1890 Das Magazin der Allianz Deutschland AG AUS ERFAHRUNG MEHR WISSEN DAS PURE LEBEN Ohne Blut sähen wir ganz schön blass aus. Ein Heft über das, was in uns f ließt Ausgabe 04 / 2015 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Es kommt von Herzen Blut ist lebensnotwendig – und vielen Menschen doch unheimlich. Ein Heft über den komplexen Stoff, der uns im Innersten zusammenhält W er ungern Blut sieht, hat im Grunde recht: Die Flüssigkeit versorgt un sere Organe, transportiert Sauerstoff und ermöglicht den Austausch zwischen Zellen. Da Blut im Körper lebensnotwendig ist, erwarten wir instinktiv wenig Gutes, wenn es außerhalb sichtbar wird. In dieser Ausgabe von »1890« aber schauen wir hin – ganz bewusst und aus unterschiedlichen Blickwinkeln: Mediziner und Wissenschaftler nutzen Blut als Informationsquelle und Forschungsobjekt, um Krankheiten zu erkennen und therapie ren zu können. Wir verfolgen den Weg einer Konserve vom Spender bis zum Empfänger; und Fußballweltmeister Jérôme Boateng erklärt, warum er sich im Kampf gegen Leukämie en gagiert, ein Kampf, den wir auch mit der Allianz Privaten Krankenversicherung aus vollem Herzen unterstützen. Ganz andere Perspektiven eröffnen in dieser Ausgabe von »1890« wiederum Maskenbildner, Polizeiermittler – und auch die Tierwelt. Eine Reportage klärt auf, dass nicht der Hochadel über blaues Blut verfügt, sondern der Pfeilschwanzkrebs. Seine ungewöhnlich gefärbte Körperflüssigkeit kann in der medizini schen Praxis helfen, gefährliche Keime nachzuweisen. Wer un gern rotsieht, dem sei diese Geschichte als Einstieg ans Herz gelegt. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre. ■ Dr. Manfred Knof Dr. Manfred Knof, Vorstandsvorsitzender der Allianz Deutschland AG ALLIANZDEUTSCHLAND.DE Die Allianz zeigt sich von einer neuen Site: In unserem Webmagazin unter www.allianzdeutschland.de finden Sie ab sofort jede Menge starker Geschichten aus dem Allianz Kosmos. Auch viele Reportagen aus »1890« können Sie dort lesen. 3 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 In manchen Berufen gehört Blut zum Geschäft. Fünf Profis im Porträt Ganz schön gebeutelt: Wir gehen mit einer Blutspende auf Reisen 18 Hartmut Engler spricht wieder. Ein Interview über Lampenfieber und andere Leiden Pflaster drauf? Experten erklären, wie sie Wunden versorgen 56 68 10 HEFTTHEMA BLUT 10 ARBEITEN IM ROTEN BEREICH Fünf Profis erklären, warum sie Blut sehen müssen 34 MYTHOS UND MEDIZIN Warum wir Blut eine so große Bedeutung beimessen. Ein Essay 16 DATENSAMMLUNG Wie schnell fließt Blut? Welches Gewicht hat ein Walherz? Zahlen, die unter die Haut gehen 42 KALKULIERTE GEFAHR Zwei Allianz Fachmänner erklären, was Anämie und Bungee-Jumping verbindet: der Risikofaktor 18 ROT FÜR DIE WELT Einblicke in das keimfreie Geschäft mit Spendern, Blutbeuteln, Zentrifugen und Empfängern 44 FALSCHE FARBE Der Pfeilschwanzkrebs hat blaues Blut. Für Forscher ist das Gold wert 24 DIE PLAGEMEISTER Eine kann man erschlagen, alle nicht. Gegen Stechmücken hat die Gattung Mensch keine Chance 26 ABWEHRSPEZIALIST Weltmeister Jérôme Boateng erklärt, wie er sich im Kampf gegen Leukämie engagiert 30 ADERLASS Eine 31-jährige Milliardärin aus dem Silicon Valley will das Blutabnehmen revolutionieren. Ein Selbstversuch 4 50 KLARE SACHE Eine Bloody Mary muss rot sein? Ein Barkeeper sieht das anders UNSERE AUTOREN SCHADENAKTE 06 GRAF DRACULA Der Schaden in einem der blutigsten Bücher aller Zeiten ist schwer zu berechnen. Ein Annäherungsversuch DIE BLAUEN SEITEN 58 HINTERBLIEBENENSCHUTZ Wie eine Risikolebensversicherung die Familie absichern kann 52 METZGERMEISTER Marcus Benser macht Blutwürste für Gourmets. Ein Werkstattbesuch 56 ERSTE HILFE Expertentipps für kleine Wunden 68 SANG- UND KLANGLOS Hartmut Engler erinnert sich, wie ihm die Stimme wegblieb und die Tournee vor dem Aus stand FELIX ZELTNER ließ sich in den USA Blut abnehmen und nach dem neuesten Stand der Technik analysieren. Danach freute er sich über die Ergebnisse: Alle Werte lagen im grünen Bereich. 30 WERNER BARTENS war aufgeregt, als er im Medizinstudium zum ersten Mal Blut abnehmen sollte. Der Patient hatte Venen wie Baumstämme und sagte fürsorglich, für ihn sei es nicht schlimm. 34 KERSTIN LEPPICH durfte in Berlin tief in die Rührmaschinen eines Blutwurst-Fleischers blicken. Dessen vegetarisches Lieblingsessen hat sie überrascht: Eier mit Senfsoße. 52 RUBRIKEN 03 05 08 29 74 Editorial Impressum Verrückte Zeit Dellings Kolumne Zu guter Letzt DANIEL ASCHOFF musste nach dem Interview mit PUR-Sänger Hartmut Engler eine schlimme Nachricht verkraften: Bei seinem Sohn bestand Verdacht auf Hirnblutung. Zum Glück ein Fehlalarm. 68 BILDNACHWEIS IMPRESSUM Titel Ingo Robin S. 3 Illustration Julian Rentzsch, Shutterstock S. 4–5 Enno Kapitza, Simon Koy, Rafael Krötz Illustrationen Jan Bazing, Bernd Schifferdecker (4) S. 6–7 Rafael Krötz S. 8–9 WENN.com, Ted Lawson/Rex Features (2) Illustrationen C3 Stuttgart S. 10–15 Enno Kapitza (5) S. 16–17 Julia Worbs/Star Worbs S. 18–23 Simon Koy (5) S. 24–25 Picture Press/David Spears S. 26–29 Paul Ripke/DKMS Illustration Julian Rentzsch S. 30–33 Theranos, Joe Pugliese/AUGUST IMAGES, Drew Kelly (2) S. 34–41 Ingo Robin (4) S. 42–43 Shutterstock, Illustrationen: Aderlaflmann aus Gerdorf/akg-images, Bernd Schifferdecker (2) S. 44–50 William J. Boch/Oxford Scientific/Getty Images, Andrew Tingle (8) S. 50–51 Silvio Knezevic (2) S. 54–55 Ragnar Schmuck, Illustrationen C3 Stuttgart S. 56–57 C3 Stuttgart Illustrationen Jan Bazing S. 58–67 Illustrationen Bernd Schifferdecker S. 68–73 Rafael Krötz (2), PR S. 74 action press, Magdalena Stürmer »1890« – AUS ERFAHRUNG MEHR WISSEN Im Jahr 1890 wurde die Allianz gegründet Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers. Herausgeber: Hermann-Josef Knipper, Allianz Deutschland AG, Königinstraße 28, 80802 München Redaktion: Chefredakteur: Mario Vigl (V. i. S. d. P.) Stellv. Chefredakteur: Daniel Aschoff Christian Gottwalt (frei), Niclas Müller (frei), Anna Hieger (Volontärin) Autoren dieser Ausgabe: Cihan Anadologlu, Werner Bartens, Myra Çakan, Gerhard Delling, Nina Himmer, Kerstin Leppich, Claus-Peter Lieckfeld, Veronika Keller, Sandra Michel, Felix Zeltner Kontakt: Allianz Deutschland AG, Redaktion »1890«, 80790 München; [email protected] Abo-Service: [email protected], Telefon: 089.3800-14350 Gestaltung, Produktion: C3 Stuttgart Creative Code and Content GmbH Anzeigen: Anzeigenverkauf Sebastian Veit [email protected] Druck und Vertrieb: arvato 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 SCHADENAKTE Biss zum bitteren Ende Graf Dracula saugt Menschen aus und verwandelt sie in Untote. Unser Experte kann sagen, ob den Opfern ein Schmerzensgeld zusteht Bis zum ersten Blutvergießen dauert es 66 Seiten: Dann kommt die Stelle, an der Rechtsanwalt Jonathan Harker mit ansehen muss, wie drei Vampirfrauen ein Kind verspeisen. Von diesem Moment an nehmen die Grausamkeiten in Bram Stokers Roman »Dracula« kein Ende. Zahn um Zahn: Bram Stoker hat mit »Dracula« ein ziemlich blutiges Buch geschrieben Die Handlung des 1897 erstmals veröffentlichten Romans spielt in England und auf einem Schloss in Transsilvanien. Zwölf Männer, drei Frauen und eine unbekannte Anzahl Kinder werden im Lauf der Geschichte kaltblütig ausgesaugt, die meisten vom Hausherrn selbst. Die Opfer des Grafen sterben nicht, sondern verwandeln sich in Untote, die fortan das Tageslicht meiden und nachts ihrerseits das frische Blut anderer Menschen trinken müssen. Rainer Strodtkötter, Schadenregulierer bei der Allianz Deutschland, sieht sich angesichts dieses Horrors außerstande, die Personenschäden zu beziffern. »Ein Untoter könnte natürlich Schadenersatz und Schmerzensgeldansprüche gegenüber dem Vampir erheben«, sagt der Experte. Aber es gebe keine Präzedenzfälle und damit auch kein Urteil darüber, wie der Schaden zu bewerten sei, den ein Biss-Opfer erleidet. In der Grauzone bleibe auch, ob eine Versicherung für die Taten eines bissigen Kunden überhaupt zahlen müsste. Aus Strodtkötters Sicht ist die Frage zumindest beim Grafen Dracula mit Nein zu beantworten, weil der vorsätzlich zuschnappt: »Wir können ihm damit leider keinen Versicherungsschutz bieten.« Leichter zu berechnen sind die anderen Sach- und Personenschäden in Bram Stokers Roman: Ein Rasierspiegel, zwei Schiffe, persönliche Dokumente und ein goldenes Kruzifix gehen kaputt. Ein Mann bricht sich den Finger, und eine junge Dame namens Mina erleidet Verbrennungen im Gesicht. Für diese vergleichsweise unblutigen Ereignisse beläuft sich die Schadensumme auf insgesamt: 220.024 Euro 6 7 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 VERRÜCKTE ZEIT PSYCHOLOGIE BESTSELLER Aus James Harrisons Blutspenden wurde Impfstoff gewonnen für 2 MILLIONEN BABYS Der Typ ist eine echte Null Mit Vorsicht zu genießen Die Persönlichkeit, das Temperament und den Erfolg einer Liebesbeziehung – all das lesen Japaner aus ihrer Blutgruppe heraus. Deshalb ist die Frage »Bist du A, B, AB oder 0?« auf Partys beliebt, und fast jeder kann sie auch beantworten. Wissenschaftlich haltbar ist das Ganze nicht. Aber die Wissenschaft kann erklären, weshalb diese Art Horoskop in Japan so beliebt ist: Die Blutgruppen sind dort gleichmäßiger verteilt als in Europa und Amerika. Das macht das Spiel interessanter. Zehn Romane voller Blut, ausgewählt von der Schriftstellerin Myra Çakan 1. Das Lied von Eis und Feuer von George R. R. Martin Mord und blutige Intrigen im Kampf um den Eisernen Thron. Blanvalet, 15 Euro 2. Die Blutlinie von Cody McFadyen Band 1 der Reihe um die FBI-Profilerin Smoky Barrett. Bastei Lübbe, 9,99 Euro 3. Die Abendröte im Westen von Cormac McCarthy Erschütternde Bildersprache ohne Wildwest-Romantik. Rowohlt E-Book, 9,99 Euro 4. American Psycho von Bret Easton Ellis Skandalbuch der 90er. Nichts für schwache Nerven. Kiepenheuer und Witsch, 12,99 Euro 5. Roter Drache von Thomas Harris Der spannende Vorläufer von »Das Schweigen der Lämmer«. Heyne Verlag, 9,99 Euro 6. Die 120 Tage von Sodom vom Marquis de Sade Sehr brutal, selbst für heutige Lesegewohnheiten. Null Papier Verlag, E-Book, 1,99 Euro 7. Die schwarze Dahlie von James Ellroy Der berühmteste Mordfall von ganz Hollywood als Roman. Ullstein, 10,99 Euro WELTREKORD Der Medizinmann James Harrison trägt den schönen Spitznamen »Mann mit dem goldenen Arm«. Seit mehr als 60 Jahren spendet der 78-jährige Australier alle drei Wochen Plasma. Sein Zähler steht schon bei über 1100 – Weltrekord. Aus Dankbarkeit für Blutkonserven, die er als Kind bekam, wurde er mit 18 Jahren selbst Spender. Jahre später stellte sich heraus, dass sein Blut einen seltenen Antikörper namens Rho-(D)-Immunglobulin bildet. Als Medikament kann es eine schwere Krankheit bei Neugeborenen verhindern. Nach Schätzungen eines Herstellers gibt es weniger als 100 Männer auf der Welt, die speziell für dieses Medikament ihr Plasma spenden. James Harrison war der Erste. 8 8. Naked Lunch von William S. Burroughs Ein Buch wie ein Drogentrip: bizarr, brutal und irrsinnig. rororo, 9,99 Euro 9. Beutezeit von Jack Ketchum Ein Urlaub in einer einsamen Waldhütte wird zum Alptraum. Heyne Hardcore, 8,95 Euro 10. Fettsack von Rex Miller Krimi um einen Serienmörder. Ein Geheimtipp, der polarisiert. Edition Phantasia, 15,90 Euro GEWINN SPIEL KUNSTPROJEKT Blut-Druck Wenn Künstler mit Blut malen, reagieren die Menschen mit einer Mischung aus Abscheu und Sensationslust. Das war bei Ted Lawsons Selbstpor trät »Ghost in the Machine« nicht anders. Es erregte mehr Aufmerksamkeit als alle seine bisherigen Arbeiten zusammen. Der New Yorker Künstler selbst sieht in seinem Blutbild eine Referenz an den Narzissmus und die Introvertiertheit der Generation Selfie. Außerdem wollte er die Beziehung zwischen Mensch und Maschine erforschen und die tiefere Verbindung von Computer-Code und DNA darstellen. Viel Zeit verwendete er auf die technischen Details. Das Papier schlug beim Malen Wellen, und auch der Zeichenstift an der Maschine machte ständig Prob leme. Es dauerte Stunden, bis das Bild fertig war. Der Künstler musste derweil nichts tun. Er saß neben der Maschine und trank Saft. POSITIVE EIGENSCHAFTEN wild, aktiv, kreativ, stark, leidenschaftlich ehrlich, kreativ, cool, sensibel, kontrolliert, zurückhaltend, rational, geduldig, gesellig verantwortungsbewusst A A B B anspruchsvoll, überehrlich, stur, angespannt, konservativ angenehm, gesellig, optimistisch 0 kritisch, unentschlossen, vergesslich, unverantwortlich egoistisch, unverantwortlich, unversöhnlich, unberechenbar eitel, unhöflich, eifersüchtig, arrogant Was haben Lady Gaga und Louis Armstrong gemeinsam? Und was die Künstler Otto Dix und Andy Warhol? Ihre Liebe zum Jazz! Wie sehr diese Musik ihre Kunst beeinf lusst hat, zeigt eine Ausstellung des Stuttgarter Kunstmuseums: »I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920«. Wir verlosen für kulturaffine »1890«-Leser 33-mal zwei Eintrittskarten und – als besonderes Highlight – eine Gruppenführung für 25 Freunde. Falls Sie die gewinnen möchten, schreiben Sie uns kurz, weshalb sich gerade Ihre Freunde über diese Führung freuen würden. Viel Glück! Einsendungen bis 15.11.2015 an: [email protected] oder an Redaktion »1890«, Königinstraße 28, 80802 München NEGATIVE EIGENSCHAFTEN 9 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Ein ganz »Es gibt wohl keinen ergreifenderen Moment, als die Nabelschnur zu durchtrennen. Selbst nach fast 20 Jahren Berufserfahrung muss ich dabei jedes Mal eine Träne wegblinzeln. Schon meine Mutter und Großmutter waren Hebammen. Ich habe mittlerweile mehr als 5000 Kindern auf die Welt geholfen. Bei einer natürlichen Geburt fließen dabei etwa 300 bis 500 Milliliter Blut, also gar nicht so viel. Blut ist sehr wertvoll: Es versorgt das ungeborene Kind mit Sauerstoff und Nährstoffen und liefert wichtige Informationen über den Gesundheitszustand der Mutter. Auch das Nabelschnurblut, das voller Stammzellen ist, hat für viele Eltern an Bedeutung gewonnen: Einige lassen es in dem Glauben einfrieren, dass es ihrem Kind in ferner Zukunft einmal nützlich sein könnte.« Eine Hebamme, ein Jäger, eine Heilpraktikerin, ein Chirurg und ein Forensiker erklären, warum manchmal Blut an ihren Händen klebt. Und wieso das seinen Sinn hat PROTOKOLLE NINA HIMMER FOTOS ENNO K APITZA besondrer Saft 10 »Ich habe mittlerweile mehr als 5000 Kindern auf die Welt geholfen. Blut ist dabei sehr wertvoll« ZAHRA SHABANI HEBAMME 11 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 »Beim Thema Blut halte ich es mit Goethe: Es ist ein ganz besondrer Saft. Wobei es in der Naturheilkunde selbstverständlich nicht um einen Pakt mit dem Teufel, sondern um Informationen geht. Blut ist der verbindende Strom zwischen allen Zellen und Organen. Es enthält nicht nur Fakten zum körperlichen Zustand eines Patienten, sondern ist auch eine Art Informationsträger der Seele, unser flüssiges Bewusstsein. Neben schulmedizinischen Laboruntersuchungen nutzen wir deshalb Methoden wie die Dunkelfeldmikroskopie, mit der sich die Qualität des Blutes beurteilen lässt. Dabei schaue ich mir frisch entnommenes Vitalblut unter dem Mikroskop an, die Aktivität und Anordnung der Zellen kann Hinweise auf das aktuelle Stoffwechselgeschehen und chronische Belastungen geben. Auch bei der Therapie spielt Blut eine große Rolle: Beim blutigen Schröpfen, das ich etwa bei Muskelverhärtungen anwende, wird die Haut leicht eingeritzt und eine spezielle Glaskugel, in der ein Vakuum erzeugt wird, darauf gesetzt. So wird Blut angezogen, ausgeleitet – und damit auch die Giftstoffe, die es transportiert.« »Die Jagd ist wichtig für den Arten- und Naturschutz. Blut fließt dabei zunächst wenig« THOMAS SCHREDER J ÄG E R »Es fällt nicht leicht, ein Tier zu töten. Aber die Jagd ist wichtig für den Arten- und Naturschutz. Blut fließt dabei zunächst wenig. Wenn etwa ein Rehbock durch einen Schuss verwundet wurde, suchen wir nach winzigen Spuren an Blättern oder im Moos. Oft finden wir sie nur mithilfe eines Hundes. Ein verletztes Tier muss schnell erlöst werden – auch nach Unfällen auf der Straße. Nach dem Fangschuss wird sein Körper mit einem Jagdmesser geöffnet, um die Organe zu entnehmen und es ausbluten zu lassen. Rote Arbeit nennen wir das. Das Blut geht dabei nicht verloren. Ich fange es für Untersuchungen beim Veterinäramt und für die Ausbildung der Hunde auf. Der Jäger zollt dem Wild auch durch Traditionen wie dem Bruch Respekt: Dabei trennt er einen kleinen Zweig von einem Baum und teilt ihn in der Mitte. Ein Stück steckt er dem erlegten Tier als symbolische letzte Mahlzeit ins Maul, das andere trägt er, benetzt mit einem Tropfen Blut, an der Krempe seines Huts.