte sie
und hängte stattdessen eine Reproduktion von Caravaggios „Madonna und Kind“ auf. Der Vater von
Jenny ist dagegen frisch verliebt und deswegen
kaum ansprechbar. Sein neuer Freund, ein Inder,
hatte davor mit seiner Mutter zusammen gelebt.
Jetzt ist er samt Mutter zu dem Vater von Jenny
gezogen. Die neue Schwiegermutter des Vaters gefällt Jenny gut – besser als des Vaters Freund. Sie
trägt einen Sari, lächelt oft, hat einen roten Punkt
auf der Stirn, der Bindi heißt, und sieht sehr schick
aus. Mit ihr könnte Jenny ihre Englischkenntnisse
verbessern. Doch die Schwiegermutter ist die ganze Zeit mit den beiden Männern beschäftigt, die
sie für kleine Kinder hält. Kein Wunder, dass Jenny
sich von allen verlassen fühlt.
Wie war es eigentlich damals bei den ersten Menschen im Paradies? Sie lebten friedlich zu dritt
unter dem Baum der Erkenntnis, Mann, Frau und
Schlange, vereint in jungfräulicher Unwissenheit
darüber, was im Wald ein paar Meter von ihrem
Baum entfernt jede Nacht abging. Sie waren in ihrer kleinen Zelle miteinander glücklich, bis sie die
verbotene Frucht naschten und erkannten, dass
sie eigentlich gar nicht aufeinander angewiesen
waren und jederzeit noch andere Menschen kennen lernen konnten, wenn sie wollten. Sie bildeten
sich ein, dass die spannendsten Abenteuer immer
die waren, die einem noch bevorstanden, und die
interessantesten Menschen solche, die man noch
nicht kennengelernt hat. Viel Zeit ist seitdem vergangen und es hat keinen Sinn mehr, darüber zu
streiten, wer an dieser Erkenntnis Schuld trägt –
der Mann, die Frau, die Schlange, alle zusammen
oder nacheinander. Fakt ist, dass sie einander zu
wenig wurden. Sie zogen los und wurden einsam.
Aus: Kaminer, Wladimir; Coole Eltern leben länger;
München 2014 Wilhelm Goldmann Verlag
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Scheidung der Eltern
Von Martina Zemp und Guy Bodenmann
(...) In den vergangenen Jahren hat sich das Scheidungsrisiko mehr als verdoppelt. (...) Für alle
betroffenen Familienmitglieder bedeutet eine
Scheidung meist den schmerzhaften Zerfall eines
Lebensentwurfs, der als hochgradig destabilisierend und belastend erlebt wird. (...)
Die Auswirkungen der elterlichen
Scheidung auf das Kind
Aus Meta-Analysen lässt sich schlussfolgern, dass
Kinder aus Scheidungsfamilien, verglichen mit
Kindern aus intakten (nicht geschiedenen) Familien, signifikante Beeinträchtigungen in vielen
Entwicklungsbereichen aufweisen: Schulschwierigkeiten, emotionale Probleme (internalisierende
Symptome wie Ärger oder depressive Störungen),
auffälliges Sozialverhalten, niedrige soziale Integration (z. B. wenig Freunde) oder negatives Selbstbild (Amato und Keith 1991b). (...) Allerdings gilt
es auch darauf hinzuweisen, das die Studien häufig
lediglich zwischen Kindern aus Scheidungsfamilien und Kindern aus intakten Familien (d. h. NichtScheidungsfamilien) unterschieden und dabei die
Kinder aus intakten Familien mit hohem Konfliktniveau nicht gesondert analysiert werden, was für
die relativ geringe Effektstärke ausschlaggebend
sein könnte.
(...) Scheidungskinder von Eltern mit einem relativ
geringen Konfliktniveau leiden stärker unter der
Trennung als Scheidungskinder aus einem konfliktreichen Familienkontext (z. B. Hanson 1999).
(...) wenn Kinder keine Spannungen zwischen ihren Eltern spüren, können sie die Trennung nicht
antizipieren und der unerwartete Bruch der Eltern ist besonders jäh und fatal. (...)
Scheidung: Kurzfristige Krise oder
chronisches Leiden?
Empirisch solide ist der Befund, dass unmittelbar
nach der Scheidung (d. h. innerhalb der ersten Monate bis 2 Jahre nach der Scheidung) die negativen
Auswirkungen am deutlichsten ausgeprägt sind.
In dieser „Krisenzeit“ sind Kinder in etwa 2/3 der
Fälle einem hohen Konfliktniveau zwischen den
Eltern ausgesetzt, wobei es sich mehrheitlich um
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besonders gravierende Konflikte mit hoher persönlicher Betroffenheit handelt, weil sie potenziell
eskalativ verlaufen und inhaltlich häufig Sorgerechtsregelung, Erziehungsfragen, Kontaktvereinbahrungen etc. betreffen. (...) Eine Scheidung ist
ein einschneidendes und schmerzvolles Ereignis
mit potentiell lebenslanger Auswirkung auf die
Kinder. Andererseits ist beachtenswert, dass eine
Mehrheit der Kinder widerstandsfähig genug sind,
sich innerhalb relativ kurzer Zeit an die neue familiäre Situation anzupassen. (...)
Reagieren Jungen und Mädchen
unterschiedlich?
In mehreren Studien wurde festgestellt, dass Jungen stärker von einer Scheidung betroffen werden als Mädchen. Dieser Umstand wird mit der
Tatsache in Verbindung gebracht, dass Jungen vor
der Pubertät durchschnittlich emotional labiler
sind als Mädchen und dass durch eine Scheidung
in den meisten Fällen der Kontakt zum Vater eingeschränkt wird oder ganz verloren geht. (...) Andere Autoren vermuten, dass sich die elterliche
Trennung auch über eine besonders belastende
Mutter-Sohn-Beziehung negativ auf das Selbstkonzept von Jungen auswirken könnte, weil Mütter ihre Söhne bewusst oder unbewusst mit ihren ehemaligen Partnern in Verbindung bringen
(Dreman 2000). Es ist zu beachten, dass Jungen
überproportionale Symptome externalisierender
Natur (z.B. Hyperaktivität, aggressive Störungen,
delinquentes Verhalten) aufweisen, die per se
leichter durch das Umfeld erkennbar sind und es
daher sein kann, dass man Anpassungsstörungen
von Jungen leichter überschätzt. Demgegenüber
wird die Prävalenz von Störungen bei Mädchen
möglicherweise unterschätzt, weil sie eher mit
Ängsten und Depressionen (internalisierenden
Symptomen) reagieren, die weniger behandelt
werden. Ferner wurde dargelegt, dass die geschlechtsspezifischen Vulnerabilitätsunterschiede
zugunsten der Jungen besonders in der unmittelbaren Nachscheidungsphase hervortreten und in
der Adoleszenz zu verschwinden tendieren. (...)
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Mögliche Erklärungsmechanismen
für die negativen Folgen
(...) Über welche Mechanismen sich Scheidungen
ungünstig auf die Kinder auswirken, ist Gegenstand der aktuellen Forschung. Vornehmlich werden in der einschlägigen Literatur 3 Faktoren diskutiert:
1. Verlust eines Elternteils: (...) Studien zufolge
können Scheidungen für Kinder gravieren-der
sein als der Verlust eines Elternteils durch Tod.
2. Finanzielle Nachteile: (...) Finanzielle Einbußen aufgrund einer Scheidung sind in vielen
Fällen verantwortlich für einen bedeutsamen
Rückgang der Lebensqualität von Kindern.
3. Konflikthypothese: (...) Kinder aus intakten
(nicht geschieden), aber hoch konfliktreichen
Familien weisen durchschnittlich stärkere Probleme auf im Vergleich mit Scheidungskindern.
Gibt es „positive“ Scheidungen?
(...) Den Kindern zuliebe zusammenbleiben, wenn
die Eltern in der Partnerschaft unglücklich sind
oder gar verstritten sind und auch professionelle Bemühungen (zum Beispiel im Rahmen einer
Paartherapie) als aussichtslos gelten, ist nicht zum
Vorteil der Kinder. In einschlägiger Literatur wird
eine Scheidung als günstig (im relativen Sinne) betrachtet, wenn sie erstens ein anhaltend negatives
Familienklima beendet (bspw. Beständige Negativität, chronische destruktive Paarkonflikte oder
im schlimmsten Fall körperliche Gewalt zwischen
den Eltern) und zweitens die Eltern nach der
Scheidung einen konstruktiven und kooperativen
Umgang miteinander pflegen (d.h. beispielsweise
die Kindererziehung nach wie vor als gemeinsame
Aufgabe betrachten). Unter diesen Bedingungen
kann davon Ausgegangen werden, dass durch die
Trennung der Eltern ein ungünstiger Familienkontext einem entlastenden Klima weicht. (...)
herzige und tragfähige Beziehung zu den Schutzfaktoren für Kinder (Sigal at al2011). Dabei hat
sich gezeigt, dass das gemeinsame Sorgerecht die
Qualität der Eltern-Kindbeziehung und die familiäre Zufriedenheit erhöht und mit einer konfliktfreieren nachehelichen Beziehung zwischen den
Elternteilen einhergeht (Bauserman 2012) (...)
Insbesondere helfen Kindern angesichts der Reorganisation im Zuge einer Scheidung haltgebende
und beständige Strukturen, wie Familienrituale, eine konsistente und konsequente Erziehung,
vorhersehbare Abläufe, zuverlässige Regelungen
und verbindliche Absprachen sowie konstante Bezugspersonen neben den Eltern (Verwandte, Geschwister, Lehrpersonen, Peers etc.)
(...) Kinder möchten beide Eltern in ihrer Nähe haben. Dies ist aber nur dann zum Wohle des Kindes,
wenn die Eltern konfliktfrei miteinander umgehen.
Aus: Bodenmann, Guy; Zemp, Martina;
Partnerschaftsqualität und kindliche Entwicklung –
Ein Überblick für Therapeuten, Pädagogen und Pädiater;
Berlin Heidelberg 2015, Springer Verlag
Schutzfaktoren bei einer Scheidung:
Was Kindern hilft
Eine andere Untersuchung bei Kindern im Alter
von 11 bis 14 Jahren verdeutlicht, das Kinder sich
wünschen, stärker in die Entscheidungsprozesse
rund um die Scheidung einbezogen zu werden,
damit sie den Sinn besser verstehen (Maes et
al.2012). Aus diesem Befund lassen sich folgende Faustregeln ableiten; mit Kindern sollte früh
genug über die anstehende Umgestaltung gesprochen werden. (...) Weiterhin gehört eine warm-
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Aus Szene 10
VALERIE: Wieso willst du denn nicht, dass deine Eltern wieder zusammen sind?
VALERIE: Deine Eltern können sich doch auch verändert haben, oder?
HICKS: HICKS:
VALERIE: HICKS: VALERIE: HICKS: VALERIE: HICKS: Na, dann streiten die wieder.
Ich glaube, die sind wie der Schlüssel zum Dachboden und wie das Schloss an der
Tür zum Dachboden. Vielleicht passt der Schlüssel in das Schloss, aber er ist total
verbogen. Verstehst du?
Aber sie sind doch reifer geworden.
