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1890
Das Magazin der Allianz Deutschland AG
AUS ERFAHRUNG MEHR WISSEN
DAS PURE LEBEN
Ohne Blut sähen wir ganz schön blass aus.
Ein Heft über das, was in uns f ließt
Ausgabe 04 / 2015
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
Es kommt
von Herzen
Blut ist lebensnotwendig – und vielen Menschen
doch unheimlich. Ein Heft über den komplexen
Stoff, der uns im Innersten zusammenhält
W
er ungern Blut sieht, hat im Grunde
recht: Die Flüssigkeit versorgt un­
sere Organe, transportiert Sauerstoff
und ermöglicht den Austausch zwischen Zellen. Da Blut im
Körper lebensnotwendig ist, erwarten wir instinktiv wenig
Gutes, wenn es außerhalb sichtbar wird.
In dieser Ausgabe von »1890« aber schauen wir hin – ganz
bewusst und aus unterschiedlichen Blickwinkeln: Mediziner
und Wissenschaftler nutzen Blut als Informationsquelle und
Forschungsobjekt, um Krankheiten zu erkennen und therapie­
ren zu können. Wir verfolgen den Weg einer Konserve vom
Spender bis zum Empfänger; und Fußballweltmeister Jérôme
Boateng erklärt, warum er sich im Kampf gegen Leu­kämie en­
gagiert, ein Kampf, den wir auch mit der Allianz Privaten
Krankenversicherung aus vollem Herzen unterstützen.
Ganz andere Perspektiven eröffnen in dieser Ausgabe von
»1890« wiederum Maskenbildner, Polizeiermittler – und auch
die Tierwelt. Eine Reportage klärt auf, dass nicht der Hochadel
über blaues Blut verfügt, sondern der Pfeilschwanzkrebs. Seine
ungewöhnlich gefärbte Körperflüssigkeit kann in der medizini­
schen Praxis helfen, gefährliche Keime nachzuweisen. Wer un­
gern rotsieht, dem sei diese Geschichte als Einstieg ans Herz
gelegt. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre. ■
Dr. Manfred Knof
Dr. Manfred Knof,
Vorstandsvorsitzender
der Allianz Deutschland AG
ALLIANZDEUTSCHLAND.DE
Die Allianz zeigt sich von einer neuen
Site: In unserem Webmagazin unter
www.allianzdeutschland.de finden
Sie ab sofort jede Menge starker
Geschichten aus dem Allianz Kosmos.
Auch viele Reportagen aus »1890«
können Sie dort lesen.
3
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AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
In manchen
Berufen gehört
Blut zum
Geschäft.
Fünf Profis
im Porträt
Ganz schön
gebeutelt:
Wir gehen mit
einer Blutspende
auf Reisen
18
Hartmut Engler
spricht wieder. Ein
Interview über
Lampenfieber und
andere Leiden
Pflaster drauf?
Experten erklären, wie sie
Wunden versorgen
56
68
10
HEFTTHEMA BLUT
10 ARBEITEN IM ROTEN BEREICH
Fünf Profis erklären, warum sie
Blut sehen müssen
34 MYTHOS UND MEDIZIN
Warum wir Blut eine so große
Bedeutung beimessen. Ein Essay
16 DATENSAMMLUNG
Wie schnell fließt Blut?
Welches Gewicht hat ein Walherz?
Zahlen, die unter die Haut gehen
42 KALKULIERTE GEFAHR
Zwei Allianz Fachmänner erklären,
was Anämie und Bungee-Jumping
verbindet: der Risikofaktor
18 ROT FÜR DIE WELT
Einblicke in das keimfreie Geschäft
mit Spendern, Blutbeuteln,
Zentrifugen und Empfängern
44 FALSCHE FARBE
Der Pfeilschwanzkrebs hat blaues
Blut. Für Forscher ist das Gold wert
24 DIE PLAGEMEISTER
Eine kann man erschlagen, alle
nicht. Gegen Stechmücken hat
die Gattung Mensch keine Chance
26 ABWEHRSPEZIALIST
Weltmeister Jérôme Boateng
erklärt, wie er sich im Kampf gegen
Leukämie engagiert
30 ADERLASS
Eine 31-jährige Milliardärin aus dem
Silicon Valley will das Blutabnehmen
revolutionieren. Ein Selbstversuch
4
50 KLARE SACHE
Eine Bloody Mary muss rot sein?
Ein Barkeeper sieht das anders
UNSERE AUTOREN
SCHADENAKTE
06 GRAF DRACULA
Der Schaden in einem der blutigsten
Bücher aller Zeiten ist schwer zu
berechnen. Ein Annäherungsversuch
DIE BLAUEN SEITEN
58 HINTERBLIEBENENSCHUTZ
Wie eine Risikolebensversicherung
die Familie absichern kann
52 METZGERMEISTER
Marcus Benser macht Blutwürste
für Gourmets. Ein Werkstattbesuch
56 ERSTE HILFE
Expertentipps für kleine Wunden
68 SANG- UND KLANGLOS
Hartmut Engler erinnert sich,
wie ihm die Stimme wegblieb und
die Tournee vor dem Aus stand
FELIX ZELTNER
ließ sich in den USA Blut abnehmen und nach
dem neuesten Stand der Technik analysieren.
Danach freute er sich über die Ergebnisse:
Alle Werte lagen im grünen Bereich. 30
WERNER BARTENS
war aufgeregt, als er im Medizinstudium zum
ersten Mal Blut abnehmen sollte. Der Patient
hatte Venen wie Baumstämme und sagte
fürsorglich, für ihn sei es nicht schlimm. 34
KERSTIN LEPPICH
durfte in Berlin tief in die Rührmaschinen
eines Blutwurst-Fleischers blicken. Dessen
vegetarisches Lieblingsessen hat sie überrascht: Eier mit Senfsoße. 52
RUBRIKEN
03
05
08
29
74
Editorial
Impressum
Verrückte Zeit
Dellings Kolumne
Zu guter Letzt
DANIEL ASCHOFF
musste nach dem Interview mit PUR-Sänger
Hartmut Engler eine schlimme Nachricht verkraften: Bei seinem Sohn bestand Verdacht auf
Hirnblutung. Zum Glück ein Fehlalarm. 68
BILDNACHWEIS
IMPRESSUM
Titel Ingo Robin S. 3 Illustration Julian
Rentzsch, Shutterstock S. 4–5 Enno
Kapitza, Simon Koy, Rafael Krötz
Illustrationen Jan Bazing, Bernd
Schifferdecker (4) S. 6–7 Rafael Krötz
S. 8–9 WENN.com, Ted Lawson/Rex
Features (2) Illustrationen C3 Stuttgart
S. 10–15 Enno Kapitza (5) S. 16–17 Julia
Worbs/Star Worbs S. 18–23 Simon Koy
(5) S. 24–25 Picture Press/David Spears
S. 26–29 Paul Ripke/DKMS Illustration
Julian Rentzsch S. 30–33 Theranos,
Joe Pugliese/AUGUST IMAGES, Drew
Kelly (2) S. 34–41 Ingo Robin (4)
S. 42–43 Shutterstock, Illustrationen:
Aderlaflmann aus Gerdorf/akg-images,
Bernd Schifferdecker (2) S. 44–50
William J. Boch/Oxford Scientific/Getty
Images, Andrew Tingle (8) S. 50–51
Silvio Knezevic (2) S. 54–55 Ragnar
Schmuck, Illustrationen C3 Stuttgart
S. 56–57 C3 Stuttgart Illustrationen Jan
Bazing S. 58–67 Illustrationen Bernd
Schifferdecker S. 68–73 Rafael Krötz (2),
PR S. 74 action press, Magdalena
Stürmer
»1890« – AUS ERFAHRUNG
MEHR WISSEN
Im Jahr 1890 wurde
die Allianz gegründet
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck,
auch auszugsweise, nur mit Genehmigung
des Herausgebers.
Herausgeber:
Hermann-Josef Knipper,
Allianz Deutschland AG,
Königinstraße 28, 80802 München
Redaktion:
Chefredakteur: Mario Vigl (V. i. S. d. P.)
Stellv. Chefredakteur: Daniel Aschoff
Christian Gottwalt (frei), Niclas Müller
(frei), Anna Hieger (Volontärin)
Autoren dieser Ausgabe:
Cihan Anadologlu, Werner Bartens,
Myra Çakan, Gerhard Delling,
Nina Himmer, Kerstin Leppich,
Claus-Peter Lieckfeld, Veronika Keller,
Sandra Michel, Felix Zeltner
Kontakt: Allianz Deutschland AG,
Redaktion »1890«, 80790 München;
[email protected]
Abo-Service:
[email protected],
Telefon: 089.3800-14350
Gestaltung, Produktion:
C3 Stuttgart Creative Code
and Content GmbH
Anzeigen:
Anzeigenverkauf Sebastian Veit
[email protected]
Druck und Vertrieb:
arvato
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SCHADENAKTE
Biss zum bitteren Ende
Graf Dracula saugt Menschen aus und verwandelt
sie in Untote. Unser Experte kann sagen, ob den
Opfern ein Schmerzensgeld zusteht
Bis zum ersten Blutvergießen dauert es 66 Seiten: Dann
kommt die Stelle, an der Rechtsanwalt Jonathan Harker
mit ansehen muss, wie drei Vampirfrauen ein Kind verspeisen. Von diesem Moment an nehmen die Grausamkeiten
in Bram Stokers Roman »Dracula« kein Ende.
Zahn um Zahn:
Bram Stoker hat mit
»Dracula« ein
ziemlich blutiges
Buch geschrieben
Die Handlung des 1897 erstmals veröffentlichten Romans
spielt in England und auf einem Schloss in Transsilvanien.
Zwölf Männer, drei Frauen und eine unbekannte Anzahl
Kinder werden im Lauf der Geschichte kaltblütig ausgesaugt, die meisten vom Hausherrn selbst. Die Opfer des
Grafen sterben nicht, sondern verwandeln sich in Untote,
die fortan das Tageslicht meiden und nachts ihrerseits das
frische Blut anderer Menschen trinken müssen.
Rainer Strodtkötter, Schadenregulierer bei der Allianz
Deutschland, sieht sich angesichts dieses Horrors außerstande, die Personenschäden zu beziffern. »Ein Untoter
könnte natürlich Schadenersatz und Schmerzensgeldansprüche gegenüber dem Vampir erheben«, sagt der Experte. Aber es gebe keine Präzedenzfälle und damit auch
kein Urteil da­rüber, wie der Schaden zu bewerten sei, den
ein Biss-Opfer erleidet. In der Grauzone bleibe auch, ob
eine Versicherung für die Taten eines bissigen Kunden
überhaupt zahlen müsste. Aus Strodtkötters Sicht ist die
Frage zumindest beim Grafen Dracula mit Nein zu beantworten, weil der vorsätzlich zuschnappt: »Wir können ihm
damit leider keinen Versicherungsschutz bieten.«
Leichter zu berechnen sind die anderen Sach- und Personenschäden in Bram Stokers Roman: Ein Rasierspiegel,
zwei Schiffe, persönliche Dokumente und ein goldenes
Kruzifix gehen kaputt. Ein Mann bricht sich den Finger, und
eine junge Dame namens Mina erleidet Verbrennungen im
Gesicht. Für diese vergleichsweise unblutigen Ereignisse
beläuft sich die Schadensumme auf insgesamt:
220.024 Euro
6
7
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VERRÜCKTE ZEIT
PSYCHOLOGIE
BESTSELLER
Aus James Harrisons
Blutspenden wurde
Impfstoff gewonnen für
2
MILLIONEN
BABYS
Der Typ ist
eine echte Null
Mit Vorsicht
zu genießen
Die Persönlichkeit, das Temperament und
den Erfolg einer Liebesbeziehung – all das
lesen Japaner aus ihrer Blutgruppe heraus.
Deshalb ist die Frage »Bist du A, B, AB oder
0?« auf Partys beliebt, und fast jeder kann sie
auch beantworten. Wissenschaftlich haltbar
ist das Ganze nicht. Aber die Wissenschaft
kann erklären, weshalb diese Art Horoskop in
Japan so beliebt ist: Die Blutgruppen sind
dort gleichmäßiger verteilt als in Europa und
Amerika. Das macht das Spiel interessanter.
Zehn Romane voller Blut,
ausgewählt von der
Schriftstellerin Myra Çakan
1. Das Lied von Eis und Feuer
von George R. R. Martin
Mord und blutige Intrigen im
Kampf um den Eisernen Thron.
Blanvalet, 15 Euro
2. Die Blutlinie
von Cody McFadyen
Band 1 der Reihe um die
FBI-Profilerin Smoky Barrett.
Bastei Lübbe, 9,99 Euro
3. Die Abendröte im Westen
von Cormac McCarthy
Erschütternde Bildersprache
ohne Wildwest-Romantik.
Rowohlt E-Book, 9,99 Euro
4. American Psycho
von Bret Easton Ellis
Skandalbuch der 90er. Nichts
für schwache Nerven. Kiepenheuer und Witsch, 12,99 Euro
5. Roter Drache
von Thomas Harris
Der spannende Vorläufer von
»Das Schweigen der Lämmer«.
Heyne Verlag, 9,99 Euro
6. Die 120 Tage von Sodom
vom Marquis de Sade
Sehr brutal, selbst für heutige
Lesegewohnheiten. Null Papier Verlag, E-Book, 1,99 Euro
7. Die schwarze Dahlie
von James Ellroy
Der berühmteste Mordfall von
ganz Hollywood als Roman.
Ullstein, 10,99 Euro
WELTREKORD
Der Medizinmann
James Harrison trägt den schönen Spitznamen »Mann mit dem goldenen
Arm«. Seit mehr als 60 Jahren spendet der 78-jährige Australier alle drei Wochen
Plasma. Sein Zähler steht schon bei über 1100 – Weltrekord. Aus Dankbarkeit
für Blutkonserven, die er als Kind bekam, wurde er mit 18 Jahren selbst Spender.
Jahre später stellte sich heraus, dass sein Blut einen seltenen Antikörper
namens Rho-(D)-Immunglobulin bildet. Als Medikament kann es eine schwere
Krankheit bei Neugeborenen verhindern. Nach Schätzungen eines Herstellers
gibt es weniger als 100 Männer auf der Welt, die speziell für dieses Medikament
ihr Plasma spenden. James Harrison war der Erste.
8
8. Naked Lunch
von William S. Burroughs
Ein Buch wie ein Drogentrip:
bizarr, brutal und irrsinnig.
rororo, 9,99 Euro
9. Beutezeit
von Jack Ketchum
Ein Urlaub in einer einsamen
Waldhütte wird zum Alptraum.
Heyne Hardcore, 8,95 Euro
10. Fettsack
von Rex Miller
Krimi um einen Serienmörder.
Ein Geheimtipp, der polarisiert.
Edition Phantasia, 15,90 Euro
GEWINN
SPIEL
KUNSTPROJEKT
Blut-Druck
Wenn Künstler mit Blut malen,
reagieren die Menschen mit
einer Mischung aus Abscheu
und Sensationslust. Das war
bei Ted Lawsons Selbstpor­
trät »Ghost in the Machine«
nicht anders. Es erregte mehr
Aufmerksamkeit als alle seine
bisherigen Arbeiten zusammen. Der New Yorker Künstler selbst sieht in seinem
Blutbild eine Referenz an den
Narzissmus und die Introvertiertheit der Generation Selfie. Außerdem wollte er die
Beziehung zwischen Mensch
und Maschine erforschen und
die tiefere Verbindung von
Computer-Code und DNA
darstellen. Viel Zeit verwendete er auf die technischen
Details. Das Papier schlug
beim Malen Wellen, und auch
der Zeichenstift an der
Maschine machte ständig
Pro­b leme. Es dauerte Stunden, bis das Bild fertig war.
Der Künstler musste derweil
nichts tun. Er saß neben der
Maschine und trank Saft.
POSITIVE EIGENSCHAFTEN
wild, aktiv,
kreativ, stark,
leidenschaftlich
ehrlich, kreativ,
cool,
sensibel,
kontrolliert,
zurückhaltend,
rational,
geduldig,
gesellig
verantwortungsbewusst
A
A
B
B
anspruchsvoll,
überehrlich, stur,
angespannt,
konservativ
angenehm,
gesellig,
optimistisch
0
kritisch,
unentschlossen,
vergesslich,
unverantwortlich
egoistisch,
unverantwortlich,
unversöhnlich,
unberechenbar
eitel,
unhöflich,
eifersüchtig,
arrogant
Was haben Lady Gaga
und Louis Armstrong
gemeinsam? Und was
die Künstler Otto Dix
und Andy Warhol?
Ihre Liebe zum Jazz!
Wie sehr diese Musik
ihre Kunst beeinf lusst
hat, zeigt eine Ausstellung des Stuttgarter
Kunstmuseums:
»I Got Rhythm.
Kunst und Jazz seit
1920«. Wir verlosen
für kulturaffine
»1890«-Leser 33-mal
zwei Eintrittskarten
und – als besonderes
Highlight – eine
Gruppenführung für
25 Freunde. Falls
Sie die gewinnen
möchten, schreiben
Sie uns kurz, weshalb
sich gerade Ihre
Freunde über diese
Führung freuen
würden.
Viel Glück!
Einsendungen
bis 15.11.2015 an:
[email protected]
oder an
Redaktion »1890«,
Königinstraße 28,
80802 München
NEGATIVE EIGENSCHAFTEN
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Ein
ganz
»Es gibt wohl keinen ergreifenderen Moment, als die Nabelschnur zu durchtrennen. Selbst
nach fast 20 Jahren Berufserfahrung muss ich dabei jedes
Mal eine Träne wegblinzeln.
Schon meine Mutter und Großmutter waren Hebammen. Ich
habe mittlerweile mehr als
5000 Kindern auf die Welt geholfen. Bei einer natürlichen
Geburt fließen dabei etwa 300
bis 500 Milliliter Blut, also gar
nicht so viel. Blut ist sehr wertvoll: Es versorgt das ungeborene Kind mit Sauerstoff und
Nährstoffen und liefert wichtige
Informationen über den Gesundheitszustand der Mutter.
Auch das Nabelschnurblut, das
voller Stammzellen ist, hat für
viele Eltern an Bedeutung gewonnen: Einige lassen es in
dem Glauben einfrieren, dass
es ihrem Kind in ferner Zukunft
einmal nützlich sein könnte.«
Eine Hebamme, ein Jäger, eine Heilpraktikerin, ein Chirurg
und ein Forensiker erklären, warum manchmal Blut an ihren Händen klebt.
Und wieso das seinen Sinn hat
PROTOKOLLE NINA HIMMER
FOTOS ENNO K APITZA
besondrer
Saft
10
»Ich habe mittlerweile mehr als
5000 Kindern auf die Welt geholfen.
Blut ist dabei sehr wertvoll«
ZAHRA SHABANI
HEBAMME
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»Beim Thema Blut halte ich
es mit Goethe: Es ist ein ganz
besondrer Saft. Wobei es
in der Naturheilkunde selbstverständlich nicht um einen
Pakt mit dem Teufel, sondern
um Informationen geht. Blut
ist der verbindende Strom zwischen allen Zellen und Organen. Es enthält nicht nur Fakten
zum körperlichen Zustand eines
Patienten, sondern ist auch
eine Art Informationsträger der
Seele, unser flüssiges Bewusstsein. Neben schulmedizinischen Laboruntersuchungen
nutzen wir deshalb Methoden
wie die Dunkelfeldmikroskopie,
mit der sich die Qualität des
Blutes beurteilen lässt. Dabei
schaue ich mir frisch entnommenes Vitalblut unter dem
Mikro­skop an, die Aktivität und
Anordnung der Zellen kann Hinweise auf das aktuelle Stoffwechselgeschehen und chronische Belastungen geben. Auch
bei der Therapie spielt Blut
eine große Rolle: Beim blutigen
Schröpfen, das ich etwa bei
Muskelverhärtungen anwende,
wird die Haut leicht eingeritzt
und eine spezielle Glaskugel, in
der ein Vakuum erzeugt wird,
darauf gesetzt. So wird Blut
angezogen, ausgeleitet – und
damit auch die Giftstoffe, die
es transportiert.«
»Die Jagd ist wichtig für den
Arten- und Naturschutz. Blut fließt
dabei zunächst wenig«
THOMAS SCHREDER
J ÄG E R
»Es fällt nicht leicht, ein Tier zu
töten. Aber die Jagd ist wichtig
für den Arten- und Naturschutz.