« 12 »Blut ist eine Art Informationsträger der Seele, unser flüssiges Bewusstsein« U R S U L A H I L P E R T- M Ü H L I G HEILPRAKTIKERIN 13 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 »Man sieht schreckliche Dinge in meinem Beruf. Aber ich bin froh, dass meine Fallarbeit und Forschung dazu beitragen, Verbrechen aufzuklären« MARTIN SCHULZ F O R ENS ISCH ER B I O LOG E AM INSTITUT FÜR RECHTSMEDIZIN D E R U N I V E R S I TÄT M Ü N C H E N »Operationen werden immer unblutiger. Die Methoden, die Geräte – alles zielt darauf ab« PROFESSOR WERNER HARTWIG CHIRURG »Vor 20 Jahren war der Blutverlust bei einer Lebertransplantation so groß, dass man manchmal in Gummistiefeln im OP stand. Heute kann ich stundenlang selbst stark durchblutete Organe so operieren, dass der Patient nicht mehr als 300 Milliliter Blut verliert. Operationen werden immer unblutiger. Die Methoden, die Geräte – alles zielt darauf ab. Das fängt schon beim ersten Schnitt an: Statt mit einem Skalpell erfolgt dieser mitunter via elektrischem Messer. Niemand will viel Blut im Operationsfeld haben, das würde die Sicht beeinträchtigen. Generell ist Blut für mich etwas Positives: Während der Operation liefert es permanent Informationen über den Patienten, etwa zu Blutdruck, Sauerstoffgehalt und Organdurchblutung. Problematisch wird es nur, wenn der Körper zu viel verliert oder es nicht mehr dort ankommt, wo es benötigt wird: Wo zu wenig Blut ist, sterben die Organe.« 14 »Menschen lügen, Blutspuren nicht. Schussverletzungen verursachen zum Beispiel feinen Blutstaub, weil durch den Einschlag des Projektils Tröpfchen mit weit weniger als einem Millimeter Durchmesser aus der Wunde geschleudert werden. Bei stumpfen Gewalteinwirkungen finden wir größere, mehr oder weniger oval geformte Spritzer. Mit Luminol-Lösung, Licht bestimmter Wellenlängen und selbst entwickelten Methoden können wir Rückstände sichtbar machen, die sonst mit dem Auge nicht erkennbar wären. Mit Präzision und Gewissenhaftigkeit können wir viel erreichen. Dabei verlasse ich mich nicht auf Gefühle, sondern auf naturwissenschaftliche Methoden – das liegt mir. Natürlich sieht man schreckliche Dinge in meinem Beruf und vergisst manche Fälle nie. Aber ich habe ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden und bin froh, dass meine Fallarbeit und Forschung dazu beitragen, Verbrechen aufzuklären.« 15 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Rote Zahlen AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 12 PROMILLE ALKOHOL hatte ein Landwirt im Blut. Er wurde bei Lodz von einem Auto erfasst und konnte der Polizei sogar noch seinen Namen nennen. SO SCHNELL fließt das Blut in der Aorta Im Ruhezustand bei normalem Puls ist das Blut mit 20 Zentimetern pro Sekunde recht gemächlich in der Hauptschlagader unterwegs. Bei einer sportlichen Spitzenbelastung kann dieser Wert aber auf einen Meter pro Sekunde steigen. KILOMETER BLUTGEFÄSSE durchziehen den menschlichen Körper. Um diese gigantische Zahl zu erreichen, muss man allerdings alle Arterien, Arteriolen, Venen, Venolen und Kapillaren zusammenzählen. So schnell, so weit, so viel: elf bunte Fakten über das Blut TEXT CHRISTIAN GOTTWALT ILLUSTRATION STAR WORBS MILLILITER BLUT saugt ein medizinischer Blutegel, bis er satt ist. Stoffe im Speichel hemmen die Blutgerinnung, was bei kleineren OPs die Wundheilung verbessert. BLUTERKRANKE leben in Deutschland. Bei etwa der Hälfte der Patienten ist die Erkran kung so schwer, dass eine ständige medizinische Betreuung nötig ist. LITER BLUT hat ein Blauwal HÜFT-OPS OHNE SPENDERBLUT Durch »patientenorientiertes Blutma nagement« gelingt es vielen Kliniken, die Zahl von Transfusionen stark zu reduzieren. Ob künstliche Hüfte oder Herztransplantation – bei den meisten OPs fließt kaum noch Blut. TONNEN BLUTMEHL fielen 2014 in Deutschland als Nebenprodukt der Schlacht häuser an. Es wird verfüttert – an Fische, Pelz- und Haustiere. 1,5 LITERN BLUTVERLUST wird es für einen Menschen gefährlich, allerdings ist die genaue Menge individuell sehr unterschied lich. Den halben Liter Verlust bei einer Blutspende gleicht der Körper binnen fünf Tagen aus. 16 METER kann ein Hai Blut riechen BILLIONEN ROTE BLUTKÖRPERCHEN hat ein erwachsener Mann. Sie haben eine Lebensdauer von vier Monaten, danach werden sie in der Milz und in der Leber abgebaut. Imposante Zahlen vom Blauwal, dem größten Tier aller Zeiten. Sein Herz wiegt bis zu einer Tonne und pumpt mit jedem Schlag 1000 Liter Blut durch die Aorta. Ihr Durchmesser: bis zu 20 Zentimeter. Allerdings riechen sie nur Fischblut. Auf Menschenblut, so Meeresforscher, reagieren viele Hai-Arten überhaupt nicht. 17 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Bloody Business Wir haben einen Blutbeutel auf seiner Reise vom Spender bis zum Empfänger begleitet. Einblicke in einen keimfreien Wirtschaftszweig TEXT VERONIK A KELLER FOTOS SIMON KOY 0 18 Das Produktionsund Logistikzentrum des Roten Kreuzes in Unterfranken. Hier muss jede einzelne Spende einen DNATest absolvieren 19 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 A chim kann immer, auch wenn es heiß ist. Bei 50-Jährigen kann im Sommer der Kreislauf schlapp machen, aber Achim ist fit. Die Krankenschwester kommt, lächelt und greift seinen linken Arm. Routine für Achim, es ist seine 76. Blutspende. Im Lauf seines Lebens hat Achim dem Roten Kreuz 38 Liter Blut geschenkt. Hierzulande nimmt die gemeinnützige Organisation rund 70 Prozent aller Blutspenden entgegen, der Rest landet bei staatlichen oder privaten Institutionen. Achim will anderen helfen, und das kostet ihn ja nur eine halbe Stunde seiner Freizeit. Bekommen hat er für sein Blut nie viel, meistens einen Happen zu essen und ein kleines Präsent, heute wird er ein Glas Honig mitnehmen. Dass andere Blutspendedienste bis zu 25 Euro zahlen, interessiert ihn nicht. Was sein Blut wert ist, hat er sich noch nie gefragt. »Klar ist das fürs Rote Kreuz ein gutes Geschäft«, sagt die Krankenschwester Britta Vollmuth: »Aber die Spender wollen ja nichts dafür haben. Für die ist es, als ob sie zum Stammtisch gehen.« Voriges Jahr sammelte der Blutspendedienst 3,14 Millionen Spenden. Die gemeinnützige GmbH beschäftigt mehr als 3800 Mitarbeiter. Wie viel Gewinn es macht, veröffentlicht das Rote Kreuz nicht. Dreieinhalb Stunden lang wird in der Turnhalle von Iphofen gezapft, was das Zeug hält. Zwei Ärztinnen, vier Punktionskräfte, eine Laborantin und ein Fahrer sind im Einsatz, dazu Ehrenamtliche, die Bratwürste und Kaffee verteilen. 120 Spender werden kommen. Britta Vollmuth kümmert sich um Achim. Ihre Hände machen alles von allein: Vene finden, Nadel rein, warten, Nadel raus, fertig. Britta Vollmuth hofft auf viel Arbeit, denn im Sommer werden Konserven häufig knapp. Die Hitze, der Urlaub, schon gehen in den Kliniken die Vorräte zur Neige. 20 Die Krankenschwester hofft auf ein gutes Geschäft: Im Sommer wird das Blut oft knapp An der Quelle: Das Deutsche Rote Kreuz füllt mehr als drei Millionen Beutel pro Jahr Achims Blutwaage zeigt 500 an, der halbe Liter ist geschafft, er kann zur Bratwurstausgabe. Ab jetzt tickt die Uhr. Blut hält sich nicht lang, binnen 24 Stunden muss es weiterver arbeitet sein. Nachts um drei liegt im fränkischen Wiesen theid der Hund begraben. Nur in einem weißen Gebäudekomplex am Ortseingang ist Betrieb, im Produktions- und Logistikzentrum des Blutspendedienstes. Hier wird jede bayerische Spende auf Krankheiten untersucht und verarbeitet. Auch Achims Spende und die anderen aus Iphofen hat der Fahrer noch am Abend im Kühl-Lkw angeliefert. Noch enthalten die Beutel Vollblut, so wie es aus den Venen der Iphöfer kam, aber das wird sich jetzt ändern. G erhard Holzberger ist stolz auf seine hochtechnisierten Produk tionsräume. »Das Tolle ist, wie sauber und sicher alles funktioniert«, findet der Herstellungsleiter: »Das Blut wird verarbeitet, ohne je das Beutelsystem zu verlassen.« Bis in die 70er-Jahre lief das noch ganz anders. Gespendetes Blut wurde dem Empfänger so schnell wie möglich als »Warmblut« zugeführt, ohne Zwischenschritte. Heute setzen Ärzte auf »Hämotherapie nach Maß«. Patienten bekommen nur einzelne Bestandteile. »Das hat den Vorteil, dass man A Blutplasma wird bei minus 40 Grad eingefroren und kann jahrelang gelagert werden. Die anderen Blutprodukte sind viel empfindlicher AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 B Ein Mitarbeiter der Firma Biotest bei Frankfurt scannt jeden Beutel, der angeliefert wird. Das Unternehmen verwandelt Blutplasma in Medizin für Immunkranke eine Spende bis zu drei Mal verwenden kann, als Erythrozytenkonserve, als Plasma- und als Thrombozytenkonserve«, sagt Holzberger. Einer seiner Mitarbeiter zieht vorsichtig die Blutbeutel aus der Zentrifuge. Schütteln wäre jetzt schlecht, denn in den Beuteln haben sich zwei Schichten voneinander getrennt, die roten Erythrozyten und das hellgelbe Plasma. Im nächsten Schritt drückt eine Maschine die beiden Flüssigkeiten in unterschiedliche Kammern des Beutelsystems und trennt sie mit Schweißnähten. Aus einer Blutspende sind zwei Konserven geworden. Ohne Krankheits-Check gibt Gerhard Holzberger gar nichts frei. Zu hoch wäre das Risiko einer Hepatitis- oder HIV-Infektion. Sein Labor prüft das Erbgut jeder einzelnen Spende und sortiert infektiöses Blut aus. Erst dann dürfen die Konserven die Reise zu den Kliniken antreten. Blutplasma reist im schockgefrorenen Zustand bei minus 40 Grad und kann mehrere Jahre gelagert werden. Rote Blutkörperchen werden auf 4 Grad gekühlt und halten sich 42 Tage. Am empfindlichsten sind die Thrombozyten, die im Körper vor allem für die Blutgerinnung zuständig sind. Sie werden bei Raumtemperatur aufbewahrt und verfallen nach vier Tagen. L ydia Böhner verdreht die Augen. Sie sitzt am Telefon des Blutdepots im Klinikum rechts der Isar in München. Ein Praktikant fordert für den Nachmittag eine Blutkonserve an, dabei ist es erst elf Uhr. »Bei der Hitze kommt Blut erst auf die Station, wenn der Arzt es sofort transfundieren kann«, sagt die dunkelhaarige Frau. Lydia Böhner ist leitende Hent pro exi tori aut ommodipsa nonsequ at pore volum qunu llectem. Mque post et accum eiu. Jede Transfusion birgt Risiken. Deshalb versuchen Ärzte, sie möglichst zu vermeiden medizinisch-technische Assistentin im Blut depot. Man spürt den Respekt vor dem Produkt, mit dem sie hantiert. Wie jeden Morgen ist auch heute eine Lieferung vom Roten Kreuz gekommen. Für einen Beutel Erythrozyten zahlt das Klinikum etwa 85 Euro, bei einer besonders gefragten Blutgruppe wie 0 Rhesus negativ können es auch 20 Euro mehr sein. Im europäischen Vergleich ist Blut in Deutschland günstig. Ein paar Gänge weiter wird Wilhelm Kronschnabl gerade seine Prostata los – und eine Menge Blut dazu. Der 69-Jährige liegt auf dem OPTisch. Vor zwei Wochen hat sein Arzt den Krebs entdeckt und ihm zur Radikallösung geraten. Doch der Blutverlust könne in seinem Fall gefährlich werden, sagt die Anästhesistin Carolin Hartmann, denn Kronschnabl sei herzkrank. »Bei Blutmangel pumpt das Herz zum Ausgleich schneller. Das kann Probleme geben, schlimmstenfalls macht der Herzmuskel schlapp«, sagt die Ärztin. Andererseits birgt jede Transfusion ein winziges Infektionsrisiko und die Gefahr einer allergischen Reaktion. Deshalb entscheiden sich immer mehr Krankenhäuser für einen sparsamen Einsatz von Transfusionen. Auch bei Wilhelm Kronschnabl zögern die Ärzte die Transfusion so lange wie möglich hinaus. Doch im Aufwachraum wird klar: Es muss sein. Das Gesicht des Patienten ist so grau, dass die blassblauen Karos auf seinem Nachthemd fast grell wirken. Bevor Carolin Hartmann ihrem Patienten die Konserve geben darf, muss sie auf einem Teststreifen prüfen, ob Spender- und Empfängerblut zusammenpassen. Im Extremfall kann falsches Blut tödlich sein. Am Ende des Blutflusses Wilhelm Kronschnabl öffnet die Augen. Ob steht das fertige er an den Spender denkt? »Nein«, sagt er, »ich Immunglobulin. sehe es einfach als Medikament, das ich nun mal Sein Apothekenpreis brauche«, murmelt er und macht die Augen wieist erstaunlich der zu. Dann sagt er noch, dass er selbst ja auch jahrelang zum Blutspenden gegangen sei. AB »Eigentlich sieht es wie Wassereis aus«, grinst Mustafa Özdil. Der junge Mann steht mit Handschuhen und Anorak im tiefgekühlten Wareneingang der Firma Biotest in Dreieich bei Frankfurt und scannt Strichcodes. Von den hellgelben Plasmakonserven, die das Rote Kreuz herstellt, benötigen Kliniken nur etwa ein Drittel. Der Rest wird an Pharmafirmen wie Biotest verkauft, die daraus Medikamente herstellen. Miriam Rothenburger betrachtet die Lie ferung aus dem Iran, die Özdil einscannt. Bei Biotest ist sie für den Produktionsbereich zuständig und wundert sich manchmal über die Vorlieben einzelner Nationen. Die Iraner zum Beispiel wollen ausschließlich Medikamente aus iranischem Blut haben. »Wenn ich schwer krank wäre, würde ich mich freuen, das Medikament überhaupt zu haben«, sagt sie. Biotest produziert Immunglobuline, die bei Immundefekten die Abwehr stärken, sowie Gerinnungsmittel für Bluterkranke. Als einziges deutsches Unternehmen, das diese Medikamente produziert, macht Biotest damit fast 600 Millionen Euro Umsatz. In der Produktion sieht es aus wie in einer Brauerei: Rohrleitungen, die in silberne Kessel münden. In denen wird das Blutplasma Tausender Menschen verquirlt. Denn bei Immunglobulin ist eine große Bandbreite erwünscht. Je mehr unterschiedliche Antikörper das Medikament enthält, desto wirksamer ist es. Die Herstellung ist komplex. Erst nach gefühlten 100 Fällungen und Filterungen und ebenso vielen Qualitäts kontrollen werden die Medikamente in Fläschchen gefüllt. Im Licht der Kontrolllampe erinnert das Immunglobulin an den Honig, den der Blutspender Achim bekam. Nur ist dieses Gläschen deutlich teurer: In der Apotheke werden 100 Millil iter knapp 1000 Euro kosten. ■ 23 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 DIE AUGEN Die großen Facettenaugen ermöglichen gutes Bewegungssehen bei ausreichender Kontrastschärfe. Mücken »riechen« zwar, wo es was zu holen gibt, aber die tagaktiven Stechmückenarten sind auch optisch orientiert. Die stechen uns aus Eine Mücke, die gerade Blut saugt, ist leicht zu erledigen. Aber gegen alle Mücken hat der Mensch keine Chance. Als Gattung werden sie uns vermutlich überleben TEXT CLAUS-PETER LIECKFELD DIE FLÜGEL DAS JOHNSTONSCHE ORGAN Es erlaubt flugfähigen Insekten die Kontrolle ihrer Fluglage und der Fluggeschwindigkeit. Stechmücken können mit diesem Sinnesorgan sogar hören. Das ist wichtig für die Paarung, um den artspezifischen Sirrton des Partners erkennen und orten zu können. DER STECH- UND SAUGRÜSSEL An der Spitze sitzen Tastund Riechorgane. Aedes aegypti kann offenbar sogar Frauen- von Männerblut unterscheiden. Letzteres wird bevorzugt. 24 DIE TRACHEEN Ein Gewirr feiner und feinster Röhrchen im Chitinhemd besorgt den Gasaustausch zwischen Umwelt und Körperinnerem. Mücken sparen sich damit so komplizierte Dinge wie Blut, Lunge, Leber und Blutkreislauf. Das Sparpaket bringt allerdings nur bis zu einer gewissen Körpergröße Nutzen: der Hauptgrund, weshalb Insekten und Spinnen verhältnismäßig klein sind. Sie halten hohe Schlagfrequenzen aus, bis zu 600 mal und mehr pro Minute. Eine Kleinmückenart bringt es sogar auf 1000. AedesMücken, übel beleumundet als Überträger von Dengueund Gelbfieber, sirren geschlechtsspezifisch: Die Weibchen locken mit 400, die Männchen antworten mit 600 Schlägen pro Minute. Vor dem nur wenige Sekunden dauernden Geschlechtsakt schwirren sich beide auf einen Mittelwert ein. N eulich, ein schlechter Krimi: Der Kommissar fällt unter die Blutsauger. Ein Schwarm Stechmücken, die eben noch in der Sonne auf und ab tanzten, macht sich über ihn her. Schönes Bild, aber falsch. Denn Mücken, die im Pulk schwirren, sind männliche Tiere, die weder stechen noch Blut saugen. Das machen nur die Weibchen. Bei dem männerspezifischen Unvermögen handelt es sich um eine der genialen Sparmaßnahmen der Natur, wie sie im Weltreich der Insekten oft zu finden sind. Wenn die Männchen zur Art erhaltung nur winzige Samenspenden beitragen, brauchen sie nicht unbedingt Nahrung aufnehmen zu können. Was sie aus ihrem Vorleben als Larven mitbekamen, muss reichen. Das älteste bekannte Fossil einer Mücke mit fremdem Blut im Hinterleib ist 46 Millionen Jahre alt. 3500 verschiedene Arten bevölkern den Planeten und liefern einschüchternde Beispiele von Überlebenskraft. Stechmücken können Dinge, die sie eigentlich nicht können dürften. Zum Beispiel benötigen sie zur Vermehrung nicht immer ein stehendes Gewässer. Die Eier von Aedes vexans (übersetzt: lästiger Quälgeist) und Ochlerotatus sticticus (stechender Tunichtgut) können im trockenen Sand eines Überschwemmungsgebietes jahrelang überleben. Wenn es dort wieder feucht wird, kommt es zu explosions- artigen Massenvermehrungen, weil mehrere Generationen gleichzeitig schlüpfen. Nach einem Absturz ganzer Populationen schnell wieder auf Touren zu kommen, das bringt die Mücken auf die Siegerseite der Evolution. Und der Klimawandel führt sie auch dorthin, wo sie eigentlich nicht hingehören. In Freiburg haben soeben erstmals Asiatische Tigermücken (Aedes albopictus) überwintert. Die übertragen das üble Denguefieber und lebten bislang nur in äquatornahen Regionen. Auch die Asiatische Buschmücke ist bei uns heimisch geworden. Sie verbreitet vermutlich den West-NilVirus, einen Auslöser von Hirnhautentzündung. Und dann die Malaria: Seit ein paar Jahren taucht das »Kalte Fieber« auch in unseren Breiten auf. Die weiblichen Stechmücken der Gattung Anopheles werden meist auf dem Luftweg eingeschleppt und überleben lange genug. Bisher kam es nur zu sehr vereinzelten Infektionen, fast ausschließlich im Umfeld