Nee, die sind alt geworden. Meine Mutter benutzt Creme für ihre Füße, wo Hornhaut-Zauber draufsteht. Und mein Vater hat sich beim Schwimmen einen Nerv
geklemmt. Seitdem lehnt er sich immer irgendwo an, wenn er mal stehen muss.
Vielleicht haben die dazu gelernt. Wart doch mal ab!
Aber nicht in meiner Wohnung. Also, in unserer Wohnung. Wir haben ein Sofa, wo
zwei drauf passen. Also, meine Mutter und ich, und in der Mitte sind unsere Füße.
Wenn mein Vater da auch sitzen würde, in der Mitte wahrscheinlich, da müssten
wir die Füße runter machen. Wir haben doch gar kein Zimmer für meinen Vater.
Der ist voll groß. Wo soll der denn hin?
Na, ins Schlafzimmer.
Hör auf, ey!
Christian Giese, Jens Mondalski, Esther Agricola, Regine Seidler
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»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Zusammenwirken im Familienkonflikt e.V.
Im Berliner Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg, Mehringdamm 50, hat der Verein „Zusammenwirken im Familienkonflikt“ seinen Sitz. Hier,
in großen, hellen Räumen treffen sich die Vereinsmitglieder und hier befinden sich die zwei Einrichtungen des Vereins: die Elternberatungsstelle und
das Weiterbildungsinstitut. Die Beratungsstelle
bietet professionelle und interdisziplinäre Beratung und Hilfe für Menschen in Familienkonflikten, bei Trennung und Scheidung an. Ein Team von
BeraterInnen steht Betroffenen bei der Klärung
dieser schwierigen Lebenssituationen zur Seite.
Ein breitgefächertes Beratungsangebot steht für
betroffene Einzelpersonen und Paare bereit. Der
Verein „Zusammenwirken im Familienkonflikt“
wird von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft und der Berliner Sparkasse gefördert.
Das Berliner Institut für Mediation – Ausbildungsinstitut des Vereins – besteht daneben seit über
zehn Jahren. Es war das erste Institut in Berlin,
das Familienmediation als Ausbildungsgang ange-
boten hat. Etwa 400 MediatorInnen haben bislang
ihre Ausbildung abgeschlossen. Diese Weiterbildung ist durch die Bundesarbeitsgemeinschaft für
Familienmediation (BAFM) anerkannt. Sie vermittelt neben fundierten theoretischen Kenntnissen
zur Konfliktregulierung vor allem praktisches
Know-how und Techniken der Konfliktbearbeitung und Verhandlungsführung. Bestandteile der
Weiterbildung sind Supervision, Literaturgruppenarbeit und ein Praxisprojekt. Darüber hinaus
informieren und diskutieren Verein und Institut
in ihren unterschiedlichen Veranstaltungen und
Seminaren über neueste Entwicklungen in Familienrecht, Pädagogik und Psychologie.
Zusammenwirken im Familienkonflikt Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft e. V.
Mehringdamm 50; 10961 Berlin
Telefon: +49 (0)30 861 01 95;
Telefax: +49 (0)30 873 48 30
E-Mail: [email protected];
Internet: www.zif-online.de
Angebot für Kinder & Jugendliche
Warum eine Gruppe für Kinder und Jugendliche?
Wenn Eltern sich trennen wollen oder sich getrennt haben, erleben die Kinder starke Veränderungen. Manchmal verändert sich das ganze Lebensumfeld, sie ziehen in eine andere Wohnung,
gehen in eine neue Schule und müssen sich neue
Freunde suchen.
Kinder könnten befürchten, Vater und / oder Mutter zu verlieren, wenn ein Elternteil nicht mehr so
oft zur Verfügung steht. Bei Auseinandersetzungen zwischen den Eltern fühlen sie sich unter Umständen hin und her gerissen.
Was kann eine Gruppe bewirken?
Scheidungskinder brauchen eine soziale Umgebung, die ihnen Sicherheit vermittelt, in der sie
dem Loyalitätskonflikt gegenüber den Eltern enthoben sind, in der sie ihre Ängste und Hoffnungen
ausdrücken und ausleben können und in der sie
eine Stärkung des Selbst erfahren, die ihnen bei
der Überwindung der Trennungserfahrung hilft.
In der Gruppe erfahren die Kinder und Jugendlichen, dass sie nicht alleine dastehen, denn ande-
ren Kindern geht es ähnlich wie ihnen. Sie werden
dabei unterstützt, ihre Gefühle in Bezug auf die
Trennung auszudrücken, sich Freiräume zu schaffen und zu beginnen eine eigene Perspektive zum
Trennungsgeschehen und der neuen Lebenssituation zu entwickeln.
Wie arbeitet die Gruppe?
Die Gruppe besteht aus 8 Kindern, die sich einmal
wöchentlich drei Stunden trifft. Sie wird von zwei
psychosozialen Fachkräften geleitet. In erlebnisorientierter, spielerischer Weise können sich die
Kinder mit Hilfe kreativer Medien, Rollen- und
Interaktionsspielen erfahren und ihre Kräfte und
Fähigkeiten einbringen. Die Eltern werden neben
einem Vor- und einem Auswertungsgespräch zu
drei Elternabenden eingeladen. Begleitende Elterngespräche und Familiengespräche ergänzen
die Gruppenarbeit. Wenn die Eltern es wünschen,
können sie auch weitergehende Beratung in Anspruch nehmen.
Kontakt: E-Mail: [email protected]
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»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Weitere Angebote für Familien mit Konflikten
Erziehungs- & Familienberatung
Friedrichshain
Frankfurter Allee 35-37
10247 Berlin
Anmeldung:
Tel. 030 / 90298 1600
Erziehungs- & Familienberatung Lichtenberg
Erieseestr. 4
10319 Berlin
Tel. 030 / 55 89 264
Stützrad e.V.
Lieselotte-Hermann-Straße 33
10407 Berlin
Tel. 030 / 29 49 35 82
Erziehungs- & Familienberatung
Charlottenburg-Wimersdorf
Haubachstr. 45
10585 Berlin
Tel. 030 / 902918500
Erziehungs- & Familienberatung der Caritas
Pfalzburger Str. 18
10719 Berlin
Tel. 030 / 86 00 92 33
Erziehungs- & Familienberatung in
Kooperation mit Familienzentrum
Mehringdamm
Mehringdamm 114
10965 Berlin
Tel. 030 / 902 98 30 40
Erziehungs- & Familienberatung Kreuzberg
Adalbertstr. 23 b
10997 Berlin
Tel. 030 90298 1600
Erziehungs- & Familienberatung der Diakonie
Götzstr. 24 e
12099 Berlin
Tel. 030 / 75 75 02 70
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Erziehungs- & Familienberatung der Diakonie
Domagkstr. 5
12277 Berlin
Tel. 030 / 71 30 16 45
Erziehungs- & Familienberatung
Beethovenstr. 34
12247 Berlin
Tel. 030 / 902 99 - 84 09 oder 25 27
AWO Südost Jugend- & Familienberatung
Werbellinstr. 69
12253 Berlin
Tel. 030 / 821 99 45
FRÖBEL-Familienberatung CON-RAT
Hans-Schmidt-Str. 14
12489 Berlin
Tel. 030 / 44 44 808
SOS-Familienzentrum Berlin
Alte Hellersdorfer Str. 77
12629 Berlin
Tel. 030 / 5689 10-0
Erziehungs- & Familienberatung Mitte
Grüntaler Str. 21
13357 Berlin
Tel. 030 / 9018 45 350
Erziehungs- & Familienberatung Mitte
Schulstr. 101
13347 Berlin
Tel. 030 / 9018 45 400
Philantow-Familienzentrum Teltow
Mahlower Str. 139
14513 Teltow
Tel. 03328 / 47 01 40
Familienberatung der Diakonie
Erich-Kästner-Str. 1
15711 Königs Wusterhausen
Tel. 03375 / 21 15-0
Esther Agricola, Regine Seidler, Jens Mondalski
Kapitel 2
ZWISCHEN KINDHEIT
UND PUBERTÄT
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Aus Szene 17 und 18
JANIS: Aber ich muss trainieren. Strampeln, strampeln, Wadenmuskeln.
JANIS (druckst): Ich fahre am Wochenende manchmal mit meinem Vater… Der fährt dann immer vor
mir. Weit vor mir. Ich will einfach einmal neben dem fahren.
HICKS: HICKS: (...)
Was willst du denn mit deinen Wadenmuskeln?
Alter! Ich kenn das Fahrrad von deinem Vater. Das ist ein 28er Rennrad. Du hast gar
keine Chance mit deinem Rad.
HICKS: Weißt du, was ich wette… Der Tag, an dem du deinen Vater einholst, ist der letzte
Tag, an dem er mit dir Fahrrad fährt.
HICKS: Meinst du, der lässt sich gern abhängen?
JANIS: JANIS: HICKS: Meinst du?
Vielleicht ist er dann stolz.
Ist der Löwe stolz, wenn der Nachwuchs ihn besiegt?
JANIS (zuckt die Schultern, dann rollt er mit dem Fahrrad zum Abhang und rast runter, brüllt): Whuhu!
HICKS (hinterher): Whaaaaaaaa!
Der Löwe ist ein wildes Tier, er kommt auch nicht von hier. Wie wir.
Väter und Söhne haben eine Möhne.
Der Löwe, der ist stark und schnell, im Kopf doch eher nicht so hell.
Der Mensch, der ist wohl heller und mit dem Fahrrad schneller.
Es gibt bei ihm nur einen Mann,
Der faul im Schatten liegen kann.
Väter und Söhne haben eine Möhne.
Siegt der Sohn beim Tatzendrücken, kann er einen Rang aufrücken.
Doch jagen tut die Frau – genau!
18
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Die großen Chancen der Latenz
Von Barbara Sichtermann
Die Kindheit, das sind die ersten zehn oder zwölf
Jahre des menschlichen Lebens, und sie sind dadurch gekennzeichnet, dass die Sexualität keine
entscheidende Rolle im körperlichen, seelischen
und praktischen Leben spielt. Man könnte den
Akzent auch anders setzen und die Abhängigkeit
des Kindes von seinen Eltern oder sonstigen Erziehungspersonen in den Mittelpunkt stellen, aber
für unseren Zusammenhang ist das Fehlen der Sexualität wichtiger.
Stimmt es denn, dass Kinder keine sexuellen Strebungen kennen? Seit Freud reden wir von frühkindlicher Sexualität, wir unterscheiden Entwicklungsstufen der Libido, die sich gleich nach der
Geburt etablieren und ablösen, bis schließlich
beim circa fünfjährigen Kind die genitale Stufe erreicht ist, auf der die Geschlechtsorgane entdeckt
und auch ausprobiert werden wollen. (…)
Wichtig für uns ist festzuhalten, dass kindliche
Sexualität existiert und dass sich Vorschulkinder
für den geheimnisvollen, lustträchtigen Unterleib
brennend interessieren. Sie zeigen sich gegenseitig ihre Organe, schauen einander beim Pinkeln
zu und werden von ersten Liebesgefühlen ergriffen. Aber dann setzt irgendwann eine Hemmung
ein. Die Kinder verlieren das Interesse an Po, Penis und Vagina, sie lernen lesen, sie stellen Fragen
nach Sternen und Blumen. Die ehedem so unablässig herausfordernden Lustzonen in der Körpermitte werden (mehr oder weniger) gleichgültig
und undeutlich.