Blut fließt dabei zunächst wenig. Wenn etwa ein Rehbock
durch einen Schuss verwundet
wurde, suchen wir nach winzigen Spuren an Blättern oder im
Moos. Oft finden wir sie nur mithilfe eines Hundes. Ein verletztes Tier muss schnell erlöst werden – auch nach Unfällen auf
der Straße. Nach dem Fangschuss wird sein Körper mit einem Jagdmesser geöffnet, um
die Organe zu entnehmen und
es ausbluten zu lassen. Rote
Arbeit nennen wir das. Das Blut
geht dabei nicht verloren. Ich
fange es für Untersuchungen
beim Veterinäramt und für
die Ausbildung der Hunde auf.
Der Jäger zollt dem Wild auch
durch Traditionen wie dem
Bruch Respekt: Dabei trennt er
einen kleinen Zweig von einem
Baum und teilt ihn in der
Mitte. Ein Stück steckt er dem
erlegten Tier als symbolische
letzte Mahlzeit ins Maul, das andere trägt er, benetzt mit einem
Tropfen Blut, an der Krempe
seines Huts.«
12
»Blut ist eine Art
Informationsträger der Seele,
unser flüssiges Bewusstsein«
U R S U L A H I L P E R T- M Ü H L I G
HEILPRAKTIKERIN
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»Man sieht schreckliche
Dinge in meinem Beruf. Aber ich
bin froh, dass meine Fallarbeit
und Forschung dazu beitragen,
Verbrechen aufzuklären«
MARTIN SCHULZ
F O R ENS ISCH ER B I O LOG E
AM INSTITUT FÜR RECHTSMEDIZIN
D E R U N I V E R S I TÄT M Ü N C H E N
»Operationen werden
immer unblutiger. Die Methoden, die
Geräte – alles zielt darauf ab«
PROFESSOR WERNER HARTWIG
CHIRURG
»Vor 20 Jahren war der Blutverlust bei einer Lebertransplantation so groß, dass man manchmal in Gummistiefeln im OP
stand. Heute kann ich stundenlang selbst stark durchblutete
Organe so operieren, dass der
Patient nicht mehr als 300 Milliliter Blut verliert. Operationen
werden immer unblutiger. Die
Methoden, die Geräte – alles
zielt darauf ab. Das fängt schon
beim ersten Schnitt an: Statt mit
einem Skalpell erfolgt dieser
mitunter via elektrischem Messer. Niemand will viel Blut im
Operationsfeld haben, das würde die Sicht beeinträchtigen.
Generell ist Blut für mich etwas
Positives: Während der Operation liefert es permanent Informationen über den Patienten,
etwa zu Blutdruck, Sauerstoffgehalt und Organdurchblutung.
Problematisch wird es nur,
wenn der Körper zu viel verliert
oder es nicht mehr dort ankommt, wo es benötigt wird:
Wo zu wenig Blut ist, sterben
die Organe.«
14
»Menschen lügen, Blutspuren
nicht. Schussverletzungen verursachen zum Beispiel feinen
Blutstaub, weil durch den Einschlag des Projektils Tröpfchen
mit weit weniger als einem
Millimeter Durchmesser aus der
Wunde geschleudert werden.
Bei stumpfen Gewalteinwirkungen finden wir größere, mehr
oder weniger oval geformte
Spritzer. Mit Luminol-Lösung,
Licht bestimmter Wellenlängen
und selbst entwickelten Methoden können wir Rückstände
sichtbar machen, die sonst mit
dem Auge nicht erkennbar
wären. Mit Präzision und Gewissenhaftigkeit können wir viel
erreichen. Dabei verlasse ich
mich nicht auf Gefühle, sondern
auf naturwissenschaftliche
Methoden – das liegt mir. Natürlich sieht man schreckliche
Dinge in meinem Beruf und
vergisst manche Fälle nie. Aber
ich habe ein ausgeprägtes
Gerechtigkeitsempfinden und
bin froh, dass meine Fallarbeit
und Forschung dazu beitragen,
Verbrechen aufzuklären.«
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Rote
Zahlen
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PROMILLE ALKOHOL
hatte ein Landwirt im Blut.
Er wurde bei Lodz von einem
Auto erfasst und konnte der
Polizei sogar noch seinen
Namen nennen.
SO SCHNELL
fließt das Blut
in der Aorta
Im Ruhezustand bei normalem Puls ist das Blut mit 20 Zentimetern pro Sekunde recht gemächlich in der Hauptschlagader
unterwegs. Bei einer sportlichen Spitzenbelastung kann dieser Wert aber auf einen Meter pro Sekunde steigen.
KILOMETER BLUTGEFÄSSE
durchziehen den menschlichen
Körper. Um diese gigantische Zahl zu
erreichen, muss man allerdings alle
Arterien, Arteriolen, Venen, Venolen
und Kapillaren zusammenzählen.
So schnell, so weit, so viel:
elf bunte Fakten über das Blut
TEXT CHRISTIAN GOTTWALT
ILLUSTRATION STAR WORBS
MILLILITER BLUT
saugt ein medizinischer Blutegel, bis
er satt ist. Stoffe im Speichel hemmen
die Blutgerinnung, was bei kleineren
OPs die Wundheilung verbessert.
BLUTERKRANKE
leben in Deutschland. Bei etwa der
Hälfte der Patienten ist die Erkran­
kung so schwer, dass eine ständige
medizinische Betreuung nötig ist.
LITER BLUT
hat ein Blauwal
HÜFT-OPS OHNE SPENDERBLUT
Durch »patientenorientiertes Blutma­
nagement« gelingt es vielen Kliniken,
die Zahl von Transfusionen stark zu
reduzieren. Ob künstliche Hüfte
oder Herztransplantation – bei den
meisten OPs fließt kaum noch Blut.
TONNEN BLUTMEHL
fielen 2014 in Deutschland als Nebenprodukt der Schlacht­
häuser an. Es wird verfüttert – an Fische, Pelz- und Haustiere.
1,5
LITERN BLUTVERLUST
wird es für einen Menschen
gefährlich, allerdings ist die genaue
Menge individuell sehr unterschied­
lich. Den halben Liter Verlust bei
einer Blutspende gleicht der Körper
binnen fünf Tagen aus.
16
METER
kann ein
Hai Blut
riechen
BILLIONEN ROTE BLUTKÖRPERCHEN
hat ein erwachsener Mann. Sie haben eine
Lebensdauer von vier Monaten, danach werden
sie in der Milz und in der Leber abgebaut.
Imposante Zahlen vom Blauwal, dem größten Tier
aller Zeiten. Sein Herz wiegt bis zu einer Tonne
und pumpt mit jedem Schlag 1000 Liter Blut durch
die Aorta. Ihr Durchmesser: bis zu 20 Zentimeter.
Allerdings riechen sie nur Fischblut. Auf Menschenblut,
so Meeresforscher, reagieren viele Hai-Arten überhaupt nicht.
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Bloody
Business
Wir haben einen Blutbeutel auf seiner
Reise vom Spender bis zum Empfänger begleitet.
Einblicke in einen keimfreien Wirtschaftszweig
TEXT VERONIK A KELLER
FOTOS SIMON KOY
0
18
Das Produktionsund Logistikzentrum
des Roten Kreuzes
in Unterfranken. Hier
muss jede einzelne
Spende einen DNATest absolvieren
19
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A
chim kann immer, auch
wenn es heiß ist. Bei 50-Jährigen kann im Sommer der
Kreislauf schlapp machen,
aber Achim ist fit. Die Krankenschwester kommt,
lächelt und greift seinen linken Arm. Routine für
Achim, es ist seine 76. Blutspende.
Im Lauf seines Lebens hat Achim dem
Roten Kreuz 38 Liter Blut geschenkt. Hierzulande nimmt
die gemeinnützige Organisation rund 70 Prozent aller
Blutspenden entgegen, der
Rest landet bei staatlichen
oder privaten Institutionen.
Achim will anderen helfen,
und das kostet ihn ja nur eine
halbe Stunde seiner Freizeit.
Bekommen hat er für sein
Blut nie viel, meistens einen
Happen zu essen und ein
kleines Präsent, heute wird
er ein Glas Honig mitnehmen. Dass andere Blutspendedienste bis zu 25 Euro zahlen, interessiert ihn nicht.
Was sein Blut wert ist, hat er
sich noch nie gefragt.
»Klar ist das fürs Rote
Kreuz ein gutes Geschäft«,
sagt die Krankenschwester
Britta Vollmuth: »Aber die
Spender wollen ja nichts dafür haben. Für die ist
es, als ob sie zum Stammtisch gehen.« Voriges
Jahr sammelte der Blutspendedienst 3,14 Millionen Spenden. Die gemeinnützige GmbH beschäftigt mehr als 3800 Mitarbeiter. Wie viel Gewinn
es macht, veröffentlicht das Rote Kreuz nicht.
Dreieinhalb Stunden lang wird in der
Turnhalle von Iphofen gezapft, was das Zeug
hält. Zwei Ärztinnen, vier Punktionskräfte, eine
Laborantin und ein Fahrer sind im Einsatz, dazu
Ehrenamtliche, die Bratwürste und Kaffee verteilen. 120 Spender werden kommen. Britta Vollmuth kümmert sich um Achim. Ihre Hände machen alles von allein: Vene finden, Nadel rein,
warten, Nadel raus, fertig. Britta Vollmuth hofft
auf viel Arbeit, denn im Sommer werden Konserven häufig knapp. Die Hitze, der Urlaub, schon
gehen in den Kliniken die Vorräte zur Neige.
20
Die Krankenschwester
hofft auf ein gutes
Geschäft: Im Sommer
wird das Blut oft
knapp
An der Quelle:
Das Deutsche Rote
Kreuz füllt
mehr als drei
Millionen Beutel
pro Jahr
Achims Blutwaage zeigt
500 an, der halbe Liter ist
geschafft, er kann zur Bratwurstausgabe. Ab jetzt
tickt die Uhr. Blut hält sich
nicht lang, binnen 24 Stunden muss es weiterver­
arbeitet sein.
Nachts um drei liegt
im fränkischen Wiesen­
theid der Hund begraben.
Nur in einem weißen Gebäudekomplex am Ortseingang ist Betrieb, im
Produktions- und Logistikzentrum des Blutspendedienstes. Hier wird jede bayerische Spende auf
Krankheiten untersucht
und verarbeitet. Auch
Achims Spende und die
anderen aus Iphofen hat
der Fahrer noch am Abend
im Kühl-Lkw angeliefert. Noch enthalten die
Beutel Vollblut, so wie es aus den Venen der Iphöfer kam, aber das wird sich jetzt ändern.
G
erhard Holzberger ist stolz auf
seine hochtechnisierten Produk­
­
tionsräume. »Das Tolle ist, wie
­sauber und sicher alles funktioniert«, findet der
Herstellungsleiter: »Das Blut wird verarbeitet,
ohne je das Beutelsystem zu verlassen.« Bis in die
70er-Jahre lief das noch ganz anders. Gespendetes
Blut wurde dem Empfänger so schnell wie möglich als »Warmblut« zugeführt, ohne Zwischenschritte. Heute setzen Ärzte auf »Hämotherapie
nach Maß«. Patienten bekommen nur einzelne
Bestandteile. »Das hat den Vorteil, dass man
A
Blutplasma wird
bei minus 40 Grad
eingefroren und kann
jahrelang gelagert
werden. Die anderen
Blutprodukte sind
viel empfindlicher
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
B
Ein Mitarbeiter der Firma
Biotest bei Frankfurt
scannt jeden Beutel, der
angeliefert wird. Das
Unternehmen verwandelt
Blutplasma in Medizin
für Immunkranke
eine Spende bis zu drei Mal verwenden kann,
als Erythrozytenkonserve, als Plasma- und als
Thrombozytenkonserve«, sagt Holzberger. Einer
seiner Mitarbeiter zieht vorsichtig die Blutbeutel
aus der Zentrifuge. Schütteln wäre jetzt schlecht,
denn in den Beuteln haben sich zwei Schichten
voneinander getrennt, die roten Erythrozyten
und das hellgelbe Plasma. Im nächsten Schritt
drückt eine Maschine die beiden Flüssigkeiten in
unterschiedliche Kammern des Beutelsystems
und trennt sie mit Schweißnähten. Aus einer
Blutspende sind zwei Konserven geworden.
Ohne Krankheits-Check gibt Gerhard Holzberger gar nichts frei. Zu hoch wäre das Risiko
einer Hepatitis- oder HIV-Infektion. Sein Labor
prüft das Erbgut jeder einzelnen Spende und sortiert infektiöses Blut aus. Erst dann dürfen die
Konserven die Reise zu den Kliniken antreten.
Blutplasma reist im schockgefrorenen Zustand
bei minus 40 Grad und kann mehrere Jahre gelagert werden. Rote Blutkörperchen werden auf
4 Grad gekühlt und halten sich 42 Tage. Am empfindlichsten sind die Thrombozyten, die im Körper vor allem für die Blutgerinnung zuständig
sind. Sie werden bei Raumtemperatur aufbewahrt und verfallen nach vier Tagen.
L
ydia Böhner verdreht die Augen. Sie
sitzt am Telefon des Blutdepots im Klinikum rechts der Isar in München. Ein
Praktikant fordert für den Nachmittag eine Blutkonserve an, dabei ist es erst elf Uhr. »Bei der
Hitze kommt Blut erst auf die Station, wenn der
Arzt es sofort transfundieren kann«, sagt die
dunkelhaarige Frau. Lydia Böhner ist leitende
Hent pro exi
tori aut ommodipsa
nonsequ at
pore volum qunu
llectem. Mque post
et accum eiu.
Jede Transfusion
birgt Risiken.
Deshalb versuchen
Ärzte, sie möglichst
zu vermeiden
medizinisch-technische Assistentin im Blut­
depot. Man spürt den Respekt vor dem Produkt,
mit dem sie hantiert. Wie jeden Morgen ist auch
heute eine Lieferung vom Roten Kreuz gekommen. Für einen Beutel Erythrozyten zahlt das
Klinikum etwa 85 Euro, bei einer besonders gefragten Blutgruppe wie 0 Rhesus negativ können
es auch 20 Euro mehr sein. Im europäischen Vergleich ist Blut in Deutschland günstig.
Ein paar Gänge weiter wird Wilhelm Kronschnabl gerade seine Prostata los – und eine Menge Blut dazu. Der 69-Jährige liegt auf dem OPTisch. Vor zwei Wochen hat
sein Arzt den Krebs entdeckt
und ihm zur Radikallösung
geraten. Doch der Blutverlust
könne in seinem Fall gefährlich werden, sagt die Anästhesistin Carolin Hartmann,
denn Kronschnabl sei herzkrank. »Bei Blutmangel
pumpt das Herz zum Ausgleich schneller. Das kann
Probleme geben, schlimmstenfalls macht der Herzmuskel schlapp«, sagt die Ärztin.
Andererseits birgt jede Transfusion ein winziges Infektionsrisiko und die Gefahr einer allergischen Reaktion.
Deshalb entscheiden sich immer mehr Krankenhäuser für
einen sparsamen Einsatz von
Transfusionen. Auch bei Wilhelm Kronschnabl zögern die
Ärzte die Transfusion so lange
wie möglich hinaus. Doch im Aufwachraum
wird klar: Es muss sein. Das Gesicht des Patienten ist so grau, dass die blassblauen Karos auf seinem Nachthemd fast grell wirken. Bevor Carolin
Hartmann ihrem Patienten die Konserve geben
darf, muss sie auf einem Teststreifen prüfen, ob
Spender- und Empfängerblut zusammenpassen.
Im Extremfall kann falsches Blut tödlich sein.
Am Ende
des Blutflusses
Wilhelm Kronschnabl öffnet die Augen. Ob
steht das fertige
er an den Spender denkt? »Nein«, sagt er, »ich
Immunglobulin.
sehe es einfach als Medikament, das ich nun mal Sein Apothekenpreis
brauche«, murmelt er und macht die Augen wieist erstaunlich
der zu. Dann sagt er noch, dass er selbst ja auch
jahrelang zum Blutspenden gegangen sei.
AB
»Eigentlich sieht es wie Wassereis aus«, grinst
Mustafa Özdil. Der junge Mann steht mit Handschuhen und Anorak im tiefgekühlten Wareneingang der Firma Biotest in Dreieich bei Frankfurt
und scannt Strichcodes. Von den hellgelben Plasmakonserven, die das Rote Kreuz herstellt, benötigen Kliniken nur etwa ein Drittel. Der Rest
wird an Pharmafirmen wie Biotest verkauft, die
daraus Medikamente herstellen.
Miriam Rothenburger betrachtet die Lie­
ferung aus dem Iran, die Özdil einscannt. Bei
Biotest ist sie für den Produktionsbereich zuständig und wundert sich
manchmal über die Vorlieben einzelner Nationen. Die Iraner zum Beispiel wollen ausschließlich
Medikamente aus iranischem Blut haben. »Wenn
ich schwer krank wäre,
würde ich mich freuen,
das Medikament überhaupt zu haben«, sagt sie.
Biotest produziert
Immunglobuline, die bei
Immundefekten die Abwehr stärken, sowie Gerinnungsmittel für Bluterkranke. Als einziges
deutsches Unternehmen,
das diese Medikamente
produziert, macht Biotest
damit fast 600 Millionen
Euro Umsatz.
In der Produktion
sieht es aus wie in einer
Brauerei: Rohrleitungen, die in silberne Kessel
münden. In denen wird das Blutplasma Tausender Menschen verquirlt. Denn bei Immunglobulin ist eine große Bandbreite erwünscht. Je mehr
unterschiedliche Antikörper das Medikament
enthält, desto wirksamer ist es. Die Herstellung
ist komplex. Erst nach gefühlten 100 Fällungen
und Filterungen und ebenso vielen Qualitäts­
kontrollen werden die Medikamente in Fläschchen gefüllt. Im Licht der Kontrolllampe erinnert das Immunglobulin an den Honig, den der
Blutspender Achim bekam. Nur ist dieses Gläschen deutlich teurer: In der Apotheke werden
100 Milli­l iter knapp 1000 Euro kosten. ■
23
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AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
DIE AUGEN
Die großen Facettenaugen
ermöglichen gutes Bewegungssehen bei ausreichender Kontrastschärfe.
Mücken »riechen« zwar,
wo es was zu holen gibt,
aber die tagaktiven Stechmückenarten sind auch
optisch orientiert.
Die stechen uns aus
Eine Mücke, die gerade Blut saugt, ist leicht zu erledigen.
Aber gegen alle Mücken hat der Mensch keine Chance.
Als Gattung werden sie uns vermutlich überleben
TEXT CLAUS-PETER LIECKFELD
DIE FLÜGEL
DAS JOHNSTONSCHE ORGAN
Es erlaubt flugfähigen
Insekten die Kontrolle ihrer
Fluglage und der Fluggeschwindigkeit. Stechmücken
können mit diesem Sinnesorgan sogar hören. Das
ist wichtig für die Paarung,
um den artspezifischen
Sirrton des Partners
erkennen und orten zu
können.
DER STECH- UND
SAUGRÜSSEL
An der Spitze sitzen Tastund Riechorgane. Aedes
aegypti kann offenbar sogar
Frauen- von Männerblut
unterscheiden. Letzteres
wird bevorzugt.
24
DIE TRACHEEN
Ein Gewirr feiner und
feinster Röhrchen im
Chitinhemd besorgt den
Gasaustausch zwischen
Umwelt und Körperinnerem.
Mücken sparen sich damit
so komplizierte Dinge wie
Blut, Lunge, Leber und
Blutkreislauf. Das Sparpaket
bringt allerdings nur bis zu
einer gewissen Körpergröße
Nutzen: der Hauptgrund,
weshalb Insekten und
Spinnen verhältnismäßig
klein sind.
Sie halten hohe Schlagfrequenzen aus, bis zu 600
mal und mehr pro Minute.
Eine Kleinmückenart bringt
es sogar auf 1000. AedesMücken, übel beleumundet
als Überträger von Dengueund Gelbfieber, sirren
geschlechtsspezifisch: Die
Weibchen locken mit 400,
die Männchen antworten mit
600 Schlägen pro Minute.
Vor dem nur wenige
Sekunden dauernden
Geschlechtsakt schwirren
sich beide auf einen
Mittelwert ein.
N
eulich, ein schlechter Krimi: Der
Kommissar fällt unter die Blutsauger. Ein Schwarm Stechmücken,
die eben noch in der Sonne auf und ab tanzten,
macht sich über ihn her. Schönes Bild, aber
falsch. Denn Mücken, die im Pulk schwirren,
sind männliche Tiere, die weder stechen noch
Blut saugen. Das machen nur die Weibchen.
Bei dem männerspezifischen Unvermögen
handelt es sich um eine der genialen Sparmaßnahmen der Natur, wie sie im Weltreich der Insekten oft zu finden sind. Wenn die Männchen
zur Art­
erhaltung nur winzige Samenspenden
beitragen, brauchen sie nicht unbedingt Nahrung aufnehmen zu können. Was sie aus ihrem
Vorleben als Larven mitbekamen, muss reichen.