von Flughäfen – daher auch der Name »Flughafen-Malaria«. Die Mücken selbst machen nicht krank, sondern fünf Arten von Plasmodien in ihrem Inneren. Es sind einzellige, zellkernlose Parasiten namens Falciparum, Vivax, Malariae, Ovale und neuerdings auch Knowlesi. Einem Arzt dürfte eine Anopheles-Mücke wie ein fliegendes, infektiöses Spritzbesteck erscheinen. ■ 25 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Abstriche machen! Weltmeister Jérôme Boateng ist ein harter Verteidiger, aber Wattestäbchen sind ihm wichtiger als Blutgrätschen. Im »1890«-Interview erklärt der Fußballprofi sein Engagement gegen Krebs und andere Krankheiten INTERVIEW NICLAS MÜLLER Herr Boateng, muss man als Abwehrspieler Blut sehen können? Es schadet nicht, ich kann es jedenfalls. Eine Schramme, eine kleine Wunde am Schienbein, das habe ich oft. Und auch sonst sieht man als Profi häufiger Blut: zum Beispiel beim Laktattest auf dem Laufband. Da kommt der Doc und piekst dir ins Ohrläppchen. Der Tropfen wird untersucht, und die Laktatwerte geben zu erkennen, wie fit du bist. Gerade am Anfang der Saison werden auch andere Untersuchungen gemacht und alle Blutwerte durchgecheckt. Man erkennt sehr viel daran. Paul Ripke/DKMS Offensivdrang: FC-Bayern-Profi Boateng wirbt für die DKMS um neue Stammzellenspender Leider manchmal auch Trauriges, etwa Hinweise auf Blutkrebs. Kennen Sie persönlich jemanden, der daran erkrankt ist? Nein. Warum engagieren Sie sich dann dagegen? Mir ist es wichtig, dass ich helfen kann. Blutkrebs ist ein sehr schwieriges Thema. Einerseits ist die Krankheit tödlich. Andererseits lässt sie sich ganz gut bekämpfen. Was ist das Ziel der Kampagne »Fußball-Helden« der DKMS Deutsche Knochenmarkspenderdatei? Wir wollen Fußballspieler in den Vereinen dazu bringen, sich registrieren zu lassen. Wenn ein Blutkrebs-Patient einen Spender findet, gibt es eine große Chance, geheilt zu werden. Fast jeder Mensch hat einen genetischen Zwilling, der helfen könnte. Irgendwo gibt es ihn, aber keiner weiß es. Man muss nur einen Wangenabstrich im Mund mit einem Wattestäbchen machen und die Probe einschicken. Die DKMS speichert die Daten – und wenn man gebraucht wird, kann man mit einer einfachen Stammzellenspende ein Leben retten. Haben Sie das Wattestäbchen-Set schon in der Bayern-Kabine verteilt? Noch nicht. Aber das möchte ich unbedingt noch tun. Da könnte man noch viel mehr machen. Finden Sie, dass sich jeder Prominente für eine gute Sache einsetzen sollte? Ich denke schon, man hat da eine Pflicht: Wer in der Öffentlichkeit steht und viele Menschen erreichen kann, sollte Zeichen setzen, andere Leute aufrufen, eben seine Stimme und seine Präsenz nutzen. Aber das muss nicht jeder so sehen wie ich. 27 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Spender werden ist nicht schwer Stimmt der Eindruck, dass sich einige Prominente nur wohltätig zeigen, um ihr Image aufzupolieren? Kann sein. Aber selbst dann: Wenn es etwas Gutes bewirkt, sind die Gründe eigentlich egal. Bei mir kommt es immer von Herzen: Wenn ich ein Projekt zusage, identifiziere und beschäftige ich mich auch damit. Ich bekomme viele Anfragen und wähle bewusst aus, was zu mir passt, wobei ich mich wohlfühle und wo ich den Eindruck habe: Da passiert was, hier will ich helfen. Das sind nicht zehn Projekte, sondern zwei oder drei. Jede gute Sache verdient Hilfe, aber ich kann nicht alle unterstützen. Dafür fehlt uns Fußballern die Zeit, das wird manchmal unterschätzt. Wir arbeiten, haben viele Termine und auch ein Familienleben. Im Juli machten Sie auf Ihrer Facebook-Seite den Fall der 12-jährigen Rinah bekannt. Sie hat Blutkrebs und fand zunächst keinen passenden Spender. Wie waren die Reaktionen? Meistens positiv. Aber mir geht es nicht darum, gelobt zu werden. Sondern ich wollte, dass viele ihren Fall mitkriegen. Oft brauchen die Menschen einen Anstoß. Und wenn der dann von mir ist, freue ich mich. Hauptsache, es klappt. Ich glaube, für Rinah gab es gleich nach den ersten Tagen mehr als 3000 Leute, die sich regis triert haben und gern spenden würden. Haben Sie Kontakt zu den Eltern? Nicht direkt. Aber ein Bekannter der betroffenen Familie arbeitet beim FC Bayern. Und da tauscht man sich aus und fragt nach, wie es läuft. Inzwischen gab es eine wirklich gute Nachricht: Es wurde ein passender Spender gefunden. Außer gegen Leukämie setzen Sie sich auch gegen Fremdenhass ein, zum Beispiel in der Kampagne des Bundes »Gleiche Chancen. Immer«. Rassisten glauben ja, dass Blut etwas über den Wert eines Menschen aussagt. Ja, es ist wirklich traurig, dass es diesen Irrsinn heute noch gibt: Wir sind alle gleich viel Wert, egal welche Hautfarbe oder welche Herkunft oder welches Blut wir haben. Zum Glück sehen wir verschieden aus, sonst wär’s ziemlich langweilig. Haben Sie Rassismus am eigenen Leib erfahren? Klar, bei meiner Hautfarbe gab es schon mal Anfeindungen. Und das Thema ist leider immer noch nicht erledigt. Für mich vielleicht. Aber andere erleben das noch immer. Rassismus ist auch eine Art Krebs. Sie haben eine jüngere Schwester und drei Halbbrüder – gibt es Unterschiede im Umgang miteinander? »Klar, bei meiner Hautfarbe gab es schon mal Anfeindungen. Rassismus ist auch eine Art Krebs« 28 Ich bin mit meiner Schwester aufgewachsen, das ist der einzige Unterschied. Ich spreche nie von Halbbrüdern, nur weil sie eine andere Mutter haben als ich. Sie sind meine Brüder, und ich liebe sie genauso wie meine Schwester. Im Fußball hört die Liebe aber auf. Ihr Bruder Kevin-Prince Boateng spielt für Ghana. Vor dem WM-Spiel 2014 gegen Sie sagte er, es werde ein »Kampf bis aufs Blut«. Das hört sich schlimmer an, als es gemeint war. Wenn man mal an die Belastungsgrenze geht und hart spielt, dann treten die Adern hervor und der Schweiß fließt – mehr passiert doch in einem Fußballspiel selten. Der Kampf gegen Blutkrebs, das ist ein wirklicher Kampf bis aufs Blut. Da geht es um Leben und Tod, nicht in einem Spiel, selbst bei der WM nicht. Sagt Ihnen eigentlich der Begriff »Blutgrätsche« etwas? Ja, aber ich habe noch nie eine gemacht. Und noch nie einen Gegenspieler so verletzt, dass er schlimm geblutet hätte. Kennt Ihr Trainer Pep Guardiola das Wort? Ich glaube nicht. Darf bei ihm überhaupt noch gegrätscht werden? Nur im äußersten Fall und wenn man sich sicher ist, den Ball zu spielen. Am Anfang meiner Karriere gab es noch schlimmere, versteckte und dreckige Fouls, die wurden kaum oder weniger hart bestraft als heute. Der moderne Fußball ist schneller geworden, und wer am Boden herumgrätschen muss, stand vorher meistens falsch. Beim Grätschen verlierst du Zeit und bist eine Weile aus dem Spiel. Ich brauche das eigentlich nie. In gewisser Weise ist der Fußball unblutiger geworden. ■ U KOL MN E Die Allianz Krankenversicherung unterstützt die Deutsche Knochenmarkspenderdatei unter www.dkms.de im Kampf gegen Blutkrebs Alle 16 Minuten erhält ein Mensch in Deutschland die Diagnose Blutkrebs. Viele Patienten sind Kinder, deren einzige Chance auf Heilung eine Stammzellenspende ist. Doch jeder fünfte Patient findet keinen Spender. Deshalb brauchen wir Sie! Heilungschancen Blutkrebs ist der Sammelbegriff für eine Reihe bösartiger Erkrankungen des blutbildenden Systems. Es gibt aber gute Heilungschancen. Voraussetzung: Der Patient findet einen passenden Stammzellenspender. Fast jeder Mensch hat einen sogenannten »genetischen Zwilling«, der als Spender infrage kommt. Spendersuche Die DKMS registriert potenzielle Spender in ihrer Datei, bislang sind es rund fünf Millionen. Grundsätzlich kann sich jeder gesunde Mensch zwischen 17 und 55 Jahren registrieren lassen. Typisierung Um als Spender infrage zu kommen, müssen zunächst die Gewebemerkmale bestimmt (typisiert) werden. Hierfür wird ein Wangenabstrich benötigt, der dann ins Labor geschickt wird. Unter www.dkms.de kann jeder ein WattestäbchenSet anfordern, den Abstrich selbst vornehmen und die Probe einschicken. Registrierung Die Gewebemerkmale werden in anonymisierter Form im Zentralen Knochenmarkspender-Register in Ulm (ZKRD) gespeichert und stehen weltweit für Patientenanfragen zur Verfügung. Sollten die Gewebemerkmale eines potenziellen Spenders mit denen eines Patienten übereinstimmen, werden nach Rücksprache weitergehende Untersuchungsschritte eingeleitet. Therapie In den meisten Fällen (ca. 80 Prozent der Fälle) lassen sich die für die Therapie benötigten Stammzellen aus dem Blut gewinnen. Seltener ist eine Stammzellenentnahme aus dem Beckenknochen und dafür eine etwa einstündige OP unter Vollnarkose notwendig. Wie unterstützt die Allianz? Für die ersten 100 Leser von »1890«, die sich bis Jahres ende 2015 als potenzielle Spender registrieren lassen, übernimmt die Allianz Private Krankenversicherung die Kosten der DKMS. Bitte geben Sie bei der Registrierung an, dass Sie durch »1890« auf die DKMS aufmerksam wurden. Die Bestimmung der Gewebemerkmale im Labor inklusive Typisierung, Material, Logistik und Personal kostet die DKMS 50 Euro pro Neuaufnahme. Dies wird nur durch Geldspenden finanziert. Bewegt euch! Unser Kolumnist Gerhard Delling kämpft diesmal gegen ein Volksleiden: die Bequemlichkeit D iabetes. Mancher wird bei diesem Stichwort wahrscheinlich gleich weiterblättern wollen. Es geht ihn ja vermeintlich nichts an. Ein schwerer Irrtum. In Deutschland sind nicht nur mehr als sechs Millionen Menschen an Diabetes erkrankt, sondern fast jeder fünfte Betroffene weiß gar nichts davon. Dazu kommen rund 270.000 Neuerkrankungen pro Jahr – Tendenz steigend. Jede Stunde sterben in Deutschland drei Menschen an Diabetes. Dieses Drama ist nur möglich, weil wir uns zu wenig bewegen. Das gilt laut Statistik für – Achtung: drei Viertel der Bundesbürger! Die Deutsche DiabetesHilfe hat weitere Daten: Ein Mensch sollte mindestens 10.000 Schritte pro Tag machen, dann ließe sich Diabetes eindämmen. In der Realität sind es aber gerade einmal um die 2000 Schritte pro Tag. Wir sitzen uns zu Tode. Unsere Kinder verbringen fast vier Stunden täglich vor dem PC oder Fernseher, Erwachsene sitzen mehr als doppelt so lang davor. Weil an den Schulen nur wenig Sport unterrichtet wird – gerade einmal 2,3 Stunden pro Woche – ist der Anteil der Sportmuffel und Bewegungsverweigerer auf über 50 Prozent der Bevölkerung gestiegen. Das sind Zahlen – da muss man sich erst einmal hinsetzen. Aber bitte nicht zu lange. In meiner Jugend war ich gezwungenermaßen fast ausschließlich zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs, heute stauen sich die Autos vor jeder Schule. Der Wohlstand macht uns zunehmend träge. Glücklich macht er uns nur, wenn wir in Bewegung bleiben. ■ 29 Lipidprofil Blutgruppenbestimmung ABO/RhD Test auf Würmer und Parasiten Vancomycin AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Harnsäure Triglyceride Cyclosporine, A Nukleäres-Antigen-Antikörper, RNP Anti-Müller-Hormon (AMH) Helicobacter pylori, IgG, Serum Alpha-Fetoprotein (AFP), Serum (Mutter) Cholinesterase Propoxyphen Homocystein Valproinsäure Hämoglobin (HGB) Benzodiazepine, Blut Glucose Kalium Transferrin Enterohämorrhagisches E.-coli-Toxin mit Ausschlussdiagnostik auf E.coli-Serogruppe O157 in Kultur IgA, Serum Urinanalyse, vollständig, mit Ausschlussdiagnostik in Kultur und auf Empfindlichkeit Methadon-Metabolit Test auf okkultes Blut im Stuhl Alanin-Aminotransferase (ALT/SGPT) Hepatitis B Surface Antigen (HBsAg), total Hepatitis B, DNA, quantitativ Varicella-Zoster Antibody Amphetamine Trizyklische Antidepressiva, Urin Insulin Gamma-Glutamyl-Transferase Thyroxin-bindendes Globulin Hochempfindlicher Assay für C-reaktives Protein (hsCRP) Luteinisierendes Hormon HIV-1, RNA, quantitativ Hämogramm 2 Amylase Calcitonin Thyreoglobulin Eisen Östron Partielle Thromboplastinzeit (PTT) Testosteron, freies Masern (Masern-Antikörper), IgG Magnesium Adenovirus-DNA, quantitativ Acetaminophen Zytomegalievirus (CMV) Antikörper, IgG Karzinoembryonales Antigen (CEA) Lipoprotein niedriger Dichte (LDL) Mikroalbumin/Kreatinin im Spontanurin Kohlendioxid Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG) D-Dimer, quantitativ Zytomegalievirus (CMV) Antikörper, IgM Bilirubin, gesamt RPR mit Ausschlussdiagnostik TP-PA Chlorid Laktat-Dehydrogenase Bilirubin, direkt Albumin Wachstumshormon (HGH) Ammonium Alpha-1-Antitrypsin, gesamt Stoffwechselprofil (BMP) Alpha-1-saures-Glykoprotein Hepatitis-B-Core-Antigen, gesamt (Anti-HB-Core) Tuberkulose; QuantiFERON-TB Gold In-Tube Toxoplasma, IgG Rheumafaktor, gesamt Eisenbindungskapazität Piiiiiiks! 30 Elizabeth Holmes wollte niemandem wehtun und hat deshalb ein Blutanalyse-Verfahren entwickelt, für das wenige Tropfen reichen. Ihre Erfindung machte sie zur Milliardärin – und zur Bedrohung für etablierte Konzerne. Ein Selbstversuch beim Aderlass à la Silicon Valley TEXT FELIX ZELTNER 31 ACTH (adrenocorticotropes Hormon) Reproduktionsmonitoring-Panel AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Differentialblutbild, automatisch Geburtshilfe-Panel Phosphor, anorganisch Theophyllin Varicella-Zoster-Antikörper E nola in Pennsylvania. Das Gesundheitszen trum von Capital Blue Cross, einem lokalen Versicherer, steht zwischen Highway und Laubwald. Es ist neu, hat im Juli eröffnet. Gymnas tikraum, Healthy Café, Kids’ Zone. Kunst an der Wand. Ich bin der einzige Kunde. Eine Rezeptionistin steht be reit. Zu Theranos, bitte. Sie führt mich vorbei an drei gläsernen Büros zu einer Tür mit einem kleinen Fenster. Dane ben sind beleuchtete Buchstaben mon tiert: Theranos. Ein Wortspiel aus »therapy« und »diagnosis«. Das kleine o in Theranos ist ein Tropfen – in Tür kis. Nichts hier soll an Blut erinnern. »Ich glaube, wenn wir von einem anderen Planeten kämen und überle gen würden: ›Wie können wir die Leutchen hier foltern?‹ Dann kämen wir auf das Konzept, eine Nadel in je manden hineinzustechen und langsam sein Blut herauszusaugen, während er dabei zuschaut.« So sagt es Elizabeth Holmes, die Gründerin von Theranos, in Interviews. Für diesen Artikel wur den sämtliche Gesprächsanfragen ab gelehnt. Dennoch erklärte sie bereits öffentlich, dass sie Angst vor Nadeln habe, schon ihre Mutter und ihre Groß mutter seien beim Anblick von Blut ohnmächtig geworden. Außerdem fin det Holmes herkömmliche Bluttests zu teuer, unpraktisch und anstrengend. Die Blutindustrie setzt in den USA 70 Milliarden Dollar pro Jahr um. Holmes ist das Genie, das die Riesen der Branche ärmer machen will. Sie träumt von einer Welt ohne Krebs dank Früherkennung und von einer personalisierten Medizin, in der Medi kamente auf persönlichen Daten beru hen und nicht auf Industriestandards. Sie hat das Blutabnehmen neu erfun den, der vorläufige Höhepunkt in einer Biografie, die Schwindel bereitet. 1984 geboren, lernt sie noch in der High School fließend Mandarin. Ihre Kommilitonen im Chemieingeni 32 Östradiol Glucose-Toleranz-Test (GTT) Test auf Gestationsdiabetes, 2 h, 75 g Alkalische Phosphatase (ALP) Thyreoperoxidase-Antikörper (TPO-AK) Alpha-Fetoprotein (AFP), Serum (Onkologie) Natriuretisches Peptid Typ B (BNP) Lipoprotein hoher Dichte (HDL) Umfassendes Screening-Panel für STI Tumormarker 15/3 (CA 15/3) Epstein-Barr (EBV) Antikörper-Panel Cholesterin Gentamicin Geburtshilfe-Panel mit HIV-1/HIV-2-Antigen/Antikörper-Kombitest hCG – humanes Choriongonadotropin, Blut, qualitativ Endomysium-Antikörper, IgG Kollagen-Verbindungen eurstudium in Stanford überholt sie so schnell, dass sie bereits im ersten Studienjahr bei den Doktoranden mit forscht. 2003, mit 19, beantragt sie ihr erstes Patent: aus einem Tropfen Blut multiple Ergebnisse gewinnen und diese elektronisch an Ärzte übertra gen. Die Technik dahinter nennt sich Lab-on-a-Chip – kleinste Flüssigkeits mengen werden auf einen Mikrochip gegeben und ausgelesen. Mit zwanzig bricht sie ihr Studi um ab und gründet mit dem Ersparten ihrer Eltern Theranos. Ihr früherer Chemieprofessor hilft, sechs Millionen Dollar von Risikokapitalgebern im Si licon Valley einzusammeln. 2007 wird Holmes’ erstes Patent eingetragen. Im selben Jahr bekommt sie 400 Millio nen Dollar weiteres Kapital und ver klagt drei Mitarbeiter wegen Verun treuung von Firmengeheimnissen. Kaum Blut vergießen: oben eine Probe im Labor. Unten die 31-jährige Gründerin Elizabeth Holmes. Wie immer in Schwarz Erst 2014, rund zehn Jahre nach der Gründung, geht Theranos an die Öf fentlichkeit. Heute steht Holmes’ Name auf 83 Patenten. Sie hält über 50 Pro zent an ihrer Firma, deren Wert auf neun Milliarden US-Dollar geschätzt wird, was die 31-Jährige laut ForbesListe zur jüngsten Selfmade-Milliar därin der Welt macht. Ihr Chemiepro fessor hat den Lehrstuhl in Stanford aufgegeben – er arbeitet Vollzeit für seine ehemalige Studentin. Brianna öffnet die Tür, bevor ich klopfen kann. Sie trägt einen weißen Kittel, darunter ein türkises OP-Shirt. Auf einem s-förmigen Tisch steht eine weiße Plastik-Orchidee. Neben ihrem Schreibtisch läuft Wasser über eine Glaswand. Yogamusik wabert. »Das hat alles Elizabeth ausgesucht«, sagt Brianna. »Sie legt Wert darauf, dass man sich entspannt. Für mich bist du kein Patient, sondern Gast.