Es ist fast so, als hätten die Kinder enttäuscht und
sogar ein wenig beschämt erkannt, dass sie hier
nicht weiterkommen und sich deshalb, ganz nach
Art eines abgewiesenen Bewerbers vom Hauseingang der Angebeteten, traurig und möglichst unauffällig verkrümeln. Wie um sich von dem Fehlschlag abzulenken, fahren sie darauf hin erst mal
– geistig, virtuell, in der Phantasie und fragend, lesend, lernend – neugierig um die Welt, bevor sie es
dann, sieben Jahre später, noch einmal versuchen.
Und diesmal klappt es. (...)
Freud nannte diese Phase zwischen fünf und zwölf
Jahren die Latenzzeit. Sexualität wird unsichtbar,
sie geht auf Tauchstation. Das bedeutet nicht, dass
ein Kind von zum Beispiel acht Jahren sexuellen
Fragen und Reizen keine Aufmerksamkeit mehr
schenkt, dass es überhaupt nicht mehr weiß, was
Sex ist, und quasi geschlechtslos durchs Leben
läuft. Es gibt Kinder, bei denen die „Latenz“ sehr
schwach ausfällt und die Lockungen, Drohungen
und Verführung durch sexuelle Assoziationen
stets akut bleiben. Die meisten aber sind durch die
Welt der Erotik in jenen Jahren wohl nicht langfristig irritierbar. (...)
Dass Kinder in der Zeit nach den frühkindlichen
sexuellen Stürmen in die Schule kommen, ist kein
Zufall. Die Gehirnentwicklung, die kraftvoll und
stetig verläuft, gestattet ihnen ein neues Entzücken am Leben des Geistes. (...)
Die geistigen Abenteuer der Latenzzeiten sind weniger bizarr. Sie finden meist in einer Atmosphäre
heiterer Gelassenheit statt. Selbst außergewöhnlich eigenwillige Kinder öffnen sich in dieser Zeit
den Einflüssen und Angeboten der Großen, sie
entwickeln Geduld, hören gerne zu und tragen eigene Ideen mit Ernst und Feuer vor. Man kann mit
einem neunjährigen Kind über alles reden, seine
Aufnahmebereitschaft ist erstaunlich, sein Lerneifer – ist erst das Interesse geweckt – mit Ausdauer
gepaart und sein Horizont unermesslich. Es ist, als
hätte eine weltweise, uralte, zugleich sanftmütige
und liebevolle Fee die Regie über das Kinderleben
übernommen, entschlossen, dem Kind in diesen
gesegneten Jahren so viel von der Welt des Geistes
und des Wissens zu vermitteln wie irgend möglich.
Als wüsste sie: Jetzt und nur jetzt ist die Zeit dafür
da, dem kleinen Menschen jene Potenzen im Kopf,
Herz und Sinn zu pflanzen, die es später durchs
Leben tragen sollen: Neugier, Kreativität, Selbstvertrauen, Forscherdrang. Und die Fee macht es
richtig, wenn sie ihre knappe Zeit gut nutzt. Denn
nachdem die sieben Jahre, in denen sie herrschen
darf, verstrichen sind, richtet die Pubertät auf den
Feldern, die die Fee einst zärtlich bestellt hatte, ein
Trümmerfeld an. Trotzdem war die Arbeit der Fee
keineswegs umsonst. Denn die Trümmer werden
später neu geordnet und bilden dann das Fundament der erwachsenen Persönlichkeit. (...)
Wenn Erwachsene in späteren Jahren verschämt
gestehen, sie hätten eine glückliche Kindheit gehabt, denken sie an diese Zeit. Die Sinne sind so
frisch. Nie wieder werden Sommertage, Blumendüfte, Herbstwinde, Schneedecken so genussvoll
und so unmittelbar, so wenig überlagert und uminterpretiert von Erinnerungen und vergangenen
Stimmung wahrgenommen wie in dieser Zeit. Das
Herz ist so leicht. Stürme und Ängste hat das Kind
schon kennen gelernt – die Mutter ging fort, die
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»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Puppe ging verloren, der Bauch tat schrecklich
weh – aber jetzt ist es schon stärker. Es weiß, wann
es bangen, wann es aushalten, wann es kämpfen
muss, und traut sich zu, in der Welt zu bestehen.
Der Geist ist mit Wissen voll gesogen und von einer ersten dünnen Kruste beglückender Selbstsicherheit überzogen. Schließlich liefert er täglich
neue Proben seiner Leistungsfähigkeit. Später
wird diese Kruste brechen, aber einstweilen stellt
sie eine vorzügliche Lernmotivation da: ich habe
schon so viel begriffen – was soll mir verborgen
bleiben? Und die Seele ist zufrieden. (...)
So mischen sich Spielen und Erkennen, das DieDinge-auf-den-Kopf-stellen und Sie-Durchschauen, und das Dasein gewinnt mit dem Herstellen
von Zusammenhängen und der Teilnahme an
praktischen Vollzügen eine beglückende Qualität.
Ängste ebben ab und es werden ihrer weniger. Die
anderen Kinder sind nicht mehr nur Rivalen oder
Sklaven, sondern Spiegel, Partner und interessante
Fremdlinge. Die Kinder erkennen sich in anderen
wieder oder lernen, erstaunt und ergriffen, wie
verschieden die Menschen sind. Die Phantasie erwacht und erzeugt eine Gegenwelt. Alles ist möglich, vieles Seltsame wirklich. Es ist die Zeit des
Höhlenbauens, Schatzsuchens, Spiele-Erfindens,
der ersten Gedichte, Kompositionen und genialen
Gemälde. Das ästhetische Vermögen ist außerordentlich. Aber auch das kognitive. Mit Leichtigkeit
lernen Kinder in dieser Zeit Fremdsprachen.
Natürlich gibt es auch Leid. Den gewachsenen sozialen Kompetenzen entspricht vertiefte Trauer,
wenn Freundschaften in die Brüche gehen und erste Erfahrungen mit Verraten- und Verlassenwerden
über das Kind kommen. Aber die Empfänglichkeit
für Trost und Ablenkung ist noch sehr groß. Es ist,
als würde jede Leidenschaft einem dominanten
Programm untergeordnet, das da heißt: Entwicklung des Verstandes, der Gefühle und des schöpferischen Vermögens. Alles andere kann warten. (...)
Diese mit Freiheit von der Sexualität verbundene
Chance zu einer besonderen Art kindlichen Friedens in der Latenz – als Bedingung für ein folgenreiches und fruchtbringendes Lernen – bedeutet im
Umkehrschluss, dass der Beginn der Pubertät auch
als Verlust erfahren wird. Plötzlich ist es vorbei mit
lauter unschuldigen Freudenquellen, vom Murmelspiel bis zum Auf-Bäume-Klettern, vom Schiffchenund Hütefalten bis zur Kindervorstellung im Kino,
vom heimlichen Finger mit Feuerwerk bis zu den
Animationsserien im Fernsehen mit Zwergen und
Tieren. Das Leben wird befremdlich ernst. Deshalb
zögern Kinder immer oder besser: Etwas in ihnen
zögert, wenn sie groß werden sollen. Oft wird dieses Zögern von niemandem bemerkt. Nicht einmal
von den Kindern selbst. Es nützt ihnen ja auch
nichts. Denn sie haben keine Wahl.
Aus: Sichtermann, Barbara; Pubertät. Not und Versprechen;
Weinheim und Basel 2007; Beltz Verlag
Der Körperkult: Grenzgänge
Von Barbara Sichtermann
„Geschlechtslosigkeit“ bei Menschen unter zwölf
heißt nicht, dass Kinder keine Ahnung von der
Existenz des Geschlechtes und seiner Bedeutung
hätten. Es heißt, dass sie, statt die Ausprägung eines der beiden Geschlechter vor zu zeigen und zu
kultivieren, zwischen beiden wechseln oder sich in
dem holden Wahn wiegen, wählen zu können. Dem
wilden Mädchen entspricht der Junge, der zum Faschingsfest als spanische Tänzerin erscheint und
sich hingebungsvoll den Puppen seiner Schwester widmet. Das Nicht-festgelegt-Sein erlaubt ein
Spiel mit beiden Geschlechtern. Und es gehört zu
den Vorzügen der Latenz und zur Grundlage ihres
Freiheitsgefühls, diese Grenzgänge immer wieder
zu vollziehen. Mädchen toben und klettern auf
Bäume, Jungen pflücken Blumen und bestimmen
Schmetterlinge. Alles ist möglich – obzwar es auch
früh, zu früh geschlechtlich festgelegte Kinder
gibt. Für alle aber gilt, dass Ihnen ihr Körper noch
nichts verbietet. Er gehört ihnen und ist oder erscheint unendlich plastisch und folgsam.
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Die Sexualisierung des Körpers, die mit dem Sprießen der Scham- und Achselhaare beginnt, ist zugleich seine Festlegung auf ein Geschlecht. Der Verzicht auf das andere ist für jedes Kind ein Drama. Es
wehrt sich eine Weile, indem es den Wandel seiner
körperlichen Erscheinung kaschiert. (...)
Manche Kinder zeigen gern, dass sie im Begriff sind,
eine Frau oder ein Mann zu werden – aber auch bei
ihnen ist der Stolz mit Scham vermischt.(...)
Weil der Körper der Schauplatz ist, auf dem sich die
Pubertät zuerst abspielt, wird er auch besonders
beachtet, immer wieder überprüft, überwacht und
eventuell durch Eingriffe gebremst oder mutwillig
gepusht. (...) Der „Übergangskörper“ kann in die
eine oder andere Richtung gebogen und geformt
werden, zum Geschlecht hin und wieder zurück,
und eine Weile macht er das gehorsam mit. Aber
irgendwann ist mit der Maskerade Schluss. Wenn
die Pubertät vorbei ist, bekommen die jungen Er-
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Jahre. Und er ist schwer zu bewältigen.
Aus: Sichtermann, Barbara; Pubertät. Not und Versprechen;
Weinheim und Basel 2007; Beltz Verlag
Regine Seidler, Jens Mondalski
wachsenen ihren Körper zurück – als den eines
Mannes oder einer Frau. In aller Regel nehmen
sie diesen Geschlechtskörper erwartungsvoll oder
gar freudig an. Der Übergang aber dauert einige
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»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Warum gibt es die Pubertät
Von Sebastian Witte
(...) Für viele Mütter, Väter und Lehrer ist die Phase, in der Mädchen und Jungen erwachsen werden, etwa zwischen dem zwölften und dem 18.
Lebensjahr eine permanente Herausforderung.
(...) Teenager wollen und müssen sich ihre eigene Welt schaffen. Denn dies ist die Voraussetzung
dafür, dass sie Verantwortung übernehmen können, für sich und letztlich für das Wohlergehen
der gesamten Gesellschaft. Wie zwingend die Pubertät mitsamt ihren Begleitumständen ist, zeigt
sich schon darin, dass jugendlicher Leichtsinn und
halbstarkes Draufgängertum keine rein menschlichen Erscheinungen sind sondern artübergreifende Erfolgsfaktoren – und damit tief verwurzelt in
der Geschichte des Lebens. (…)
Ob Ratte, Löwe oder Pferd – fast alle Wirbeltiere
durchleben nach ihrer Kindheit eine besondere
Phase des Erwachsenwerdens, zumeist geprägt von
Selbstüberschätzung und übergroßer Gefahrenlust.