Das älteste bekannte Fossil einer Mücke mit
fremdem Blut im Hinterleib ist 46 Millionen Jahre alt. 3500 verschiedene Arten bevölkern den
Planeten und liefern einschüchternde Beispiele
von Überlebenskraft. Stechmücken können Dinge, die sie eigentlich nicht können dürften. Zum
Beispiel benötigen sie zur Vermehrung nicht immer ein stehendes Gewässer. Die Eier von Aedes
vexans (übersetzt: lästiger Quälgeist) und
Ochlerotatus sticticus (stechender Tunichtgut)
können im trockenen Sand eines Überschwemmungsgebietes jahrelang überleben. Wenn es
dort wieder feucht wird, kommt es zu explosions-
artigen Massenvermehrungen, weil mehrere Generationen gleichzeitig schlüpfen. Nach einem
Absturz ganzer Populationen schnell wieder auf
Touren zu kommen, das bringt die Mücken auf
die Siegerseite der Evolution.
Und der Klimawandel führt sie auch
dorthin, wo sie eigentlich nicht hingehören. In
Freiburg haben soeben erstmals Asiatische Tigermücken (Aedes albopictus) überwintert. Die
übertragen das üble Denguefieber und lebten
­bislang nur in äquatornahen Regionen. Auch die
Asiatische Buschmücke ist bei uns heimisch geworden. Sie verbreitet vermutlich den West-NilVirus, einen Auslöser von Hirnhautentzündung.
Und dann die Malaria: Seit ein paar Jahren
taucht das »Kalte Fieber« auch in unseren Breiten auf. Die weiblichen Stechmücken der Gattung Anopheles werden meist auf dem Luftweg
eingeschleppt und überleben lange genug. Bisher
kam es nur zu sehr vereinzelten Infektionen, fast
ausschließlich im Umfeld von Flughäfen – daher
auch der Name »Flughafen-Malaria«.
Die Mücken selbst machen nicht krank,
sondern fünf Arten von Plasmodien in ihrem Inneren. Es sind einzellige, zellkernlose Parasiten
namens Falciparum, Vivax, Malariae, Ovale und
neuerdings auch Knowlesi. Einem Arzt dürfte
eine Anopheles-Mücke wie ein fliegendes, infektiöses Spritzbesteck erscheinen. ■
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Abstriche
machen!
Weltmeister Jérôme Boateng ist ein harter Verteidiger, aber
Wattestäbchen sind ihm wichtiger als Blutgrätschen. Im »1890«-Interview erklärt
der Fußballprofi sein Engagement gegen Krebs und andere Krankheiten
INTERVIEW NICLAS MÜLLER
Herr Boateng, muss man als
Abwehrspieler Blut sehen können?
Es schadet nicht, ich kann es jedenfalls.
Eine Schramme, eine kleine Wunde am
Schienbein, das habe ich oft. Und auch
sonst sieht man als Profi häufiger Blut:
zum Beispiel beim Laktattest auf dem
Laufband. Da kommt der Doc und
piekst dir ins Ohrläppchen. Der Tropfen
wird untersucht, und die Laktatwerte
geben zu erkennen, wie fit du bist. Gerade am Anfang der Saison werden
auch andere Untersuchungen gemacht
und alle Blutwerte durchgecheckt. Man
erkennt sehr viel daran.
Paul Ripke/DKMS
Offensivdrang:
FC-Bayern-Profi
Boateng wirbt für
die DKMS um
neue Stammzellenspender
Leider manchmal auch Trauriges,
etwa Hinweise auf Blutkrebs.
Kennen Sie persönlich jemanden,
der daran erkrankt ist?
Nein.
Warum engagieren Sie sich
dann dagegen?
Mir ist es wichtig, dass ich helfen kann.
Blutkrebs ist ein sehr schwieriges Thema. Einerseits ist die Krankheit tödlich.
Andererseits lässt sie sich ganz gut
bekämpfen.
Was ist das Ziel der Kampagne
»Fußball-Helden« der DKMS Deutsche Knochenmarkspenderdatei?
Wir wollen Fußballspieler in den Vereinen dazu bringen, sich registrieren zu
lassen. Wenn ein Blutkrebs-Patient einen Spender findet, gibt es eine große
Chance, geheilt zu werden. Fast jeder
Mensch hat einen genetischen Zwilling, der helfen könnte. Irgendwo gibt
es ihn, aber keiner weiß es. Man muss
nur einen Wangenabstrich im Mund
mit einem Wattestäbchen machen und
die Probe einschicken. Die DKMS
speichert die Daten – und wenn man
gebraucht wird, kann man mit einer
einfachen Stammzellenspende ein Leben retten.
Haben Sie das Wattestäbchen-Set
schon in der Bayern-Kabine verteilt?
Noch nicht. Aber das möchte ich unbedingt noch tun. Da könnte man noch
viel mehr machen.
Finden Sie, dass sich jeder Prominente
für eine gute Sache einsetzen sollte?
Ich denke schon, man hat da eine
Pflicht: Wer in der Öffentlichkeit steht
und viele Menschen erreichen kann,
sollte Zeichen setzen, andere Leute
aufrufen, eben seine Stimme und seine Präsenz nutzen. Aber das muss
nicht jeder so sehen wie ich.
27
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AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
Spender werden
ist nicht schwer
Stimmt der Eindruck, dass sich
einige Prominente nur wohltätig
zeigen, um ihr Image aufzupolieren?
Kann sein. Aber selbst dann: Wenn es
etwas Gutes bewirkt, sind die Gründe
eigentlich egal. Bei mir kommt es immer von Herzen: Wenn ich ein Projekt
zusage, identifiziere und beschäftige
ich mich auch damit. Ich bekomme viele Anfragen und wähle bewusst aus,
was zu mir passt, wobei ich mich wohlfühle und wo ich den Eindruck habe:
Da passiert was, hier will ich helfen.
Das sind nicht zehn Projekte, sondern
zwei oder drei. Jede gute Sache verdient Hilfe, aber ich kann nicht alle unterstützen. Dafür fehlt uns Fußballern
die Zeit, das wird manchmal unterschätzt. Wir arbeiten, haben viele Termine und auch ein Familienleben.
Im Juli machten Sie auf Ihrer Facebook-Seite den Fall der 12-jährigen
Rinah bekannt. Sie hat Blutkrebs
und fand zunächst keinen passenden
Spender. Wie waren die Reaktionen?
Meistens positiv. Aber mir geht es
nicht darum, gelobt zu werden. Sondern ich wollte, dass viele ihren Fall
mitkriegen. Oft brauchen die Menschen einen Anstoß. Und wenn der
dann von mir ist, freue ich mich. Hauptsache, es klappt. Ich glaube, für Rinah
gab es gleich nach den ersten Tagen
mehr als 3000 Leute, die sich regis­
triert haben und gern spenden würden.
Haben Sie Kontakt zu den Eltern?
Nicht direkt. Aber ein Bekannter der
betroffenen Familie arbeitet beim FC
Bayern. Und da tauscht man sich aus
und fragt nach, wie es läuft. Inzwischen gab es eine wirklich gute Nachricht: Es wurde ein passender Spender gefunden.
Außer gegen Leukämie setzen
Sie sich auch gegen Fremdenhass
ein, zum Beispiel in der Kampagne
des Bundes »Gleiche Chancen.
Immer«. Rassisten glauben ja, dass
Blut etwas über den Wert eines
Menschen aussagt.
Ja, es ist wirklich traurig, dass es diesen Irrsinn heute noch gibt: Wir sind
alle gleich viel Wert, egal welche Hautfarbe oder welche Herkunft oder welches Blut wir haben. Zum Glück sehen
wir verschieden aus, sonst wär’s ziemlich langweilig.
Haben Sie Rassismus am
eigenen Leib erfahren?
Klar, bei meiner Hautfarbe gab es
schon mal Anfeindungen. Und das
Thema ist leider immer noch nicht erledigt. Für mich vielleicht. Aber andere
erleben das noch immer. Rassismus ist
auch eine Art Krebs.
Sie haben eine jüngere Schwester
und drei Halbbrüder – gibt es Unterschiede im Umgang miteinander?
»Klar, bei meiner
Hautfarbe gab es schon
mal Anfeindungen.
Rassismus ist auch eine
Art Krebs«
28
Ich bin mit meiner Schwester aufgewachsen, das ist der einzige Unterschied. Ich spreche nie von Halbbrüdern, nur weil sie eine andere Mutter
haben als ich. Sie sind meine Brüder,
und ich liebe sie genauso wie meine
Schwester.
Im Fußball hört die Liebe aber auf.
Ihr Bruder Kevin-Prince Boateng
spielt für Ghana. Vor dem WM-Spiel
2014 gegen Sie sagte er, es werde
ein »Kampf bis aufs Blut«.
Das hört sich schlimmer an, als es gemeint war. Wenn man mal an die Belastungsgrenze geht und hart spielt,
dann treten die Adern hervor und der
Schweiß fließt – mehr passiert doch in
einem Fußballspiel selten. Der Kampf
gegen Blutkrebs, das ist ein wirklicher
Kampf bis aufs Blut. Da geht es um Leben und Tod, nicht in einem Spiel,
selbst bei der WM nicht.
Sagt Ihnen eigentlich der Begriff
»Blutgrätsche« etwas?
Ja, aber ich habe noch nie eine gemacht. Und noch nie einen Gegenspieler so verletzt, dass er schlimm
geblutet hätte.
Kennt Ihr Trainer Pep Guardiola
das Wort?
Ich glaube nicht.
Darf bei ihm überhaupt noch
gegrätscht werden?
Nur im äußersten Fall und wenn man
sich sicher ist, den Ball zu spielen. Am
Anfang meiner Karriere gab es noch
schlimmere, versteckte und dreckige
Fouls, die wurden kaum oder weniger
hart bestraft als heute. Der moderne
Fußball ist schneller geworden, und
wer am Boden herumgrätschen muss,
stand vorher meistens falsch. Beim
Grätschen verlierst du Zeit und bist
eine Weile aus dem Spiel. Ich brauche
das eigentlich nie. In gewisser Weise
ist der Fußball unblutiger geworden. ■
U
KOL
MN
E
Die Allianz Krankenversicherung unterstützt
die Deutsche Knochenmarkspenderdatei unter
www.dkms.de im Kampf gegen Blutkrebs
Alle 16 Minuten erhält ein Mensch in Deutschland die Diagnose
Blutkrebs. Viele Patienten sind Kinder, deren einzige Chance auf
Heilung eine Stammzellenspende ist. Doch jeder fünfte Patient
findet keinen Spender. Deshalb brauchen wir Sie!
Heilungschancen
Blutkrebs ist der Sammelbegriff für eine Reihe bösartiger
Erkrankungen des blutbildenden Systems. Es gibt aber gute
Heilungschancen. Voraussetzung: Der Patient findet einen
passenden Stammzellenspender. Fast jeder Mensch hat
einen sogenannten »genetischen Zwilling«, der als
Spender infrage kommt.
Spendersuche
Die DKMS registriert potenzielle Spender in ihrer Datei,
bislang sind es rund fünf Millionen. Grundsätzlich kann sich
jeder gesunde Mensch
zwischen 17 und 55 Jahren
registrieren lassen.
Typisierung
Um als Spender infrage zu
kommen, müssen zunächst die
Gewebemerkmale bestimmt
(typisiert) werden. Hierfür wird
ein Wangenabstrich benötigt,
der dann ins Labor geschickt
wird. Unter www.dkms.de
kann jeder ein WattestäbchenSet anfordern, den Abstrich
selbst vornehmen und die
Probe einschicken.
Registrierung
Die Gewebemerkmale werden
in anonymisierter Form im
Zentralen Knochenmarkspender-Register in Ulm (ZKRD)
gespeichert und stehen weltweit
für Patientenanfragen zur
Verf­ügung. Sollten die Gewebemerkmale eines potenziellen
Spenders mit denen eines
Patienten übereinstimmen,
werden nach Rücksprache
weitergehende Untersuchungsschritte eingeleitet.
Therapie
In den meisten Fällen (ca.
80 Prozent der Fälle) lassen
sich die für die Therapie
benötigten Stammzellen aus
dem Blut gewinnen. Seltener
ist eine Stammzellenentnahme
aus dem Beckenknochen und
dafür eine etwa einstündige
OP unter Vollnarkose notwendig.
Wie unterstützt
die Allianz?
Für die ersten 100 Leser von
»1890«, die sich bis Jahres­
ende 2015 als potenzielle
Spender registrieren lassen,
übernimmt die Allianz Private
Krankenversicherung die
Kosten der DKMS. Bitte geben
Sie bei der Registrierung an,
dass Sie durch »1890« auf die
DKMS aufmerksam wurden.
Die Bestimmung der Gewebemerkmale im Labor inklusive
Typisierung, Material, Logistik
und Personal kostet die DKMS
50 Euro pro Neuaufnahme.
Dies wird nur durch Geldspenden finanziert.
Bewegt euch!
Unser Kolumnist Gerhard Delling
kämpft diesmal gegen ein
Volksleiden: die Bequemlichkeit
D
iabetes. Mancher wird bei diesem
Stichwort wahrscheinlich gleich
weiterblättern wollen. Es geht ihn ja vermeintlich nichts an. Ein schwerer Irrtum. In
Deutschland sind nicht nur mehr als sechs Millionen Menschen an Diabetes erkrankt, sondern fast jeder fünfte Betroffene weiß gar nichts
davon. Dazu kommen rund 270.000 Neuerkrankungen pro Jahr – Tendenz steigend.
Jede Stunde sterben in Deutschland drei
Menschen an Diabetes. Dieses Drama ist nur
möglich, weil wir uns zu wenig bewegen. Das
gilt laut Statistik für – Achtung: drei Viertel
der Bundesbürger! Die Deutsche DiabetesHilfe hat weitere Daten: Ein Mensch sollte
mindestens 10.000 Schritte pro Tag machen,
dann ließe sich Diabetes eindämmen. In der
Realität sind es aber gerade einmal um die
2000 Schritte pro Tag.
Wir sitzen uns zu Tode. Unsere Kinder
verbringen fast vier Stunden täglich vor dem
PC oder Fernseher, Erwachsene sitzen mehr
als doppelt so lang davor. Weil an den Schulen
nur wenig Sport unterrichtet wird – gerade
einmal 2,3 Stunden pro Woche – ist der Anteil
der Sportmuffel und Bewegungsverweigerer
auf über 50 Prozent der Bevölkerung gestiegen. Das sind Zahlen – da muss man sich erst
einmal hinsetzen. Aber bitte nicht zu lange.
In meiner Jugend war ich gezwungenermaßen fast ausschließlich zu Fuß oder mit
dem Fahrrad unterwegs, heute stauen sich die
Autos vor jeder Schule. Der Wohlstand macht
uns zunehmend träge. Glücklich macht er uns
nur, wenn wir in Bewegung bleiben. ■
29
Lipidprofil
Blutgruppenbestimmung ABO/RhD
Test auf Würmer und Parasiten
Vancomycin
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Harnsäure
Triglyceride
Cyclosporine, A
Nukleäres-Antigen-Antikörper, RNP
Anti-Müller-Hormon (AMH)
Helicobacter pylori, IgG, Serum
Alpha-Fetoprotein (AFP), Serum (Mutter)
Cholinesterase
Propoxyphen
Homocystein
Valproinsäure
Hämoglobin (HGB)
Benzodiazepine, Blut
Glucose
Kalium
Transferrin
Enterohämorrhagisches E.-coli-Toxin mit Ausschlussdiagnostik auf E.coli-Serogruppe O157 in Kultur
IgA, Serum
Urinanalyse, vollständig, mit Ausschlussdiagnostik in Kultur und auf Empfindlichkeit
Methadon-Metabolit
Test auf okkultes Blut im Stuhl
Alanin-Aminotransferase (ALT/SGPT)
Hepatitis B Surface Antigen (HBsAg), total
Hepatitis B, DNA, quantitativ
Varicella-Zoster Antibody
Amphetamine
Trizyklische Antidepressiva, Urin
Insulin
Gamma-Glutamyl-Transferase
Thyroxin-bindendes Globulin
Hochempfindlicher Assay für C-reaktives Protein (hsCRP)
Luteinisierendes Hormon
HIV-1, RNA, quantitativ
Hämogramm 2
Amylase
Calcitonin
Thyreoglobulin
Eisen
Östron
Partielle Thromboplastinzeit (PTT)
Testosteron, freies
Masern (Masern-Antikörper), IgG
Magnesium
Adenovirus-DNA, quantitativ
Acetaminophen
Zytomegalievirus (CMV) Antikörper, IgG
Karzinoembryonales Antigen (CEA)
Lipoprotein niedriger Dichte (LDL)
Mikroalbumin/Kreatinin im Spontanurin
Kohlendioxid
Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG)
D-Dimer, quantitativ
Zytomegalievirus (CMV) Antikörper, IgM
Bilirubin, gesamt
RPR mit Ausschlussdiagnostik TP-PA
Chlorid
Laktat-Dehydrogenase
Bilirubin, direkt
Albumin
Wachstumshormon (HGH)
Ammonium
Alpha-1-Antitrypsin, gesamt
Stoffwechselprofil (BMP)
Alpha-1-saures-Glykoprotein
Hepatitis-B-Core-Antigen, gesamt (Anti-HB-Core)
Tuberkulose; QuantiFERON-TB Gold In-Tube
Toxoplasma, IgG
Rheumafaktor, gesamt
Eisenbindungskapazität
Piiiiiiks!
30
Elizabeth Holmes wollte niemandem wehtun und hat deshalb
ein Blutanalyse-Verfahren entwickelt, für das wenige Tropfen reichen.
Ihre Erfindung machte sie zur Milliardärin – und zur Bedrohung für etablierte Konzerne.
Ein Selbstversuch beim Aderlass à la Silicon Valley
TEXT FELIX ZELTNER
31
ACTH (adrenocorticotropes Hormon)
Reproduktionsmonitoring-Panel
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
Differentialblutbild, automatisch
Geburtshilfe-Panel
Phosphor, anorganisch
Theophyllin
Varicella-Zoster-Antikörper
E
nola in Pennsylvania.
Das Gesundheitszen­
trum von Capital Blue­
Cross, einem lokalen Versicherer, steht
zwischen Highway und Laubwald. Es
ist neu, hat im Juli eröffnet. Gymnas­
tikraum, Healthy Café, Kids’ Zone.
Kunst an der Wand. Ich bin der einzige
Kunde. Eine Rezeptionistin steht be­
reit. Zu Theranos, bitte. Sie führt mich
vorbei an drei gläsernen Büros zu einer
Tür mit einem kleinen Fenster. Dane­
ben sind beleuchtete Buchstaben mon­
tiert: Theranos. Ein Wortspiel aus
»therapy« und »diagnosis«. Das kleine
o in Theranos ist ein Tropfen – in Tür­
kis. Nichts hier soll an Blut erinnern.
»Ich glaube, wenn wir von einem
anderen Planeten kämen und überle­
gen würden: ›Wie können wir die
Leutchen hier foltern?‹ Dann kämen
wir auf das Konzept, eine Nadel in je­
manden hineinzustechen und langsam
sein Blut herauszusaugen, während er
dabei zuschaut.« So sagt es Elizabeth
Holmes, die Gründerin von Theranos,
in Interviews. Für diesen Artikel wur­
den sämtliche Gesprächsanfragen ab­
gelehnt. Dennoch erklärte sie bereits
öffentlich, dass sie Angst vor Nadeln
habe, schon ihre Mutter und ihre Groß­
mutter seien beim Anblick von Blut
ohnmächtig geworden. Außerdem fin­
det Holmes herkömmliche Bluttests zu
teuer, unpraktisch und anstrengend.
Die Blutindustrie setzt in den
USA 70 Milliarden Dollar pro Jahr um.
Holmes ist das Genie, das die Riesen
der Branche ärmer machen will. Sie
träumt von einer Welt ohne Krebs
dank Früherkennung und von einer
personalisierten Medizin, in der Medi­
kamente auf persönlichen Daten beru­
hen und nicht auf Industriestandards.
Sie hat das Blutabnehmen neu erfun­
den, der vorläufige Höhepunkt in einer
Biografie, die Schwindel bereitet.
1984 geboren, lernt sie noch in
der High School fließend Mandarin.