« Wir set zen uns. Sie stellt sich als Phlebotomis tin vor, gelernte Blutabnehmerin, frü her Rotes Kreuz, jetzt Theranos. Ich gebe ihr mein Rezept. Per Klick gibt sie der Firmenzentrale in Palo Alto Be scheid. Von dort wird mein Arzt in New York angerufen, um sicherzuge hen, dass er das Rezept wirklich aus gestellt hat. »CBC« steht darauf, Com plete Blood Count, ein Standardbluttest. Der Besuch beim Arzt kostete 125, der Bluttest bei Theranos 4,75 Dollar. Lä chelnd schiebt Brianna die Geschäfts bedingungen über den Tisch und holt ein iPhone mit Bezahlaufsatz aus der Schublade. »Bar oder Kreditkarte?« In Zukunft sollen Kunden auch ohne Rezept untersucht werden kön nen, sagt sie, so wie im US-Bundesstaat Arizona. Dort betreibt Theranos mit der Drogeriekette Walgreens mehr als 50 Praxen. Brianna wurde nach Penn sylvania versetzt, um hier die ersten Kunden zu betreuen. Sie ist die Vorhut von Theranos an der US-Ostküste. Anfangs verdiente das Unterneh men sein Geld damit, für Pharmafir Mein Blut ist jetzt Teil der Revolution und fließt in der Matrix. Vielleicht bestelle ich gleich noch einen Test nach men Daten auszuwerten. Inzwischen bietet Theranos mit etwa 800 Ange stellten eine komplette Leistungskette an: Blutabnahme, Analyse, Ergebnis übermittlung zum Patienten (per i Phone-App) und Arzt (Fax). Anders als etwa bei Siemens, das seine Blut testgeräte bei der US-Gesundheitsbe hörde FDA genehmigen lassen muss und so die Technologie dahinter preis gibt, bleibt Theranos bislang weitge hend autonom, die Technik nebulös. M anche Analysten sa gen daher, Theranos habe nichts Großarti ges erfunden, mache lediglich gute PR für ein Produkt zu Dumpingpreisen. Andere wiederum vergleichen Elizabeth Holmes mit Apple-Gründer Steve Jobs. Fest steht: Frau Holmes’ Gespür für Blut durchbricht preislich und zeitlich alle bisherigen Standards, macht viele für andere Firmen lukrative Zwischen schritte überflüssig – und den Ader lass angenehm. Im Kämmerchen neben Briannas Büro setze ich mich auf einen cremefar benen Ledersessel und schaue auf einen Kühlschrank mit Codeschloss, einen Plastikbambus und einen gigantischen TV-Screen, auf dem niedliche Fische zwischen bunten Korallen schwimmen. Holmes selbst soll weder einen Fernseher noch Haustiere besitzen. Es wird berichtet, dass sie in einer Drei zimmerwohnung in Palo Alto lebt, kaum ein Sozialleben hat, keine Bü cher liest, nie Urlaub nimmt und sich vegan ernährt, am liebsten von einem pulverisierten Präparat aus Gurke, Pe tersilie, Kohl, Spinat, Sellerie und Kopfsalat. Sie trägt stets Schwarz. Brianna steckt meinen linken Mittel finger in ein Wärmepolster, um die Durchblutung zu fördern. »Patent Re served« steht darauf. Sie hält mir einen pink verpackten Pikser und ein durch sichtiges Plastik-Ypsilon vor die Nase. Darüber dürfe ich nicht reden, sagt sie. Firmengeheimnis. Neben ihr steht ein Schild: »No Photography«. Sie tupft meinen Finger mit Al kohol ab und pikst mich im Bruchteil einer Sekunde. Ein kleiner Schmerz, die Nadel sehe ich nicht. Ein Tropfen Blut steht auf meiner Fingerkuppe. Sie hält das Ende des Ypsilons an den Tropfen, und das Blut fließt durch zwei winzige Kanäle in die Enden des Ypsilons. Sie tupft noch einmal behut sam an meinen Finger, lässt einen weiteren Tropfen abfließen. Dann zerteilt sie das Ypsilon und entnimmt einen kleinen, doppelzylindrigen Be hälter. Der »Nanotainer«, nicht ein mal anderthalb Zentimeter lang. Sie sperrt ihn in eine weiße Box im Kühl schrank, meine ist die einzige Probe darin. Pflaster auf meinen Mittelfin ger. Fertig. Am Abend danach eine E-Mail: »Your results are available.« Mein Blut ist bereits im Labor von Theranos im Silicon Valley analysiert worden. Ich öffne die App und blicke auf ein Dut zend Werte, weiße Blutkörperchen, rote Blutkörperchen. Auf den Skalen visualisiert ein Punkt meine Gesund heit. Alle Ergebnisse sind im türkis farbenen Bereich, das sieht gut aus, ich brauche meinen Arzt gar nicht mehr zu fragen, Theranos ist ja da. Mein Blut ist jetzt Teil der Revolution, fließt in der Matrix. Vielleicht bestelle ich gleich noch einen Test nach. Ich scrolle durchs Menü, das klingt interessant, »Testoste rone Total«, nur 17,75 Dollar. ■ 33 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Ekeln Sie sich auch vor Blut? Jeder hat es, keiner mag es. Der Arzt und Bestsellerautor Werner Bartens über die Macht und die Magie des Blutes TEXT WERNER BARTENS FOTOS INGO ROBIN 34 Niemand will Blut sehen. Weshalb wir hier auch keines zeigen AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 D as Laken hängt da wie eine Trophäe und wird triumphal zur Schau gestellt. Jeder soll es sehen am nächsten Morgen. Rot auf Weiß, da gibt es keinen Zweifel mehr. Blut klebt daran, das Blut aus der Hochzeitsnacht. Glück gehabt, noch mal alles gut gegangen, sie war noch Jungfrau. Falls doch nicht, wird gerne mal nachgeholfen, ein Schnitt in den Finger oder zwei, schon bleibt der Schein gewahrt und die Verwandtschaft kann sich zufrieden zeigen. Während Blut ansonsten außerhalb des Körpers zuverlässig Abscheu verursacht, weil es alles dreckig macht und verunreinigt, verwandelt sich der rote Fleck als Bestandteil der mediterranen Brautschau in ein erlösendes Symbol. Der Fleck als Zeichen der Unbeflecktheit – welch schöne Dialektik der Körpersäfte. In den meisten anderen Situationen wird Blut als eklig empfunden, vor allem, wenn es sich dort befindet, wo es nicht hingehört – auf statt unter der Haut, als sichtbares Zeichen einer Ver- »Wenn Blut nicht in geordneten Bahnen verläuft, ist es bäh, igitt, eklig « letzung, in Unterhosen, auf dem Ärmel, in einer Binde, auf einem Verband. Erst wenn es kanalisiert wird, gilt Blut auch außerhalb des Körpers nicht mehr als unangenehm. Der Blutstropfen, den sich der Diabetiker aus der Fingerkuppe presst, wird nicht als eklig empfunden. Ebenso wenig wie das Blut, das aus der Vene in die Spritze fließt, in Dialyseschläuchen zirkuliert oder sich in anderen medizinischen Gefäßen befindet. Schützt man den Menschen vor direktem Kontakt, wirkt Blut sauber, geradezu steril. 36 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Wenn eine Madonna blutige Tränen weint, grenzt das oft an ein Wunder Manchmal kommt eine Ersatzflüssigkeit zum Einsatz, wie in jener Werbung für Binden, in der statt Menstruationsblut eine durchsichtige, blaue Flüssigkeit gezeigt wurde. Transparent war hier nur das vergossene Nass, der Rest des Clips war Täuschung und Tarnung. Bloß nicht zu deutlich werden, wenn es ums Untenrum geht, aseptisch soll das alles aussehen, nicht nur sauber, sondern rein. Ich kann doch kein Blut sehen. Wir alle können kein Blut sehen. Dabei kommen wir zur Welt nicht nur »zwischen Kot und Urin«, wie schon die Kirchenväter in aller Deutlichkeit auf Lateinisch feststellten, sondern auch von Kopf bis Fuß mit Blut verschmiert. Aber auch das will keiner sehen. Wenn nicht gerade eine hyperrealistische ArteDoku läuft oder eine Benetton-Werbung provozieren will, geht eine Geburt in der medialen Darstellung ohne Blutvergießen über die Bühne: Die Frau macht ein bisschen Radau, schon quäkt das Baby im Off. Dann wird es ihr rosig und vor allem sauber in den Arm gelegt. Man muss es so deutlich sagen: Niemand will Blut sehen, es sei denn, er ist Schlachter, Henker oder Chirurg. Wenn es nicht in situ, also in seinen natürlich geordneten Bahnen verläuft und in den Venen, Arterien und Kapillaren pulsiert, die Organe durchströmt und das Gewebe nährt, ist Blut bähbäh, igitt, eklig. Dabei zeigen wir die einzige zuverlässige Ekelreaktion dann – auch das eine hübsche Pointe unserer Physiologie –, wenn Blut am falschen Ende in den Körper gelangt und verschluckt wird. Daher, liebe Mamas, Kindergärtnerinnen und Grundschullehrerinnen, aufgepasst: Hat ein Kind Nasenbluten, bitte nicht den Kopf in den Nacken legen. In dieser Haltung kann Blut in den Rachen fließen, verschluckt werden und in den Magen gelangen. Und das löst bei manchen Menschen reflexhaft einen Brechreiz aus. Wunden haben hingegen ihre eigene Ästhetik. Es war einer der erhabensten Einschnitte in der Filmgeschichte, als sich Winnetou und Old Shatterhand die Unterarme aufritzten, aneinander drückten und zu Blutsbrüdern wurden. In 37 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 der Realität war dieses Ritual nordamerikanischen Ureinwohnern unbekannt, es war Brauch bei den Germanen, Skythen und Mongolen. Auch die Mutter aller Blutgrätschen hat für Fußballfreunde bis heute einen gewissen Reiz. Im August 1981 brachte Norbert Siegmann von Werder Bremen seinem Gegner Ewald Lienen eine 25 Zentimeter lange Fleischwunde im Oberschenkel bei und sah dafür nicht mal eine Gelbe Karte. Die Wunde sah wirklich schlimm aus, aber nach 23 Nadelstichen und 17 Tagen Pause konnte Ewald Lienen wieder trainieren. Im modernen Fußball sind Blutgrätschen dank verbesserter Technik selten geworden, zwischen 1998 und 2012 sank die Zahl der Grätschenfouls in der Bundesliga von über 1000 auf unter 400. B lut ist wohl der widersprüchlichste Körpersaft, den wir in uns haben. Den Sanguiniker, nach der antiken Viersäftelehre zufolge von einem Übermaß an Blut durchströmt, macht es aufbrausend und vital, heiter und lebhaft. Er kann kaum an sich halten, so heizt ihm der rote Treibstoff ein. Blut gilt weltweit als Zeichen für Lebensmut und Tatkraft – und der Ausdruck »blutleer« bezeichnet das blasse und langweilige Gegenteil. Ist zu viel vom roten Stoff vorhanden, gerät der Mensch in einen psychischen Ausnahmezustand, den Blutrausch, und steigert sich in einen hemmungslosen Furor aus Zerstörungslust und Gewalt, der geradezu nach dem Blut der anderen verlangt. Oder nach dem letzten, dem größten Opfer: »Ich habe nichts anzubieten außer Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß!«, rief Winston Churchill in seiner berühmten Rede vor dem britischen Unterhaus im Juni 1940 seinen Landsleuten zu, um die letzten Kräfte gegen Nazi-Deutschland zu mobilisieren. Rot ist die Farbe der Agilen und Aktiven, zugleich die der Attraktiven und von der Natur Begünstigten. Am Baum verspricht die Signalfarbe Rot die reife Frucht, im Gesicht des Gegenübers auch Gesundheit, Fruchtbarkeit und mittelfristig robuste Nachkommen. Dieses evolu- 38 tionäre Muster ist so tief in uns verankert, dass Lippenstifte und Rouge noch immer unwiderstehlich wirken und jeder anderen Farbe in ihrer Signalwirkung überlegen sind. Beurteilen männliche Probanden am Computer Frauen nach ihrer Attraktivität, wählen sie zuverlässig jene mit den symmetrischen und rosig unterlegten Gesichtszügen, auch wenn sie die Damen nur für Bruchteile von Sekunden auf dem Bildschirm betrachten können. Auch in vielen anderen Situationen löst Rot erstaunliche Reaktionen aus: Anhalterinnen werden öfter und schneller mitgenommen, wenn sie rote Kleidung tragen. Bedienungen in einem Restaurant bekommen ein Drittel mehr Trinkgeld, wenn sie ein rotes T-Shirt tragen anstelle eines identisch geschnittenen Oberteils in Weiß, Gelb, Grün, Blau oder Schwarz. Eine ähnliche Wirkung lässt sich selbst bei männlichen Bedie- » Moderne Vampire würden vermutlich von ihren Opfern ein ärztliches Attest verlangen « nungen beobachten. Auch wenn Kellner rote Westen tragen, fällt ihr Trinkgeld höher aus. So sehr Blut der Inbegriff der Lebenskraft ist, so sehr kennzeichnet es auch höchste Gefahr, wenn man ihm zu nahe kommt. Blut kann infektiös sein und fiese Krankheiten wie Hepatitis oder Aids übertragen. Blutsaugende Stechmücken übertragen exotische Krankheiten oder lauern – wie die Zecken – im heimischen Unterholz und können mit ihrem Speichel gefährliche Erreger in das Blut des Opfers einschleusen. Während frühere Helden nach erfolgreichem Kampf das Blut ihrer Gegner tranken, um die Kraft und Stärke der toten Rivalen auf den eigenen Körper und die eigene Gruppe übergehen zu lassen, würde man heute selbst das Blut eines Alles gut mit dem Blut. Aber nur, solange es den Körper nicht verlässt AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Wer sich selbst erkennen will, lässt sich vom Arzt ein großes Blutbild machen Freundes nur ungern berühren wollen, Winnetou hin oder her. Wer weiß, welche Bedrohung der rote Saft verbirgt? Moderne Vampire würden heutzutage wahrscheinlich auf einem Gesundheitsattest ihrer Opfer bestehen. Färbt sich die Haut rot, hat das vielseitige Bedeutungen: Es kann die keusche Schamesröte der Wangen sein oder der »Sex Flush« nach dem Liebesspiel, wenn sich die Kapillaren erweitern und das Gesicht einfärben. Zeigt sich hingegen das Rote auf der Oberfläche der Haut nur als feiner Strich, könnte das auf eine Blutvergiftung hindeuten. Allerdings übertreibt hier die Volksweisheit die Bedeutung von Rot und Blut gehörig. Wenn der rote Strich das Herz erreicht, fällt man nicht tot um, denn so weit kommt der Strich gar nicht. In bedrohlichen Fällen breitet sich eine Blutvergiftung im ganzen Körper aus, aber die Keime gelangen über das Adergeflecht in die Tiefe des Körpers und lassen sich deshalb nicht unter der Hautoberfläche erkennen. Blut ist mit der Vielzahl der ihm zugeschriebenen Bedeutungen so überladen, dass es zwangsläufig zum Pars pro Toto für alles Körperliche geworden ist. Das »eigene Fleisch und Blut« bezeichnet die eigenen Kinder und Kindeskinder, von Blutschande spricht man, wenn enge Verwandte Inzest begehen. Beide Male steht das Blut für den Lebensstoff, der das Eigene vom Fremden unterscheidet. Ähnlich verhält es sich mit der Blutrache, die sich auf die ganze Familie bezieht und dazu führen kann, dass auch unbeteiligte Verwandte in Clan-Kriegen niedergestreckt werden. A us physiologischer Sicht ist es richtig, dass Blut dicker ist als Wasser, aber das Sprichwort will auf die besondere Stärke verwandtschaftlicher Beziehungen hinweisen. Auch im Verhältnis von Völkern und Nationen stellt das Blut eine symbolisch immens aufgeladene Körperflüssigkeit dar. Seit Jahrhunderten streiten sich Volksgruppen über die angebliche Reinheit ihres Blutes, kämpfen gegen »fremdes« Blut an, beklagen Blutopfer oder fordern gar Blutzoll und empören sich, wenn ihr »eigenes« Blut vergossen wird. Obwohl sich zum Zweck der Fortpflanzung andere Körpersäfte vermischen, wird immer nur vom Blut gesprochen, das die Menschen familiär oder ethnisch verbindet. Das eigene »Fleisch und Blut« steht über Generationen für das Erbe der Eltern und Ahnen. So mythisch raunend das Blut völkisch aufgemotzt daherkommt, in der Medizin hat es sich in jüngster Zeit zum Zeichen für den großen Durchblick entwickelt. Genanalysen, Biomarker und nicht zuletzt das große und das kleine Blutbild sollen Auskunft darüber geben, ob alles mit uns und in uns stimmt. Der Glaube an die Aussagekraft dieser Tests ist nahezu unbegrenzt, sodass ein ebenso lukrativer wie zwielichtiger Markt hier entstanden ist. Etliche Scharlatane treiben ihr Unwesen mit Blutanalysen, die auf einen vermeintlichen Vitamin- oder Hormonmangel, auf Alterungsprozesse oder schlummernde Tumorzellen hinweisen sollen. Dabei sollte ein statistischer Zusammenhang nicht vergessen werden: Je mehr Werte ein Blutbild enthält, desto größer wird naturgemäß die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Werte aus den vorgegebenen Normwerten fällt. Blut ist lebenswichtig, unersetzbar. Es ist »ein ganz besondrer Saft«, wie Goethe die dunkelrote Körperflüssigkeit nannte. Das gilt im Guten wie im Bösen. Blut transportiert Nährstoffe und Sauerstoff, muss zu jedem Organ und noch zur letzten Zelle des Körpers gelangen, sonst stirbt das Gewebe dort ab. Zudem ist Blut wohl die einzige Körperflüssigkeit, deren Bestandteile so beeinträchtigt sein können, dass der Mensch krank wird – sind die roten Blutkörperchen defekt, kommt es zu Anämien; Störungen der weißen Blutkörperchen und anderer Blutbestandteile führen zur Leukämie. Und Blut muss immer unter Druck stehen, vom Herz im richtigen Maße durch den Körper gepumpt werden. Liegt der Druck zu hoch, droht Gefahr für Herz, Hirn und Nieren. Liegt er zu niedrig, werden Füße und Hände kalt, der Mensch ist der Ohnmacht nahe. Das Blut wird in jüngster Zeit zusehends von kleinteiligeren Bedeutungsträgern abgelöst. »Ich habe wohl irgendein Gen, das auf Selbstzerstörung programmiert ist. In regelmäßigen Abständen gewinnt dieses Gen die Übermacht«, antwortete Rocksänger Joe Cocker einmal auf die Frage, ob er Ärger magisch anziehe. Zu Beginn seiner Karriere hätte er vermutlich noch gesagt, diese Autoaggression läge ihm im Blut. Bei Stéphanie von Monaco diagnostizierte die »Bunte« ein »Unglücksgen«, bei Steffi Graf ein »Glücksgen«. » Der Glaube an die Aussagekraft eines Blutbildes ist nahezu unbegrenzt « In Zeiten, da kaum eine Woche vergeht, in der nicht über die Entdeckung eines Gens für was auch immer berichtet wird, werden das Verhalten und der Charakter von Menschen immer häufiger mit ihren Erbmolekülen erklärt. Die Gene haben das Blut als Trägerstoff für bestimmte Eigenarten abgelöst, da spielt es keine Rolle, dass im Blut fast alle Gene zu finden sind. Die Eigenheiten des Menschen erklärt neuerdings die Molekularbiologie, also die Wissenschaft von den Genen – und nicht mehr die Hämatologie, wie die Lehre vom Blut und seinen Erkrankungen in der Fachsprache heißt. Erklärungsversuche und Legenden, dass bestimmte Eigenschaften angeboren sind, gab es schon immer. Neu ist allerdings, dass nicht mehr nur das Blut dazu herhalten muss, religiöse, weltanschauliche oder ethnische Gruppen zu diskriminieren, ihnen Gewalt anzutun oder die eigene Familie, Sippe, Stammeszugehörigkeit hervorzuheben. Hinweise darauf, dass Fähigkeiten wie Intelligenz und andere Eigenschaften vermeintlich biologisch begründet sind, ziehen immer. Man hat es im Blut – und wenn nicht, dann eben in den Genen. ■ 41 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Wie viel Risiko steckt in uns? INTERVIEW DANIEL ASCHOFF AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Eine ganze Menge, wissen die beiden Allianz Experten Olaf Hottinger und Berthold Schröder. Ein Gespräch über Mathematik, Bluthochdruck und Bungee-Springen Herr Hottinger, Herr Schröder, wie wichtig ist Blut für Sie? Schröder: Blut ist kostbar, kann heilen und man kann daraus sehr genaue Dia gnosen und Therapieempfehlungen ableiten. Aber von Blut geht auch ein hohes Risiko aus. Welches Risiko? Hottinger: Wir hätten es deutlich leichter, wenn es Leukämie, Bluthochdruck oder Anämie nicht gäbe. Aber sie existieren nun mal, und wir untersuchen gemeinsam mit den Versicherungsmedizinern, in welcher Ausprägung diese Erkrankungen vorliegen und welches Risiko sie darstellen. Wie berechnen Sie die Gefahr, dass jemand Blutkrebs bekommt und seine BU, also seine Berufsunfähigkeitsversicherung, in Anspruch nehmen muss? Schröder: Die Häufigkeit, an Leukämie zu erkranken, ist altersabhängig. Bei den 20- bis 24-Jährigen erkranken in Deutschland jährlich 1,4 Personen pro 100.000 Einwohner. Zwischen 50 und 54 sind es bereits fünf Betroffene, von 60 bis 64 Jahren sogar über 14. Aber nicht jede Leukämieform ist gleich: Die günstigste Heilungsrate von bis zu 90 Prozent hat beispielsweise die Sonderform Promyelozytenleukämie. Mit diesem Wissen versorgen wir die Aktuare, die das in die Berechnungen einbeziehen. 