(…) Dieser Übermut ist völlig natürlich, ja lebensnotwendig. Die Jungtiere lernen auf diese Weise,
ihre Selbstständigkeit zu entwickeln – und zwar vor
allem dadurch, dass sie etwas riskieren. Eine unentbehrliche Fähigkeit, die es zu trainieren gilt, besteht
beispielsweise darin, Fressfeinde zu erkennen. Wie
riecht mein Gegner? Wo versteckt er sich? Wie
greift er an? All dies müssen heranwachsende Tiere
lernen. Und so unvernünftig es auf den ersten Blick
auch erscheinen mag: Der effektivste Weg, seinen
Feind kennenzulernen, ist es, dicht an ihn heran zu
fliegen, zu schwimmen oder zu galoppieren. Verhaltensforscher sprechen von „predator inspection“
(wörtlich: Inaugenscheinnahme des Beutegreifers).
Die Lust an der Gefahr aber befähigt die Jungtiere
schließlich dazu, das elterliche Nest zu verlassen,
hinauszuziehen in die Welt.
(...) Um sich darauf vorzubereiten, schließen sich
Delfine, Löwen, Pferde, Bonobos oder Albatrosse in der Phase zwischen dem Verlassen ihrer
Geburtsgruppe und dem Gründen einer eigenen
Familie zu Junggesellengruppen zusammen – genauso wie menschliche Teenager. Diese (zum Teil
gemischtgeschlechtlichen) Gemeinschaften dienen
den Tieren gewissermaßen als Experimentierfeld, um adäquates Sozialverhalten unter ihresgleichen proben zu können. Sie üben Balzgesänge
ein, versuchen, ihren Status zu ermitteln, tragen
Scheingefechte aus und bereiten sich so auf spätere Rangkämpfe vor. Auf diese Weise erhöhen sie
ihren späteren Erfolg im Leben. (...) Anschluss an
eine Gruppe Gleichaltriger zu finden ist für Jungtiere auch aus einem anderen Grund von Bedeutung:
Die Gemeinschaft bietet Schutz – allerdings nur,
wenn unter den Mitgliedern ein strenger Zwang
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zur Konformität herrscht. Alle müssen sich einfügen, kein Individuum darf herausstechen, denn
jede Abweichung (eine herausstechende Flosse,
ein anderer Laufstil) könnte es für einen Fressfeind leichter erkennbar machen. Evolutionsforscher sehen hierin einen Grund dafür, dass noch
heute Mädchen und Jungen in ihren Cliquen vor
allem eins antreibt: dazuzugehören und zwar um
jeden Preis. Werden sie ausgeschlossen, reagieren
Teenagergehirne ähnlich wie auf eine körperliche
Bedrohung: mit Panik. (...) Viele Eltern erleben es
gar, dass ihre pubertierenden Sprösslinge über
Wochen und Monate den direkten Kontakt meiden,
insbesondere Blicken ausweichen. Biologen haben
auch für dieses Verhalten eine evolutionäre Erklärung. Nach ihrer Interpretation verbirgt sich dahinter eine uralte Schutzfunktion, die sich bei vielen
Arten – von Lemuren bis zum Buntbarsch – herausgebildet hat. Noch im Babyalter mustern Tiere
häufig ihre Umgebung, suchen förmlich den Blick
anderer; spätestens in der Pubertät aber lernen
sie, dass direkter Augenkontakt tödlich sein kann.
Denn in der Wildnis ist es meist ein Fressfeind, der
sein Opfer intensiv fixiert. Wer angeschaut wird,
ist möglicherweise in Gefahr. Sich den Blicken zu
entziehen, ist demnach eine völlig natürliche Reaktion. So gesehen ist vieles im mitunter irrational
erscheinenden Verhalten Pubertierender nachvollziehbar. Verminderte Angst, erhöhte Risikobereitschaft, Cliquenbildung: All dies sind biologische
Phänomene, die für den späteren Erfolg eines
Individuums entscheidend sind, für Tiere ebenso wie für Menschen. (…) Die Lust an der Grenzüberschreitung ist eine Voraussetzung dafür, dass
Kinder ihr sicheres Zuhause verlassen und sich auf
fremden Terrain bewähren. Die Grundlage hierfür
bildet ein Gehirn, das in Jugendjahren besonders
formbar ist und sich derart stark verwandelt wie
wohl in keiner anderen Lebensphase. Diese Fähigkeit zur Veränderung versetzt die Teenager in die
Lage, sich in neuen Umgebungen besonders rasch
behaupten zu können, Ungewohntem vorbehaltlos
zu begegnen. (...) Letztlich können Teenager gar
nicht anders, als ihre Eltern dann und wann in den
Wahnsinn zu treiben. Krisenzeit: ja. Katastrophenzeit: nein. Denn jeder Vater und jede Mutter sollte
froh sein, wenn ein Kind einen eignen Kopf entwickelt, sich abgrenzt, seinen eigenen Weg einschlägt.
Oder wie es die Medizinerin und Evolutionsbiologin Barbara Natterson-Horowitz formuliert: „Es
gibt wahrscheinlich nur eins, dass gefährlicher ist,
als in der Jugend etwas zu riskieren – nämlich nichts
zu riskieren!“
Aus: GEO kompakt – Die Grundlagen des Wissens Nr.45;
Pubertät-Chaos! Krisen! Chancen!
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Was denken die sich nur?
Von Henning Engeln
Neuronaler Umbau- die Entrümpelung des
Denkorgans
Erblickt ein Baby das Licht der Welt, sind die meisten seiner wohl 60 Milliarden Nervenzellen zwar
bereits vorhanden, es fehlen allerdings zum großen Teil die Verbindungen zwischen den Zellen.
Doch kaum geboren, reift das Gehirn heran, suchen die Nervenzellen (oder Neuronen) verstärkt
Kontakt zueinander. Sie lassen feine Auswüchse
sprießen, wie Bäume ihre Äste, die Kontakt zu den
Auswüchsen anderer Neuronen aufnehmen. (...)
Die Zahl der Synapsen steigt innerhalb der ersten
Jahre auf mehrere Billionen an. (...) Die Struktur
des Kinderhirns ist optimiert dafür, täglich neue
Eindrücke und Tatsachen zu verarbeiten. Doch
diese unfassbare Lernfähigkeit – das immer dichter werdende Netz der Neuronen – bringt auch einen Nachteil mit sich: Das Gehirn ertrinkt geradezu in einer Fülle von Details. (...) Mit Einsetzen der
Pubertät, also ab einem Alter von elf, zwölf Jahren,
geht im jugendlichen Gehirn massiv Substanz verloren, gewaltige Mengen jener feinen Auswüchse, die sich zwischen den Nervenzellen gebildet
haben, werden mitsamt den Synapsen abgebaut.
(...) Doch diese radikale Ausdünnung ist kein Verlust – sondern vielmehr ein Mittel zur Steigerung
der Denk-Effizienz. Denn zellbiologische Untersuchungen zeigen: Es schwinden nur jene Synapsen
(und damit die Verbindungen), die das Gehirn
nicht benötigt. (...) So führt gerade der Abbau
von Hirnmaterial dazu, dass die neuronalen Botschaften effektiver übertragen werden können.
(...) Gleichzeitig werden verbliebene Nervenfasern
zunehmend ummantelt, um so eine schnellere Signalübertragung zu ermöglichen. (...)
Kreativität – Die Schöpferische Explosion
Um kreativ zu sein, so haben Forscher herausgefunden, muss das Gehirn eines Menschen auf eine
Weise arbeiten, zu der es ganz besonders in der
Pubertät im Stande ist. (...) Dies ist ein Zustand, in
dem sich das Organ in unserem Kopf einem Problem nicht so sehr analytisch, rational-abwägend
nähert – quasi mit „nüchternem Verstand“ –, sondern assoziativ, freier, emotionaler. Das Gehirn
umgeht gewissermaßen die Zensur des Intellekts,
lässt spielerisch Gedanken und auch Emotionen
zu. Verrückte Ideen, wagemutige Einfälle. Quer-
denkereien. Eben das was Teenager in den Augen
vieler Erwachsener so unberechenbar macht. (…)
Zudem gerät das jugendliche Gehirn offenbar häufig in eine Art „Leerlaufmodus“: Es konzentriert
sich nicht voll auf einen Aufgabe, fokussiert nicht
gänzlich auf ein Problem, sondern gibt sich gewissermaßen dem Nichtstun hin, lässt sich treiben,
versucht nichts zu erzwingen. Auf diese Weise
kann das Denkorgan unbewusst Informationen
und Erinnerungen auf neue Weise verknüpfen,
sortieren. Und besonders leicht auf ungewöhnliche Einfälle kommen. (...)
Jugendliche bergen eben nicht nur das potenzial
für Fehlentscheidungen, sie sind auch zu Glanzleistungen imstande. Sie sind origineller, schöpferischer, idealistischer als viele Erwachsene – und
oftmals eher als Ältere bereit, Herausforderungen
unvoreingenommen zu begegnen. Der US-Neurobiologe Daniel J. Siegel nennt die Pubertät gar „
das goldene Zeitalter für Neuerungen“. Sie ist, wie
Siegel sagt, eine Lebensphase, die nicht nur für
das Individuum selbst, sondern für die gesamte
Gesellschaft enorm wichtig ist. (...)
Steve Jobs und Steve Wozniak gründeten Apple,
Bill Gates und Paul Allen gründeten Microsoft,
Larry Page und Sergey Brin erfanden die GoogleAlgorithmen und Mark Zuckerberg gestaltete Facebook.
Sie alle waren unter 25 Jahre alt, als sie mit genialer Schöpfungskraft auf Produkte und Ideen kamen, die heute die Welt beherrschen.
Aus: GEO kompakt – Die Grundlagen des Wissens Nr.45;
Pubertät-Chaos! Krisen! Chancen!; Hamburg 2015;
Gruner + Jahr GmbH& Co KG
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»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
„Typisch Eltern...“
Von der Klasse 5c der Herman-Nohl-Schule
Typische Sätze der Eltern
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„Du bist doch noch viel zu klein, geh und mach was anderes.“
„Du kannst mir auch mal einen kleinen Gefallen tun, schließlich habe ich dich als Baby auch immer
nachts gefüttert!“
„Ich hab den ganzen Tag gearbeitet und brauch jetzt auch mal meine Ruhe; du warst ja schließlich nur
in der Schule.“
„Genieß die Schulzeit, der Ernst des Lebens beginnt noch früh genug!“
„Du hast wohl immer recht, wa!“
„Beseitige das Chaos in deinem Zimmer!“
„Ihr seid schlimmer als ein Sack Flöhe!“
„Trödel nicht so rum!“
„Geh ins Bett, Kinder brauchen mehr Schlaf!“
Was können bzw. wollen Eltern nicht verstehen?
Eltern...