Ihre Kommilitonen im Chemieingeni­
32
Östradiol
Glucose-Toleranz-Test (GTT) Test auf Gestationsdiabetes, 2 h, 75 g
Alkalische Phosphatase (ALP)
Thyreoperoxidase-Antikörper (TPO-AK)
Alpha-Fetoprotein (AFP), Serum (Onkologie)
Natriuretisches Peptid Typ B (BNP)
Lipoprotein hoher Dichte (HDL)
Umfassendes Screening-Panel für STI
Tumormarker 15/3 (CA 15/3)
Epstein-Barr (EBV) Antikörper-Panel
Cholesterin
Gentamicin
Geburtshilfe-Panel mit HIV-1/HIV-2-Antigen/Antikörper-Kombitest
hCG – humanes Choriongonadotropin, Blut, qualitativ
Endomysium-Antikörper, IgG
Kollagen-Verbindungen
eurstudium in Stanford überholt sie
so schnell, dass sie bereits im ersten
Studienjahr bei den Doktoranden mit­
forscht. 2003, mit 19, beantragt sie ihr
erstes Patent: aus einem Tropfen Blut
multiple Ergebnisse gewinnen und
diese elektronisch an Ärzte übertra­
gen. Die Technik dahinter nennt sich
Lab-on-a-Chip – kleinste Flüssigkeits­
mengen werden auf einen Mikrochip
gegeben und ausgelesen.
Mit zwanzig bricht sie ihr Studi­
um ab und gründet mit dem Ersparten
ihrer Eltern Theranos. Ihr früherer
Chemieprofessor hilft, sechs Millionen
Dollar von Risikokapitalgebern im Si­
licon Valley einzusammeln. 2007 wird
Holmes’ erstes Patent eingetragen. Im
selben Jahr bekommt sie 400 Millio­
nen Dollar weiteres Kapital und ver­
klagt drei Mitarbeiter wegen Verun­
treuung von Firmengeheimnissen.
Kaum Blut vergießen:
oben eine Probe im
Labor. Unten die
31-jährige Gründerin
Elizabeth Holmes. Wie
immer in Schwarz
Erst 2014, rund zehn Jahre nach der
Gründung, geht Theranos an die Öf­
fentlichkeit. Heute steht Holmes’ Name
auf 83 Patenten. Sie hält über 50 Pro­
zent an ihrer Firma, deren Wert auf
neun Milliarden US-Dollar geschätzt
wird, was die 31-Jährige laut ForbesListe zur jüngsten Selfmade-Milliar­
därin der Welt macht. Ihr Chemiepro­
fessor hat den Lehrstuhl in Stanford
aufgegeben – er arbeitet Vollzeit für
seine ehemalige Studentin.
Brianna öffnet die Tür, bevor ich
klopfen kann. Sie trägt einen weißen
Kittel, darunter ein türkises OP-Shirt.
Auf einem s-förmigen Tisch steht eine
weiße Plastik-Orchidee. Neben ihrem
Schreibtisch läuft Wasser über eine
Glaswand. Yogamusik wabert. »Das
hat alles Elizabeth ausgesucht«, sagt
Brianna. »Sie legt Wert darauf, dass
man sich entspannt. Für mich bist du
kein Patient, sondern Gast.« Wir set­
zen uns. Sie stellt sich als Phlebotomis­
tin vor, gelernte Blutabnehmerin, frü­
her Rotes Kreuz, jetzt Theranos. Ich
gebe ihr mein Rezept. Per Klick gibt
sie der Firmenzentrale in Palo Alto Be­
scheid. Von dort wird mein Arzt in
New York angerufen, um sicherzuge­
hen, dass er das Rezept wirklich aus­
gestellt hat. »CBC« steht darauf, Com­
plete Blood Count, ein Standardbluttest.
Der Besuch beim Arzt kostete 125, der
Bluttest bei Theranos 4,75 Dollar. Lä­
chelnd schiebt Brianna die Geschäfts­
bedingungen über den Tisch und holt
ein iPhone mit Bezahlaufsatz aus der
Schublade. »Bar oder Kreditkarte?«
In Zukunft sollen Kunden auch
ohne Rezept untersucht werden kön­
nen, sagt sie, so wie im US-Bundesstaat
Arizona. Dort betreibt Theranos mit
der Drogeriekette Walgreens mehr als
50 Praxen. Brianna wurde nach Penn­
sylvania versetzt, um hier die ersten
Kunden zu betreuen. Sie ist die Vorhut
von Theranos an der US-Ostküste.
Anfangs verdiente das Unterneh­
men sein Geld damit, für Pharmafir­
Mein Blut ist jetzt Teil
der Revolution und fließt
in der Matrix. Vielleicht
bestelle ich gleich noch
einen Test nach
men Daten auszuwerten. Inzwischen
bietet Theranos mit etwa 800 Ange­
stellten eine komplette Leistungskette
an: Blutabnahme, Analyse, Ergebnis­
übermittlung zum Patienten (per
i­
Phone-App) und Arzt (Fax). Anders
als etwa bei Siemens, das seine Blut­
testgeräte bei der US-Gesundheitsbe­
hörde FDA genehmigen lassen muss
und so die Technologie dahinter preis­
gibt, bleibt Theranos bislang weitge­
hend autonom, die Technik nebulös.
M
anche Analysten sa­
gen daher, Theranos
habe nichts Großarti­
ges erfunden, mache lediglich gute PR
für ein Produkt zu Dumpingpreisen.
Andere wiederum vergleichen Elizabeth
Holmes mit Apple-Gründer Steve Jobs.
Fest steht: Frau Holmes’ Gespür für
Blut durchbricht preislich und zeitlich
alle bisherigen Standards, macht viele
für andere Firmen lukrative Zwischen­
schritte überflüssig – und den Ader­
lass angenehm.
Im Kämmerchen neben Briannas
Büro setze ich mich auf einen cremefar­
benen Ledersessel und schaue auf einen
Kühlschrank mit Codeschloss, einen
Plastikbambus und einen gigantischen
TV-Screen, auf dem niedliche Fische
zwischen bunten Korallen schwimmen.
Holmes selbst soll weder einen
Fernseher noch Haustiere besitzen. Es
wird berichtet, dass sie in einer Drei­
zimmerwohnung in Palo Alto lebt,
kaum ein Sozialleben hat, keine Bü­
cher liest, nie Urlaub nimmt und sich
vegan ernährt, am liebsten von einem
pulverisierten Präparat aus Gurke, Pe­
tersilie, Kohl, Spinat, Sellerie und
Kopfsalat. Sie trägt stets Schwarz.
Brianna steckt meinen linken Mittel­
finger in ein Wärmepolster, um die
Durchblutung zu fördern. »Patent Re­
served« steht darauf. Sie hält mir einen
pink verpackten Pikser und ein durch­
sichtiges Plastik-Ypsilon vor die Nase.
Darüber dürfe ich nicht reden, sagt sie.
Firmengeheimnis. Neben ihr steht ein
Schild: »No Photography«.
Sie tupft meinen Finger mit Al­
kohol ab und pikst mich im Bruchteil
einer Sekunde. Ein kleiner Schmerz,
die Nadel sehe ich nicht. Ein Tropfen
Blut steht auf meiner Fingerkuppe.
Sie hält das Ende des Ypsilons an den
Tropfen, und das Blut fließt durch
zwei winzige Kanäle in die Enden des
Ypsilons. Sie tupft noch einmal behut­
sam an meinen Finger, lässt einen
weiteren Tropfen abfließen. Dann
zerteilt sie das Ypsilon und entnimmt
einen kleinen, doppelzylindrigen Be­
hälter. Der »Nanotainer«, nicht ein­
mal anderthalb Zentimeter lang. Sie
sperrt ihn in eine weiße Box im Kühl­
schrank, meine ist die einzige Probe
darin. Pflaster auf meinen Mittelfin­
ger. Fertig.
Am Abend danach eine E-Mail:
»Your results are available.« Mein Blut
ist bereits im Labor von Theranos im
Silicon Valley analysiert worden. Ich
öffne die App und blicke auf ein Dut­
zend Werte, weiße Blutkörperchen,
rote Blutkörperchen. Auf den Skalen
visualisiert ein Punkt meine Gesund­
heit. Alle Ergebnisse sind im türkis­
farbenen Bereich, das sieht gut aus, ich
brauche meinen Arzt gar nicht mehr zu
fragen, Theranos ist ja da. Mein Blut ist
jetzt Teil der Revolution, fließt in der
Matrix. Vielleicht bestelle ich gleich
noch einen Test nach. Ich scrolle durchs
Menü, das klingt interessant, »Testoste­
rone Total«, nur 17,75 Dollar. ■
33
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
Ekeln
Sie
sich auch
vor
Blut?
Jeder hat es, keiner mag es.
Der Arzt und Bestsellerautor Werner Bartens
über die Macht und die Magie des Blutes
TEXT WERNER BARTENS
FOTOS INGO ROBIN
34
Niemand
will Blut sehen.
Weshalb wir hier
auch keines
zeigen
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
D
as Laken hängt da wie eine
Trophäe und wird triumphal
zur Schau gestellt. Jeder soll
es sehen am nächsten Morgen. Rot auf Weiß, da
gibt es keinen Zweifel mehr. Blut klebt daran, das
Blut aus der Hochzeitsnacht. Glück gehabt, noch
mal alles gut gegangen, sie war noch Jungfrau.
Falls doch nicht, wird gerne mal nachgeholfen,
ein Schnitt in den Finger oder zwei, schon bleibt
der Schein gewahrt und die Verwandtschaft
kann sich zufrieden zeigen.
Während Blut ansonsten außerhalb des
Körpers zuverlässig Abscheu verursacht, weil es
alles dreckig macht und verunreinigt, verwandelt sich der rote Fleck als Bestandteil der mediterranen Brautschau in ein erlösendes Symbol.
Der Fleck als Zeichen der Unbeflecktheit – welch
schöne Dialektik der Körpersäfte.
In den meisten anderen Situationen wird
Blut als eklig empfunden, vor allem, wenn es sich
dort befindet, wo es nicht hingehört – auf statt
unter der Haut, als sichtbares Zeichen einer Ver-
»Wenn Blut
nicht in geordneten
Bahnen verläuft, ist es
bäh, igitt, eklig «
letzung, in Unterhosen, auf dem Ärmel, in einer
Binde, auf einem Verband. Erst wenn es kanalisiert wird, gilt Blut auch außerhalb des Körpers
nicht mehr als unangenehm. Der Blutstropfen,
den sich der Diabetiker aus der Fingerkuppe
presst, wird nicht als eklig empfunden. Ebenso
wenig wie das Blut, das aus der Vene in die Spritze fließt, in Dialyseschläuchen zirkuliert oder
sich in anderen medizinischen Gefäßen befindet.
Schützt man den Menschen vor direktem Kontakt, wirkt Blut sauber, geradezu steril.
36
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
Wenn
eine Madonna
blutige Tränen
weint, grenzt
das oft an ein
Wunder
Manchmal kommt eine Ersatzflüssigkeit zum
Einsatz, wie in jener Werbung für Binden, in der
statt Menstruationsblut eine durchsichtige, blaue
Flüssigkeit gezeigt wurde. Transparent war hier
nur das vergossene Nass, der Rest des Clips war
Täuschung und Tarnung. Bloß nicht zu deutlich
werden, wenn es ums Untenrum geht, aseptisch
soll das alles aussehen, nicht nur sauber, sondern
rein. Ich kann doch kein Blut sehen. Wir alle
können kein Blut sehen.
Dabei kommen wir zur Welt nicht nur
»zwischen Kot und Urin«, wie schon die Kirchenväter in aller Deutlichkeit auf Lateinisch feststellten, sondern auch von Kopf bis Fuß mit Blut
verschmiert. Aber auch das will keiner sehen.
Wenn nicht gerade eine hyperrealistische ArteDoku läuft oder eine Benetton-Werbung provozieren will, geht eine Geburt in der medialen
Darstellung ohne Blutvergießen über die Bühne:
Die Frau macht ein bisschen Radau, schon quäkt
das Baby im Off. Dann wird es ihr rosig und vor
allem sauber in den Arm gelegt.
Man muss es so deutlich sagen: Niemand
will Blut sehen, es sei denn, er ist Schlachter,
Henker oder Chirurg. Wenn es nicht in situ, also
in seinen natürlich geordneten Bahnen verläuft
und in den Venen, Arterien und Kapillaren pulsiert, die Organe durchströmt und das Gewebe
nährt, ist Blut bähbäh, igitt, eklig. Dabei zeigen
wir die einzige zuverlässige Ekelreaktion dann –
auch das eine hübsche Pointe unserer Physiologie –, wenn Blut am falschen Ende in den Körper
gelangt und verschluckt wird. Daher, liebe Mamas, Kindergärtnerinnen und Grundschullehrerinnen, aufgepasst: Hat ein Kind Nasenbluten,
bitte nicht den Kopf in den Nacken legen. In dieser Haltung kann Blut in den Rachen fließen,
verschluckt werden und in den Magen gelangen.
Und das löst bei manchen Menschen reflexhaft
einen Brechreiz aus.
Wunden haben hingegen ihre eigene Ästhetik. Es war einer der erhabensten Einschnitte in
der Filmgeschichte, als sich Winnetou und Old
Shatterhand die Unterarme aufritzten, aneinander drückten und zu Blutsbrüdern wurden. In
37
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
der Realität war dieses Ritual nordamerikanischen Ureinwohnern unbekannt, es war Brauch
bei den Germanen, Skythen und Mongolen.
Auch die Mutter aller Blutgrätschen hat für
Fußballfreunde bis heute einen gewissen Reiz.
Im August 1981 brachte Norbert Siegmann von
Werder Bremen seinem Gegner Ewald Lienen
eine 25 Zentimeter lange Fleischwunde im Oberschenkel bei und sah dafür nicht mal eine Gelbe
Karte. Die Wunde sah wirklich schlimm aus,
aber nach 23 Nadelstichen und 17 Tagen Pause
konnte Ewald Lienen wieder trainieren. Im modernen Fußball sind Blutgrätschen dank verbesserter Technik selten geworden, zwischen 1998
und 2012 sank die Zahl der Grätschenfouls in der
Bundesliga von über 1000 auf unter 400.
B
lut ist wohl der widersprüchlichste
Körpersaft, den wir in uns haben.
Den Sanguiniker, nach der antiken
Viersäftelehre zufolge von einem Übermaß an
Blut durchströmt, macht es aufbrausend und vital, heiter und lebhaft. Er kann kaum an sich halten, so heizt ihm der rote Treibstoff ein. Blut gilt
weltweit als Zeichen für Lebensmut und Tatkraft – und der Ausdruck »blutleer« bezeichnet
das blasse und langweilige Gegenteil.
Ist zu viel vom roten Stoff vorhanden, gerät
der Mensch in einen psychischen Ausnahmezustand, den Blutrausch, und steigert sich in einen
hemmungslosen Furor aus Zerstörungslust und
Gewalt, der geradezu nach dem Blut der anderen
verlangt. Oder nach dem letzten, dem größten
Opfer: »Ich habe nichts anzubieten außer Blut,
Mühsal, Tränen und Schweiß!«, rief Winston
Churchill in seiner berühmten Rede vor dem britischen Unterhaus im Juni 1940 seinen Landsleuten zu, um die letzten Kräfte gegen Nazi-Deutschland zu mobilisieren.
Rot ist die Farbe der Agilen und Aktiven,
zugleich die der Attraktiven und von der Natur
Begünstigten. Am Baum verspricht die Signalfarbe Rot die reife Frucht, im Gesicht des
Gegenübers auch Gesundheit, Fruchtbarkeit und
mittelfristig robuste Nachkommen. Dieses evolu-
38
tionäre Muster ist so tief in uns verankert, dass
Lippenstifte und Rouge noch immer unwiderstehlich wirken und jeder anderen Farbe in ihrer
Signalwirkung überlegen sind. Beurteilen männliche Probanden am Computer Frauen nach ihrer
Attraktivität, wählen sie zuverlässig jene mit den
symmetrischen und rosig unterlegten Gesichtszügen, auch wenn sie die Damen nur für Bruchteile von Sekunden auf dem Bildschirm betrachten können.
Auch in vielen anderen Situationen löst Rot
erstaunliche Reaktionen aus: Anhalterinnen
werden öfter und schneller mitgenommen, wenn
sie rote Kleidung tragen. Bedienungen in einem
Restaurant bekommen ein Drittel mehr Trinkgeld, wenn sie ein rotes T-Shirt tragen anstelle
eines identisch geschnittenen Oberteils in Weiß,
Gelb, Grün, Blau oder Schwarz. Eine ähnliche
Wirkung lässt sich selbst bei männlichen Bedie-
» Moderne Vampire
würden vermutlich von
ihren Opfern ein ärztliches
Attest verlangen «
nungen beobachten. Auch wenn Kellner rote
Westen tragen, fällt ihr Trinkgeld höher aus.
So sehr Blut der Inbegriff der Lebenskraft
ist, so sehr kennzeichnet es auch höchste Gefahr,
wenn man ihm zu nahe kommt. Blut kann infektiös sein und fiese Krankheiten wie Hepatitis
oder Aids übertragen. Blutsaugende Stechmücken übertragen exotische Krankheiten oder
lauern – wie die Zecken – im heimischen Unterholz und können mit ihrem Speichel gefährliche
Erreger in das Blut des Opfers einschleusen.
Während frühere Helden nach erfolgreichem
Kampf das Blut ihrer Gegner tranken, um die
Kraft und Stärke der toten Rivalen auf den eigenen Körper und die eigene Gruppe übergehen zu
lassen, würde man heute selbst das Blut eines
Alles
gut mit dem
Blut. Aber nur,
solange es den
Körper nicht
verlässt
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
Wer sich
selbst erkennen
will, lässt sich
vom Arzt ein
großes Blutbild
machen
Freundes nur ungern berühren wollen, Winnetou
hin oder her. Wer weiß, welche Bedrohung der
rote Saft verbirgt? Moderne Vampire würden
heutzutage wahrscheinlich auf einem Gesundheitsattest ihrer Opfer bestehen.
Färbt sich die Haut rot, hat das vielseitige
Bedeutungen: Es kann die keusche Schamesröte
der Wangen sein oder der »Sex Flush« nach dem
Liebesspiel, wenn sich die Kapillaren erweitern
und das Gesicht einfärben. Zeigt sich hingegen
das Rote auf der Oberfläche der Haut nur als feiner Strich, könnte das auf eine Blutvergiftung
hindeuten. Allerdings übertreibt hier die Volksweisheit die Bedeutung von Rot und Blut gehörig.
Wenn der rote Strich das Herz erreicht, fällt man
nicht tot um, denn so weit kommt der Strich gar
nicht. In bedrohlichen Fällen breitet sich eine
Blutvergiftung im ganzen Körper aus, aber die
Keime gelangen über das Adergeflecht in die Tiefe des Körpers und lassen sich deshalb nicht unter der Hautoberfläche erkennen.
Blut ist mit der Vielzahl der ihm zugeschriebenen Bedeutungen so überladen, dass es
zwangsläufig zum Pars pro Toto für alles Körperliche geworden ist. Das »eigene Fleisch und Blut«
bezeichnet die eigenen Kinder und Kindeskinder, von Blutschande spricht man, wenn enge
Verwandte Inzest begehen. Beide Male steht das
Blut für den Lebensstoff, der das Eigene vom
Fremden unterscheidet. Ähnlich verhält es sich
mit der Blutrache, die sich auf die ganze Familie
bezieht und dazu führen kann, dass auch unbeteiligte Verwandte in Clan-Kriegen niedergestreckt werden.
A
us physiologischer Sicht ist es richtig, dass Blut dicker ist als Wasser,
aber das Sprichwort will auf die
besondere Stärke verwandtschaftlicher Beziehungen hinweisen. Auch im Verhältnis von Völkern und Nationen stellt das Blut eine symbolisch
immens aufgeladene Körperflüssigkeit dar. Seit
Jahrhunderten streiten sich Volksgruppen über
die angebliche Reinheit ihres Blutes, kämpfen
gegen »fremdes« Blut an, beklagen Blutopfer oder
fordern gar Blutzoll und empören sich, wenn
ihr »eigenes« Blut vergossen wird. Obwohl sich
zum Zweck der Fortpflanzung andere Körpersäfte vermischen, wird immer nur vom Blut gesprochen, das die Menschen familiär oder ethnisch verbindet. Das eigene »Fleisch und Blut«
steht über Generationen für das Erbe der Eltern
und Ahnen.
So mythisch raunend das Blut völkisch aufgemotzt daherkommt, in der Medizin hat es sich
in jüngster Zeit zum Zeichen für den großen
Durchblick entwickelt. Genanalysen, Biomarker
und nicht zuletzt das große und das kleine Blutbild sollen Auskunft darüber geben, ob alles mit
uns und in uns stimmt. Der Glaube an die Aussagekraft dieser Tests ist nahezu unbegrenzt, sodass ein ebenso lukrativer wie zwielichtiger
Markt hier entstanden ist. Etliche Scharlatane
treiben ihr Unwesen mit Blutanalysen, die auf einen vermeintlichen Vitamin- oder Hormonmangel, auf Alterungsprozesse oder schlummernde
Tumorzellen hinweisen sollen. Dabei sollte ein
statistischer Zusammenhang nicht vergessen
werden: Je mehr Werte ein Blutbild enthält, desto
größer wird naturgemäß die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Werte aus den vorgegebenen
Normwerten fällt.