42 Klingt, als müssten Sie viel rechnen. Hottinger: Durch statistische Erfassung lässt sich ermitteln, wie häufig und wie verbreitet eine Krankheit auftritt. Wir arbeiten hier eng mit den Rückversicherern zusammen, die auf Basis klinischer Studien untersuchen, mit welcher Wahrscheinlichkeit zum Beispiel Bluthochdruck zu einer Berufsunfähigkeit führen wird. Müsste so ein Kunde mehr zahlen? Schröder: Man kann das gut anhand eines 30-jährigen normalgewichtigen Bürokaufmanns vorrechnen, der eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente von 1500 Euro bis zum Alter von 65 Jahren absichern möchte: Liegt sein Blutdruckwert oberhalb des Normalbereichs bei 155 zu 95, zahlt er im Vergleich zu einem Gesunden rund 29 Euro mehr pro Monat. Bei 155 zu 100 wird es für ihn rund 59 Euro teurer. Woher bekommen Sie die Zahlen für Ihre Risikoberechnung? Schröder: Wir verwenden die offizielle Todesursachenstatistik, dazu Daten der Gesundheitsberichtserstattung des Bundes, die Invaliditätsursachen der Deutschen Rentenversicherung, die Empfehlungen des Rückversicherers und Untersuchungen des eigenen Versichertenbestandes. Immerhin Dr. Berthold Schröder, 52, arbeitet bei der Allianz Leben als leitender Gesellschaftsarzt. Sein persönliches Bluterlebnis: Nadelstichverletzungen während seiner Zeit in der Klinik – und die Sorge, sich dabei infiziert zu haben Dr. Olaf Hottinger, 49, leitet im Fachstab der Allianz Leben das Risikomanagement. Sein persönliches Bluterlebnis: Seit er im Kindesalter erfahren hat, wie Blutwurst gemacht wird, hält er sich davon fern bestehen bei der Allianz allein rund drei Millionen Verträge im Bereich der Berufsunfähigkeitsvorsorge. Zur Risikoprüfung genügen meist ein paar Gesundheitsfragen. In welchen Fällen wird auch das Blut potenzieller Kunden untersucht? Hottinger: In den allermeisten Fällen sind keine Blutuntersuchungen nötig. Nur ab einer bestimmten Versicherungssumme und ab einem gewissen Alter sind verschiedene Blutwerte gefordert, etwa Blutfette, Kreatinin, Leberwerte, Entzündungswerte und auch ein HIV-Test. Bei einer RisikoLebensversicherung ist das beispielsweise ab 350.001 Euro der Fall. Was müssen Sie noch berücksichtigen? Schröder: Wir müssen bei der Risikokalkulation immer auch neue Therapieformen bewerten. Ein Beispiel ist die personalisierte Medizin, die sich durch eine spezialisierte Diagnostik und eine auf den einzelnen Patienten und seine Erkrankung zugeschnittene Therapie günstig auf die Risikoeinschätzungen auswirken kann. Kann ein HIV-Infizierter eine Risiko lebensversicherung bekommen? Hottinger: Noch vor zehn Jahren gab es praktisch keine Versicherungsgesellschaft, die HIV-Positiven ein Angebot für eine Risikolebensversicherung gemacht hat. Heute aber ist HIV nicht mehr zwingend tödlich, sodass wir das Todesfallrisiko absichern können. Auch Hobbys können blutig enden. Welche gehen gar nicht, wenn man BU-Schutz genießen will? Hottinger: Bungee-Jumping als bestehendes Hobby versichern wir in der BU nicht. Dagegen ist Drachenfliegen versicherbar, aber nur mit Zuschlag. Gleiches gilt für bestimmte Arten des Tauchens. Bei der Risikoberechnung sind für uns die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Unfalls und der Schweregrad des Schadens entscheidend. Das Risiko errechnet sich aus dem Produkt von relativer Ereignishäufigkeit und Folgenschwere. Die Gefahr beim Bungee-Jumping besteht im Reißen des Sprungseils, dem Einsatz nicht geeigneter Seile oder falscher Sicherungen. Beim Drachenfliegen spielen die Wetterabhängigkeit und die Absturzgefahr eine große Rolle. Wie sieht es mit Bergwandern aus? Hottinger: Ist überhaupt kein Problem. Hochtouren sind anders zu bewerten: Wenn es auf den Mount Everest gehen soll, dann stellt das schon eine extreme Herausforderung für den Organismus dar. Hochtouren auf mehr als 5000 Meter werden daher in der Risikobewertung berücksichtigt. Anfang der 90er-Jahren waren HerzKreislauf-Erkrankungen noch eine der häufigsten Gründe für Berufsunfähigkeit. Wie sieht es heute aus? Schröder: Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen aktuell auf Rang fünf der BU-Ursachen. Sie sind zuletzt etwas nach hinten gerückt, auch weil sich die Diagnose und Therapie der koronaren Herzerkrankung und des Blutdrucks verbessert haben. In der Rangliste liegen aktuell Erkrankungen wie Depressionen, Bandscheibenvorfälle und Krebs vorn. ■ 43 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Blaues Blut Pfeilschwanzkrebse leben seit 500 Millionen Jahren auf der Erde. Sie gelten als Urahn der Skorpione und Spinnentiere Ein lebendes Fossil steht im Dienst der Pharmaindustrie. Die zapft ihn massenweise an »Der Pfeilschwanzkrebs wird so groß wie ein Pizzateller und sieht aus wie ein Stahlhelm mit Augen« 44 Bildnachweis: William J. Boch/Oxford Scientific/Getty Images TEXT FELIX ZELTNER FOTOS ANDREW TINGLE Gliedertiere haben kein Eisen im Blut, sondern Kupfer – daher die blaue Farbe 45 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 In North Carolina holen Fischer jedes Exemplar per Hand aus dem Meer. Bei der Spende (unten) hängen sie in Reih und Glied Dieses Tier lebt noch. Sein Hinterteil wurde vorsichtig umgeklappt B lau ist im Tierreich die seltenste Farbe, und blaues Blut haben nur ein paar Superstars: Hummer, Oktopus, Tarantel, Skorpion. Das vielleicht faszinierendste blaublütige Tier aber kennen nur wenige: den Pfeilschwanzkrebs. Er wird so groß wie ein Pizzateller, sieht aus wie ein Stahlhelm mit Augen und steht im Mittelpunkt eines millionenschweren Geschäfts, das im Meer beginnt und auf den Konten von Pharmafirmen endet. Die Fischer entlang der Ostküste Nordamerikas jagen die Krebse nachts, im Sommer, während der Paarungszeit. Wenn sie am Strand und im flachen Wasser keine finden, fahren sie mit kleinen Motorbooten zwei, drei Kilometer aufs offene Meer hinaus und ziehen Schleppnetze hinter sich her, bis sich ganze Haufen der sperrigen Kreaturen darin verfangen haben. »Sie sind leicht zu fangen«, sagt Kapitän George Doll, Fischer und Bürgermeister von North port, nordöstlich von New York City. »Nichts an ihnen ist giftig. Sie sind langsam und wehren sich nicht.« Doll fischt seit 1963. In den 90er-Jahren war die Krebspopulation stark dezimiert, seither gibt es Fangquoten. »Wir dürfen nur noch um die 150.000 Tiere pro Saison fangen, im ganzen Bundesstaat New York. Wir müssen Formulare ausfüllen, Zahlen angeben, aber es wird viel gelogen, es gibt einen Schwarzmarkt. Die Preise gehen durch die Decke. Früher brachte einer 25 bis 50 Cent. Heute sind es bis zu 4 Dollar.« Umgerechnet 3,50 Euro für ein Lebewesen aus dem Erdaltertum, Urahn sämtlicher Skor pione und Spinnen. Meistens saugt es wie ein Schwimmbadroboter den Meeresgrund ab. Der Pfeilschwanz- oder Hufeisenkrebs existiert in ähnlicher Form seit dem Kambrium, dem Erdzeitalter vor einer halben Milliarde Jahren, in dem sich die Großkontinente Gondwana und Laurasia aneinander rieben. Nordamerika er- 46 » Sie sind leicht zu fangen. Sie wehren sich nicht « GEORGE DOLL Fischer auf Long Island, New York 47 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Vor dem Aderlass wird jeder einzelne Krebs von Seepocken befreit Im Wasserbad werden zusätzlich Schlamm und Sand entfernt 48 reichte seine heutige Position vor etwa 20 Millionen Jahren. Die Krebse reisten mit. Als vor ungefähr zweieinhalb Millionen Jahren die ersten Frühmenschen auftauchten, hatte das Urvieh mit seinen zehn Augen Eiszeiten überlebt und auch die Dinosaurier kommen und gehen gesehen. 1956 entdeckte der US-Mediziner Frederick Bang, der an den Krebsen forschte, dass sich das Blut eines toten Exemplars in eine gelartige, halbfeste Masse verwandelt hatte. Er fand he raus, dass aus dem Krebsblut ein Gel wurde, sobald es mit winzigsten Mengen von Endotoxinen – also Bakteriengiften aller Art – in Kontakt kam. Gemeinsam mit einem Kollegen entwickelte er ein simples und schnelles Bakterientestverfahren und nannte es LAL, Limulus Amebocyte Lysate, nach dem lateinischen Namen des Krebses, Limulus polyphemus. Die Entdeckung veränderte die Pharma industrie. Denn bis dahin waren neue Medikamente und Impfstoffe in den USA an Kaninchen getestet worden. Man injizierte den Tieren die fragliche Substanz und wartete 48 Stunden. Traten bei den Kaninchen erhöhte Körpertemperaturen auf, waren die Medikamente durchgefallen. Seit es LAL gibt, hat die US-Gesundheitsbehörde das aufwendige und tierethisch fragwürdige Verfahren nicht mehr zwingend vorgeschrieben. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Europäische Arzneibuch-Kommission empfehlen den Einsatz von LAL. Trotzdem wurden 2012 in Europa noch 110.000 Kaninchen dem Test auf Bakteriengift unterzogen. M it dem medizinischen Fortschritt wächst auch der Anspruch der Pharmaindustrie auf mehr und mehr blaues Blut. Es gibt vier Arten von Pfeilschwanzkrebsen. Die Art an der Ostküste der USA und im Golf von Mexiko gilt noch nicht als bedroht, über die drei Arten vor der Südostküste Asiens liegen den Artenschützern keine ausreichenden Daten vor. Allerdings werden vor allem in Taiwan und Hongkong die Krebse gerne gegrillt und verspeist, was deren Population schrumpfen lässt. In den USA enden die meisten Krebse als Köder für Aale und Meeresschnecken an den An- gelhaken von Berufsfischern, nicht immer legal. Der Anteil der Pharmaindustrie ist stark reguliert. Nur vier Firmen sind berechtigt, Krebse bluten zu lassen, etwa eine halbe Million Exem plare dürfen sie pro Jahr dafür fangen. Einer der industriellen Blutsauger ist der Pharmariese Lonza in Walkersville, unweit der Küste des US-Bundesstaates Delaware. In den dortigen Gewässern schwimmen geschätzt neun Millionen Pfeilschwanzkrebse, die weltweit größte Population. »Für uns ist wichtig, dass die Tiere kühl bleiben. Deswegen fischen wir nachts«, sagt Allen Burgenson, Blaublutfachmann bei Lonza. »Wir verladen die Krebse im Hafen direkt vom Boot in einen gekühlten Lastwagen.« Nach der Bluternte werden die Krebse wieder freigelassen D er chauffiert den Fang ins LonzaLabor nach Salisbury, etwa 45 Minuten von der Küste entfernt. Dort binden Mitarbeiter die Tiere mit Lederriemen auf Werkbänken fest. Bei jedem einzelnen klappen sie vorsichtig das bewegliche Hinterteil um, sodass die einzige Öffnung im Panzer freiliegt. Mit einer Kanüle stechen sie direkt ins Herz der Krebse. Das Blut fließt in Glasflaschen ab, pro erzwungener Spende etwa 100 Milliliter oder 30 Prozent der Gesamtmenge im Tier. »Der Aderlass dauert nur ein paar Minuten«, sagt Burgenson, »dann bringen wir sie zurück ins Meer. Insgesamt sind die Tiere nur etwa 24 Stunden aus dem Wasser.« Worüber er ungern spricht: Die Todesrate beim Aderlass liegt bei 15 bis 30 Prozent. Daher betont er lieber, dass die Tiere nicht im Fangrevier freigelassen werden, sondern an einem anderen Ort, um ihnen einen weiteren Aderlass zu ersparen. Im Labor wird das Blut zentrifugiert, mit firmengeheimen Substanzen versetzt und gefriergetrocknet, sodass am Ende ein Pulver ent- 30 Bis zu 30 Prozent der Krebse überleben die zwangsweise Blutspende nicht steht, das Lonza für die LAL-Tests verkauft. Ein Liter des fertigen Produktes soll 13.000 Euro wert sein, die Umsätze der beteiligten Firmen addieren sich zu geschätzten 45 Millionen Euro. Studien zufolge lässt die Produktivität der Krebse an der Ostküste nach, was am Aderlass liegen könnte. Dies führt aber nicht nur dazu, dass die Gesamtzahl der Krebse leicht sinkt, sondern auch, dass Millionen Zugvögel, die sich auf ihrem Weg nach Norden befinden, weniger Nahrung bekommen – sie ernähren sich von den am Strand abgelegten Krebseiern. Pfeilschwanzkrebse, vernetzt im Nahrungskreislauf, scheinen in Gefahr. Die Zucht der Tiere in Gefangenschaft ist bislang gescheitert. Auch deshalb wird nach Alternativen gesucht. Seit 2012 ist der Monozyten-Aktivierungstest auf Basis menschlichen Blutes in der EU zugelassen, und Hyglos, ein Start-up aus Bernried am Starnberger See, will mit einem Test namens EndoLISA die Pfeilschwanzkrebse schonen. Es braucht Zeit, die Medikamentenhersteller von den neuen Tests zu überzeugen, zu schnell und zu einfach funktionieren die etablierten. Vor 250 Millionen Jahren haben die Pfeilschwanzkrebse ein Massenaussterben überstanden, das 95 Prozent aller Tierarten im Meer dahinraffte. Sollten sie jetzt auch noch den Menschen überleben, haben sie gute Chancen auf die nächsten 500 Millionen Jahre. ■ »Für uns ist wichtig, dass die Tiere kühl bleiben. Deswegen fischen wir nachts« ALLEN BURGENSON Krebsfischer und Blaublutfachmann 49 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Alles klar Unser Autor, ein erfahrener Bartender, verrät, wo es die beste Bloody Mary gibt – und mit welchem Trick er ihr die rote Farbe wegzaubert TEXT CIHAN ANADOLOGLU FOTOS SILVIO KNEZEVIC D ie beste Bloody Mary, an die ich mich erinnern kann, habe ich in Tokio getrunken, in der Bar Mimitsuka. Man muss da allerdings jemanden kennen, der einen mit hineinnimmt. Dort wurde alles à la minute gemacht: der Tomatensaft, der Zitronensaft, das Chiliöl. Man konnte sich den Schärfegrad aussuchen, auf einer Skala von eins bis zehn. Der Bartender hat die Tomaten frisch gepresst und den Saft durch ein Doppelsieb laufen lassen, sodass er ganz dünnflüssig wurde. Der Saft schmeckte angenehm süß und hatte ein vollkommenes Tomatenaroma. Dann hat der Bartender den Cocktail geworfen. Das Werfen ist eine alte Bartechnik, durch die der Drink einen mittleren Grad zwischen gerührt und geschüttelt bekommt, mit perfekter Temperatur und Konsistenz. Wer beim Werfen einer Bloody Mary zusieht, will sofort auch eine haben. Ziemlich enttäuscht war ich von der Bloody Mary in Harry’s New York Bar in Paris. Der Barmann hatte den Drink in größeren Mengen vorgemischt. Dabei wurde die Bloody Mary in dieser Bar erfunden, von Fernand Petiot im Jahr 1921. Zehn Jahre später ging Petiot nach New York, in die King Cole Bar. Der Hotelbesitzer mochte aber 50 den Namen Bloody Mary nicht und benannte sie in »Red Snapper« um. Außerdem wurde sie dort mit Gin gemacht, eine Folge der Prohibition. In jedem Fall streiten sich die beiden Bars bis heute, wo die Bloody Mary denn nun wirklich erfunden wurde. Wer recht hat, ist nicht wichtig, denn auch in der King Cole Bar ist mir mal eine fertig vorgemischte Bloody Mary begegnet. Vielleicht sollte man Bars, die sich rühmen, einen Klassiker erfunden zu haben, einfach meiden. Die leben zu sehr in der Vergangenheit. Im Lauf der Jahrzehnte sind viele Varianten entstanden. Es gibt Bloody Marys mit dehydrierten Gurken, eingelegten Cornichons, Olivenpaste oder ganzen Oliven. Und mit den unterschiedlichsten Spirituosen: die Bloody Maria mit Tequila, die Bloody Maru mit Sake oder den Bull Shot mit Rinderkraftbrühe. Wer mag, kann die Bloody Mary auch mit Aquavit bestellen, ich finde, das harmoniert sehr gut. Für meine durchsichtige Variante experimentiere ich gerade mit grünen Tomaten, die ich in den Entsafter gebe und den Saft anschließend filtriere. Und mit einem Rotavapor, einem Medizingerät, das in der Molokularküche verwendet wird. Wenn man darin Tomaten destilliert, wird ihr Saft so klar wie Wasser. ■ Das soll eine Bloody Mary sein? So verliert der CocktailKlassiker seine blutrote Farbe. Eine Anleitung Chilischoten halbieren und zwei Tage in Wodka einlegen. Den Saft von 300 Gramm Tomaten mit 5 bis 6 cl hochwertigem Wodka und dem Saft einer halben Biozitrone mischen. Die Zitrone mit der Hand zerdrücken. Vorsicht, dass dabei kein Zitrusöl in den Drink gelangt. Mit einigen Tropfen des Chili-Wodkas schärfen. Die Mischung in einen Rotavapor füllen und destillieren. Zum Servieren den Rand eines Longdrinkglases mit rosa Himalayasalz und Schrot vom tasmanischen Pfeffer dekorieren Cihan Anadologlu war Barchef im Hotel Vier Jahreszeiten und im Schumann’s in München. In Sachen Barkultur berät er Hoteliers von Hongkong bis New York. Im Herbst eröffnet er in der Alten Börse in München seine erste eigene Bar 51 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Preisgekrönt: Marcus Benser in seiner Neuköllner Blutwurstmanufaktur Ritter der Blutwurst Marcus Benser ist ein ausgezeichneter Metzger. Sogar französische Gourmets verehren seine Berliner Spezialität. Ein Werkstattbesuch zwischen extrafein und ziemlich grob TEXT KERSTIN LEPPICH FOTOS RAGNAR SCHMUCK M arcus Benser hat sich he rausgeputzt, denn es ist sein großer Tag. Wir schreiben das Jahr 2004, hier darf man es so altertümlich ausdrücken, und der Fleischer aus Berlin-Neukölln tritt vor die versammelten Würdenträger im Ratssaal von Mortagne-au-Perche. Es ist eine kleine Gemeinde in der Normandie, und Benser trägt, dem Anlass angemessen, seinen besten Anzug – plus Kittel jacke. Als der Metzger vorn im Saal angekom men ist, spricht er mit fester Stimme: »Auf Rost und Bratspieß schwöre ich, dass ich für alle Zei ten und an allen Orten die Blutwurst verteidi gen will und mich für die Erhaltung höchster Qualität und höchster Güte einsetzen werde.