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geben ungern zu, dass Kinder manchmal auch recht haben.
sagen „Jetzt basta mit dem Thema“, „Jetzt reicht´s“ oder „Schluss jetzt“, wenn sie merken, dass sie falsch
liegen.
glauben es nie, wenn man mal keine Hausaufgaben hat.
bevorteilen immer die kleineren Geschwister.
kapieren nicht, dass auch Kinder mal Ruhe brauchen.
verstehen nicht, dass Kinder nicht so früh ins Bett müssen.
glauben nicht, wie anstrengend die Schule ist.
halten immer zusammen, auch wenn das Kind recht hat.
schauen selber die ganze Zeit Fernsehen, und bei uns meckern sie immer, wenn wir das tun.
sind nie zufrieden, wenn man schon mal aufgeräumt hat. Sie haben immer noch etwas zu meckern.
Kapitel 3
ZWISCHEN FREUNDSCHAFT
UND LIEBE
Christian Giese, Jens Mondalski
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Aus Szene 12
JANIS (der das gehört hat): Was? Was mit Flieger-Rike. Du? Nicht du und Flieger-Rike. Du weißt, dass ich die toll finde, oder? Oder? Das hab ich dir Trillionen Hypertausend Mal gesagt. Das ist das einzige normale Mädchen an der Schule. Ich hab dir das doch gesagt, dass ich die heirate, oder?
HICKS: Nee, heiraten hast du nicht gesagt. Du hast das mit dem Schal gesagt. Das mit dem Heiraten, das musst du vor allem ihr sagen. Nicht mir!
HICKS: Mann, Janis! Die hat mich nur was gefragt.
JANIS: Was bist du denn für ein Freund?
JANIS: Und nächste Pause will sie dich gleich nochmal was fragen, weils so schön war. Oder hat die dich... hat die dich verhauen?
HICKS: Nein.
JANIS: Haue oder Knutsche. Alles klar. (Janis macht seinen Rucksack auf und gibt Hicks den zerknüllten Aufsatz über Freundschaft): Da. Kannste behalten.
Aus Szene 13
HERR WOLF: Wie es aussieht, fehlen drei Aufsätze [über Freundschaft]. Janis, Lewin
und Friederike. Friederike! Erkläre mir bitte, warum du keinen Aufsatz geschrieben hast.
HERR WOLF: Das ist aber traurig.
FLIEGER-RIKE: FLIEGER-RIKE:
Weil ich mit niemandem befreundet bin.
HERR WOLF: FLIEGER-RIKE: HERR WOLF: JANIS (flüsternd):
VALERIE (flüsternd): Nee.
Ja, was machen wir denn jetzt mit dir?
Sie können mir doch ein anderes Aufsatzthema geben. Ich muss doch nicht wie die anderen sein. Warum kann ich nicht übers Fliegen schreiben? Das ist doch ein gutes Thema. Fliegen ist das Höchste. Weil es ganz oben ist. Meine Mutter sagt, das Höchste wäre das Küssen, aber ich sag: das Fliegen. Küssen, keine Ahnung. Ich versteh nicht, was an einem Kuss toll sein soll. Ist ja nur ein Kuss, so ein Kuss. Aber fliegen ist fliegen. Fliegen ist oben. Das ist ganz, ganz oben.
Rike, das mag alles ganz interessant sein, Fliegen und so. Aber du wirst genau dieselbe Aufgabe wie die anderen erfüllen. Du bleibst in der nächsten Hofpause hier im Raum und schreibst diesen Aufsatz! Und für Janis und Lewin gilt dasselbe. Sogar Valerie hat was zu dem Thema Freundschaft
geschrieben. Einen ganz tollen Text, wie man Freunde findet, ohne dass man zu verzweifelt wirkt. Das ist ganz einfühlsam beschrieben, ganz toll.
Hast du gar keine Freunde?
Klar, jede Menge. Mein Hund, die Katzen, die Ziegen, die Schafe…
JANIS (nickt langsam, atmet seitlich ein): Ach, so.
26
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Kinder brauchen Freunde
Marion Schnitman gen. Pothmann
Kinder brauchen Freunde – Freunde und Freundinnen, mit denen sie spielen, toben, lachen, auf
Bäume klettern, sich streiten und wieder vertragen können. Gesunde Freundschaften bieten den
Kindern unermessliches Entwicklungspotenzial.
In der Gemeinschaft finden sie Anerkennung, was
den Selbstwert fördert, Spiele und Wettkämpfe
fordern sie heraus, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten auszubauen. In Streit und Konflikten erwerben sie die Fähigkeit, ihre Position und Ansichten
selbstsicher zu vertreten. In »Verhandlungen« und
Diskussionen, beispielsweise über geplante Unternehmungen, lernen sie, die Meinung anderer zu
berücksichtigen und sich in diese hineinzuversetzen. Es bieten sich unendlich viele Gelegenheiten,
eigene Stärken und Schwächen zu erkennen und
sich für andere, beispielsweise schwächere, Kinder einzusetzen – sehr viele wertvolle Entwicklungsschritte also, die Kinder ohne Erziehungsbemühungen oder pädagogische Unterstützung
quasi wie von selbst beschreiten können.
Leider gelingt der Aufbau solcher förderlichen
Freundschaften nicht immer! Diverse Gründe können dazu führen, dass Kinder sich nicht verstanden fühlen, immer wieder in Konflikte geraten, den
Spott und Ärger anderer auf sich ziehen und sich
sozial isoliert resigniert zurückziehen. (...) Traurig
ist es folglich mit anzusehen, wie fröhliche, spritzige Kinder immer mehr von ihrer Lebendigkeit verlieren und nicht mehr zeigen können, was in ihnen
steckt. Scham und Schuldvorwürfe finden sich bei
Eltern gleichermaßen wie bei ihren Kindern.
Gute Freunde, ein stabiles soziales Netz oder eine
Gemeinschaft, die auch durch Krisenzeiten trägt,
sind Kennzeichen für gutes soziales Miteinander.
Der Wunsch nach solch tragender Gemeinschaft
verbindet nicht nur Kinder und Eltern, er zieht
sich wie ein roter Faden durch die Lebenswege
beinahe aller Menschen. So eindeutig wünschenswert gelungenes Miteinander ist, so komplex und
herausfordernd ist der Weg dahin. Viele Versuche,
gute Freundschaften aufzubauen, führen nicht
zum gewünschten und ersehnten Ziel.
Mit großem Interesse wird daher von verschiedensten Personengruppen die Frage nach einem
gelingenden sozialen Miteinander gestellt und diskutiert. Kinder (und nicht nur diese) fragen sich,
wie sie Freunde finden können. Eltern überlegen
sich verzweifelt, wie sie ihrem Kind aus sozialer
Isolation helfen können, Lehrerinnen und Lehrer,
wie eine stabile Klassengemeinschaft entstehen
kann. Politiker diskutieren, wie Jugendliche in die
Gesellschaft integriert werden können. Noch lange könnte eine solche Liste fortgeführt werden. Sie
zeigt, wie wichtig gesundes soziales Miteinander für
jeden Einzelnen, aber auch für Familien oder Gruppen und letztendlich für die gesamte Gesellschaft ist.
Der wichtigste Schlüssel zur Beantwortung dieser
Fragen liegt in gesunden sozialen Fertigkeiten. Ist
ein Kind in der glücklichen Lage, über diese zu verfügen, so gelingt es in der Regel schon sehr früh,
gute soziale Kontakte aufzubauen. Kinder finden
Freunde, die mit ihnen durch »dick und dünn«
gehen. Durch diese erfahren sie Bestätigung und
Korrektur. In der Gemeinschaft fühlen sie sich gestärkt, lernen voneinander und entwickeln sich
gemeinsam weiter. Gleichzeitig entstehen wohlwollende Beziehungen zu Erwachsenen, die Kinder erfahren Wertschätzung und Anerkennung. In
dem Wissen, akzeptiert zu sein, wagen es die Kinder, sich Herausforderungen zu stellen, sie erhalten Feedback und Korrektur. Die Erfahrung, in der
Gemeinschaft mit seinen Stärken und Schwächen
nicht nur akzeptiert, sondern geliebt zu sein, ist
guter Nährboden für die Entwicklung eines gesunden Selbstwertes. Kinder entdecken, was in ihnen
steckt, und wachsen weit über sich hinaus. (...)
Niebank und Petermann (2002) stellen soziale
Fertigkeiten als Schutzfaktor vor psychosozialen
Krisen oder psychischen Erkrankungen dar. Kinder mit gesunden sozialen Fertigkeiten werden
nicht nur schneller wieder gesund, sondern auch
seltener krank. Ihre Entwicklung verläuft in der
Regel ungestörter. (...)
Kindern zu gesundem sozialen Miteinander zu
verhelfen, stellt somit geradezu eine Pflicht für
alle dar, die in der Verantwortung für Kinder und
Jugendliche stehen. In der Förderung von sozialen
Fertigkeiten liegt nicht nur die Chance, Kindern
aus der Not der Einsamkeit zu helfen und somit
auch deren Familien deutlich zu entlasten, sondern sie stellt auch eine sehr effektive Form dar,
der Entwicklung psychischer Störungen entgegenzuwirken. (...)
Aus: Schmitman gen. Pothmann, Marion;
Kinder brauchen Freunde – Sozialer Fertigkeiten fördern;
Stuttgart 2013 Klett-Cotta
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»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Gedichte zu „Du und ich“
Lachende Welt
Freundschaft
Von Joachim Ringelnatz, 1929
Ronja Kleider, 8 Jahre
(...)
Es darf eine Freundschaft formell sein,
Muß aber genau sein.
Eine Freundschaft kann rauh sein,
Aber muß hell sein.
(...)
Wer einmal den Kanal
Überfliegt,
Merkt: Der ist so und so breit.
Und das ändert sich kaum
In menschlein-absehbarer Zeit.
Wohl aber kann man dies Zwischenraum
Schneller oder kürzer durchqueren.
Wie? Das muß die Freundschaft uns lehren.
(...)
Alles um mich herum redet, lacht.
Nur ich blicke stumm an die Wand.
Warum mir all das keine Freude macht?
Ich sitze mitten drin und doch am Rand.
So viele Menschen und doch allein.
Mir ist, als hätt ich sie nie gekannt.
Es ist nicht gerecht, ich wollt nie so sein.
Hab mich in meiner eignen Welt verrannt.
Und wollte nichts wissen von dieser Welt.
Hab ihr oft den Rücken zugekehrt.
Und so mein eignes Urteil gefällt.
Mein alleine sein nur noch vermehrt.
Aus der Sammlung Flugzeuggedanken
Aus: Schmitman gen. Pothmann, Marion;
Kinder brauchen Freunde – Sozialer Fertigkeiten fördern;
Stuttgart 2013; Klett-Cotta
Was es ist
von Erich Fried
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
28
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
„Freundschaft ist wie...“
Von der Klasse 5c der Hermann-Nohl-Schule und der Wahlpflichtkurs Theater Klasse 7 der Caspar-David-Friedrich-Schule
Freundschaft ist wie...