Blut ist lebenswichtig, unersetzbar. Es ist
»ein ganz besondrer Saft«, wie Goethe die dunkelrote Körperflüssigkeit nannte. Das gilt im Guten wie im Bösen. Blut transportiert Nährstoffe
und Sauerstoff, muss zu jedem Organ und noch
zur letzten Zelle des Körpers gelangen, sonst
stirbt das Gewebe dort ab. Zudem ist Blut wohl
die einzige Körperflüssigkeit, deren Bestandteile
so beeinträchtigt sein können, dass der Mensch
krank wird – sind die roten Blutkörperchen defekt, kommt es zu Anämien; Störungen der weißen Blutkörperchen und anderer Blutbestandteile führen zur Leukämie. Und Blut muss immer
unter Druck stehen, vom Herz im richtigen Maße
durch den Körper gepumpt werden. Liegt der
Druck zu hoch, droht Gefahr für Herz, Hirn und
Nieren. Liegt er zu niedrig, werden Füße und
Hände kalt, der Mensch ist der Ohnmacht nahe.
Das Blut wird in jüngster Zeit zusehends
von kleinteiligeren Bedeutungsträgern abgelöst.
»Ich habe wohl irgendein Gen, das auf Selbstzerstörung programmiert ist. In regelmäßigen Abständen gewinnt dieses Gen die Übermacht«,
antwortete Rocksänger Joe Cocker einmal auf die
Frage, ob er Ärger magisch anziehe. Zu Beginn
seiner Karriere hätte er vermutlich noch gesagt,
diese Autoaggression läge ihm im Blut. Bei
Stéphanie von Monaco diagnostizierte die »Bunte«
ein »Unglücksgen«, bei Steffi Graf ein »Glücksgen«.
» Der Glaube an
die Aussagekraft eines
Blutbildes ist nahezu
unbegrenzt «
In Zeiten, da kaum eine Woche vergeht, in der
nicht über die Entdeckung eines Gens für was
auch immer berichtet wird, werden das Verhalten
und der Charakter von Menschen immer häufiger mit ihren Erbmolekülen erklärt. Die Gene
haben das Blut als Trägerstoff für bestimmte Eigenarten abgelöst, da spielt es keine Rolle, dass
im Blut fast alle Gene zu finden sind. Die Eigenheiten des Menschen erklärt neuerdings die Molekularbiologie, also die Wissenschaft von den
Genen – und nicht mehr die Hämatologie, wie die
Lehre vom Blut und seinen Erkrankungen in der
Fachsprache heißt.
Erklärungsversuche und Legenden, dass
bestimmte Eigenschaften angeboren sind, gab es
schon immer. Neu ist allerdings, dass nicht mehr
nur das Blut dazu herhalten muss, religiöse, weltanschauliche oder ethnische Gruppen zu diskriminieren, ihnen Gewalt anzutun oder die eigene
Familie, Sippe, Stammeszugehörigkeit hervorzuheben. Hinweise darauf, dass Fähigkeiten wie
Intelligenz und andere Eigenschaften vermeintlich biologisch begründet sind, ziehen immer.
Man hat es im Blut – und wenn nicht, dann eben
in den Genen. ■
41
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
Wie viel
Risiko steckt
in uns?
INTERVIEW DANIEL ASCHOFF
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
Eine ganze Menge, wissen
die beiden Allianz Experten
Olaf Hottinger und Berthold
Schröder. Ein Gespräch über
Mathematik, Bluthochdruck
und Bungee-Springen
Herr Hottinger, Herr Schröder,
wie wichtig ist Blut für Sie?
Schröder: Blut ist kostbar, kann heilen
und man kann daraus sehr genaue
Dia­
gnosen und Therapieempfehlungen ableiten. Aber von Blut geht auch
ein hohes Risiko aus.
Welches Risiko?
Hottinger: Wir hätten es deutlich leichter, wenn es Leukämie, Bluthochdruck
oder Anämie nicht gäbe. Aber sie
existieren nun mal, und wir untersuchen gemeinsam mit den Versicherungsmedizinern, in welcher Ausprägung diese Erkrankungen vorliegen
und welches Risiko sie darstellen.
Wie berechnen Sie die Gefahr,
dass jemand Blutkrebs bekommt und
seine BU, also seine Berufsunfähigkeitsversicherung, in Anspruch
nehmen muss?
Schröder: Die Häufigkeit, an Leukämie
zu erkranken, ist altersabhängig. Bei
den 20- bis 24-Jährigen erkranken in
Deutschland jährlich 1,4 Personen pro
100.000 Einwohner. Zwischen 50 und
54 sind es bereits fünf Betroffene, von
60 bis 64 Jahren sogar über 14. Aber
nicht jede Leukämieform ist gleich:
Die günstigste Heilungsrate von bis zu
90 Prozent hat beispielsweise die
Sonderform Promyelozytenleukämie.
Mit diesem Wissen versorgen wir die
Aktuare, die das in die Berechnungen
einbeziehen.
42
Klingt, als müssten Sie viel rechnen.
Hottinger: Durch statistische Erfassung lässt sich ermitteln, wie häufig
und wie verbreitet eine Krankheit auftritt. Wir arbeiten hier eng mit den
Rückversicherern zusammen, die auf
Basis klinischer Studien untersuchen,
mit welcher Wahrscheinlichkeit zum
Beispiel Bluthochdruck zu einer Berufsunfähigkeit führen wird.
Müsste so ein Kunde mehr zahlen?
Schröder: Man kann das gut anhand
eines 30-jährigen normalgewichtigen
Bürokaufmanns vorrechnen, der eine
monatliche Berufsunfähigkeitsrente
von 1500 Euro bis zum Alter von 65
Jahren absichern möchte: Liegt sein
Blutdruckwert oberhalb des Normalbereichs bei 155 zu 95, zahlt er im Vergleich zu einem Gesunden rund 29 Euro
mehr pro Monat. Bei 155 zu 100 wird
es für ihn rund 59 Euro teurer.
Woher bekommen Sie die Zahlen
für Ihre Risikoberechnung?
Schröder: Wir verwenden die offizielle
Todesursachenstatistik, dazu Daten
der
Gesundheitsberichtserstattung
des Bundes, die Invaliditätsursachen
der Deutschen Rentenversicherung,
die Empfehlungen des Rückversicherers und Untersuchungen des eigenen Versichertenbestandes. Immerhin
Dr. Berthold
Schröder, 52, arbeitet
bei der Allianz
Leben als leitender
Gesellschaftsarzt.
Sein persönliches
Bluterlebnis: Nadelstichverletzungen
während seiner Zeit
in der Klinik – und
die Sorge, sich dabei
infiziert zu haben
Dr. Olaf Hottinger,
49, leitet im Fachstab
der Allianz Leben das
Risikomanagement.
Sein persönliches
Bluterlebnis: Seit er
im Kindesalter
erfahren hat, wie
Blutwurst gemacht
wird, hält er sich
davon fern
bestehen bei der Allianz allein rund
drei Millionen Verträge im Bereich der
Berufsunfähigkeitsvorsorge.
Zur Risikoprüfung genügen meist
ein paar Gesundheitsfragen. In
welchen Fällen wird auch das Blut
potenzieller Kunden untersucht?
Hottinger: In den allermeisten Fällen
sind keine Blutuntersuchungen nötig.
Nur ab einer bestimmten Versicherungssumme und ab einem gewissen
Alter sind verschiedene Blutwerte
gefordert, etwa Blutfette, Kreatinin,
Leberwerte, Entzündungswerte und
auch ein HIV-Test. Bei einer RisikoLebensversicherung ist das beispielsweise ab 350.001 Euro der Fall.
Was müssen Sie noch berücksichtigen?
Schröder: Wir müssen bei der Risikokalkulation immer auch neue Therapieformen bewerten. Ein Beispiel ist
die personalisierte Medizin, die sich
durch eine spezialisierte Diagnostik
und eine auf den einzelnen Patienten
und seine Erkrankung zugeschnittene
Therapie günstig auf die Risikoeinschätzungen auswirken kann.
Kann ein HIV-Infizierter eine Risiko­
lebensversicherung bekommen?
Hottinger: Noch vor zehn Jahren gab
es praktisch keine Versicherungsgesellschaft, die HIV-Positiven ein Angebot für eine Risikolebensversicherung
gemacht hat. Heute aber ist HIV nicht
mehr zwingend tödlich, sodass wir
das Todesfallrisiko absichern können.
Auch Hobbys können blutig enden.
Welche gehen gar nicht, wenn man
BU-Schutz genießen will?
Hottinger: Bungee-Jumping als bestehendes Hobby versichern wir in der BU
nicht. Dagegen ist Drachenfliegen
versicherbar, aber nur mit Zuschlag.
Gleiches gilt für bestimmte Arten des
Tauchens. Bei der Risikoberechnung
sind für uns die Wahrscheinlichkeit
des Eintretens eines Unfalls und der
Schweregrad des Schadens entscheidend. Das Risiko errechnet sich aus
dem Produkt von relativer Ereignishäufigkeit und Folgenschwere. Die Gefahr beim Bungee-Jumping besteht im
Reißen des Sprungseils, dem Einsatz
nicht geeigneter Seile oder falscher
Sicherungen. Beim Drachenfliegen
spielen die Wetterabhängigkeit und
die Absturzgefahr eine große Rolle.
Wie sieht es mit Bergwandern aus?
Hottinger: Ist überhaupt kein Problem.
Hochtouren sind anders zu bewerten:
Wenn es auf den Mount Everest gehen soll, dann stellt das schon eine
extreme Herausforderung für den Organismus dar. Hochtouren auf mehr
als 5000 Meter werden daher in der
Risikobewertung berücksichtigt.
Anfang der 90er-Jahren waren HerzKreislauf-Erkrankungen noch eine
der häufigsten Gründe für Berufsunfähigkeit. Wie sieht es heute aus?
Schröder: Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen aktuell auf Rang fünf der
BU-Ursachen. Sie sind zuletzt etwas
nach hinten gerückt, auch weil sich
die Diagnose und Therapie der koronaren Herzerkrankung und des Blutdrucks verbessert haben. In der Rangliste liegen aktuell Erkrankungen wie
Depressionen, Bandscheibenvorfälle
und Krebs vorn. ■
43
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
Blaues
Blut
Pfeilschwanzkrebse
leben seit 500 Millionen
Jahren auf der Erde.
Sie gelten als Urahn
der Skorpione und
Spinnentiere
Ein lebendes Fossil steht im Dienst der Pharmaindustrie.
Die zapft ihn massenweise an
»Der Pfeilschwanzkrebs
wird so groß wie ein
Pizzateller und sieht aus wie
ein Stahlhelm mit Augen«
44
Bildnachweis: William J. Boch/Oxford Scientific/Getty Images
TEXT FELIX ZELTNER
FOTOS ANDREW TINGLE
Gliedertiere
haben kein Eisen
im Blut, sondern
Kupfer – daher
die blaue Farbe
45
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
In North Carolina
holen Fischer
jedes Exemplar
per Hand aus dem
Meer. Bei der
Spende (unten)
hängen sie in
Reih und Glied
Dieses Tier
lebt noch. Sein
Hinterteil wurde
vorsichtig
umgeklappt
B
lau ist im Tierreich die seltenste
Farbe, und blaues Blut haben
nur ein paar Superstars: Hummer, Oktopus, Tarantel, Skorpion. Das vielleicht
faszinierendste blaublütige Tier aber kennen nur
wenige: den Pfeilschwanzkrebs. Er wird so groß
wie ein Pizzateller, sieht aus wie ein Stahlhelm
mit Augen und steht im Mittelpunkt eines millionenschweren Geschäfts, das im Meer beginnt
und auf den Konten von Pharmafirmen endet.
Die Fischer entlang der Ostküste Nordamerikas jagen die Krebse nachts, im Sommer, während der Paarungszeit. Wenn sie am Strand und
im flachen Wasser keine finden, fahren sie mit
kleinen Motorbooten zwei, drei Kilometer aufs
offene Meer hinaus und ziehen Schleppnetze hinter sich her, bis sich ganze Haufen der sperrigen
Kreaturen darin verfangen haben.
»Sie sind leicht zu fangen«, sagt Kapitän
George Doll, Fischer und Bürgermeister von
North­
port, nordöstlich von New York City.
»Nichts an ihnen ist giftig. Sie sind langsam und
wehren sich nicht.« Doll fischt seit 1963. In den
90er-Jahren war die Krebspopulation stark dezimiert, seither gibt es Fangquoten. »Wir dürfen nur
noch um die 150.000 Tiere pro Saison fangen, im
ganzen Bundesstaat New York. Wir müssen Formulare ausfüllen, Zahlen angeben, aber es wird
viel gelogen, es gibt einen Schwarzmarkt. Die
Preise gehen durch die Decke. Früher brachte einer 25 bis 50 Cent. Heute sind es bis zu 4 Dollar.«
Umgerechnet 3,50 Euro für ein Lebewesen
aus dem Erdaltertum, Urahn sämtlicher Skor­
pione und Spinnen. Meistens saugt es wie ein
Schwimmbadroboter den Meeresgrund ab. Der
Pfeilschwanz- oder Hufeisenkrebs existiert in
ähnlicher Form seit dem Kambrium, dem Erdzeitalter vor einer halben Milliarde Jahren, in
dem sich die Großkontinente Gondwana und
Laurasia aneinander rieben. Nordamerika er-
46
» Sie sind leicht
zu fangen. Sie wehren
sich nicht «
GEORGE DOLL
Fischer auf Long Island, New York
47
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
Vor dem
Aderlass wird
jeder einzelne
Krebs von
Seepocken
befreit
Im Wasserbad
werden zusätzlich
Schlamm und
Sand entfernt
48
reichte seine heutige Position vor etwa 20 Millionen Jahren. Die Krebse reisten mit. Als vor ungefähr zweieinhalb Millionen Jahren die ersten
Frühmenschen auftauchten, hatte das Urvieh mit
seinen zehn Augen Eiszeiten überlebt und auch
die Dinosaurier kommen und gehen gesehen.
1956 entdeckte der US-Mediziner Frederick
Bang, der an den Krebsen forschte, dass sich das
Blut eines toten Exemplars in eine gelartige,
halbfeste Masse verwandelt hatte. Er fand he­
raus, dass aus dem Krebsblut ein Gel wurde, sobald es mit winzigsten Mengen von Endotoxinen –
also Bakteriengiften aller Art – in Kontakt kam.
Gemeinsam mit einem Kollegen entwickelte er
ein simples und schnelles Bakterientestverfahren
und nannte es LAL, Limulus Amebocyte Lysate,
nach dem lateinischen Namen des Krebses, Limulus polyphemus.
Die Entdeckung veränderte die Pharma­
industrie. Denn bis dahin waren neue Medikamente und Impfstoffe in den USA an Kaninchen
getestet worden. Man injizierte den Tieren die
fragliche Substanz und wartete 48 Stunden. Traten
bei den Kaninchen erhöhte Körpertemperaturen
auf, waren die Medikamente durchgefallen. Seit
es LAL gibt, hat die US-Gesundheitsbehörde das
aufwendige und tierethisch fragwürdige Verfahren nicht mehr zwingend vorgeschrieben. Auch
die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die
Europäische Arzneibuch-Kommission empfehlen
den Einsatz von LAL. Trotzdem wurden 2012 in
Europa noch 110.000 Kaninchen dem Test auf
Bakteriengift unterzogen.
M
it dem medizinischen Fortschritt
wächst auch der Anspruch der
Pharmaindustrie auf mehr und
mehr blaues Blut. Es gibt vier Arten von Pfeilschwanzkrebsen. Die Art an der Ostküste der
USA und im Golf von Mexiko gilt noch nicht als
bedroht, über die drei Arten vor der Südostküste
Asiens liegen den Artenschützern keine ausreichenden Daten vor. Allerdings werden vor allem
in Taiwan und Hongkong die Krebse gerne
gegrillt und verspeist, was deren Population
schrumpfen lässt.
In den USA enden die meisten Krebse als
Köder für Aale und Meeresschnecken an den An-
gelhaken von Berufsfischern, nicht immer legal.
Der Anteil der Pharmaindustrie ist stark reguliert. Nur vier Firmen sind berechtigt, Krebse
bluten zu lassen, etwa eine halbe Million Exem­
plare dürfen sie pro Jahr dafür fangen. Einer der
industriellen Blutsauger ist der Pharmariese Lonza
in Walkersville, unweit der Küste des US-Bundesstaates Delaware. In den dortigen Gewässern
schwimmen geschätzt neun Millionen Pfeilschwanzkrebse, die weltweit größte Population.
»Für uns ist wichtig, dass die Tiere kühl bleiben.
Deswegen fischen wir nachts«, sagt Allen Burgenson, Blaublutfachmann bei Lonza. »Wir verladen die Krebse im Hafen direkt vom Boot in
einen gekühlten Lastwagen.«
Nach
der Bluternte
werden die
Krebse wieder
freigelassen
D
er chauffiert den Fang ins LonzaLabor nach Salisbury, etwa 45 Minuten von der Küste entfernt. Dort
binden Mitarbeiter die Tiere mit Lederriemen auf
Werkbänken fest. Bei jedem einzelnen klappen
sie vorsichtig das bewegliche Hinterteil um, sodass die einzige Öffnung im Panzer freiliegt. Mit
einer Kanüle stechen sie direkt ins Herz der
Krebse. Das Blut fließt in Glasflaschen ab, pro erzwungener Spende etwa 100 Milliliter oder 30
Prozent der Gesamtmenge im Tier.
»Der Aderlass dauert nur ein paar Minuten«,
sagt Burgenson, »dann bringen wir sie zurück
ins Meer. Insgesamt sind die Tiere nur etwa
24 Stunden aus dem Wasser.« Worüber er ungern
spricht: Die Todesrate beim Aderlass liegt bei
15 bis 30 Prozent. Daher betont er lieber, dass die
Tiere nicht im Fangrevier freigelassen werden,
sondern an einem anderen Ort, um ihnen einen
weiteren Aderlass zu ersparen.
Im Labor wird das Blut zentrifugiert, mit
firmengeheimen Substanzen versetzt und gefriergetrocknet, sodass am Ende ein Pulver ent-
30
Bis zu 30 Prozent
der Krebse
überleben die
zwangsweise
Blutspende nicht
steht, das Lonza für die LAL-Tests verkauft. Ein
Liter des fertigen Produktes soll 13.000 Euro
wert sein, die Umsätze der beteiligten Firmen addieren sich zu geschätzten 45 Millionen Euro.
Studien zufolge lässt die Produktivität der
Krebse an der Ostküste nach, was am Aderlass
liegen könnte. Dies führt aber nicht nur dazu,
dass die Gesamtzahl der Krebse leicht sinkt, sondern auch, dass Millionen Zugvögel, die sich auf
ihrem Weg nach Norden befinden, weniger Nahrung bekommen – sie ernähren sich von den am
Strand abgelegten Krebseiern. Pfeilschwanzkrebse, vernetzt im Nahrungskreislauf, scheinen
in Gefahr. Die Zucht der Tiere in Gefangenschaft
ist bislang gescheitert.
Auch deshalb wird nach Alternativen gesucht. Seit 2012 ist der Monozyten-Aktivierungstest auf Basis menschlichen Blutes in der EU zugelassen, und Hyglos, ein Start-up aus Bernried
am Starnberger See, will mit einem Test namens
EndoLISA die Pfeilschwanzkrebse schonen. Es
braucht Zeit, die Medikamentenhersteller von
den neuen Tests zu überzeugen, zu schnell und
zu einfach funktionieren die etablierten.
Vor 250 Millionen Jahren haben die Pfeilschwanzkrebse ein Massenaussterben überstanden, das 95 Prozent aller Tierarten im Meer
dahinraffte. Sollten sie jetzt auch noch den Menschen überleben, haben sie gute Chancen auf die
nächsten 500 Millionen Jahre. ■
»Für uns ist wichtig, dass
die Tiere kühl bleiben. Deswegen
fischen wir nachts«
ALLEN BURGENSON
Krebsfischer und Blaublutfachmann
49
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
Alles klar
Unser Autor, ein erfahrener Bartender, verrät,
wo es die beste Bloody Mary gibt – und mit welchem
Trick er ihr die rote Farbe wegzaubert
TEXT CIHAN ANADOLOGLU
FOTOS SILVIO KNEZEVIC
D
ie beste Bloody Mary, an die
ich mich erinnern kann, habe
ich in Tokio getrunken, in
der Bar Mimitsuka. Man
muss da allerdings jemanden kennen, der einen
mit hineinnimmt. Dort wurde alles à la minute
gemacht: der Tomatensaft, der Zitronensaft, das
Chiliöl. Man konnte sich den Schärfegrad aussuchen, auf einer Skala von eins bis zehn.