« Schließlich hebt der Großmeister vor ihm einen Bratenspieß, einen Meter lang und golden. Die Insignie geht auf Bensers rechter, dann auf sei ner linken Schulter nieder. Er ist von nun an: Blutwurstritter. Die französische Gourmetorganisation Confrérie des Chevaliers du Goûte Boudin, die Bruderschaft der Blutwurstritter, fördert seit 1963 den Erhalt und den Ruf der speziellen Fleischware. Zu diesem Zweck richtet sie all jährlich einen internationalen Wettbewerb aus, an dem bis zu 600 Fleischer teilnehmen. Benser errang insgesamt 15 Titel, darunter dreimal hin tereinander den höchsten für die beste Blut 53 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 wurst Europas. 2004 schließlich wurde er in den Kreis der Bruderschaft aufgenommen. Elf Jahre nach der Zeremonie steht Benser in seinem Geschäft am Rande des Karl-MarxPlatzes: »Der Ritterschlag war ein erhabener Moment für mich«, sagt er. Goldene Gabeln oder Pokale sucht man in seinem Laden vergeblich. Brimborium liegt ihm eigentlich nicht. Benser versucht lieber, seinem Eid hinter der normaler weise verschlossenen Werkstatttür gerecht zu werden. Hier entstehen die Würste, die er bei spielsweise an Kolja Kleebergs Berliner Restau rant Vau, den Münchner Ratskeller und das Bundespräsidialamt liefert. Was einst ein Armeleuteessen mit Igitt-Potenzial war, ist unter an derem mit Bensers Hilfe zur Delikatesse avan ciert: »Meine Blutwurst schmeckt der Neuköllner Hausfrau ebenso wie dem Vor standsvorsitzenden des DAX-Unternehmens«, sagt der Berliner mit thüringischen Wurzeln. S eine Werkstatt ist viel größer, als der Verkaufsraum erwarten lässt. An blank polierten Edelstahltischen ge hen Mitarbeiter zu Werke, einer zerteilt gerade eine Schweinehälfte. Es sieht aus wie in der Kü che eines Riesen: Schneebesen und Rührlöffel – alles wirkt überdimensioniert. 700 Blutwürste produziert die Manufaktur an einem Sommertag. In den kalten Monaten ist es die dreifache Menge. Blutwurst ist eine typische Winterspeise. Deren Herstellung beginnt gegen Ende des Tages, wenn Filets und Kottelets längst verarbei tet sind. Liebhaber würden sagen: Das Beste kommt zum Schluss. Eine schöne Schweinerei. 50 Liter Blut stehen in Eimern in der Ecke bereit. Rot und gar nicht klumpig, es ist schon abge kühlt. Das Rühren hat eine Maschine in der Schlachterei erledigt. Kalt bleibt der rote Saft flüssig. Benser hält dem Besucher eine Schweine schwarte vor die Nase: »Das ist alles Kollagen!« Zwischen den gerollten Hautschichten hat sich während des fünfstündigen Kochens eine gal lertartige Masse abgesetzt. Benser drückt hi nein, die Masse gibt nach und nimmt wieder ihre ursprüngliche Form an. Kollagen ist ein Stoff, der gern in Anti-Aging-Cremes verwendet wird, weil er die Haut straffen soll. »Was mei 54 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 nen Sie, wieso Fleischereiverkäuferinnen glatte Gesichter haben?«, fragt Benser. In seiner Re zeptur sorgt Kollagen für die richtige Bindung. Künstliche Emulgatoren oder Zusatzstoffe kom men dem Metzger nicht in die Wurst. Eimerweise schüttet er Speck in den Fleischwolf, dann eine kinderwannengroße Schüssel Zwiebeln hinterher. Den nächsten Schritt erledigt die Maschine. Sie mahlt die Zu taten in kleine, nicht zu feine Stücke. Der Brei landet in einem Bottich. Zuletzt gießt Benser die rote Flüssigkeit darüber, die der Spezialität ih ren Namen gibt. Blut besteht zu 18 Prozent aus Eiweiß und hat einen hohen Magnesiumanteil. Selbst wenn es unappetitlich klingen mag: Blut ist nahrhaft. Es zu vergeuden, kommt für Metzger Benser nicht infrage. Die Massai in Afrika trinken das Blut ihrer Rinder sogar pur. Dafür ritzen sie die Adern eines Tieres an und entnehmen nie mehr, als es verkraften kann. Das Überleben des Stam mes könnte davon abhängen. Blutverzehr hat auch in Europa Tradition. Die erste literarische Erwähnung einer Wurst mit der roten Zutat liegt fast 3000 Jahre zurück. In Homers Odyssee heißt es: »Ziegenmägen lie gen im Feuer, die wir zum Nachtmahl hingelegt, nachdem mit Fett und mit Blut wir sie füllten.« Selbst wenn es unappetitlich klingen mag: Blut ist nahrhaft. Es zu vergeuden, kommt für Metzger Benser nicht infrage »Qualität muss man jeden Tag unter Beweis stellen. Die strengste Jury sind für mich die Kunden« im 17. JAHRHUNDERT brachten Hugenotten die Blutwurst nach Berlin, die eigentlich ihren Ursprung in Frankreich hat. 700 BLUT WÜRSTE produziert die Manufaktur an einem Sommertag. In den kalten Monaten ist es die dreifache Menge. 15 TITEL errang Benser insgesamt für seine Blutwürste. Die französische Gourmetorganisation Confrérie des Chevaliers du Goûte Boudin, die Bruderschaft der Blutwurstritter, nahm ihn 2004 in ihren Kreis auf. Anders als die griechischen Helden verwendet Benser Blut und Fleisch vom Schwein: »Viel hat sich nicht verändert. Blutwurst ist immer noch ein ziemlich archaisches Produkt«, sagt er. Schwarte, Zwiebeln, Blut sind die Hauptbestand teile. Dazu kommt Bensers Gewürzkomposition, selbst Mitarbeiter kennen die Rezeptur nicht. Sie stammt vom Großvater, der seine Lehrjahre einst in der Hauptstadt verbracht hatte. Dort lernte der Thüringer, Berliner Blutwurst zu machen, die ihren Ursprung eigentlich in Frankreich hat: Hugenotten brachten sie im 17. Jahrhundert nach Berlin. Bensers Wurst ist bis heute eine multikultu relle Angelegenheit: Nelken aus Sansibar, Pfeffer aus Brasilien, wo der schärfste überhaupt wächst. Sein Majoran, auch Wurstkraut genannt, kommt aus Thüringen. Zwei Scheffel davon sollen jetzt noch einmal in die Wanne. Der Chef zerreibt das Gewürz zwischen den Händen. »Nur so können sich die ätherischen Öle entfalten«, sagt er. D er Ertrag des Wurstkrauts aus dem Harz fällt sehr unterschiedlich aus, die Preise schwanken. »Egal wie teuer er ist, ich lasse nicht von meinem Thürin ger Majoran.« An der Qualität Abstriche zu ma chen, rechne sich nicht: »Da spart man CentBeträge auf Kosten des Geschmacks.« Schließlich schaufelt der Meister die gewürzte Masse in die Wurstspritze. Die Maschine portion iert das Ge misch computergesteuert und füllt es in Rinder darm. Damit eine Wurst daraus wird, muss der Darm am Anfang und Ende abgedreht werden – manuell. Während die Wurstspritze arbeitet, erledigen das die geübten Hände des Fleischers im Sekundentakt. In die Normandie reist Ritter Benser fast nur noch als Juror. Das schließt die Teilnahme an den Wettbewerben aus. »Qualität muss man jeden Tag unter Beweis stellen. Die strengste Jury sind für mich sowieso die Kunden«, sagt der Meister, während ihm ein Geselle eine frisch gebrühte Wurst für die tägliche Verkostung auf den Tisch stellt. Bensers Gabel versinkt in der dunklen Masse, nichts spritzt, die Wurst zer geht auf der Zunge. Der Ritter lächelt. »Genau so muss sie sein.« ■ 55 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Schürfwunde Sei still Früher dachte man, Wunden heilten an der Luft am besten. Heute wird eine feuchte Umgebung geschaffen, sodass sich kein Schorf bildet. Reinigen Sie die verletzte Stelle zunächst mit einer physiologischen Kochsalzlösung oder mit lauwarmem Wasser. Danach desinfizieren und mit einer Wundauflage verschließen, etwa mit HydrokolloidPflastern. Und sehen Sie im Impfpass nach, ob der Patient gegen Tetanus geschützt ist. Dr. Wolfgang Klee, Hautarzt Was tun, wenn Blut f ließt? Sechs Experten erklären, wie man Wunden professionell versorgt TEXT SANDRA MICHEL ILLUSTRATIONEN JAN BAZING Zahnfleischbluten ist eine entzündliche Reaktion auf bakterielle Zahnbeläge. Wenn man richtig putzt, passiert nichts. Der Zahnarzt kann sagen, in welcher Reihenfolge die Flächen geputzt werden, welche Technik und welche Instrumente verwendet werden sollten. Die Zwischenräume können am besten mit Zahnseide oder Interdentalbürstchen gereinigt werden. Professor Dr. Peter Eickholz, Parodontologe der Universität Frankfurt Cut Nasenbluten Ein Nasenspray mit Xylometazolinhydrochlorid kann die Blutung stillen, weil sich die Gefäße zusammenziehen. Oder Sie drücken die Nase in der Mitte zusammen. Immer gut: kühlen, etwa einen Eiswürfel lutschen. Auf keinen Fall den Kopf in den Nacken legen oder das Blut schlucken. Das löst Brechreiz aus. Sie können auch von einem Tampon rechts und links etwas abschneiden und die Stücke entlang des Gaumens nach hinten schieben – nicht nach oben zur Stirn. Bei starkem Nasenbluten sollten Sie zum HNO-Arzt gehen. Er verödet die Wunde mit einer bipolaren Pinzette oder einem Laser. Dr. Bernhard JungeHülsing, Hals-Nasen-Ohren-Arzt und Vorsitzender des Berufsverbandes der HNO-Ärzte in Bayern 56 Als Cut bezeichnet man im Boxsport eine Platzwunde im Bereich der Augenbraue. Das Reglement sieht vor, dass ein Kampf abgebrochen werden muss, sobald eine blutende Wunde entsteht. Deshalb versucht der Cutman die Blutung zu stoppen. Er hat dafür eine Minute Zeit. Zunächst trägt er eine Salbe auf, die meist Adrenalin enthält. Dadurch ziehen sich die Gefäße zusammen. In einer Kühlbox hält er ein Stück kaltes Eisen bereit, das er auf die Wunde drückt. Hört es nicht auf zu bluten, kann er Wund-Sekundenkleber auftragen. Wenn er nähen muss, ist der Kampf vorbei. Dr. Ulrich Kau, Arzt beim Deutschen Boxsport-Verband Zahnfleischbluten Platzwunde Bluterguss Ein Hämatom entsteht, wenn durch Gewalteinwirkung kleinste Blutgefäße reißen. Die Einblutung ins Gewebe verursacht den blauen Fleck. Erste Maßnahme: kühlen. Je nach Schmerz und Größe des Hämatoms sollten Sportler eine Pause machen und zum Arzt gehen. Er wird eventuell eine Heparin-Salbe verschreiben, die den Erguss abbaut. Hochlegen sollten Sie Bein oder Fuß, wenn Sehnen, Muskeln, Gelenke oder Knochen verletzt wurden. Daniela Schwenk, Erste-Hilfe-Expertin beim Roten Kreuz Meist genügt ein Verbandspäckchen, eine Mullbinde mit steriler Wundauflage. Wenn es arg blutet, machen Sie einen Druckverband, indem Sie eine Packung Taschentücher mit einbinden. Bei einer Wunde am Kopf müssen Sie mit Ihrem Kind in die Klinik, um eine Gehirnerschüt terung auszuschließen. Als schmerzfreie Alternative zum Nähen gibt es spezielle Wund-Sekundenkleber. Manche Ärzte nähen trotzdem. Deshalb unbedingt nach dem Kleber fragen. Janko von Ribbeck, Rettungssanitäter und Autor des Buches »Schnelle Hilfe für Kinder« 57 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 ALTERSVORSORGE Ohne Risiko in Aktien investieren S. 61 BAUFINANZIERUNG Niedrige Zinsen für 40 Jahre S. 64 GESUNDHEIT Vorbeugen mit den neusten Methoden S. 65 DIE BL AUE N SE ITE N Nachfolgend erhalten Sie aktuelle Informationen zu unseren Versicherungs- und Serviceangeboten. Für weitere Auskünfte sowie eine individuelle Beratung wenden Sie sich bitte an Ihren Allianz Vertreter. HINTERBLIEBENENSCHUTZ Leben und leben lassen Damit nach einem Todesfall zur Trauer nicht noch Existenzängste kommen, kann eine Risikolebensversicherung Angehörige finanziell absichern. Online lässt sich bei der Allianz der Schutz jetzt noch bequemer abschließen E Ausbalanciert: Eine Risikolebensversicherung hilft, der Familie im Unglücksfall Halt zu geben 58 s ist kein heiteres Thema, aber verdrängen hilft nicht: Laut Statistischem Bundesamt sterben in Deutschland jährlich mehr als 150.000 Menschen noch vor ihrem 65. Lebensjahr. Für die Hinterbliebenen geht das Leben dann weiter. Ist aber der Hauptverdiener gestorben, gerät die Familie meist in finanzielle Not. Viele blenden dieses Risiko aus: Einer forsa-Umfrage von 2013 zufolge haben 34 Prozent der Deutschen für den Fall des eigenen Todes keinerlei Vorkehrungen für den Lebensunterhalt ihrer Angehörigen getroffen. Dabei kann die Familie mit einer Risikolebensversicherung schon für kleines Geld abgesichert werden. Der Grund für die günstigen Prämien: Die Risikolebensversicherung leistet nur im Todesfall. Das ist der entscheidende Unterschied zur Kapitallebensversicherung, die – als klassische Form der Altersvorsorge – garantiert zu einem vorher bestimmten Zeitpunkt auszahlt und zugleich den Todesfall absichert. Eine Risikolebensversicherung kann aber noch mehr als die Familie oder den Partner 59 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 VORSORGE Entspannt in Aktien investieren Rettungsschirm: Angehörige finanziell abzusichern, muss nicht teuer oder kompliziert sein 34 % der Deutschen haben keinen Hinter bliebenenschutz 60 schützen: Sie dient auch als Absicherung der Eigenheimfinanzierung. Zumal Banken die Police gerne als Sicherheit fordern. So erhalten die Geldinstitute bei Tod des Kreditnehmers ihr geliehenes Geld garantiert zurück. Zudem lässt sich mit einer Risikolebensversicherung der Allianz clever vorbeugen, sollte sich die Abzahlung eines Immobilienkredites unerwartet in die Länge ziehen: Seit Juli 2014 ist es bei der Risiko Lebensversicherung Plus möglich, bis zu drei Jahre vor Ablauf des Vertrags den Versicherungsschutz einmalig zu verlängern – und zwar ganz ohne Gesundheitsprüfung. Einfacher Antrag per allianz.de Schon heute startet jeder zweite Kunde im Netz, wenn er auf der Suche nach einer Risikolebensversicherung ist. Den Kunden, die sich gerne im Internet über Versicherungen informieren, bietet die Allianz seit Juli 2015 etwas Neues: Auf allianz.de können Interessenten eine Risikolebensversicherung sogar mit wenigen Klicks direkt abschließen. Die Produktpalette auf der Website präsentiert sich übersichtlich und transparent. Auf einen Blick ist der Versicherungsumfang jeder RisikoLeben-Variante zu erfassen, von Basis bis zu Transparent und einfach: Für den Onlineabschluss reichen wenige Klicks. Die Police bringt dann der Postbote Plus Unfall. Optional kann je nach Produkt zum Beispiel auch eine Beitragsbefreiung bei Berufsunfähigkeit ergänzt werden. Praktisch: Während der gesamten Sitzung sieht der Kunde stets den zu zahlenden Beitrag. Je nach Produktvariante, Beruf oder Gesundheitsstatus passt sich dieser automatisch an. Das gilt auch für Laufzeit und Versicherungssumme. »Zudem ist die elektronische Gesundheitsprüfung überzeugend einfach. Gibt es keine gesundheitlichen Auffälligkeiten, reichen bereits fünf Fragen«, erklärt Sören Kupke, Abteilungsleiter Kunden und Vertrieb bei Allianz Leben. Nach der Gesundheitsprüfung ist die Familie sofort für den schlimmsten Fall der Fälle abgesichert. So lässt sich eine Risikolebensversicherung bequem von zu Hause aus abschließen. Die Police bringt dann der Briefträger. Beratung vor dem eigenen Computer Beim Antrag auf allianz.de helfen die hinterlegten Erklärungen weiter. Sollten diese nicht ausreichen, kann der Kunde mit der integrierten Agentursuche Kontakt zu einem Allianz Vermittler aufnehmen, um einen Termin oder Rückruf zu vereinbaren. Weitere Beratungsmöglichkeiten gibt es per Telefonat oder Chat. Die Allianz Mitarbeiter sind werktags telefonisch bis 24 Uhr zu erreichen. Ein Rückruf ist genauso möglich wie das »Co-Browsing«: Dabei begleitet ein Mitarbeiter den Kunden per Telefon beim Surfen auf den Antragsseiten. »Verknüpft mit Meine Allianz ist die Online-Antragsstrecke RisikoLeben in die digitale Welt der Allianz eingebettet«, sagt Kupke. »Das ist ein weiterer Meilenstein bei der Digitalisierung unseres Unternehmens.