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ein bunter Flummi, weil der Flummi bunte Seiten und verschiedene Seiten hat, wie die Freundschaft
auch. (Elisa, 5. Klasse)
Ein Autorad, weil das Autorad sich dreht und nicht damit aufhört, bis man es anhält. (Elisa)
Ein Magnet, weil zwei Magneten sich immer anziehen, wie zwei Freude immer zusammenhalten. (Elisa)
Chinesische Mauer, weil die immer steht. (Vincenzo, 5. Klasse)
zwei Muscheln die zwei Hälften haben, weil man bei einer Freundschaft zusammen bleibt. (Emma M.,
5. Klasse)
eine Medizin, weil sie dir immer helfen. (Filip, 5. Klasse)
ein Schnürsenkel, weil 1 Schnürsenkel bei zwei Schuhen nicht reicht. (Sophie, 5. Klasse)
wie eine Feier, weil die Freundschaft viele Geschenke verbirgt. (Sonia, 5. Klasse)
ein Spinnennetz, weil sie stabil und flexibel ist. (Sonia, 5. Klasse)
ein Satz, weil man ihn soweit erweitern kann, wie man will. (Sonia, 5. Klasse)
Fitness-Studio, weil man dadurch stärker wird und man sich mehr traut (Lucilla, 5. Klasse)
Mehr, weil das unendlich ist. (Lucilla, 5. Klasse)
die Welt, weil sie groß wie die Freundschaft ist. (Giada, 5. Klasse)
ein Adjektiv, weil es immer ein warum hat. (Giada, 5. Klasse)
Skier, weil man sie immer zu zweit anzieht. (Giada, 5. Klasse)
die Welt, weil dort die schönsten Reisen sind. (Marherita, 5. Klasse)
die Unendlichkeit, weil wenn sie echt ist, dann ist sie ewig. (Marherita, 5. Klasse)
wie eine Mission bei GTA 5, oder wie wenn man C.o.D. online spielt – man muss Menschen verteidigen.
Freundschaft ist wie eine Wolke. Mal regnet es, mal scheint die Sonne. Doch am Ende ist man damit
zufrieden was man hat. Sie ist wie Wind. Mal weht sie stark, mal weniger.
wie ein Engel und ein Teufel, die Einen sind nur zickig und der andere der Sonnenschein, trotzdem
verstehen sie sich.
eine Zuckerwatte. Wenn man rein beißt schmeckt die zuckersüß.
wie ein flauschiger Teddybär, weil ich mit meiner besten Freundin eigentlich über alles reden kann. Sie
ist immer für mich da, wie mein Bär und ich habe Spaß mit ihr und kann sie auch mal umarmen.
wie eine Schatzkiste. Ich kann Geheimnisse in ihr aufbewahren und entdecke immer wie-der neue
Schätze.
wie Wurst und Curry, weil es zusammenhält und man sie nicht trennen kann. Freundschaft ist für wie
eine Ballerina mit Ballettschuhen. Man kann mit ihr viele verschiedene Sachen machen.
wie ein Meer und Strand, weil uns kein einziger Fisch trennen kann. Freundschaft ist für mich wie ein
Bleistift mit Mine. Sie kann kaputt gehen, aber man kann sie schnell wieder anspitzen.
29
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Aus Szene 8
JANIS:
Da kommt Flieger-Rike. Kuck doch mal, da! Kuck doch mal.
JANIS:
Kuck doch mal, wie die läuft. Weißt du, wie die läuft?
HICKS:
HICKS:
JANIS:
HICKS:
JANIS:
HICKS:
JANIS:
HICKS:
JANIS:
HICKS:
JANIS:
HICKS:
JANIS:
Ich bin ja nicht blind.
Die läuft so erst mit dem einen Bein und dann mit dem anderen, immer abwechselnd.
Nee, nee, nee, die läuft so, als ob auf der anderen Seite vom Flur, vor der Milchausgabe, als ob da ein Flugzeug steht. So läuft die. Sie geht zu einem roten Flugzeug,
einem Doppeldecker. Und ihr Schal flattert im Wind. So ein weißer, langer, aus voll
so Seide.
Aber der ist ja dann gar nicht warm.
Nee, aber der flattert ganz toll. Siehst du das? Siehst du? So läuft die. Als hätte die
einen Auftrag. Eine Mission. Die muss mit dem roten Flugzeug über dem Kriegsgebiet Nahrung abwerfen. Für Kinder.
Gummibärchen, meinst du?
Nee, nee, nee, Brot und Salami und Äpfel. Und am Gürtel hat die ein Gerät zum Piepsen.
Piepiepiep, einen Phasenumschwungmodulator…
Genau. Und dann hat sie noch ein Gerät zum Tuten…
Tututut, einen Bombulator mit Freisprecheinrichtung…
Genau, und sie hat noch ein Gerät zum Krrrrrr, Rrrsch, Krrrrrrr-Machen.
Echt? Sie hat einen dritten Arm? Eine Zombie-Roboter-Armprothese? GEIL! … Sag
mal, ein rotes Flugzeug sieht man doch.
Das ist nur von oben rot. Pass auf. Von unten ist das hellblau. Das sieht von unten
keiner. Sie ist ein Stück Himmel. So läuft die.
(Flieger-Rike, die die ganze Zeit auf sie zugelaufen ist, stolpert direkt neben Hicks)
HICKS:
JANIS:
30
Oh, bestimmt ist sie über ihren Schal gestolpert. Den aus Seide.
Haha! Is ja gut. Du musst ja nicht zugeben, dass du sie auch cool findest.
Jens Mondalski, Christian Giese, Esther Agricola
Kapitel 4
ANREGUNGEN FÜR
DEN UNTERRICHT
Ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir in den Spielanregungen auf die
zusätzliche Formulierung der weiblichen Form verzichtet.
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Aus Szene 14/2
JANIS:
Vielleicht sollte es ein Schulfach Raufen geben.
Wir wollen wissen, wie stark wir sind – SUPERSTARK!
JANIS, HICKS: Raufen, Raufen!
Wir wollen wissen, wie schnell wir sind – SUPERSCHNELL!
Und wenn wir wissen, dass wir superschnell und superstark sind, dann wollen wir
noch wissen, wie laut wir sind – SUPERLAUT
In uns drin tobt was rum und wir toben mit.
In uns drin tanzt die Kraft mit sich selbst.
In uns drin sind Vulkanketten und Erdbebengebiete. Und wir? Wir brechen aus und
beben.
Wir wollen wissen, was hält, wenn man dran rüttelt.
Wir wollen wissen, wie es sich anhört, wenn was zerreißt. Wir wollen wissen, ob
wir stärker sind als wir selbst. Wir wollen wissen, ob wir runterfallen und ob wir
wieder hochkommen. Ob sich Gewinnen besser anfühlt als Verlieren. Erster, Zweiter, Dritter und morgen andersrum.
Raufen! Raufen! Raufen!
Fragen zur Nachbereitung des Theaterbesuches
•
Welche einzelnen Momente/Situationen im Stück habt ihr noch genau vor Augen?
Was hat dir daran gefallen? / Was verbindest du damit? / Welche Frage kommt dir dazu in den Kopf?/ Was hat dich daran berührt?
•
Warum will Janis immer bergauf fahren?
•
•
•
•
•
•
32
Was hat Hicks für ein Problem?
Was sagt ihr über die Freundschaft von Janis und Hicks?
Was wisst ihr über Valerie? Was hat es mit dem Geruch auf sich?
Warum ist es Flieger-Rike so wichtig auf den Dachboden zu kommen? Warum hat sie keinen Aufsatz zum Thema Freundschaft geschrieben?
Was glaubt ihr, wie geht es mit Hicks Eltern weiter?
Hättet ihr gerne Herrn Wolf im Unterricht? Begründet eure Aussagen.
Weitere Fragen finden sie auf den nächsten Seiten.
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Allgemeine Spielanregungen zur Nachbereitung
„Hicks, mein Hase oder Vinc, du Eimer“
Konzentrationsübung
1. alle stehen im Kreis und legen eine Hand auf
ihrem Kopf ab, der Spielleiter beginnt einer
beliebigen Person aus der Runde ein Wort
(mögliche Themen: Tiere, Gefühle, Kosenamen oder kreative Schimpfwörter etc. ) „zuzuwerfen“, dieser reagiert darauf, indem ein
weiteres Wort der nächsten Person „zugeworfen“, wird bis letztendlich jeder einmal ein
Wort gesagt hat. Die Spieler, die bereits an der
Reihe waren nehmen ihre Hand vom Kopf um
dies zu symbolisieren. Jeder merkt sich von
wem er das Wort bekommen hat und wem er
sein Wort gesendet hat. Das letzte Wort wird
an den Spielleiter gesendet, so dass dieser die
neue Runde starten kann. Nach dem ersten
Durchgang wird die Runde wiederholt, um
sich die Reihenfolge gut einzuprägen.
2. Im nächsten Schritt wird ein weiteres „Netz“
zu anderen Themen in einer anderen Reihenfolge gespannt und sich ebenfalls eingeprägt.
Wichtig dabei ist, dass der Spielleiter wieder
beginnt und auch wieder das letzte Wort bekommt. Wenn sich auch diese Reihenfolge eingeprägt hat, können die beiden Netze gleichzeitig / bzw. etwas versetzt hintereinander
starten.
3. Wenn die Spieler sehr gut geübt sind, kann die
Formation im Kreis aufgelöst werden und die
Spieler sollen nun einen „Raumlauf“ machen
und sich kreuz und quer durch den Raum bewegen. Dabei werden die bereits erstellten
Netze, ausgehend vom Spielleiter, wiederholt
(erst einzeln nacheinander, dann gleichzeitig).
Möhren ziehen
spielerische Aufwärmübung
Alle Kinder legen sich mit dem Kopf voran in den
Kreis und haken sich gegenseitig fest unter, so dass
alle Kinder sich gut fest halten. Ein weiteres Kind
versucht nun die Kinder voneinander zu trennen,
indem es diese an den Beinen versucht aus dem
Kreis zu ziehen. Ist ein Kind aus dem Kreis gezogen worden, hilft es dabei noch mehr Kinder „zu
ernten“, die dann wiederum helfen. Der Rest der
Gruppe muss sich natürlich schnellst möglich wieder unterhaken und sicherstellen, dass kein Kind
so einfach aus der Gruppe gezogen werden kann.
Wichtig ist dabei ein vereinbartes Signal, das die
Kinder nennen, wenn es zu viel wird oder gar weh
tut. Beispiel: Hicks, Stop oder Ähnliches.
Fliegen lernen
Vertrauens- und Teamarbeitsübung
Bei diesem Spiel handelt es sich um ein Vertrauensspiel. Die Kinder liegen Kopf an Kopf auf dem
Boden in zwei Reihen, wobei die Köpfe immer
versetzt sind. Alle Kinder halten dabei die Arme
hoch. Ein Freiwilliger darf sich mit dem Rücken
auf die Hände der Kinder legen. Dafür benötigt er
selbstverständlich eine Hilfestellung. Die liegenden Kinder transportieren ihn nun von der einen
Reihenseite zur anderen. Das Kind darf einfach
nur liegen und spüren, wie es sich anfühlt getragen zu werden.
„Gefühle stellen“
Körperwahrnehmungs- und Gefühlsausdrucksübung
Die Spieler sind in Paaren im Raum verteilt und
stehen Rücken an Rücken. Partner A bekommt
einen Zettel, auf dem ein Gefühl steht und nimmt
passend zu diesem Gefühl eine Pose ein. Partner
B darf die Pose nicht sehen. A beschreibt nun B in
welcher Pose er steht, ohne dabei zu benennen um
welches Gefühl es sich handelt. Z.B: Meine Füße
sind hüftbreit auseinander, meine Knie leicht gebeugt, meine Hüfte nach vorne gekippt, der Rücken etwas rundlich, Schultern, Arme, Hände hängen, das Kinn liegt fast auf dem Brustkorb auf =
traurig. Partner B übernimmt die Pose nach und
nach und versucht herauszufinden, welches Gefühl er darstellt. Wenn er richtig geraten hat, darf
A sich anschauen, wie B sich nach seinen Beschreibungen aufgestellt hat.