Der Bartender hat die Tomaten frisch gepresst und den Saft durch ein Doppelsieb laufen
lassen, sodass er ganz dünnflüssig wurde. Der
Saft schmeckte angenehm süß und hatte ein vollkommenes Tomatenaroma. Dann hat der Bartender den Cocktail geworfen. Das Werfen ist eine
alte Bartechnik, durch die der Drink einen mittleren Grad zwischen gerührt und geschüttelt bekommt, mit perfekter Temperatur und Konsistenz. Wer beim Werfen einer Bloody Mary
zusieht, will sofort auch eine haben.
Ziemlich enttäuscht war ich von der Bloody
Mary in Harry’s New York Bar in Paris. Der Barmann hatte den Drink in größeren Mengen vorgemischt. Dabei wurde die Bloody Mary in dieser
Bar erfunden, von Fernand Petiot im Jahr 1921.
Zehn Jahre später ging Petiot nach New York, in
die King Cole Bar. Der Hotelbesitzer mochte aber
50
den Namen Bloody Mary nicht und benannte sie
in »Red Snapper« um. Außerdem wurde sie dort
mit Gin gemacht, eine Folge der Prohibition.
In jedem Fall streiten sich die beiden Bars
bis heute, wo die Bloody Mary denn nun wirklich
erfunden wurde. Wer recht hat, ist nicht wichtig,
denn auch in der King Cole Bar ist mir mal eine
fertig vorgemischte Bloody Mary begegnet. Vielleicht sollte man Bars, die sich rühmen, einen
Klassiker erfunden zu haben, einfach meiden.
Die leben zu sehr in der Vergangenheit.
Im Lauf der Jahrzehnte sind viele Varianten
entstanden. Es gibt Bloody Marys mit dehydrierten Gurken, eingelegten Cornichons, Olivenpaste
oder ganzen Oliven. Und mit den unterschiedlichsten Spirituosen: die Bloody Maria mit Tequila, die Bloody Maru mit Sake oder den Bull
Shot mit Rinderkraftbrühe. Wer mag, kann die
Bloody Mary auch mit Aquavit bestellen, ich finde, das harmoniert sehr gut.
Für meine durchsichtige Variante experimentiere ich gerade mit grünen Tomaten, die ich
in den Entsafter gebe und den Saft anschließend
filtriere. Und mit einem Rotavapor, einem Medizingerät, das in der Molokularküche verwendet
wird. Wenn man darin Tomaten destilliert, wird
ihr Saft so klar wie Wasser. ■
Das soll
eine Bloody
Mary sein?
So verliert der CocktailKlassiker seine blutrote Farbe.
Eine Anleitung
Chilischoten halbieren
und zwei Tage in Wodka
einlegen. Den Saft von 300
Gramm Tomaten mit 5 bis 6 cl
hochwertigem Wodka und
dem Saft einer halben
Biozitrone mischen. Die Zitrone
mit der Hand zerdrücken.
Vorsicht, dass dabei kein
Zitrusöl in den Drink gelangt.
Mit einigen Tropfen des
Chili-Wodkas schärfen. Die
Mischung in einen Rotavapor
füllen und destillieren.
Zum Servieren den Rand
eines Longdrinkglases
mit rosa Himalayasalz und
Schrot vom tasmanischen
Pfeffer dekorieren
Cihan Anadologlu
war Barchef im Hotel
Vier Jahreszeiten und im
Schumann’s in München. In
Sachen Barkultur berät
er Hoteliers von Hongkong
bis New York. Im Herbst
eröffnet er in der Alten Börse
in München seine erste
eigene Bar
51
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
Preisgekrönt:
Marcus Benser in
seiner Neuköllner
Blutwurstmanufaktur
Ritter
der
Blutwurst
Marcus Benser ist ein ausgezeichneter Metzger.
Sogar französische Gourmets verehren seine Berliner Spezialität.
Ein Werkstattbesuch zwischen extrafein und ziemlich grob
TEXT KERSTIN LEPPICH
FOTOS RAGNAR SCHMUCK
M
arcus Benser hat sich he­
rausgeputzt, denn es ist
sein großer Tag. Wir
schrei­ben das Jahr 2004,
hier darf man es so altertümlich ausdrücken,
und der Fleischer aus Berlin-Neukölln tritt vor
die versammelten Würdenträger im Ratssaal von
Mortagne-au-Perche. Es ist eine kleine Gemeinde
in der Normandie, und Benser trägt, dem Anlass
angemessen, seinen besten Anzug – plus Kittel­
jacke. Als der Metzger vorn im Saal angekom­
men ist, spricht er mit fester Stimme: »Auf Rost
und Bratspieß schwöre ich, dass ich für alle Zei­
ten und an allen Orten die Blutwurst verteidi­
gen will und mich für die Erhaltung höchster
Qualität und höchster Güte einsetzen werde.«
Schließlich hebt der Großmeister vor ihm einen
Bratenspieß, einen Meter lang und golden. Die
Insignie geht auf Bensers rechter, dann auf sei­
ner linken Schulter nieder. Er ist von nun an:
Blutwurstritter.
Die französische Gourmetorganisation
Confrérie des Chevaliers du Goûte Boudin, die
Bruderschaft der Blutwurstritter, fördert seit
1963 den Erhalt und den Ruf der speziellen
Fleischware. Zu diesem Zweck richtet sie all­
jährlich einen internationalen Wettbewerb aus,
an dem bis zu 600 Fleischer teilnehmen. Benser
errang insgesamt 15 Titel, darunter dreimal hin­
tereinander den höchsten für die beste Blut­
53
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
wurst Europas. 2004 schließlich wurde er in
den Kreis der Bruderschaft aufgenommen.
Elf Jahre nach der Zeremonie steht Benser
in seinem Geschäft am Rande des Karl-MarxPlatzes: »Der Ritterschlag war ein erhabener
Moment für mich«, sagt er. Goldene Gabeln oder
Pokale sucht man in seinem Laden vergeblich.
Brimborium liegt ihm eigentlich nicht. Benser
versucht lieber, seinem Eid hinter der normaler­
weise verschlossenen Werkstatttür gerecht zu
werden. Hier entstehen die Würste, die er bei­
spielsweise an Kolja Kleebergs Berliner Restau­
rant Vau, den Münchner Ratskeller und das
Bundespräsidialamt liefert. Was einst ein Armeleuteessen mit Igitt-Potenzial war, ist unter an­
derem mit Bensers Hilfe zur Delikatesse avan­
ciert: »Meine Blutwurst schmeckt der
Neuköllner Hausfrau ebenso wie dem Vor­
standsvorsitzenden des DAX-Unternehmens«,
sagt der Berliner mit thüringischen Wurzeln.
S
eine Werkstatt ist viel größer, als der
Verkaufsraum erwarten lässt. An
blank polierten Edelstahltischen ge­
hen Mitarbeiter zu Werke, einer zerteilt gerade
eine Schweinehälfte. Es sieht aus wie in der Kü­
che eines Riesen: Schneebesen und Rührlöffel –
alles wirkt überdimensioniert. 700 Blutwürste
produziert die Manufaktur an einem Sommertag.
In den kalten Monaten ist es die dreifache Menge.
Blutwurst ist eine typische Winterspeise.
Deren Herstellung beginnt gegen Ende des
Tages, wenn Filets und Kottelets längst verarbei­
tet sind. Liebhaber würden sagen: Das Beste
kommt zum Schluss. Eine schöne Schweinerei.
50 Liter Blut stehen in Eimern in der Ecke bereit.
Rot und gar nicht klumpig, es ist schon abge­
kühlt. Das Rühren hat eine Maschine in der
Schlachterei erledigt. Kalt bleibt der rote Saft flüssig.
Benser hält dem Besucher eine Schweine­
schwarte vor die Nase: »Das ist alles Kollagen!«
Zwischen den gerollten Hautschichten hat sich
während des fünfstündigen Kochens eine gal­
lertartige Masse abgesetzt. Benser drückt hi­
nein, die Masse gibt nach und nimmt wieder
ihre ursprüngliche Form an. Kollagen ist ein
Stoff, der gern in Anti-Aging-Cremes verwendet
wird, weil er die Haut straffen soll. »Was mei­
54
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
nen Sie, wieso Fleischereiverkäuferinnen glatte
Gesichter haben?«, fragt Benser. In seiner Re­
zeptur sorgt Kollagen für die richtige Bindung.
Künstliche Emulgatoren oder Zusatzstoffe kom­
men dem Metzger nicht in die Wurst.
Eimerweise schüttet er Speck in den
Fleischwolf, dann eine kinderwannengroße
Schüssel Zwiebeln hinterher. Den nächsten
Schritt erledigt die Maschine. Sie mahlt die Zu­
taten in kleine, nicht zu feine Stücke. Der Brei
landet in einem Bottich. Zuletzt gießt Benser die
rote Flüssigkeit darüber, die der Spezialität ih­
ren Namen gibt.
Blut besteht zu 18 Prozent aus Eiweiß und
hat einen hohen Magnesiumanteil. Selbst wenn
es unappetitlich klingen mag: Blut ist nahrhaft.
Es zu vergeuden, kommt für Metzger Benser
nicht infrage. Die Massai in Afrika trinken das
Blut ihrer Rinder sogar pur. Dafür ritzen sie die
Adern eines Tieres an und entnehmen nie mehr,
als es verkraften kann. Das Überleben des Stam­
mes könnte davon abhängen.
Blutverzehr hat auch in Europa Tradition.
Die erste literarische Erwähnung einer Wurst
mit der roten Zutat liegt fast 3000 Jahre zurück.
In Homers Odyssee heißt es: »Ziegenmägen lie­
gen im Feuer, die wir zum Nachtmahl hingelegt,
nachdem mit Fett und mit Blut wir sie füllten.«
Selbst wenn es
unappetitlich klingen mag:
Blut ist nahrhaft.
Es zu vergeuden, kommt
für Metzger Benser
nicht infrage
»Qualität muss
man jeden Tag unter
Beweis stellen. Die
strengste Jury sind für
mich die Kunden«
im
17.
JAHRHUNDERT
brachten Hugenotten die Blutwurst nach Berlin,
die eigentlich ihren Ursprung in Frankreich hat.
700
BLUT WÜRSTE
produziert die Manufaktur an einem Sommertag.
In den kalten Monaten ist es die dreifache Menge.
15
TITEL
errang Benser insgesamt für seine Blutwürste.
Die französische Gourmetorganisation Confrérie des
Chevaliers du Goûte Boudin, die Bruderschaft
der Blutwurstritter, nahm ihn 2004 in ihren Kreis auf.
Anders als die griechischen Helden verwendet
Benser Blut und Fleisch vom Schwein: »Viel hat
sich nicht verändert. Blutwurst ist immer noch
ein ziemlich archaisches Produkt«, sagt er.
Schwarte, Zwiebeln, Blut sind die Hauptbestand­
teile. Dazu kommt Bensers Gewürzkomposition,
selbst Mitarbeiter kennen die Rezeptur nicht. Sie
stammt vom Großvater, der seine Lehrjahre einst
in der Hauptstadt verbracht hatte. Dort lernte der
Thüringer, Berliner Blutwurst zu machen, die
ihren Ursprung eigentlich in Frankreich hat:
Hugenotten brachten sie im 17. Jahrhundert
nach Berlin.
Bensers Wurst ist bis heute eine multikultu­
relle Angelegenheit: Nelken aus Sansibar, Pfeffer
aus Brasilien, wo der schärfste überhaupt wächst.
Sein Majoran, auch Wurstkraut genannt, kommt
aus Thüringen. Zwei Scheffel davon sollen jetzt
noch einmal in die Wanne. Der Chef zerreibt das
Gewürz zwischen den Händen. »Nur so können
sich die ätherischen Öle entfalten«, sagt er.
D
er Ertrag des Wurstkrauts aus dem
Harz fällt sehr unterschiedlich aus,
die Preise schwanken. »Egal wie
teuer er ist, ich lasse nicht von meinem Thürin­
ger Majoran.« An der Qualität Abstriche zu ma­
chen, rechne sich nicht: »Da spart man CentBeträge auf Kosten des Geschmacks.« Schließlich
schaufelt der Meister die gewürzte Masse in die
Wurstspritze. Die Maschine portio­n iert das Ge­
misch computergesteuert und füllt es in Rinder­
darm. Damit eine Wurst daraus wird, muss der
Darm am Anfang und Ende abgedreht werden –
manuell. Während die Wurstspritze arbeitet,
erledigen das die geübten Hände des Fleischers
im Sekundentakt.
In die Normandie reist Ritter Benser fast
nur noch als Juror. Das schließt die Teilnahme
an den Wettbewerben aus. »Qualität muss man
jeden Tag unter Beweis stellen. Die strengste
Jury sind für mich sowieso die Kunden«, sagt
der Meister, während ihm ein Geselle eine frisch
gebrühte Wurst für die tägliche Verkostung auf
den Tisch stellt. Bensers Gabel versinkt in der
dunklen Masse, nichts spritzt, die Wurst zer­
geht auf der Zunge. Der Ritter lächelt. »Genau
so muss sie sein.« ■
55
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
Schürfwunde
Sei still
Früher dachte man, Wunden
heilten an der Luft am besten. Heute
wird eine feuchte Umgebung
geschaffen, sodass sich kein Schorf
bildet. Reinigen Sie die verletzte
Stelle zunächst mit einer physiologischen Kochsalzlösung oder mit
lauwarmem Wasser. Danach desinfizieren und mit einer Wundauflage
verschließen, etwa mit HydrokolloidPflastern. Und sehen Sie im Impfpass nach, ob der Patient gegen
Tetanus geschützt ist. Dr. Wolfgang
Klee, Hautarzt
Was tun, wenn Blut f ließt? Sechs Experten erklären,
wie man Wunden professionell versorgt
TEXT SANDRA MICHEL
ILLUSTRATIONEN JAN BAZING
Zahnfleischbluten ist eine entzündliche Reaktion auf bakterielle
Zahnbeläge. Wenn man richtig
putzt, passiert nichts. Der Zahnarzt
kann sagen, in welcher Reihenfolge
die Flächen geputzt werden,
welche Technik und welche Instrumente verwendet werden sollten.
Die Zwischenräume können am
besten mit Zahnseide oder Interdentalbürstchen gereinigt werden.
Professor Dr. Peter Eickholz, Parodontologe der Universität Frankfurt
Cut
Nasenbluten
Ein Nasenspray mit Xylometazolinhydrochlorid kann die
Blutung stillen, weil sich die Gefäße zusammenziehen. Oder Sie
drücken die Nase in der Mitte zusammen. Immer gut: kühlen,
etwa einen Eiswürfel lutschen. Auf keinen Fall den Kopf in den
Nacken legen oder das Blut schlucken. Das löst Brechreiz aus.
Sie können auch von einem Tampon rechts und links etwas
abschneiden und die Stücke entlang des Gaumens nach hinten
schieben – nicht nach oben zur Stirn. Bei starkem Nasenbluten
sollten Sie zum HNO-Arzt gehen. Er verödet die Wunde mit
einer bipolaren Pinzette oder einem Laser. Dr. Bernhard JungeHülsing, Hals-Nasen-Ohren-Arzt und Vorsitzender des
Berufsverbandes der HNO-Ärzte in Bayern
56
Als Cut bezeichnet man im Boxsport
eine Platzwunde im Bereich der
Augenbraue. Das Reglement sieht vor,
dass ein Kampf abgebrochen werden
muss, sobald eine blutende Wunde
entsteht. Deshalb versucht der
Cutman die Blutung zu stoppen. Er hat
dafür eine Minute Zeit. Zunächst trägt
er eine Salbe auf, die meist Adrenalin
enthält. Dadurch ziehen sich die
Gefäße zusammen. In einer Kühlbox
hält er ein Stück kaltes Eisen bereit,
das er auf die Wunde drückt. Hört
es nicht auf zu bluten, kann er
Wund-Sekundenkleber auftragen.
Wenn er nähen muss, ist der Kampf
vorbei. Dr. Ulrich Kau, Arzt beim
Deutschen Boxsport-Verband
Zahnfleischbluten
Platzwunde
Bluterguss
Ein Hämatom entsteht, wenn durch
Gewalteinwirkung kleinste Blutgefäße
reißen. Die Einblutung ins Gewebe
verursacht den blauen Fleck. Erste Maßnahme: kühlen. Je nach Schmerz und
Größe des Hämatoms sollten Sportler
eine Pause machen und zum Arzt gehen.
Er wird eventuell eine Heparin-Salbe
verschreiben, die den Erguss abbaut.
Hochlegen sollten Sie Bein oder Fuß, wenn
Sehnen, Muskeln, Gelenke oder Knochen
verletzt wurden. Daniela Schwenk,
Erste-Hilfe-Expertin beim Roten Kreuz
Meist genügt ein Verbandspäckchen, eine
Mullbinde mit steriler Wundauflage. Wenn es arg
blutet, machen Sie einen Druckverband, indem
Sie eine Packung Taschentücher mit einbinden.
Bei einer Wunde am Kopf müssen Sie mit
Ihrem Kind in die Klinik, um eine Gehirnerschüt­
terung auszuschließen. Als schmerzfreie
Alternative zum Nähen gibt es spezielle
Wund-Sekundenkleber. Manche Ärzte
nähen trotzdem. Deshalb unbedingt
nach dem Kleber fragen. Janko
von Ribbeck, Rettungssanitäter
und Autor des Buches
»Schnelle Hilfe für Kinder«
57
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
ALTERSVORSORGE
Ohne Risiko in Aktien
investieren
S. 61
BAUFINANZIERUNG
Niedrige Zinsen
für 40 Jahre
S. 64
GESUNDHEIT
Vorbeugen mit den
neusten Methoden
S. 65
DIE BL AUE N SE ITE N
Nachfolgend erhalten Sie aktuelle Informationen zu
unseren Versicherungs- und Serviceangeboten.
Für weitere Auskünfte sowie eine individuelle Beratung
wenden Sie sich bitte an Ihren Allianz Vertreter.
HINTERBLIEBENENSCHUTZ
Leben und leben lassen
Damit nach einem Todesfall zur Trauer nicht noch Existenzängste kommen,
kann eine Risikolebensversicherung Angehörige finanziell absichern. Online lässt
sich bei der Allianz der Schutz jetzt noch bequemer abschließen
E
Ausbalanciert:
Eine Risikolebensversicherung hilft,
der Familie im
Unglücksfall Halt
zu geben
58
s ist kein heiteres Thema, aber verdrängen hilft nicht: Laut Statistischem
Bundesamt sterben in Deutschland
jährlich mehr als 150.000 Menschen noch vor
ihrem 65. Lebensjahr. Für die Hinterbliebenen
geht das Leben dann weiter. Ist aber der
Hauptverdiener gestorben, gerät die Familie
meist in finanzielle Not. Viele blenden dieses
Risiko aus: Einer forsa-Umfrage von 2013 zufolge haben 34 Prozent der Deutschen für
den Fall des eigenen Todes keinerlei Vorkehrungen für den Lebensunterhalt ihrer Angehörigen getroffen.
Dabei kann die Familie mit einer Risikolebensversicherung schon für kleines Geld abgesichert werden. Der Grund für die günstigen Prämien: Die Risikolebensversicherung
leistet nur im Todesfall. Das ist der entscheidende Unterschied zur Kapitallebensversicherung, die – als klassische Form der Altersvorsorge – garantiert zu einem vorher
bestimmten Zeitpunkt auszahlt und zugleich
den Todesfall absichert.
Eine Risikolebensversicherung kann aber
noch mehr als die Familie oder den Partner
59
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
VORSORGE
Entspannt in
Aktien investieren
Rettungsschirm:
Angehörige finanziell
abzusichern, muss
nicht teuer oder
kompliziert sein
34 %
der
Deutschen
haben
keinen
Hinter­
bliebenenschutz
60
schützen: Sie
dient auch als Absicherung der Eigenheimfinanzierung.
Zumal Banken die Police gerne als Sicherheit
fordern. So erhalten die Geldinstitute bei Tod
des Kreditnehmers ihr geliehenes Geld garantiert zurück. Zudem lässt sich mit einer Risikolebensversicherung der Allianz clever
vorbeugen, sollte sich die Abzahlung eines
Immobilienkredites unerwartet in die Länge
ziehen: Seit Juli 2014 ist es bei der Risiko­
Lebensversicherung Plus möglich, bis zu drei
Jahre vor Ablauf des Vertrags den Versicherungsschutz einmalig zu verlängern – und
zwar ganz ohne Gesundheitsprüfung.