« Fred-Benjamin Ast Niedrige Zinsen erschweren es, Geld fürs Alter anzusparen. Aktien aber sind eine renditestarke Alternative – und mit dem richtigen Konzept auch eine sichere V orweg ein Lichtblick für Sparer: Das Rekord-Zinstief aus dem ersten Halbjahr 2015 ist vorübergezogen und wird wohl nicht so schnell wiederkommen. Trotzdem dürfte die Phase niedriger Zinsen anhalten, dafür spricht allein schon die Politik der Europäischen Zentralbank. Zinsen von 6, 7 Prozent sind auf längere Sicht nicht mehr zu erwarten. Damit stehen Vorsorge-Sparer vor zwei Alternativen: Entweder investieren sie in Anlagen mit der Aussicht auf eine höhere Rendite, nehmen dafür aber mehr Risiko in Kauf. Oder sie wählen klassische, sichere Anlagen, müssen aber aufgrund niedriger Renditen mehr Geld investieren, um ihr Auskommen im Alter zu sichern. Aktien werden derzeit als Ausweg diskutiert. Der Dax war zum Beispiel auf seinem Höhenflug im März 2015 sogar über die 12.000-Punkte-Marke gestiegen. Und da Unternehmen teils hohe Dividenden ausschütten, sprechen manche Anleger bereits von der »Dividende als dem neuen Zins«. Altersvorsorge mit Aktien? Die Sparer haben die Finanzkrisen von 2001 und 2009 noch zu gut in Erinnerung, als dass sie darauf vertrauen wollten. Der Vermögensforscher Thomas Druyen bezeichnet diese Krisen sogar als »Vertrauenskata strophen«. Allianz Leben löst das Dilemma mit dem neuen Vorsorgekonzept KomfortDynamik. Und setzt dabei unter anderem auf Aktien – bei Beine hoch: einem Vertrag mit 30 Jahren Mit der Allianz als Partner muss Laufzeit beträgt der Aktien- das Auf und Ab anteil der Anlage zum Start an den Börsen gut 30 Prozent. Außerdem Anleger nicht aus der Ruhe bringen werden die Beiträge der Kunden in Unternehmens- und Schwellenländeranleihen investiert, um die Chance auf mehr Rendite zu nutzen. Angelegt werden die Beiträge weltweit im klassischen Sicherungsvermögen und in einer neuen Dynamik-Komponente – so können die Kunden Europas Niedrigzinsfalle entkommen. Die Berg- und Talfahrt der globalen Kapitalmärkte muss Allianz Kunden dabei nicht aus der Ruhe bringen. »Wir schichten das angelegte Kapital je nach Markttrend zwischen Sicherungsvermögen und Dynamik-Komponente um und federn diese Effekte ab«, sagt Alf Neumann, Produkt-Vorstand von Allianz Leben. »Die Kunden profitieren von unserer weltweiten Expertise und unseren Konditionen, ohne dass sie sich um das Kapitalmanagement kümmern müssen.« Für Entspannung sorgt ein eingebautes Sicherungspaket mit integrierter Kapitalanlagesteuerung, Beitragserhalt oder der Sicherung hoher Renditen und Erträge während der Laufzeit – so können die Kunden ruhig schlafen, auch wenn es an den Kapitalmärkten mal turbulent wird. Der Leitsatz des neue Vorsorgekonzepts KomfortDynamik bringt es auf den Punkt: »Dynamisch geht auch ganz entspannt.« Franz Billinger 61 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Bis zu KUNSTVERSICHERUNG Gesammelte Werke Ob Gemälde, Oldtimer, Münzen oder seltene Uhren: Seine wertvollsten Dinge abzusichern, ist keine Kunst. Die Experten der Art Privat der Allianz erklären, wie es geht D ie meisten Kunstkäufer sammeln aus Leidenschaft. Sie sollten allerdings auch kühl kalkulieren können und überdenken, wie viel Geld und Zeit sie bereits in ihre geliebten Werke investiert haben – und sich dann die Frage stellen, wie sich ihre Sammlung versichern lässt. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Kunstobjekte im Lauf der Zeit beschädigt werden: Ein Bild fällt von der Wand, Glassplitter bohren sich durch Farbe und Leinwand. Oder die berühmte Ming-Vase, die bei einer Party zu Bruch geht. Auch die Gefahr eines Einbruchs sollte nicht unterschätzt werden: Fakt ist, dass die meisten Kunstwerke in Privathäusern entwendet werden. Viele Kunstbesitzer glauben, ihre Hausratversicherung würde in derartigen Fällen ausreichend Schutz bieten. Ein Irrglaube, wie Eric Wolzenburg, Leiter der Kunstversicherung Art Privat erklärt: »Wertsachen wie Kunst, Schmuck, Uhren et cetera sind in der Hausratversicherung bis zu einer Obergrenze von 20 oder 40 Prozent der Gesamtversicherungssumme gedeckt. Den Rest muss der Kunde tragen.« Bei der Art Privat, der Kunstversicherung der Allianz, kann die Wertsachenobergrenze dagegen frei vereinbart werden. Empfohlen wird die Art Privat ab einem Wert von 100.000 Euro. Neben Kunstgegenständen können Gold, Silber, Schmuck, hochwertige Uhren, Designermöbel, Antiquitäten, Münzsammlungen und Oldtimer versichert werden. Der Vorteil: Dank der Allgefahrendeckung sind nicht nur Feuerund Leitungswasserschäden oder Einbruchdiebstahl geschützt, sondern auch selbst verschuldete Schäden. Das bedeutet: Wie der Schaden entstanden ist, spielt keine Rolle. Versichert ist, was nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Grundlage ist die Schätzung eines Kunstexperten, der den Wert der Gegenstände ermittelt. Bei Bedarf wird der jährlich bestimmt und entsprechend der Marktlage korrigiert. Ein weiterer Vorteil ist die Beweislastumkehr: Während bei der Hausratversicherung der Kunde den versicherten Schaden eintritt beweisen muss, ist es in der Kunstversicherung umgekehrt: Der Versicherer muss beweisen, dass ein gemeldeter Schaden nicht ersatzpflichtig ist. Extreme Fallhöhe: Ginge ein echter Keith Haring kaputt, wäre der Schaden beträchtlich 62 Art Privat-Kunden werden aber nicht nur bei der Schadenregulierung unterstützt. Die Kunden werden auch bei der Lagerung der Objekte beraten. »Privatsammler machen sich oft wenig Gedanken, wo das Kunstwerk hängt. Hier helfen die Experten und erklären beispielsweise, dass ein Aquarell nicht an einer Wand hängen sollte, die den ganzen Tag von der Sonne beschienen wird.« Julia Tschochner 10 % AUTOVERSICHERUNG Viele Extras serienmäßig Rabatt Höhere Leistung, geringerer Preis, große Wahlmöglichkeiten: Ab Oktober gibt es noch mehr Gründe, sein Auto bei der Allianz zu versichern Z um Start in den Herbst motzt die Allianz ihre Autoversicherung auf. Dabei geht es allerdings nicht um Spoiler und Breitreifen, sondern um mehr Leistung, Service und Sparmöglichkeiten. Kunden haben ab Oktober weiterhin alle Freiheiten: Jeder kann sich seine Kfz-Versicherung ganz nach den eigenen Wünschen konfigurieren – nur mit den Extras, die er wirklich braucht. Wer beispielsweise Wert auf einen großen Leistungsumfang legt und sich einen kompetenten Ansprechpartner für alle Versicherungsfragen wünscht, profitiert von den eiträge sparen B r schutz ver träge bei de Wer drei oder vier Pri vat ibe len hat (dazu zäh Allianz abgeschlossen , die Pri vat-Haftpflichtatusr Ha die ise spiels we ts rung), bekommt berei he und die Gebäudeversic t. zen bis zu 20 Pro att rak tive Nachlässe von en, die auch ihr Au to nd -Ku utz Allianz Pri vat Sch sichern, erhalten nun neu bei der Allianz ver zent Rabatt auf den zusätzlich bis zu 10 Pro erung. Das Angebot gilt ich Beitrag der Au tovers , MeinM otorrad und für MeinAuto Individual MeinWohnmobil. bekommen PrivatSchutzKunden, die ihr Auto neu bei der Allianz versichern Wahlmöglichkeiten von MeinAuto Individual. Hierbei lässt sich der Versicherungsumfang nach eigenen Vorstellungen und Ansprüchen zusammenstellen, ein Allianz Vertreter hilft dabei. Wer sein Auto dagegen vor allem kostengünstig absichern möchte und sich in der digitalen Welt zu Hause fühlt, sollte sich den Basisschutz von MeinAuto digital+ anschauen. Abschließen lässt sich auch diese Versicherung in der Allianz Agentur oder vom eigenen Computer aus unter www.allianz.de. Egal welche Variante – hier sind fünf Gründe, die für eine Autoversicherung der Allianz sprechen: M ar d e rbiss Medizinisch 50 einmal erade g w ieg t t d is n r u E groß r te e m Zenti z wei t ehr als m sorg ka u m m rotzde T . m i m be Kilogra arder s s des M gelmäßig ein Bis re ei sit zern Au tobe enge Ä rger. B M e d r e je d r fü ital+, u to dig iante M ein A linevar n O n e eg ti güns ver sich nz Au to ia ll e s A r is de rderb ind Ma künft ig rung , s häden c s e is t lg o F ß erdem ohne er t. Au h nte ic s is r e re mit v e Kaufp in e t r ab sofo sechs ung bis schädig en. enthalt Kaufpreisentsc M onate hädigung Gebrauchtwag enkäufer, die ihr Au to neu be i der Allianz versichern, könn en sich sicher sein: Die Allianz er stat tet ab so fort im Tarif Vollkasko Plus volle zwei Jahre den ur sprünglich ge zahl ten Kaufpr eis bei einem Totalschaden, bei Verlust oder Zers törung zurück . Selbst ve rs tändlich gibt ’s auch bis zu 24 M onate na ch Er st zulassun g eine Neupreisent sc hädigung für Ne uwagen. er Beratung yb hr ri d f a g zeu e to s dau y bri en H r d e ko m m tEl o- o flich ek t r : Sie b e H af t p l E re on el t u f ih rd e m re r v opp Fa h i e re n d c h l a s s a . A u ß e g e n: t a un ng profi zent N icheru te Leis t s Fahr s e o r r r d e e P n s v u 10 ge es ko kk t ge Ka s er A ve r b u n d e n s i e s p i e l d l u s j et z t . P r lt ei erha zum B ollkasko er siche v V st i n r e e o r d S h g s in l l e G ef a zeu a u z e nah o- u ek t r sservice N eu im Schu tzbrief: der m edizinische Beratungsse rv ice. A llianz Ku nden erhalten ab sofort einen professionel len telefonisc hen Beratun gsserv ice be Unf ällen oder i Krankheitser scheinun gen. Es wer den zum Bei spiel Ä rz te vermittel t, al lgemeine Ber atungsleis tungen erbr acht und Th erapieempfeh lungen gege ben – jederz ei t und in allen Länder n der Europä ischen Union . nd H 63 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 KRANKENVERSICHERUNG Der Gesundheit zuliebe Haben Sie Fragen zu unseren Produkten oder wünschen Sie eine Beratung? Dann rufen Sie Ihren zuständigen Vertreter an. Wir helfen außerdem gern unter folgenden Telefonnummern weiter: Lebens-/Rentenversicherung: 08 00 / 4 10 01 04 Krankenversicherung: 08 00 / 4 10 01 09 Kfz-Versicherung: 08 00 / 4 10 01 01 Sach-/Haftpflichtversicherung: 08 00 / 4 10 01 05 Diese Servicenummern sind für Sie kostenfrei. Alle weiteren Fragen beantworten wir unter: 089 / 3 80 00 64 Guter Plan: Baugeldzinsen lassen sich bis weit in die Zukunft festschreiben Krankheiten ganz zu vermeiden oder zumindest früh zu erkennen, ist der beste Gesundheitsschutz. Die Allianz zahlt deshalb für neuste Methoden der Vorsorge und Prävention BAUFINANZIERUNG 40 Jahre sorgenfrei Wer ein Haus baut, profitiert von niedrigen Darlehenszinsen – und kann sich die aktuell günstigen Konditionen auch langfristig sichern G ünstige Baugeldzinsen machen es derzeit vergleichsweise leicht, eine eigene Immobilie zu finanzieren. Vorausschauende Bauherren können von den niedrigen Darlehenszinsen nun auch bis weit in die Zukunft profitieren. Ein neues Angebot der Allianz Baufinanzierung ermöglicht eine Zinsbindung für bis zu 40 Jahre. Sicherheitsorientierte Kunden können dadurch über einen langen Zeitraum mit konstanten Raten planen und sind dauerhaft vor dem Risiko einer Zinserhöhung geschützt. Wer sich für eine Zinsbindung von 26 Jahren oder länger entscheidet, erhält ein Allianz VolltilgerDarlehen. Der Kunde weiß dann ganz genau, wann er schuldenfrei ist. Meist wird der Zeitpunkt auf den Beginn des Ruhestands gelegt, um ihn unbeschwert genießen zu können. Trotz der langen Zinsbindung bleibt man mit der Allianz Baufinanzierung flexibel. So können beispielsweise lange mit kurzen Laufzeiten kombiniert, Sondertilgungsoptionen und günstige KfW-Darlehen integriert sowie die Wohn-Riester-Förderung genutzt werden. Zwei Mal ist auch ein Wechsel des Tilgungssatzes möglich. Und das gesetzliche Kündigungsrecht nach zehn Jahren besteht ohnehin. Bis zum 31.12.2015 bekommen Kunden beim Allianz VolltilgerDarlehen einen Zinsrabatt von 0,10-Prozentpunkten. Das macht die Finanzierung noch attraktiver. Fred-Benjamin Ast V orsorge kann helfen – und das häufig sehr effektiv. Schon zwei Zahlen verdeutlichen das: 1983 hatten 98 Prozent aller Zwölfjährigen Karies, 2006 waren es nur noch 30 Prozent. Heute dürfte der Anteil noch weiter gesunken sein. Reduziert hat den Befall die sogenannte Fissurenversiegelung. Diese Behandlung schützt schlecht zugängliche Zahn flächen, indem diese mit einer dünnen Schicht meist aus Kunststoff überzogen werden. Das Ergebnis: Deutlich gesündere Gebisse. Prävention also. Karies, Krebs, Herz-Kreislauf-Leiden – für all diese und weitere Krankheiten gibt es Vorsorge untersuchungen und häufig auch Prävention. So können junge Mädchen mit einer Impfung das Risiko eines Gebärmutterhalskrebses reduzieren. Ein Piks und der Körper ist gegen die Hauptauslöser dieser Krankheit besser gewappnet. Für Männer, Frauen, Kinder und Erwachsene bietet die Allianz Private Krankenversicherung (APKV) deshalb umfangreiche Vorsorge an und erstattet diese unabhängig vom Alter. Darüber hinaus zahlt die APKV auch für neue DiagnostikMethoden und moderne Technologien. So müssen sich beispielsweise Patienten mit bestimmten Magen-Darm-Beschwerden zur Abklärung nicht mehr einen Schlauch über den Rachen in den Körper schieben lassen, sondern schlucken stattdessen eine etwa 2,5 Zentimeter kleine Kapsel mit integrierter Kamera. Diese wandert durch den Verdauungstrakt und liefert alle für den Arzt wichtigen Bilder. Einfach, schmerzlos und exakt. Knapp 50 verschiedene Vorsorgeuntersuchungen sind aktuell im Angebot der APKV und die Liste wächst stetig. Zu diesem Angebot zählen auch Aufnahmen eines Ungeborenen mittels 3-D-Ultraschall. Die Untersuchung liefert den Ärzten exakte Bilder und schenkt vor allem den Eltern einen ersten berührend plastischen Blick auf ihr Kind: genau zu sehen sind die Gesichtszüge, die Mimik, die angezogenen Beinchen. Einen Blick in einen ganz und gar geschützten Bereich. Bis zu zehn Mal zahlt die APKV für diesen Ultraschall. Übernommen werden auch zusätzliche Blutuntersuchungen, Geburtsvorbereitungsprogramme und später Rückbildungskurse. Neugeborene erhalten ein Hör-Screening und bei Bedarf einen Stoffwechsel-Test. Erwachsene können ebenso viel für sich tun. Die Allianz zahlt eine Vielzahl sinnvoller Zusatzuntersuchungen – für junge wie ältere Menschen. Dazu zählen unter anderem: der großer Gesundheitscheck, die Früherkennung von Hautkrebs, der Schlaganfall-Check und die Mammografie. Eine der populärsten Präventionen bei Erwachsenen ist die professionelle Zahnreinigung. Diese ist bei der APKV immer mitversichert. Ebenfalls eingeschlossen im Schutz ist die Fluoridierung der Zähne, die Erhebung des Mundhygienestatus, die lokale Anwendung von Medikamenten zur Kariesvorbeugung und die Versiegelung kariesfreier Fissuren in jedem Alter. Kosten entstehen dem Versicherten keine. Gesund zu bleiben kann so günstig sein. Daniel Aschoff/Alexandra Kusitzky 65 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 INNOVATIONEN Heilsame Forschung für ein langes Leben Daniel Bahr ist als Generalbevollmächtigter der APKV zuständig für die Bereiche Leistungsmanagement und Zentrale Vertriebskoordination Die Allianz Private Krankenversicherung (APKV) schafft Anreize für den medizinischen Fortschritt. Davon profitieren alle Patienten, egal, wie sie versichert sind. Ein Essay von Daniel Bahr A Kein Auf und Ab: Die Lebenserwartung ist dank moderner Medizin in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegen ls der schottische Forscher Alexander Fleming 1928 einen Schimmelpilz entdeckte, ahnte er nicht, welch bedeutsamen Meilenstein er damit in der Medizin setzen würde. Denn er hatte das lebensrettende Penicillin gefunden. Zuvor starben Menschen an einfachsten Schnittwunden, weil diese oft zur Blutvergiftung und damit zum sicheren Tod führten. Flemings Entdeckung ist medizinischer Fortschritt – so wie alle Medikamente und Methoden, die Krankheiten lindern oder heilen. Deshalb ist medizinischer Fortschritt ein Segen – für jeden Einzelnen und für die Gesellschaft. Er gewährt größere Freiheiten: Durch ihn leben Menschen länger, sind bis ins hohe Alter mobil und können trotz Erkrankung aktiv am sozialen Leben teilhaben. Das Max-Planck-Institut hat herausgefunden, dass in den vergangenen 160 Jahren die Lebenserwartung durchschnittlich um fast drei Monate pro Jahr angestiegen ist.