Die Übung kann am Ende noch einmal von einzelnen Gruppen präsentiert werden, um auszuwerten, welche verschiedenen Herangehensweisen
es gibt. Wie genau wurde die Körperhaltung beschrieben oder welche Kleinigkeiten in der Haltung auf ein anderes Gefühl schließen lassen.
Beispiele für Gefühlskärtchen: Traurig, Überglücklich, Entsetzt, Stolz, Schockiert, Fröhlich, Betrübt,
Verzweifelt, Überheblich, Wütend, Trotzig, Beleidigt ...
33
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Spielanregung zum Thema Freundschaft
Weiterführende Gesprächsanregungen
„Liebeserklärung an den Fenstergriff“
•
theatrale Ausdrucksübung
•
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•
•
Können Tiere und Menschen befreundet sein?
Nehmt Stellung dazu.
Valerie weiß nicht genau, wie sie in der neuen
Klasse Freunde findet.
Was könntet ihr Valerie raten? Wie ihr helfen?
Wart ihr schon mal in der Situation, niemanden zu kennen? Wie hat sich das angefühlt?
Wie habt ihr euch verhalten? Wie habt ihr
Kontakt aufgenommen? Was hättet ihr euch
gewünscht? Oder habt ihr mal jemanden neu
in eure Klasse bekommen? Wie habt ihr euch
als Klasse verhalten?
Raufen, Raufen, Raufen
Kooperationsspiel
Die Gruppe steht sich in zwei Reihen gegenüber,
jeweils paarweise. Die Paare schütteln sich nun
die Hände für einen „fairen Kampf“. Dann gehen
sie in Position: Sie fassen sich gegenseitig an den
Schultern, gehen in Schrittstellung. Auf das Kommando vom Spielleiter versuchen sie ihren Partner
weg zu drücken, bzw. nach Hinten zu schieben. In
der ersten Runde bekommen sie die Aufgabe sich
beim Kampf zu beschimpfen (es dürfen Kraftausdrücke verwendet werden!) In der zweiten Runde
sagen sie sich nur liebevolle und sehr freundliche
Dinge während des Kampfes.
Anschließende Reflektion: Wie hat es sich angefühlt? Welche Unterschiede habt ihr festgestellt?
„Dinge neu benennen“
theatrale Spielübung zum Abstraktionsvermögen,
Phantasieübung
(Vorübung zu: „Liebeserklärung an den Fenstergriff“)
Die Spieler laufen zu zweit durch den Raum und
zeigen sich gegenseitig Gegenstände im Raum, die
sie dabei aber als etwas anderes definieren (z.B.:
zur Türklinke -> Uhhh, schau mal da! Eine Schlange…) Der Partner lässt sich aufs Spiel ein und reagiert dem entsprechend, bis er schnell zu etwas
anderem läuft und etwas Neues umbenennt. Die
beiden wechseln sich also gegenseitig sehr oft,
schnell ab und versuchen keine Pausen entstehen
zu lassen. Direkt im Anschluss lässt sich gut mit
der nächsten Übung weitermachen.
34
Heimliche Vorbereitung ohne die Spieler: es werden Zettelchen vorbereitet, auf denen jeweils Anweisungen für die Spieler stehen, welche dann an
Gegenstände im Raum geklebt werden mit denen
Anweisung ausgeführt werden sollen.
z.B.: „Ein gut gemeinter Rat an den Mülleimer“;
„Eine Beschwerde an das Tischbein“; „Eine Einladung an...“; „Anklage gegen...“; „Eine Entschuldigung an...“; „Freundschaftskündigung an...“; „Liebeserklärung an...“ (Stuhl, Tisch, Fensterrahmen,
Türklinke)
Die Spieler laufen zu zweit durch den Raum und
suchen die vorher im Raum verteilten Zettelchen
(z.B.: am Mülleimer, am Tischbein…) mit den Anweisungen. Bei jedem Zettel improvisieren sie
kurz (1-2 Minuten) entsprechend der Anweisung
und gehen dann weiter zum nächsten Zettel.
„Run to Rike“
Kooperationsspiel
Hicks muss schnell zu Rike um ihr etwas Wichtiges zu sagen, aber auf dem Schulflur ist das Rennen nicht erlaubt.
Eine Person (Rike) steht an der einen Seite des
Raumes.
Die anderen Kinder bekommen nun die Aufgabe
zu Rike zu rennen, JEDOCH in Zeitlupe. Sie müssen
ihr etwas sehr Dringendes sagen, wie zum Beispiel
ein Kompliment, oder eine Einladung zu Etwas,
oder tröstende Worte... Der Spielleiter bestimmt
welche Art der Nachricht überbracht werden soll
und die Kinder formulieren es jeder für sich.
Wenn sie dort ankommen dürfen sie es endlich
loswerden.
Als Variante kann man es erschweren, in dem man
Stühle und Tische in den Raum stellt. Oder ein Kooperationsspiel daraus macht. Indem die Kinder
sich vorher gemeinsam und heimlich über eine
Botschaft absprechen. Nachdem das Spiel gestartet hat, sollen die Kinder sich gegenseitig auf ihrem Weg helfen und unterstützen, da sie nur gemeinsam die Botschaft überbringen können.
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
„Freundschaftsgeschichten“
„Freundschaftsmaschine“
Erzählübung (Vorübung zu „Freundschaft ist wie...“)
theatrale Ausseinandersetzung mit dem Thema
Die Spieler verteilen sich paarweise im Raum und
Partner A erzählt Partner B eine Minute lang eine
Freundschaftsgeschichte, welche A mit irgendeinem Freund mal erlebt hat. B schreibt beim Zuhören einzelne Substantive (keine Namen) aus der
Geschichte auf Zettelchen (pro Zettel ein Wort).
Ein erster Spieler geht auf die Bühne (einen definierten Raum, z.B.: vor der Tafel) sagt ein Wort,
was er mit Freundschaft verbindet und macht
dazu eine Geste, die das Wort unterstützt oder
verbildlicht... Dieses Wort und die Geste wird immer gleichbleibend wiederholt – wie ein Maschinenteilchen. Während nacheinander immer mehr
Spieler auf die Bühne kommen und neue Wörter
sagen und diese mit Geste wiederholenden, baut
sich nach und nach eine komplexe Maschine auf.
Nach einer Minute wird gewechselt (B erzählt und
A schreibt auf)
Die Zettel werden dann vom Spielleiter für die nächste Übung „Freundschaft ist wie...“ eingesammelt.
„Freundschaft ist wie...“
Erzählübung
Die Spieler kommen wieder im Kreis zusammen.
Mutige und Freiwillige ziehen aus dem Stapel der
vielen verdeckten Zettel aus der vorangegangenen
Übung einen heraus und fangen an zu erklären,
wie Freundschaft mit diesem Wort zu vergleichen
ist: (z.B: „Freundschaft ist wie ein Gummiband,
weil...“) oder warum gerade dieses Wort überhaupt nicht mit Freundschaft zu vergleichen ist
(z.B. „Freundschaft ist überhaupt nicht wie eine
Strafarbeit, weil...“) Falls dem Kind nichts einfällt,
können alle anderen Kinder mit Einfällen helfen.
„Ein Blatt voll Komplimente“
Übung zur Wertschätzung jedes Einzelnen
Vorbereitung: jeder Spieler bekommt ein Blatt auf
den Rücken geklebt und einen Stift in die Hand.
Während sie durch den Raum gehen, schreiben sie
sich gegenseitig ernstgemeinte Komplimente auf
den Rücken. Diese Zettel darf jedes Kind für sich
behalten und dann lesen, wenn ihm danach ist.
Anmerkung: Die Kinder darauf hinweisen, dass
es möglichst vielfältige Komplimente werden und
nicht immer das gleiche in anderen Worten aufgeschrieben wird.
Regine Seidler, Jens Mondalski, Christian Giese, Esther Agricola
35
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Spielanregung zum Thema Liebe
Weiterführende Gesprächsanregung
•
Was meint ihr, wer im Stück ist mit wem befreundet? Und wer ist in wen verliebt? Ändert
sich das vielleicht im Laufe des Stückes?
Was glaubt ihr, was gefällt Janis so sehr an
Flieger-Rike? Warum hält er sie für anders als
die anderen Mädchen?
Was ist eurer Meinung nach typisch Mädchen?
Und typisch Jungs? (siehe Spielanregung dazu)
Wie fühlt sich „Verliebtsein“ an? Wo im Körper
spürt ihr es am meisten?
Gibt es andere Gefühle, die ihr mit „Verliebtsein“ verbindet?
Wie könnt ihr zeigen, dass euch jemand besonders gut gefällt? Was könnt ihr machen,
dass der andere auch auf euch aufmerksam
wird und euch auch gut findet?
•
•
•
•
•
„Typisch Mädchen, Typisch Jungs“
Auseinandersetzung mit Rollenbildern
Vorbereitung ohne Spieler: es werden vom Spielleiter Tätigkeiten aus dem Alltag auf einzelne Zettel geschrieben, die weder Frauen noch Männern
zugeordnet werden können (z.B.: am Handy spie-
Regine Seidler, Esther Agricola
36
len, hinsetzen, warten, Nase putzen, Buch lesen,
Schnürsenkel binden, Kaugummi kauen,... ), und
Zettel auf denen eine Reihenfolge steht „zuerst
Mädchen, dann Junge“ oder „zuerst Junge, dann
Mädchen“.
Die Schüler werden in Zuschauer und Spieler (ca.
4-6 Freiwillige) aufgeteilt.
Die Spieler setzen sich in einer Reihe nebeneinander, den Zuschauern gegenüber.
Die Spieler ziehen zu erst einen Zettel mit Alltagstätigkeiten, danach einen Zettel der ihnen die Reihenfolge angibt. Sie reichen die beiden Zettel der
Reihe nach unter den Spieler herum und beginnen
dann diese Tätigkeiten zu spielen. Der Spielleiter
gibt den Spielern ein Zeichen, wenn von Junge auf
Mädchen / oder eben umgekehrt gewechselt wird.
Danach dürfen andere Freiwillige andere Tätigkeiten spielen.
Erst am Ende der Übung wird reflektiert:
• Worin haben sich die Tätigkeiten von Mädchen und Jungs unterschieden?
• Könnt ihr diese Merkmale allen Mädchen / allen
Jungs zuschreiben? Begründet eure Aussagen!
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Alles meine Tiere
Der Liebes-Schatz!
Schreibauftrag für Kleingruppen
geheimer Schreibauftrag
Im Anhang befindet sich eine Kopiervorlage „Alle
meine Tiere“. Diesen Text können die Kinder in
Kleingruppen lesen.
Kennst du das: Dein Herz klopft wie wild, nur weil
sie oder er um die Ecke kommt? Der Mund ist trocken und du hast das Gefühl nicht mehr sprechen
zu können? Morgens ist er oder sie die erste Person an die du denken musst? Und manchmal, ganz
heimlich, stellst du dir vor, wie es ist, in ihrer oder
seiner Nähe zu sein? Vielleicht sogar Hand in Hand?