Einfacher Antrag per allianz.de
Schon heute startet jeder zweite Kunde im
Netz, wenn er auf der Suche nach einer Risikolebensversicherung ist. Den Kunden, die
sich gerne im Internet über Versicherungen
informieren, bietet die Allianz seit Juli 2015
etwas Neues: Auf allianz.de können Interessenten eine Risikolebensversicherung sogar
mit wenigen Klicks direkt abschließen. Die
Produktpalette auf der Website präsentiert
sich übersichtlich und transparent. Auf einen
Blick ist der Versicherungsumfang jeder RisikoLeben-Variante zu erfassen, von Basis bis zu
Transparent
und einfach: Für den
Onlineabschluss
reichen wenige Klicks.
Die Police bringt dann
der Postbote
Plus Unfall.
Optional kann je nach
Produkt zum Beispiel auch eine Beitragsbefreiung bei Berufsunfähigkeit ergänzt
werden. Praktisch: Während der gesamten
Sitzung sieht der Kunde stets den zu zahlenden Beitrag. Je nach Produktvariante, Beruf
oder Gesundheitsstatus passt sich dieser automatisch an. Das gilt auch für Laufzeit und
Versicherungssumme. »Zudem ist die elektronische Gesundheitsprüfung überzeugend
einfach. Gibt es keine gesundheitlichen Auffälligkeiten, reichen bereits fünf Fragen«, erklärt Sören Kupke, Abteilungsleiter Kunden
und Vertrieb bei Allianz Leben. Nach der Gesundheitsprüfung ist die Familie sofort für
den schlimmsten Fall der Fälle abgesichert.
So lässt sich eine Risikolebensversicherung
bequem von zu Hause aus abschließen. Die
Police bringt dann der Briefträger.
Beratung vor dem eigenen Computer
Beim Antrag auf allianz.de helfen die hinterlegten Erklärungen weiter. Sollten diese nicht
ausreichen, kann der Kunde mit der integrierten Agentursuche Kontakt zu einem Allianz
Vermittler aufnehmen, um einen Termin oder
Rückruf zu vereinbaren. Weitere Beratungsmöglichkeiten gibt es per Telefonat oder
Chat. Die Allianz Mitarbeiter sind werktags
telefonisch bis 24 Uhr zu erreichen. Ein Rückruf ist genauso möglich wie das »Co-Browsing«: Dabei begleitet ein Mitarbeiter den
Kunden per Telefon beim Surfen auf den Antragsseiten. »Verknüpft mit Meine Allianz ist
die Online-Antragsstrecke RisikoLeben in die
digitale Welt der Allianz eingebettet«, sagt
Kupke. »Das ist ein weiterer Meilenstein bei
der Digitalisierung unseres Unternehmens.« Fred-Benjamin Ast
Niedrige Zinsen erschweren es, Geld fürs Alter anzusparen.
Aktien aber sind eine renditestarke Alternative – und mit
dem richtigen Konzept auch eine sichere
V
orweg ein Lichtblick für Sparer: Das Rekord-Zinstief aus dem ersten Halbjahr
2015 ist vorübergezogen und wird wohl
nicht so schnell wiederkommen. Trotzdem dürfte
die Phase niedriger Zinsen anhalten, dafür spricht
allein schon die Politik der Europäischen Zentralbank. Zinsen von 6, 7 Prozent sind auf längere
Sicht nicht mehr zu erwarten.
Damit stehen Vorsorge-Sparer vor zwei Alternativen: Entweder investieren sie in Anlagen mit der
Aussicht auf eine höhere Rendite, nehmen dafür
aber mehr Risiko in Kauf. Oder sie wählen klassische, sichere Anlagen, müssen aber aufgrund
niedriger Renditen mehr Geld investieren, um ihr
Auskommen im Alter zu sichern. Aktien werden
derzeit als Ausweg diskutiert. Der Dax war zum
Beispiel auf seinem Höhenflug im März 2015 sogar über die 12.000-Punkte-Marke gestiegen.
Und da Unternehmen teils hohe Dividenden ausschütten, sprechen manche Anleger bereits von
der »Dividende als dem neuen Zins«.
Altersvorsorge mit Aktien? Die Sparer haben die
Finanzkrisen von 2001 und 2009 noch zu gut in
Erinnerung, als dass sie darauf vertrauen wollten.
Der Vermögensforscher Thomas Druyen bezeichnet diese Krisen sogar als »Vertrauenskata­
strophen«. Allianz Leben löst das Dilemma mit
dem neuen Vorsorgekonzept KomfortDynamik.
Und setzt dabei unter anderem auf Aktien – bei
Beine hoch:
einem Vertrag mit 30 Jahren Mit der Allianz
als Partner muss
Laufzeit beträgt der Aktien- das Auf und Ab
anteil der Anlage zum Start an den Börsen
gut 30 Prozent. Außerdem Anleger nicht aus
der Ruhe bringen
werden die Beiträge der
Kunden in Unternehmens- und Schwellenländeranleihen investiert, um die Chance auf mehr Rendite zu nutzen. Angelegt werden die Beiträge weltweit im klassischen Sicherungsvermögen und in
einer neuen Dynamik-Komponente – so können
die Kunden Europas Niedrigzinsfalle entkommen.
Die Berg- und Talfahrt der globalen Kapitalmärkte
muss Allianz Kunden dabei nicht aus der Ruhe
bringen. »Wir schichten das angelegte Kapital je
nach Markttrend zwischen Sicherungsvermögen
und Dynamik-Komponente um und federn diese
Effekte ab«, sagt Alf Neumann, Produkt-Vorstand
von Allianz Leben. »Die Kunden profitieren von
unserer weltweiten Expertise und unseren Konditionen, ohne dass sie sich um das Kapitalmanagement kümmern müssen.« Für Entspannung sorgt
ein eingebautes Sicherungspaket mit integrierter
Kapitalanlagesteuerung, Beitragserhalt oder der
Sicherung hoher Renditen und Erträge während
der Laufzeit – so können die Kunden ruhig schlafen, auch wenn es an den Kapitalmärkten mal turbulent wird. Der Leitsatz des neue Vorsorgekonzepts KomfortDynamik bringt es auf den Punkt:
»Dynamisch geht auch ganz entspannt.«
Franz Billinger
61
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
AC HT Z E H N N E U N Z I G 0 4 –20 1 5
Bis zu
KUNSTVERSICHERUNG
Gesammelte
Werke
Ob Gemälde, Oldtimer, Münzen
oder seltene Uhren: Seine wertvollsten
Dinge abzusichern, ist keine Kunst.
Die Experten der Art Privat der Allianz
erklären, wie es geht
D
ie meisten Kunstkäufer sammeln aus Leidenschaft.
Sie sollten allerdings auch kühl kalkulieren können
und überdenken, wie viel Geld und Zeit sie bereits
in ihre geliebten Werke investiert haben – und sich dann die
Frage stellen, wie sich ihre Sammlung versichern lässt. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Kunstobjekte
im Lauf der Zeit beschädigt werden: Ein Bild fällt von der
Wand, Glassplitter bohren sich durch Farbe und Leinwand.
Oder die berühmte Ming-Vase, die bei einer Party zu Bruch
geht. Auch die Gefahr eines Einbruchs sollte nicht unterschätzt werden: Fakt ist, dass die meisten Kunstwerke in Privathäusern entwendet werden.
Viele Kunstbesitzer glauben, ihre Hausratversicherung würde in derartigen Fällen ausreichend Schutz bieten. Ein Irrglaube, wie Eric Wolzenburg, Leiter der Kunstversicherung
Art Privat erklärt: »Wertsachen wie Kunst, Schmuck, Uhren
et cetera sind in der Hausratversicherung bis zu einer Obergrenze von 20 oder 40 Prozent der Gesamtversicherungssumme gedeckt. Den Rest muss der Kunde tragen.« Bei der
Art Privat, der Kunstversicherung der Allianz, kann die Wertsachenobergrenze dagegen frei vereinbart werden.
Empfohlen wird die Art Privat ab einem Wert von 100.000
Euro. Neben Kunstgegenständen können Gold, Silber,
Schmuck, hochwertige Uhren, Designermöbel, Antiquitäten,
Münzsammlungen und Oldtimer versichert werden. Der
Vorteil: Dank der Allgefahrendeckung sind nicht nur Feuerund Leitungswasserschäden oder Einbruchdiebstahl geschützt, sondern auch selbst verschuldete Schäden. Das
bedeutet: Wie der Schaden entstanden ist, spielt keine Rolle. Versichert ist, was nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.
Grundlage ist die Schätzung eines Kunstexperten, der den
Wert der Gegenstände ermittelt. Bei Bedarf wird der jährlich
bestimmt und entsprechend der Marktlage korrigiert. Ein
weiterer Vorteil ist die Beweislastumkehr: Während bei der
Hausratversicherung der Kunde den versicherten Schaden­
eintritt beweisen muss, ist es in der Kunstversicherung umgekehrt: Der Versicherer muss beweisen, dass ein gemeldeter Schaden nicht ersatzpflichtig ist.
Extreme Fallhöhe:
Ginge ein echter
Keith Haring kaputt,
wäre der Schaden
beträchtlich
62
Art Privat-Kunden werden aber nicht nur bei der Schadenregulierung unterstützt. Die Kunden werden auch bei der Lagerung der Objekte beraten. »Privatsammler machen sich
oft wenig Gedanken, wo das Kunstwerk hängt. Hier helfen
die Experten und erklären beispielsweise, dass ein Aquarell
nicht an einer Wand hängen sollte, die den ganzen Tag von
der Sonne beschienen wird.« Julia Tschochner
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Höhere Leistung, geringerer Preis, große Wahlmöglichkeiten: Ab Oktober
gibt es noch mehr Gründe, sein Auto bei der Allianz zu versichern
Z
um Start in den Herbst motzt die
Allianz ihre Autoversicherung auf. Dabei geht es allerdings nicht um Spoiler
und Breitreifen, sondern um mehr Leistung,
Service und Sparmöglichkeiten. Kunden haben ab Oktober weiterhin alle Freiheiten: Jeder kann sich seine Kfz-Versicherung ganz
nach den eigenen Wünschen konfigurieren – nur mit den Extras, die er wirklich braucht. Wer beispielsweise Wert
auf einen großen Leistungsumfang
legt und sich einen kompetenten Ansprechpartner für alle Versicherungsfragen wünscht, profitiert von den
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Beitrag der Au tovers
, MeinM otorrad und
für MeinAuto Individual
MeinWohnmobil.
bekommen
PrivatSchutzKunden,
die ihr Auto
neu bei
der Allianz
versichern
Wahlmöglichkeiten von MeinAuto Individual.
Hierbei lässt sich der Versicherungsumfang
nach eigenen Vorstellungen und Ansprüchen
zusammenstellen, ein Allianz Vertreter hilft
dabei. Wer sein Auto dagegen vor allem kostengünstig absichern möchte und sich in der
digitalen Welt zu Hause fühlt, sollte sich den
Basisschutz von MeinAuto digital+ anschauen. Abschließen lässt sich auch
diese Versicherung in der Allianz Agentur
oder vom eigenen Computer aus unter
www.allianz.de. Egal welche Variante –
hier sind fünf Gründe, die für eine Autoversicherung der Allianz sprechen:
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KRANKENVERSICHERUNG
Der Gesundheit zuliebe
Haben Sie Fragen
zu unseren
Produkten oder
wünschen Sie
eine Beratung?
Dann rufen Sie
Ihren zuständigen
Vertreter an.
Wir helfen
außerdem gern
unter folgenden
Telefonnummern
weiter:
Lebens-/Rentenversicherung: 08 00 / 4 10 01 04
Krankenversicherung: 08 00 / 4 10 01 09
Kfz-Versicherung:
08 00 / 4 10 01 01
Sach-/Haftpflichtversicherung:
08 00 / 4 10 01 05
Diese Servicenummern sind
für Sie kostenfrei.
Alle weiteren Fragen beantworten wir unter:
089 / 3 80 00
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Guter Plan:
Baugeldzinsen
lassen sich bis
weit in die Zukunft
festschreiben
Krankheiten ganz zu vermeiden oder
zumindest früh zu erkennen, ist der beste
Gesundheitsschutz. Die Allianz zahlt
deshalb für neuste Methoden
der Vorsorge und Prävention
BAUFINANZIERUNG
40 Jahre sorgenfrei
Wer ein Haus baut, profitiert von niedrigen
Darlehenszinsen – und kann sich die aktuell
günstigen Konditionen auch langfristig sichern
G
ünstige Baugeldzinsen machen es derzeit vergleichsweise leicht, eine eigene Immobilie zu finanzieren. Vorausschauende Bauherren können von
den niedrigen Darlehenszinsen nun auch bis weit in die Zukunft profitieren. Ein neues Angebot der Allianz Baufinanzierung ermöglicht eine Zinsbindung für bis zu 40 Jahre. Sicherheitsorientierte Kunden können dadurch über einen
langen Zeitraum mit konstanten Raten planen und sind dauerhaft vor dem Risiko einer Zinserhöhung geschützt.
Wer sich für eine Zinsbindung von 26 Jahren oder länger
entscheidet, erhält ein Allianz VolltilgerDarlehen. Der Kunde
weiß dann ganz genau, wann er schuldenfrei ist. Meist wird
der Zeitpunkt auf den Beginn des Ruhestands gelegt, um
ihn unbeschwert genießen zu können. Trotz der langen
Zinsbindung bleibt man mit der Allianz Baufinanzierung flexibel. So können beispielsweise lange mit kurzen Laufzeiten
kombiniert, Sondertilgungsoptionen und günstige KfW-Darlehen integriert sowie die Wohn-Riester-Förderung genutzt
werden. Zwei Mal ist auch ein Wechsel des Tilgungssatzes
möglich. Und das gesetzliche Kündigungsrecht nach zehn
Jahren besteht ohnehin.
Bis zum 31.12.2015 bekommen Kunden beim Allianz VolltilgerDarlehen einen Zinsrabatt von 0,10-Prozentpunkten. Das macht
die Finanzierung noch attraktiver. Fred-Benjamin Ast
V
orsorge kann helfen – und das häufig
sehr effektiv. Schon zwei Zahlen verdeutlichen das: 1983 hatten 98 Prozent
aller Zwölfjährigen Karies, 2006 waren es nur
noch 30 Prozent. Heute dürfte der Anteil noch
weiter gesunken sein. Reduziert hat den Befall
die sogenannte Fissurenversiegelung. Diese Behandlung schützt schlecht zugängliche Zahn­
flächen, indem diese mit einer dünnen Schicht meist
aus Kunststoff überzogen werden. Das Ergebnis:
Deutlich gesündere Gebisse. Prävention also.
Karies, Krebs, Herz-Kreislauf-Leiden – für all diese und weitere Krankheiten gibt es Vorsorge­
untersuchungen und häufig auch Prävention. So
können junge Mädchen mit einer Impfung das Risiko eines Gebärmutterhalskrebses reduzieren.
Ein Piks und der Körper ist gegen die Hauptauslöser dieser Krankheit besser gewappnet.
Für Männer, Frauen, Kinder und Erwachsene bietet die Allianz Private Krankenversicherung
(APKV) deshalb umfangreiche Vorsorge an und
erstattet diese unabhängig vom Alter. Darüber hinaus zahlt die APKV auch für neue DiagnostikMethoden und moderne Technologien. So müssen sich beispielsweise Patienten mit bestimmten
Magen-Darm-Beschwerden zur Abklärung nicht
mehr einen Schlauch über den Rachen in den
Körper schieben lassen, sondern schlucken stattdessen eine etwa 2,5 Zentimeter kleine Kapsel
mit integrierter Kamera. Diese wandert durch den
Verdauungstrakt und liefert alle für den Arzt wichtigen Bilder. Einfach, schmerzlos und exakt.
Knapp 50 verschiedene Vorsorgeuntersuchungen sind aktuell im Angebot der APKV und die
Liste wächst stetig. Zu diesem Angebot zählen
auch Aufnahmen eines Ungeborenen mittels
3-D-Ultraschall. Die Untersuchung liefert den
Ärzten exakte Bilder und schenkt vor allem den
Eltern einen ersten berührend plastischen Blick
auf ihr Kind: genau zu sehen sind die Gesichtszüge, die Mimik, die angezogenen Beinchen. Einen
Blick in einen ganz und gar geschützten Bereich.
Bis zu zehn Mal zahlt die APKV für diesen Ultraschall. Übernommen werden auch zusätzliche
Blutuntersuchungen, Geburtsvorbereitungsprogramme und später Rückbildungskurse. Neugeborene erhalten ein Hör-Screening und bei Bedarf einen Stoffwechsel-Test.
Erwachsene können ebenso viel für sich tun. Die
Allianz zahlt eine Vielzahl sinnvoller Zusatzuntersuchungen – für junge wie ältere Menschen.
Dazu zählen unter anderem: der großer Gesundheitscheck, die Früherkennung von Hautkrebs,
der Schlaganfall-Check und die Mammografie.
Eine der populärsten Präventionen bei Erwachsenen ist die professionelle Zahnreinigung. Diese
ist bei der APKV immer mitversichert. Ebenfalls
eingeschlossen im Schutz ist die Fluoridierung
der Zähne, die Erhebung des Mundhygienestatus, die lokale Anwendung von Medikamenten
zur Kariesvorbeugung und die Versiegelung kariesfreier Fissuren in jedem Alter. Kosten entstehen
dem Versicherten keine. Gesund zu bleiben kann so
günstig sein. Daniel Aschoff/Alexandra Kusitzky
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INNOVATIONEN
Heilsame Forschung
für ein langes Leben
Daniel Bahr ist
als Generalbevollmächtigter der APKV
zuständig für die
Bereiche Leistungsmanagement und
Zentrale Vertriebskoordination
Die Allianz Private Krankenversicherung (APKV) schafft Anreize
für den medizinischen Fortschritt. Davon profitieren alle Patienten,
egal, wie sie versichert sind. Ein Essay von Daniel Bahr
A
Kein Auf und Ab:
Die Lebenserwartung ist dank
moderner Medizin
in den vergange­nen Jahrzehnten
stetig gestiegen
ls der schottische Forscher Alexander
Fleming 1928 einen Schimmelpilz entdeckte, ahnte er nicht, welch bedeutsamen Meilenstein er damit in der Medizin setzen würde. Denn er hatte das lebensrettende
Penicillin gefunden. Zuvor starben Menschen
an einfachsten Schnittwunden, weil diese oft
zur Blutvergiftung und damit zum sicheren
Tod führten. Flemings Entdeckung ist medizinischer Fortschritt – so wie alle Medikamente
und Methoden, die Krankheiten lindern oder
heilen. Deshalb ist medizinischer Fortschritt
ein Segen – für jeden Einzelnen und für die Gesellschaft. Er gewährt größere Freiheiten:
Durch ihn leben Menschen länger, sind bis ins
hohe Alter mobil und können trotz Erkrankung
aktiv am sozialen Leben teilhaben.
Das Max-Planck-Institut hat herausgefunden,
dass in den vergangenen 160 Jahren die Lebenserwartung durchschnittlich um fast drei
Monate pro Jahr angestiegen ist.* Ausschlaggebend ist ein Zusammenspiel wirtschaftlicher
Entwicklungen, sozialer Errungenschaften –
und medizinischer Fortschritte. Bis ins 18. Jahrhundert lag die durchschnittliche Lebenserwartung in Westeuropa zwischen 20 und 30 Jahren.
Die Kindersterblichkeit war hoch, Menschen
fielen Infektionskrankheiten und harten Lebensbedingungen zum Opfer. Inzwischen erleichtern
medizinische Neuentwicklungen erheblich das
Leben im Alter und im Krankheitsfall. Beispiel
HIV-Patienten: Dank neuer medizinischer Entwicklungen haben sich ihre Lebenserwartung
und Lebensqualität im Vergleich zu den 80erund 90er-Jahren deutlich gesteigert. In vielen
Bereichen genießen sie inzwischen dieselben
Freiheiten wie Nicht-Infizierte.
Wie in vielen Branchen sind auch in der Medizin
Neuheiten kurz nach Marktstart teurer als eta­
blierte Produkte. Das wirft Grundsatzfragen auf:
Wie viel ist Gesundheit wert? Wie viel dürfen
medizinische Innovationen kosten, die Symptome lindern oder Krankheiten heilen? Darf ein
Medikament teurer sein, nur weil es weniger Nebenwirkungen hat? Auf diese Fragen gibt es
nicht die »eine richtige Antwort«. Aber richtig
und wichtig ist: Versicherte der Allianz Privaten
Krankenversicherung erhalten einen schnellen
und offenen Zugang zu Innovationen. Sie nehmen am medizinischen Fortschritt teil. Gleichzeitig schafft die Allianz Anreize für Forschung
und Entwicklung. Sobald die medizinische Notwendigkeit einer neuen Behandlungsmethode
erwiesen ist, übernimmt die Allianz die Kosten.