* Ausschlaggebend ist ein Zusammenspiel wirtschaftlicher Entwicklungen, sozialer Errungenschaften – und medizinischer Fortschritte. Bis ins 18. Jahrhundert lag die durchschnittliche Lebenserwartung in Westeuropa zwischen 20 und 30 Jahren. Die Kindersterblichkeit war hoch, Menschen fielen Infektionskrankheiten und harten Lebensbedingungen zum Opfer. Inzwischen erleichtern medizinische Neuentwicklungen erheblich das Leben im Alter und im Krankheitsfall. Beispiel HIV-Patienten: Dank neuer medizinischer Entwicklungen haben sich ihre Lebenserwartung und Lebensqualität im Vergleich zu den 80erund 90er-Jahren deutlich gesteigert. In vielen Bereichen genießen sie inzwischen dieselben Freiheiten wie Nicht-Infizierte. Wie in vielen Branchen sind auch in der Medizin Neuheiten kurz nach Marktstart teurer als eta blierte Produkte. Das wirft Grundsatzfragen auf: Wie viel ist Gesundheit wert? Wie viel dürfen medizinische Innovationen kosten, die Symptome lindern oder Krankheiten heilen? Darf ein Medikament teurer sein, nur weil es weniger Nebenwirkungen hat? Auf diese Fragen gibt es nicht die »eine richtige Antwort«. Aber richtig und wichtig ist: Versicherte der Allianz Privaten Krankenversicherung erhalten einen schnellen und offenen Zugang zu Innovationen. Sie nehmen am medizinischen Fortschritt teil. Gleichzeitig schafft die Allianz Anreize für Forschung und Entwicklung. Sobald die medizinische Notwendigkeit einer neuen Behandlungsmethode erwiesen ist, übernimmt die Allianz die Kosten. Als Krankenversicherer erfüllen wir unser Leistungsversprechen: Wir finanzieren unseren Versicherten den Zugang zur besten medizinischen Versorgung. Bei Gesundheitsleistungen genießen sie Freiheiten und sind nicht durch starre Reglementierungen eingeschränkt. Sie erhalten das, was sie individuell brauchen und versichert haben – ihr ganzes Leben lang. Deshalb stehen ihnen medizinische Innovationen schnell und leicht zur Verfügung. Vom offenen Zugang zu Neuentwicklungen für Privatversicherte profitie- ren alle Patienten. Aktuelles Beispiel ist das immunologische Stuhltestverfahren, um Darmkrebs früh zu erkennen. Der Test reagiert viel sensibler als das bisherige Verfahren, ist aber bisher keine Kassenleistung. Die Allianz bezahlt seit Längerem diese neue Methode. Nun beginnen auch erste gesetzliche Krankenkassen, freiwillig die Kosten dafür zu erstatten. Medizinische Neuentwicklungen erleichtern das Leben im Alter und im Krankheitsfall Der freie Zugang zu Innovationen bei Privatversicherten unterstützt auch Ärzte in ihrer medizinischen Weiterentwicklung. Sie sind nicht eingeengt von Richtlinien oder Restriktionen. Sie können sich auf ihre Patienten konzentrieren und die Methoden einsetzen, die am besten zum Erfolg führen. Die Anschaffung moderner Medizintechnik und Fortbildungen zu neuen Behandlungsmethoden lohnen sich für Ärzte. Und auch hier profitieren alle Krankenversicherten. Denn wenn beispielsweise ein 3-D-Ultraschallgerät in der Praxis steht, dann kann es für alle Patienten eingesetzt werden – unabhängig von der Versicherung. Gleichzeitig schafft die APKV Anreize für die medizinische Forschung. Wir geben Ärzten die Freiheit, neue Entwicklungen auch zu nutzen. Viele Medikamente, Techniken und Verfahren wären ansonsten wohl niemals angestoßen worden. Die größte Herausforderung des medizinischen Fortschritts ist allerdings der Nutzenbeleg. Ist eine neue Behandlungsmethode wirklich besser und trägt effizienter zum Therapieerfolg bei? Nicht alles, was neu ist und mehr kostet, ist Fortschritt. Zu Recht hinterfragen privat Krankenversicherte kritisch, ob ein neues Medikament oder eine innovative Methode wirklich notwendig ist. Denn durch Selbstbehalt und Eigenbeteiligung sind auch Privatversicherte daran interessiert, dass Kosten und Nutzen im richtigen Verhältnis stehen. Besonders bei neuen Entwicklungen können Patienten schwer einschätzen, ob und welche Leistungen für sie sinnvoll sind. Deshalb bieten wir unseren Versicherten die Expertise unserer Fachleute an. Dieses Angebot reicht von einer Zweitmeinung durch einen unabhängigen Arzt bis hin zur persönlichen Unterstützung durch einen Patientenbegleiter bei langwierigen und komplizierten Behandlungen. Wir bieten unseren Versicherten viele Freiheiten, aber wir lassen sie in der großen Fülle der Auswahlmöglichkeiten nicht allein. Auf Basis verlässlicher Informationen kann jeder den individuell für sich richtigen Weg wählen. Diese Freiheit gäbe es nicht ohne den medizinischen Fortschritt – und eine private Krankenversicherung, die ein lebenslanges Leistungsversprechen gibt und es dank ihrer Finanzstärke erfüllt. In den vergangenen 160 Jahren stieg die Lebenserwartung im Schnitt um 3 Monate pro Jahr * Quelle: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz (2005/48), S. 586–592 66 67 HA R TM UT E NG LE R AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Hand aufgelegt: Hartmut Engler hat seine Sprache wiedergefunden. im Dezember startet die neue PUR-Tournee Als der Sänger der Band PUR wegen einer Stimmbandeinblutung 2013 plötzlich verstummt war, fand er sich in einem albtraumhaften Abenteuerland wieder. Bis sich Generalvertreter Heiko F. Dürrschnabel einschaltete. Ein Gespräch über Jubel, Trubel, Heiserkeit INTERVIEW DANIEL ASCHOFF UND ANNA HIEGER FOTOS RAFAEL KRÖTZ 69 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Herr Engler, hier vor der Bühne des Kurhauses Baden-Baden ... Was denken Sie, wenn Sie dort hochschauen? Hartmut Engler: Das ist der aufregendste Ort der Welt. Eine Bühne ist für mich die Belohnung der harten Vorbereitung, der schönste Teil meiner Arbeit. Natürlich ist es für einen Musiker auch wichtig, Geld zu verdienen, aber das Schönste ist der Applaus des Publikums. Von da oben zu sehen, wie die Leute ausrasten – das ist der Glücksmoment, der mich da hoch treibt. Muss man Sie treiben? Engler: Wer mich kennt, weiß, dass ich unter extremem Lampenfieber leide. Für mich ist die Anspannung vor einem Konzert wie inneres Bungee-Jumping. Ich muss jedes Mal die Angst vor der Bühne überwinden. Dafür bin ich nach einem Konzert extrem euphorisch und wahnsinnig glücklich. Diese totale Euphorie danach ist das, was mir die Bühne immer wieder gibt. 2013 verbot Ihnen ein Arzt, Konzerte zu spielen. Wie war das für Sie? Engler: Das war wirklich eine schlimme Erfahrung. Wenn einer der Musiker krank wird, kann man vielleicht einen Ersatz für ihn finden. Beim Sänger ist das anders: Deshalb lastet auf mir vor einer Tour ein sehr großer Druck. Was genau war geschehen? Engler: Ich saß damals nach den Proben im Studio zu Hause auf dem Sofa und habe einen Anruf erhalten. Ich wollte mich räuspern – und konnte plötzlich nicht mehr sprechen. Warum? Engler: Es war eine Stimmbandeinblutung. Das erfuhr ich aber erst am nächsten Tag beim Arzt. So eine Verletzung passiert innerhalb von einer Sekunde, da platzt eine Ader, das Stimmband schwillt an und es geht gar nichts mehr. Dann ist Ruhe. Am Abend sollte 70 »Der Spezialist in Münster sagte: ›Sie müssen die ersten drei Konzerte absagen!‹ Da habe ich angefangen zu flennen« ich aber noch als Überraschungsgast für den damaligen FC-Bayern-Profi Toni Kroos, der PUR-Musik sehr mag, im Aktuellen Sportstudio »Abenteuerland« singen. Ich bin hingefahren und habe den Leuten eher zugeflüstert als gesagt: »Ich kann nicht, ich bin heiser vom Proben und froh, dass ich überhaupt mit euch sprechen kann.« Und die Heiserkeit blieb? Engler: Ja, ich ging zuerst zu meinem Arzt im Stuttgarter Marienhospital und war dann bei einem Spezialisten in Münster. Der sagte nur: »Herr Engler, Sie singen die Premiere – und zwar schlecht. Und am nächsten Tag ist das Stimmband doppelt so dick, dann geht gar nichts mehr! Sie müssen die ersten drei Konzerte absagen.« Da habe ich angefangen zu flennen. Stimmt es, dass es die erste Absage nach mehr als 30 Jahren PUR war? Engler: Richtig, es war eine Ausnahmesituation. Ich wusste nicht, wie man damit umgeht. Ich bin raus aus der Praxis und habe die anderen angerufen. Es gab eine Krisensitzung. Zuerst mussten wir drei Konzerte absagen, aber ich habe bald gespürt, dass das nicht reichen würde. Am Ende waren es sechs. Und in diesem Moment kamen Sie ins Spiel, Herr Dürrschnabel? Heiko F. Dürrschnabel: Genau. Ich war gerade auf der Heimreise vom Ski urlaub, als mich der Manager der Band anrief: »Die Tour kann morgen nicht starten«, sagte er. Ich dachte, der veräppelt mich. Natürlich waren die Premiere und alle anderen Konzerte seit Monaten ausverkauft. In Halle freuten sich über 10.000 Zuschauer auf das Konzert, die Bühne stand, das Catering, die Security, die ganze Logistik. Wenn eine so große Band wie PUR auf Tour geht, hängt da wahnsinnig viel dran. Was konnten Sie als Versicherungsvertreter für die Band tun? Dürrschnabel: Im ersten Moment war es am wichtigsten, die Band zu beruhigen, alle Fakten zu sammeln und dann den Schadenfall so schnell und geräuschlos wie möglich abzuwickeln. Wem es so schlecht geht wie Hartmut damals, der sollte nicht noch mit der Regulierung belastet werden. Ich habe damals gemerkt, dass Hartmut wirklich am Boden war. Konnten Sie helfen? Dürrschnabel: PUR hatte bei der Allianz eine sogenannte Veranstaltungsausfallversicherung abgeschlossen. Eine solche Versicherung springt ein, wenn Konzerte abgesagt werden müssen. Die Allianz ist für alle Kosten, die durch die Verschiebungen angefallen sind, aufgekommen. War der Schaden groß? Dürrschnabel: Locations, Veranstalter, Partner, Hotels – das alles musste für sechs Konzerte storniert werden. Es Außerhalb des Rampenlichts: Heiko F. Dürrschnabel (links) mit Hartmut Engler auf der Bühne des Kurhauses Baden-Baden 71 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 wurden Abstandszahlungen fällig. Sie können sich vorstellen, dass da eine große Summe zusammenkommt. Engler: Und es hätte noch schlimmer kommen können. Zum Zeitpunkt der ersten Absagen wussten wir noch nicht, ob es bei den sechs Konzerten bleiben würde. Oder wann wir die Konzerte nachholen könnten. Das war ein sehr mulmiges Gefühl. Alles musste organisiert werden, um die Tournee zu retten. Und ich saß untätig im Hotelzimmer, weil eine kleine Ader nicht mitmachte und ich keinen Ton rausbekam. Klingt wie ein Albtraum … Engler: Ich wartete jeden Tag auf Besserung, aber nach zwei Tagen hatte sich noch fast nichts getan. Auch als der Arzt sein Okay gab und es in München endlich losging, war es nicht so, dass zwei blendend weiße Stimmbändchen nebeneinander vibriert hätten. Haben Sie Angst, dass so etwas wieder passiert? Engler: Nein, weil es sich ohnehin nicht beeinflussen lässt. Vor zehn Jahren hatte ich schon einmal Probleme mit den Stimmbändern, es bestand der Verdacht auf Stimmbandkrebs, einhergehend mit einer Einblutung. Man muss so was ausblenden. Bei Ihrem Manager war es kein Verdacht – er hatte wirklich Krebs. Engler: Ja, es traf Uli Roth und seinen Zwillingsbruder. Uli hatte eine Krankenvollversicherung bei der Allianz, die unter anderem einen Spezialisten in Deutschland ausfindig machte, der dann beide operierte. Mittlerweile ist der Krebs geheilt. Für Uli war es damals unglaublich wichtig, dass da jemand half, dem er vertrauen konnte. Ist es für einen Prominenten wie Sie schwierig, jemandem zu vertrauen? Engler: Eigentlich nicht. Ich habe das Glück, Menschen um mich zu haben, 72 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 H ART M UT E NG LE R auf die ich mich komplett verlassen kann. Natürlich ist diese Einstellung manchmal blauäugig, und man fällt ab und an auf die Schnauze. Aber unterm Strich wurde mein Vertrauen mehr belohnt als ausgenutzt. Zählt Ihr Versicherungsvertreter zu Ihren Vertrauenspersonen? Engler: Heiko und ich kennen uns schon lange, und er versichert mich auch privat. Da wächst mit der Zeit das Vertrauen. Ich weiß genau, wenn ich anrufe und sage: »Ich habe einen Hagelschaden!«, dann kümmert er sich darum und denkt nicht: »Der Hartmut braucht mal wieder Geld.« Mal abgesehen von den Konzert absagen: Mussten Sie schon viel für Herrn Engler arbeiten? Dürrschnabel: Einen Hagelschaden hatten wir noch nicht, aber Sturm. Da wurde ein Nachbarzaun beschädigt, ein Garagendach und ein Gartenhaus, glaube ich. Alles zuverlässig geregelt. Wie wichtig ist Vertrauen für Sie? Dürrschnabel: Das Wichtigste. Ich kann beim Abschluss einer Versicherung nur ein Versprechen verkaufen. Das Versprechen, dass im Ernstfall jemand da sein wird. Ohne das Vertrauen des Kunden geht es nicht. Und wenn etwas passiert, muss ich alles schnell und unbürokratisch regeln, um mein Versprechen einzulösen. Engler: Meine Eltern zum Beispiel haben immer verglichen und die günstigste Versicherung abgeschlossen. Das war eher selten die Allianz. Wenn aber etwas passiert ist, war der Vertreter der günstigen plötzlich nicht mehr erreichbar oder ganz weit weg. Es war immer schwierig und langwierig. Wenn bei mir etwas ist, sagt Heiko nur: »Ist gut, geh du wieder ins Studio und mach Musik!« Zuletzt machten Sie bei der Fernsehsendung »Sing meinen Song – Das Tauschkonzert« mit. Warum? Engler: Es war eine Chance, zur Primetime im Fernsehen richtig gute Musik zu machen – und die wollte ich nutzen. Denn so etwas kommt bei Fernseh produktionen heute eher selten vor. Das Konzept ging auf, die Einschaltquoten waren ausgezeichnet. Engler: Ja, ich habe mich sehr über die positiven Reaktionen auf die Sendung und eine spürbar größere Akzeptanz bei Kollegen und in der gesamten Musikbranche gefreut. PUR ist nicht nur erfolgreich, sondern hat auch eine interessante Geschichte zu bieten. War das früher anders? Engler: Da war viel Unverständnis für unseren Erfolg und die Musik, die wir machen. Auch von Journalisten bezogen wir oft Prügel. Natürlich gibt es immer Neider, aber unsere musikalische Qualität steht für sich. Wie gehen Sie mit Kritik um? Engler: Ich denke, wir müssen nicht jedem gefallen. Und künstlerisch haben wir das eine oder andere geleistet, das man anerkennen darf. Ich verstehe aber, dass ich in frühen Jahren durchaus eine Angriffsfläche bot mit meinen langen Zotteln, dem Ohrring und den Liedern von Funkelperlenaugen. Damit »Ich verstehe, dass ich früher eine Angriffsfläche bot. Mit meinen Zotteln, dem Ohrring und den Liedern von Funkelperlenaugen« war ich ein Geschenk für alle, die draufhauen wollten. Das hat sich aber im Laufe der Jahre spürbar geändert. Waren Sie bisweilen verletzt? Engler: Ich bin ein wahnsinnig guter Hinfaller, aber ein noch besserer Aufsteher. Und in meinen Liedern kann ich quasi Eigentherapie betreiben. Deshalb funktionieren sie auch so gut, denn irgendwie hat doch jeder ähnliche Probleme. Was Sie singen, ist also die ganz normale Realität? Engler: Das bekommen wir oft zu hören: die Normalos von Pur. Zum Geburtstag hat mir ein Gitarrist mal eine Karte geschrieben. Er hatte zu der Zeit bereits für alle großen deutschen Künstler gespielt. Und auf der Karte stand: »Von allen Verrückten bist Du mir der Normalste!« Das fand ich schön. Fürchten Sie nicht, in Ihren Liedern als Sittenwächter rüberzukommen? Engler: Ich habe die Moral nicht gepachtet und mache selbst nicht alles richtig. Aber ich habe tatsächlich den Anspruch, ein besserer Mensch zu werden, mich stetig weiterzuentwickeln. Es fängt ja im Kleinen an: Wie verhalte ich mich gegenüber einem Kellner im Restaurant? Bin ich nett zur Bäckereiverkäuferin? Deshalb entstehen Songs wie »Achtung«, und das führt sich fort in der Verantwortung, was man den Menschen vorsingt. Im Winter gehen Sie damit wieder auf Tour. Hält diesmal das Stimmband? Engler: Ich komme gerade vom Arzt. Ein Routinecheck mit Ultraschall, Belastungstest auf dem Rad et cetera. Offensichtlich kann man mich auch mit 53 Jahren problemlos durch den TÜV schicken. Die Untersuchung musste ich für die Allianz machen lassen. Sie war Voraussetzung, um wieder die Veranstaltungsausfallversicherung abzuschließen. Aber ich bin mir sicher, die Stimme hält. Und wenn’s doch wieder passiert, ist zumindest Heiko da. Dürrschnabel: Dann würdest du dich sicher wieder entschuldigen. Vor zwei Jahren konntest du nur drei Worte ins Telefon hauchen: »Tut mir leid.« ■ Am 18. September erschien mit »Achtung« das mittlerweile 15. Studioalbum von PUR. Vom 5. bis 20. Dezember tourt die Band durch Deutschland. Infos und Daten unter: www.pur.de 73 AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5 Einmal durch den Himmel schweben: das Aquarell von Christina Stürmers Schwester Magdalena Was wir nicht versichern können V Verantwortung neu denken: allianz.de/einstellungssache Im Haus der Sängerin Christina Stürmer hängt ein besonders Aquarell: Es erinnert sie an ihre Schwester – und bringt ihr jeden Tag das Fliegen bei om Zehnmeterturm im Schwimmbad springen? Keine Chance. Fliegen? Eher ungern. An einem steilen Abgrund stehen und in die Tiefe blicken? Geht gar nicht! Bei allem, was mit Höhe zu tun hat, wird mir schnell mulmig. Da bin ich ein ziemlicher Angsthase. Vielleicht hat mir meine Schwester Magdalena deshalb ein Bild geschenkt, das mich ermutigen soll, mich mehr zu trauen. Sie hat es in fünf Stunden mit Aquarellfarben auf die Leinwand gebracht. Das Bild zeigt ein Mädchen, das hoch über Wolkenkratzern schwebt und sich an sieben Luftballons festhält. Ich denke, Magdalena wollte mir damit sagen, dass ich auch 74 Unsere Mitarbeiter sind das Herz der Firma – und das muss topfit sein. Eine bKV ist Einstellungssache. so mutig sein soll wie das Mädchen. Von Kunst an sich verstehe ich nicht so viel, ich habe nicht mal einen Lieblingsmaler. Meine Schwester hingegen beschäftigt sich schon lange mit Kunst, sie malt seit über zehn Jahren. Wirklich beneidenswert, denn ich kann das überhaupt nicht. Das letzte Mal hatte ich einen Stift in der Hand, als ich mit einem Nachbarskind gemalt habe. Wolken kann ich ganz gut. Magdalenas Gemälde ist eines der wenigen Bilder in meiner Wohnung. Es hängt an der Wand im Flur, der zu meinem Büro führt. Mehrmals täglich gehe ich daran vorbei und denke dabei an meine Schwester. Als ich von zu Hause auszog, war sie erst neun, inzwischen ist sie 21. Magdalena war immer das vernünftige Kind, während ich eher rebellisch war. Obwohl wir so verschieden sind, haben wir uns eine enge Verbindung bewahrt. Leider sehen wir uns nicht oft, da sie in einer anderen Stadt Kunst studiert. Mit dem Bild aber fühlt es sich an, als wäre ein Teil von ihr bei mir. Auch wenn kein Kunstsammler für das Bild viel Geld ausgeben würde – für mich hat es einen unermesslichen ideellen Wert. Ich mag Dinge, die mich an Menschen oder Erlebnisse erinnern, denn dadurch werden sie für mich einmalig. Deshalb wird ihr Gemälde nicht von der Wand weichen, auch für keine goldene Schallplatte der Welt. ■ Denn mit der betrieblichen Krankenversicherung der Allianz zeigen Sie, dass Ihnen die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter am Herzen liegt. Gleichzeitig machen Sie Ihr Unternehmen attraktiver für qualifizierte Fachkräfte. H. Wilms, Geschäftsführerin SSM Rhein-Ruhr GmbH
© Copyright 2025 ExpyDoc