So oder gaaaaaanz anders kann Liebe aussehen.
Anschließende Reflektion: an was denkt ihr nach
dem Lesen des Textes? Was meint ihr warum hat
der Künstler diese Aufzählung gemacht?
Nun erstellt in Gruppenarbeit (oder auch einzeln)
einen Text zu „Alles Mädchen“ oder „Alles Jungs“
und sammelt so viele Einfälle wie möglich.
Als Variante kann auch ein Text über „Alles meine
Freunde“ erstellt werden.
Verliebtseins-Scrabble
schriftliche Auseinandersetzung mit dem „Verliebtsein“
Vorbereitung: Ein sehr großer Papierbogen wird
auf dem Boden ausgelegt.
Die Kinder beginnen mit einem Wort, welches ihnen zum Thema „Verliebtsein“ einfällt. Das schreiben sie auf den Papierbogen.
An die einzelnen Buchstaben dieses Wortes können andere Worte, welche aber ebenfalls mit „Verliebtsein“ zu tun haben, angehängt werden – wie
bei dem Spiel „Scrabble“.
Nun ist deine Kreativität gefragt. Du kannst deine
Gedanken oder Erlebnisse nun in Form eines Gedichtes, einer Kurzgeschichte oder eines inneren
Monologes aufschreiben.
Achte dabei nicht auf Rechtschreibfehler oder auf
die richtige Grammatik. Du darfst sogar Wörter
dabei neu erfinden, denke dabei nicht an richtig
oder falsch – denn in der Liebe gibt es kein richtig
oder falsch.
Danach steckst du deinen Text in einen mit Namen gekennzeichneten Briefumschlag und klebst
ihn zu. Diese Briefumschläge können in einer abschließbaren Kiste bewahrt werden und am Ende
eurer gemeinsamen Schulzeit (z.B.: Ende 6. Klasse) an euch wieder verteilt werden. Vielleicht haben sich inzwischen Gefühle verändert oder neue
sind dazugekommen? Das darf jeder für sich als
Schatz behalten.
Das kann als Vorbereitung und Anregung für die
nächste Übung dienen.
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»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Spielanregung zum Thema Familie
Weiterführende Gesprächsanregungen zu
Familie
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Hicks findet es normal dass seine Eltern getrennt leben, er hat das Gefühl, dass in der
Klasse
kaum noch Eltern zusammen leben. Was bedeutet für euch „Familie“?
Wer gehört dazu?
Alle Familien sind einzigartig. Was ist das
Einzigartige bei euch in der Familie? Welche
Regeln/ Traditionen gibt es bei euch? Was ist
typisch für eure Familien?
„So klingt meine Familie“
Musikalisches Experimentieren / Improvisieren
Vorbereitung: es werden viele verschiedene Instrumente (und / oder Gegenstände mit denen man
verschiedene Geräusche machen kann) im Zimmer
ausgelegt, wie z.B.: Triangel, Rasseln, Regenmacher,
Pfeifen, Trommeln, Glockenspiel, Gongs, (und /
oder leere Papierrollen, leere Dosen, Becher, Töpfe,
Backpapier, Kartonkisten, kleine Steinchen, …)
Die Spieler dürfen erstmal jeder für sich mit den
verschiedenen Instrumenten (Gegenständen) experimentieren. Dabei muss es laut sein dürfen.
Womit kann man welche Töne, welche Lautstärken herstellen und wie klingt das?
Danach schließen alle Kinder die Augen und suchen sich für sich einen ruhigen Platz. Dort überlegen sie für ein paar Minuten in absoluter Ruhe,
wie ihre Familie klingt. Welche Instrumente (Gegenstände) passen zu welchen Familienmitgliedern? Wie klingen sie gemeinsam? Wie hört sich
das Gefühl an, wenn die Kinder mit den Familienmitgliedern zusammen sind?
Dann dürfen die Spieler sich wieder ein paar Instrumente aussuchen und gezielt ausprobieren, wie
die Familie klingt. Freiwillige dürfen ein „Familien-Konzert“ den anderen als Zuhörern geben.
Danach kann reflektiert werden, wie es den Zuhörern während des Konzertes ging und was für
Gefühle sie damit verbinden.
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„Alles Familie“
Im Anhang befindet sich eine Kopiervorlage zum
Ausfüllen für die Kinder, um die Vielfältigkeit der
Familienmodelle und die Individualität der verschiedenen Familien hervorzuheben.
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Alles meine Tiere
Von Uli Becker
Tiere auf zwei, vier, sechs, acht und so weiter Beinen, Tiere, die fliegen können, die einfach immer können, mythologische Tiere, (...) Tiere im Scheinwerferkegel, im Weg, im Visier, im Nebel, im Verschwinden begriffen, Tiere
im Traum wie Tiere im Alptraum, ausgedachte, ausgestopfte Tiere, ausgestellt, ausgesetzt, wilde Tiere, wildgewordene und halb so wilde, monogame, soziale, Tiere, die durch Reifen springen, jedes Wort verstehen, die so
was im Blick haben, Tiere auf der anderen Seite vom Glas, hinter Gittern,
hinterm Ofen, hinter Indien, Tiere, die sich im Dunkeln von der Decke fallen lassen, die winzig sind, widerlich, feige und in der Überzahl, Tiere aus
Gummi, wie Gummi, zähe Tiere, zahme, warme Kuscheltiere, Tiere auf dem
Schoß, als Bettvorleger, als Lebensabschnittsgefährte, am ganzen Körper
behaart, Phantasietiere, Klistiere, Turbotiere als Kunstprodukte, in Intensivhaltung, Demutshaltung, Tiere auf der Flucht, mit ihrem Latein am
Ende, dumpf dösende, triste Tiere, Tiere zum Aufblasen, Ausmalen, Tiere
zum Abgewöhnen, zum Trösten, zum Triezen, zum Totlachen, zum Schießen, Tiere auf der Artenschutzliste, auf dem Silbertablett, tirilierende Tiere, trompetende, röhrende und störende Tiere im Bestarium, in ihrem natürlichen Habitat, ganz bei sich, bei Disney, bei Fuß, sitzend zur Rechten,
hohe Tiere, und heilige, frei laufend, südwärts ziehend, obenauf treibend,
Tiere, die keiner Menschenseele…
Aus: Neumann, Hartmut; Alle meine Tiere und andere Naturereignisse – mit einer
Litanei von Uli Becker; Zur Ausstellung 1996 im Künstlerhaus Göttingen
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»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
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»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Aus: Kuhl, Anke; Maxeiner; Alexandra; Alles Familie – Vom Kind, der neuen Freundin, vom Bruder, von Papas
früherer Frau und anderen Verwandten ; Leipzig 2010; Klett Kinderbuch Verlag
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Weiterführende Literatur:
zu FAMILIE UND SCHEIDUNG
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Baltscheit- von Sauberzweig, Peter; Gasser-Ruchat, Walter; Habegger, Caterine; Haeflinger-Manika,
Constantia; Kilng, Vera; Sponagel Zopfi, Marianne; Scheidung – Was tun wir für unsere Kinder?; Zürich 2000; pro juventa Verlag
Bodemann, Guy; Zemp, Martina; Partnerschaftsqualität und kindliche Entwicklung – Ein Überblick
für Therapeuten, Pädagogen und Pädiater; Heidelber 2014; Springer Verlag
Czernin, Monika; Largo, Remo H.; Glückliche Scheidungskinder – Was Kinder nach der Trennung
brauchen; München 2014; Piper Verlag GmbH
Hetherington, E. Mavis; Kelly, John; Scheidung – Die Perspektiven der Kinder; Weinheim, Basel, Berlin 2003; Beltz Verlag
Herma, Holger; Krüger, Dorothea Christa; Schierbaum, Anja (Hrsg.), Familie(n) heute – Entwicklungen, Kontroversen, Prognosen; Weinheim und Basel 2013; Beltz Juventa Verlag
Kuhl, Anke; Maxeiner; Alexandra; Alles Familie – Vom Kind, der neuen Freundin, vom Bruder, von
Papas früherer Frau und anderen Verwandten; Leipzig 2010; Klett Kinderbuch Verlag
Nave-Herz, Rosemarie; Familie heute – Wandel der Familienstrukturen und Folgen für die Erziehung; Darmstadt 2012; Primus Verlag
Strobach, Susanne; Scheidungskindern helfen – Übungen und Materialien; Weinheim und Basel
2002; Beltz Verlag
zu KINDHEIT UND JUGEND
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GEO kompakt – Die Grundlagen des Wissens Nr.45; Pubertät – Chaos! Krisen! Chancen!; Hamburg
2015; Gruner + Jahr GmbH& Co KG
Hellendoorn, Joop; Sleeboom, Inge; van de Vijfeijken, Katrien; „Was bewegt dich?“– Helfende Gespräche mit Kindern; Weinheim und Basel 2013; Beltz Verlag
Schäfers, Bernhard; Scherr, Albert; Jugendsoziologie – Einführung in Grundlagen und Theorien;
Wiesbaden 2005; VS Verlag für Sozialwissenschaften
Sichtermann, Barbara; Pubertät. Not und Versprechen; Weinheim und Basel 2007; Beltz Verlag
zu FREUNDSCHAFTEN UND LIEBE
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Beck, Norbert; Cäsar, Silke; Leonard, Britta; Training sozialer Fertigkeiten mit Kindern im Alter von
8 bis 12 Jahren; Tübingen 2006; dgvt-Verlag
Riederle, Josef; Kampfspiele machen Spaß und unterstützen Jungen in ihrer persönlichen Entwicklung; Schwerte 2003; Hrsg. Gewalt Akademie Villigst
Renz, Meral; Sexualpädagogik in interkulturellen Gruppen - Infos, Methoden und Arbeitsblätter;
Mühlheim an der Ruhr 2007; Verlag an der Ruhr
Schmitman gen. Pothmann, Marion; Kinder brauchen Freunde – Sozialer Fertigkeiten fördern;
Stuttgart 2013; Klett-Cotta
Wenke, Astrid; Projekt Freundschaft; Kempen 2012; BVK Buch Verlag
»Ta g H i c k s o d e r f l i e g e n f ü r v i e r «
Dank an
Cathrin Zahavi und Maike zur Horst 5. Klasse der Hermann-Nohl-Grundschule in Neukölln und Andrea
Grimm und ihrem Wahlpflichtkurs Theater 7. Klasse und Wiebke Hagemeyer und Belana Wiedera und Vera
Düwel für die Hilfe an diesem Heft.
Übrigens!
Das Begleitmaterial ist auch als kostenloser DOWNLOAD erhältlich unter: www.grips-theater.de/hicks
Impressum
Herausgegeben von:
GRIPS Theater GmbH
Altonaer Straße 22
10557 Berlin
www.grips-theater.de
Spielzeit 2015/2016
Künstlerischer Leiter: Stefan Fischer-Fels
Geschäftsführer: Volker Ludwig
Redaktion: Anne-Katrin Strick, Susanne Rieber,
Henrik Adler
Fotos: David Baltzer / www.bildbuehne.de
Satz: artkrise kommunikation]s[design
Art Direktion: anschlaege.de
Titelbild: Henrik Miers/ anschlaege.de
Druck: Trigger Copy
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