Als Krankenversicherer erfüllen wir unser Leistungsversprechen: Wir finanzieren unseren Versicherten den Zugang zur besten medizinischen
Versorgung. Bei Gesundheitsleistungen genießen sie Freiheiten und sind nicht durch starre
Reglementierungen eingeschränkt. Sie erhalten
das, was sie individuell brauchen und versichert
haben – ihr ganzes Leben lang. Deshalb stehen
ihnen medizinische Innovationen schnell und
leicht zur Verfügung. Vom offenen Zugang zu
Neuentwicklungen für Privatversicherte profitie-
ren alle Patienten. Aktuelles Beispiel ist das immunologische Stuhltestverfahren, um Darmkrebs früh zu erkennen. Der Test reagiert viel
sensibler als das bisherige Verfahren, ist aber
bisher keine Kassenleistung. Die Allianz bezahlt
seit Längerem diese neue Methode. Nun beginnen auch erste gesetzliche Krankenkassen, freiwillig die Kosten dafür zu erstatten.
Medizinische Neuentwicklungen erleichtern
das Leben im Alter und
im Krankheitsfall
Der freie Zugang zu Innovationen bei Privatversicherten unterstützt auch Ärzte in ihrer medizinischen Weiterentwicklung. Sie sind nicht
eingeengt von Richtlinien oder Restriktionen.
Sie können sich auf ihre Patienten konzentrieren und die Methoden einsetzen, die am besten zum Erfolg führen. Die Anschaffung moderner Medizintechnik und Fortbildungen zu
neuen Behandlungsmethoden lohnen sich für
Ärzte. Und auch hier profitieren alle Krankenversicherten. Denn wenn beispielsweise ein
3-D-Ultraschallgerät in der Praxis steht, dann
kann es für alle Patienten eingesetzt werden –
unabhängig von der Versicherung. Gleichzeitig
schafft die APKV Anreize für die medizinische
Forschung. Wir geben Ärzten die Freiheit,
neue Entwicklungen auch zu nutzen. Viele Medikamente, Techniken und Verfahren wären
ansonsten wohl niemals angestoßen worden.
Die größte Herausforderung des medizinischen Fortschritts ist allerdings
der Nutzenbeleg. Ist eine neue Behandlungsmethode wirklich besser und trägt effizienter zum Therapieerfolg bei? Nicht alles,
was neu ist und mehr kostet, ist Fortschritt. Zu
Recht hinterfragen privat Krankenversicherte
kritisch, ob ein neues Medikament oder eine
innovative Methode wirklich notwendig ist.
Denn durch Selbstbehalt und Eigenbeteiligung
sind auch Privatversicherte daran interessiert,
dass Kosten und Nutzen im richtigen Verhältnis
stehen. Besonders bei neuen Entwicklungen
können Patienten schwer einschätzen, ob und
welche Leistungen für sie sinnvoll sind. Deshalb bieten wir unseren Versicherten die Expertise unserer Fachleute an. Dieses Angebot
reicht von einer Zweitmeinung durch einen unabhängigen Arzt bis hin zur persönlichen Unterstützung durch einen Patientenbegleiter bei
langwierigen und komplizierten Behandlungen.
Wir bieten unseren Versicherten viele Freiheiten, aber wir lassen sie in der großen Fülle der
Auswahlmöglichkeiten nicht allein. Auf Basis
verlässlicher Informationen kann jeder den individuell für sich richtigen Weg wählen. Diese
Freiheit gäbe es nicht ohne den medizinischen
Fortschritt – und eine private Krankenversicherung, die ein lebenslanges Leistungsversprechen gibt und es dank ihrer Finanzstärke erfüllt.
In den
vergangenen
160 Jahren
stieg die
Lebenserwartung im
Schnitt um
3
Monate
pro Jahr
* Quelle: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz (2005/48), S. 586–592
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Hand aufgelegt:
Hartmut Engler
hat seine Sprache
wiedergefunden.
im Dezember
startet die neue
PUR-Tournee
Als der Sänger der Band PUR
wegen einer Stimmbandeinblutung
2013 plötzlich verstummt war,
fand er sich in einem albtraumhaften
Abenteuerland wieder. Bis
sich Generalvertreter
Heiko F. Dürrschnabel einschaltete.
Ein Gespräch über Jubel,
Trubel, Heiserkeit
INTERVIEW DANIEL ASCHOFF UND ANNA HIEGER
FOTOS RAFAEL KRÖTZ
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Herr Engler, hier vor der Bühne des
Kurhauses Baden-Baden ... Was denken Sie, wenn Sie dort hochschauen?
Hartmut Engler: Das ist der aufregendste Ort der Welt. Eine Bühne ist für
mich die Belohnung der harten Vorbereitung, der schönste Teil meiner Arbeit. Natürlich ist es für einen Musiker
auch wichtig, Geld zu verdienen, aber
das Schönste ist der Applaus des Publikums. Von da oben zu sehen, wie die
Leute ausrasten – das ist der Glücksmoment, der mich da hoch treibt.
Muss man Sie treiben?
Engler: Wer mich kennt, weiß, dass ich
unter extremem Lampenfieber leide.
Für mich ist die Anspannung vor einem
Konzert wie inneres Bungee-Jumping.
Ich muss jedes Mal die Angst vor der
Bühne überwinden. Dafür bin ich nach
einem Konzert extrem euphorisch und
wahnsinnig glücklich. Diese totale
Euphorie danach ist das, was mir die
Bühne immer wieder gibt.
2013 verbot Ihnen ein Arzt, Konzerte
zu spielen. Wie war das für Sie?
Engler: Das war wirklich eine schlimme
Erfahrung. Wenn einer der Musiker
krank wird, kann man vielleicht einen
Ersatz für ihn finden. Beim Sänger ist
das anders: Deshalb lastet auf mir vor
einer Tour ein sehr großer Druck.
Was genau war geschehen?
Engler: Ich saß damals nach den Proben im Studio zu Hause auf dem Sofa
und habe einen Anruf erhalten. Ich
wollte mich räuspern – und konnte
plötzlich nicht mehr sprechen.
Warum?
Engler: Es war eine Stimmbandeinblutung. Das erfuhr ich aber erst am
nächsten Tag beim Arzt. So eine Verletzung passiert innerhalb von einer Sekunde, da platzt eine Ader, das Stimmband schwillt an und es geht gar nichts
mehr. Dann ist Ruhe. Am Abend sollte
70
»Der Spezialist in
Münster sagte: ›Sie müssen
die ersten drei
Konzerte absagen!‹ Da
habe ich angefangen
zu flennen«
ich aber noch als Überraschungsgast
für den damaligen FC-Bayern-Profi
Toni Kroos, der PUR-Musik sehr mag,
im Aktuellen Sportstudio »Abenteuerland« singen. Ich bin hingefahren und
habe den Leuten eher zugeflüstert als
gesagt: »Ich kann nicht, ich bin heiser
vom Proben und froh, dass ich überhaupt mit euch sprechen kann.«
Und die Heiserkeit blieb?
Engler: Ja, ich ging zuerst zu meinem
Arzt im Stuttgarter Marienhospital und
war dann bei einem Spezialisten in
Münster. Der sagte nur: »Herr Engler,
Sie singen die Premiere – und zwar
schlecht. Und am nächsten Tag ist das
Stimmband doppelt so dick, dann geht
gar nichts mehr! Sie müssen die ersten
drei Konzerte absagen.« Da habe ich
angefangen zu flennen.
Stimmt es, dass es die erste Absage
nach mehr als 30 Jahren PUR war?
Engler: Richtig, es war eine Ausnahmesituation. Ich wusste nicht, wie man damit umgeht. Ich bin raus aus der Praxis
und habe die anderen angerufen. Es
gab eine Krisensitzung. Zuerst mussten wir drei Konzerte absagen, aber ich
habe bald gespürt, dass das nicht reichen würde. Am Ende waren es sechs.
Und in diesem Moment kamen
Sie ins Spiel, Herr Dürrschnabel?
Heiko F. Dürrschnabel: Genau. Ich war
gerade auf der Heimreise vom Ski­
urlaub, als mich der Manager der Band
anrief: »Die Tour kann morgen nicht
starten«, sagte er. Ich dachte, der veräppelt mich. Natürlich waren die Premiere und alle anderen Konzerte seit Monaten ausverkauft. In Halle freuten sich
über 10.000 Zuschauer auf das Konzert, die Bühne stand, das Catering, die
Security, die ganze Logistik. Wenn eine
so große Band wie PUR auf Tour geht,
hängt da wahnsinnig viel dran.
Was konnten Sie als Versicherungsvertreter für die Band tun?
Dürrschnabel: Im ersten Moment war
es am wichtigsten, die Band zu beruhigen, alle Fakten zu sammeln und dann
den Schadenfall so schnell und geräuschlos wie möglich abzuwickeln.
Wem es so schlecht geht wie Hartmut
damals, der sollte nicht noch mit der
Regulierung belastet werden. Ich habe
damals gemerkt, dass Hartmut wirklich
am Boden war.
Konnten Sie helfen?
Dürrschnabel: PUR hatte bei der
Allianz eine sogenannte Veranstaltungsausfallversicherung abgeschlossen. Eine solche Versicherung springt
ein, wenn Konzerte abgesagt werden
müssen. Die Allianz ist für alle Kosten,
die durch die Verschiebungen angefallen sind, aufgekommen.
War der Schaden groß?
Dürrschnabel: Locations, Veranstalter,
Partner, Hotels – das alles musste für
sechs Konzerte storniert werden. Es
Außerhalb des
Rampenlichts:
Heiko F. Dürrschnabel
(links) mit Hartmut
Engler auf der
Bühne des Kurhauses
Baden-Baden
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wurden Abstandszahlungen fällig. Sie
können sich vorstellen, dass da eine
große Summe zusammenkommt.
Engler: Und es hätte noch schlimmer
kommen können. Zum Zeitpunkt der
ersten Absagen wussten wir noch
nicht, ob es bei den sechs Konzerten
bleiben würde. Oder wann wir die Konzerte nachholen könnten. Das war ein
sehr mulmiges Gefühl. Alles musste organisiert werden, um die Tournee zu
retten. Und ich saß untätig im Hotelzimmer, weil eine kleine Ader nicht mitmachte und ich keinen Ton rausbekam.
Klingt wie ein Albtraum …
Engler: Ich wartete jeden Tag auf Besserung, aber nach zwei Tagen hatte
sich noch fast nichts getan. Auch als
der Arzt sein Okay gab und es in München endlich losging, war es nicht so,
dass zwei blendend weiße Stimmbändchen nebeneinander vibriert hätten.
Haben Sie Angst, dass so
etwas wieder passiert?
Engler: Nein, weil es sich ohnehin nicht
beeinflussen lässt. Vor zehn Jahren
hatte ich schon einmal Probleme mit
den Stimmbändern, es bestand der
Verdacht auf Stimmbandkrebs, einhergehend mit einer Einblutung. Man muss
so was ausblenden.
Bei Ihrem Manager war es kein
Verdacht – er hatte wirklich Krebs.
Engler: Ja, es traf Uli Roth und seinen
Zwillingsbruder. Uli hatte eine Krankenvollversicherung bei der Allianz, die
unter anderem einen Spezialisten in
Deutschland ausfindig machte, der
dann beide operierte. Mittlerweile ist
der Krebs geheilt. Für Uli war es damals unglaublich wichtig, dass da jemand half, dem er vertrauen konnte.
Ist es für einen Prominenten wie Sie
schwierig, jemandem zu vertrauen?
Engler: Eigentlich nicht. Ich habe das
Glück, Menschen um mich zu haben,
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auf die ich mich komplett verlassen
kann. Natürlich ist diese Einstellung
manchmal blauäugig, und man fällt ab
und an auf die Schnauze. Aber unterm
Strich wurde mein Vertrauen mehr belohnt als ausgenutzt.
Zählt Ihr Versicherungsvertreter
zu Ihren Vertrauenspersonen?
Engler: Heiko und ich kennen uns
schon lange, und er versichert mich
auch privat. Da wächst mit der Zeit das
Vertrauen. Ich weiß genau, wenn ich
anrufe und sage: »Ich habe einen Hagelschaden!«, dann kümmert er sich
darum und denkt nicht: »Der Hartmut
braucht mal wieder Geld.«
Mal abgesehen von den Konzert­
absagen: Mussten Sie schon viel für
Herrn Engler arbeiten?
Dürrschnabel: Einen Hagelschaden hatten wir noch nicht, aber Sturm. Da wurde ein Nachbarzaun beschädigt, ein
Garagendach und ein Gartenhaus, glaube ich. Alles zuverlässig geregelt.
Wie wichtig ist Vertrauen für Sie?
Dürrschnabel: Das Wichtigste. Ich
kann beim Abschluss einer Versicherung nur ein Versprechen verkaufen.
Das Versprechen, dass im Ernstfall jemand da sein wird. Ohne das Vertrauen des Kunden geht es nicht. Und
wenn etwas passiert, muss ich alles
schnell und unbürokratisch regeln, um
mein Versprechen einzulösen.
Engler: Meine Eltern zum Beispiel haben immer verglichen und die günstigste Versicherung abgeschlossen.
Das war eher selten die Allianz. Wenn
aber etwas passiert ist, war der Vertreter der günstigen plötzlich nicht mehr
erreichbar oder ganz weit weg. Es war
immer schwierig und langwierig. Wenn
bei mir etwas ist, sagt Heiko nur: »Ist
gut, geh du wieder ins Studio und
mach Musik!«
Zuletzt machten Sie bei der
Fernsehsendung »Sing meinen Song –
Das Tauschkonzert« mit. Warum?
Engler: Es war eine Chance, zur Primetime im Fernsehen richtig gute Musik
zu machen – und die wollte ich nutzen.
Denn so etwas kommt bei Fernseh­
produktionen heute eher selten vor.
Das Konzept ging auf, die Einschaltquoten waren ausgezeichnet.
Engler: Ja, ich habe mich sehr über die
positiven Reaktionen auf die Sendung
und eine spürbar größere Akzeptanz
bei Kollegen und in der gesamten Musikbranche gefreut. PUR ist nicht nur
erfolgreich, sondern hat auch eine interessante Geschichte zu bieten.
War das früher anders?
Engler: Da war viel Unverständnis für
unseren Erfolg und die Musik, die wir
machen. Auch von Journalisten bezogen wir oft Prügel. Natürlich gibt es
immer Neider, aber unsere musikalische Qualität steht für sich.
Wie gehen Sie mit Kritik um?
Engler: Ich denke, wir müssen nicht jedem gefallen. Und künstlerisch haben
wir das eine oder andere geleistet, das
man anerkennen darf. Ich verstehe
aber, dass ich in frühen Jahren durchaus eine Angriffsfläche bot mit meinen
langen Zotteln, dem Ohrring und den
Liedern von Funkelperlenaugen. Damit
»Ich verstehe, dass ich
früher eine Angriffsfläche bot.
Mit meinen Zotteln, dem
Ohrring und den Liedern von
Funkelperlenaugen«
war ich ein Geschenk für alle, die draufhauen wollten. Das hat sich aber im
Laufe der Jahre spürbar geändert.
Waren Sie bisweilen verletzt?
Engler: Ich bin ein wahnsinnig guter
Hinfaller, aber ein noch besserer Aufsteher. Und in meinen Liedern kann
ich quasi Eigentherapie betreiben.
Deshalb funktionieren sie auch so gut,
denn irgendwie hat doch jeder ähnliche Probleme.
Was Sie singen, ist also
die ganz normale Realität?
Engler: Das bekommen wir oft zu hören: die Normalos von Pur. Zum Geburtstag hat mir ein Gitarrist mal eine
Karte geschrieben. Er hatte zu der Zeit
bereits für alle großen deutschen
Künstler gespielt. Und auf der Karte
stand: »Von allen Verrückten bist Du
mir der Normalste!« Das fand ich schön.
Fürchten Sie nicht, in Ihren Liedern
als Sittenwächter rüberzukommen?
Engler: Ich habe die Moral nicht gepachtet und mache selbst nicht alles
richtig. Aber ich habe tatsächlich den
Anspruch, ein besserer Mensch zu werden, mich stetig weiterzuentwickeln. Es
fängt ja im Kleinen an: Wie verhalte ich
mich gegenüber einem Kellner im Restaurant? Bin ich nett zur Bäckereiverkäuferin? Deshalb entstehen Songs
wie »Achtung«, und das führt sich fort in
der Verantwortung, was man den Menschen vorsingt.
Im Winter gehen Sie damit wieder
auf Tour. Hält diesmal das Stimmband?
Engler: Ich komme gerade vom Arzt.
Ein Routinecheck mit Ultraschall, Belastungstest auf dem Rad et cetera.
Offensichtlich kann man mich auch mit
53 Jahren problemlos durch den TÜV
schicken. Die Untersuchung musste
ich für die Allianz machen lassen. Sie
war Voraussetzung, um wieder die
Veranstaltungsausfallversicherung abzuschließen. Aber ich bin mir sicher, die
Stimme hält. Und wenn’s doch wieder
passiert, ist zumindest Heiko da.
Dürrschnabel: Dann würdest du dich
sicher wieder entschuldigen. Vor zwei
Jahren konntest du nur drei Worte ins
Telefon hauchen: »Tut mir leid.« ■
Am 18. September
erschien mit
»Achtung« das
mittlerweile
15. Studioalbum
von PUR. Vom
5. bis 20. Dezember
tourt die Band
durch Deutschland.
Infos und Daten
unter: www.pur.de
73
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Einmal durch
den Himmel
schweben:
das Aquarell
von Christina
Stürmers
Schwester
Magdalena
Was wir nicht
versichern können
V
Verantwortung neu denken:
allianz.de/einstellungssache
Im Haus der Sängerin Christina Stürmer hängt
ein besonders Aquarell: Es erinnert sie an ihre Schwester –
und bringt ihr jeden Tag das Fliegen bei
om Zehnmeterturm im
Schwimmbad springen? Keine Chance.
Fliegen? Eher ungern. An einem steilen Abgrund stehen und in die Tiefe
blicken? Geht gar nicht! Bei allem, was
mit Höhe zu tun hat, wird mir schnell
mulmig. Da bin ich ein ziemlicher
Angsthase. Vielleicht hat mir meine
Schwester Magdalena deshalb ein Bild
geschenkt, das mich ermutigen soll,
mich mehr zu trauen. Sie hat es in fünf
Stunden mit Aquarellfarben auf die
Leinwand gebracht. Das Bild zeigt ein
Mädchen, das hoch über Wolkenkratzern schwebt und sich an sieben Luftballons festhält. Ich denke, Magdalena
wollte mir damit sagen, dass ich auch
74
Unsere Mitarbeiter
sind das Herz
der Firma – und
das muss topfit sein.
Eine bKV ist Einstellungssache.
so mutig sein soll wie das Mädchen.
Von Kunst an sich verstehe ich nicht so
viel, ich habe nicht mal einen Lieblingsmaler. Meine Schwester hingegen
beschäftigt sich schon lange mit Kunst,
sie malt seit über zehn Jahren. Wirklich beneidenswert, denn ich kann das
überhaupt nicht. Das letzte Mal hatte
ich einen Stift in der Hand, als ich mit
einem Nachbarskind gemalt habe.
Wolken kann ich ganz gut.
Magdalenas Gemälde ist eines
der wenigen Bilder in meiner Wohnung. Es hängt an der Wand im Flur,
der zu meinem Büro führt. Mehrmals
täglich gehe ich daran vorbei und denke dabei an meine Schwester. Als ich
von zu Hause auszog, war sie erst neun,
inzwischen ist sie 21. Magdalena war
immer das vernünftige Kind, während
ich eher rebellisch war. Obwohl wir so
verschieden sind, haben wir uns eine
enge Verbindung bewahrt. Leider sehen wir uns nicht oft, da sie in einer
anderen Stadt Kunst studiert. Mit dem
Bild aber fühlt es sich an, als wäre ein
Teil von ihr bei mir. Auch wenn kein
Kunstsammler für das Bild viel Geld
ausgeben würde – für mich hat es einen
unermesslichen ideellen Wert. Ich mag
Dinge, die mich an Menschen oder Erlebnisse erinnern, denn dadurch werden sie für mich einmalig. Deshalb
wird ihr Gemälde nicht von der Wand
weichen, auch für keine goldene
Schallplatte der Welt. ■
Denn mit der betrieblichen Krankenversicherung der Allianz zeigen
Sie, dass Ihnen die Gesundheit Ihrer
Mitarbeiter am Herzen liegt.
Gleichzeitig machen Sie Ihr Unternehmen attraktiver für qualifizierte
Fachkräfte.
H. Wilms, Geschäftsführerin
SSM Rhein-Ruhr GmbH