Narbenbildung – Erweiterung des IGeL

Narbenbildung – Erweiterung des IGeL-Spektrums
Die Entwicklung von Narben ist ein physiologischer proliferativer Prozess des dermalen Gewebes
nach operativen Eingriffen oder Verletzung der Haut. Die Narbenbildung verläuft individuell sehr
unterschiedlich und praktisch kaum vorhersehbar. Nach anfänglichen Entzündungsreaktionen setzt im
Rahmen des Wundheilungsprozesses eine körpereigene Hautreparatur ein, deren Verlauf wesentlich
von den regenerativen Fähigkeiten des Körpers bedingt ist. Faktoren wie Alter, Rauchen, Art der
Hautverletzung, Lokalisation, genetische Veranlagung, Hauttyp, Krankheiten wie Diabetes etc.
beeinflussen den Wundheilungsprozess unter Umständen negativ und können eine unphysiologische
überschießende Narbenbildung fördern. Die Folge sind häufig unästhetische Narben oder derb
wulstige Keloide, die sich sogar über den ursprünglichen Verletzungsrahmen hinaus ausbreiten
können. Hier liegt eine entsprechende Aufklärungspflicht beim Operateur, damit eine Einwilligung in
den Eingriff eine etwaige spätere Narbenbildung rechtfertigt.
Davon zu unterscheiden sind atrophe Narben, die durch Substanzverlust als schlüsselförmige
Einsenkungen entstehen (zum Beispiel Aknenarben).
Für viele Patienten können diese unästhetischen Narben ein großes psychologisches Problem
darstellen, welches die Lebensqualität erheblich einschränken kann. Insoweit wird angestrebt, die
Entstehung von hypertrophen Narben und Keloiden zu vermeiden. Narbenbildung ist als
physiologischer Vorgang nicht verhinderbar, durch moderne, vorausschauende Narbenprophylaxe und
frühzeitig einsetzende Behandlung (z.B. Ultraschall i.V.m. Allantoin (= Contractubex®,
pharmakologische Wirkung hier hinreichend belegt) kann der Vernarbungsprozess aber positiv
beeinflusst werden. Auch hierüber ist der Patient aufzuklären.
Indes ist die Leistung im sozialrechtlichen Kontext nicht notwendig, also nicht erforderlich – zur
Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit unentbehrlich. Aus diesem Grund ist ein Patient vor
der Operation darüber aufzuklären, dass gerade im Sichtbereich unästhetische Narben als Folge der
Operation entstehen könnten, die grundsätzlich nicht verhinderbar sind. Soweit frühzeitig begonnen
wird, kann die Narbenbildung weitgehend positiv beeinflusst werden. Auch ältere Narben können mit
den heutigen Möglichkeiten korrigiert werden oder abgemildert werden. Dieses handelt sich aber nicht
um eine Leistung, für die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse besteht. Soweit diese auf
Wunsch des Patienten erfolgt, kann sie ausschließlich im Rahmen einer Privatbehandlung erbracht und
abgerechnet werden.
Steht also fest, dass es sich bei der in Anspruch genommenen Leistung (hier Narbenbehandlung) nicht
um eine GKV-Leistung handelt, die dennoch von dem Patienten nachgefragt wird und die auch
grundsätzlich ärztlich vertretbar ist, gelten für die Inanspruchnahme und die Abrechnung der
Narbenbeseitigung wie auch im Weiteren für sämtliche IGeL-Leistungen folgende Grundsätze:
1.
Aufklärung über Nutzen und Kosten der Leistung
Zunächst ist darüber aufzuklären, warum die konkrete Leistung keine vertragsärztliche
Leistung ist. Diese darf auch nicht von der Krankenkasse erstattet werden, der Arzt muss auch
über den Kostenrahmen informieren.
2.
Freie Entscheidung
Der Arzt darf den Patienten in sachlicher und unaufdringlicher Weise über die Wunschleistung
informieren, den Patienten aber nicht zu einer Inanspruchnahme drängen. Der Patient soll sich
frei entscheiden, ob er von dem Angebot Gebrauch macht. Es bleibt dem Patienten somit
überlassen, ob er die Leistung – hier Narbenbeseitigung – in Anspruch nehmen möchte.
3.
Ordnungsgemäße Rechnungstellung
Der Operateur darf für die erbrachten Wunschleistungen kein Pauschal- oder Erfolgshonorar
in Rechnung stellen. Ärzte sind verpflichtet, eine ordnungsgemäße Rechnung nach der
amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu erstellen. Grundsätzlich ist ein Operateur
aber nicht an die Berechnung der einfachen Gebührensätze der GOÄ gebunden. Die
Honorarvereinbarung darf jedoch nach § 2 GOÄ nicht von der für die entsprechende Leistung
vorgesehene Punktzahl oder von dem Punktwert abweichen, sondern lediglich der
Steigerungssatz darf variieren. Nach § 5 Absatz 1 GOÄ kommt auch die Anwendung des
3,5fachen Satzes in Betracht, wenn die Schwierigkeit und der Zeitaufwand der einzelnen
Leistungen sowie die Umstände bei der Ausführung dieses rechtfertigen. Bei der Anwendung
des Höchstsatzes bedarf es einer auf die einzelne Leistung bezogenen nachvollziehbaren
schriftlichen Begründung. Da die GOÄ indes von 1996 und somit durchaus veraltet ist, kommt
nach der Rechtsprechung im Wege der Analogie auch die Berechnung eines höheren
Steigerungssatzes in einzelnen Fällen in Betracht.
Abrechnungsbeispiele
Mikrodermabrasion
GOÄ
Ziffer
1
5
Beratung
Symptombezogene
Untersuchung
Hochtouriges Schleifen bei
A 755
schweren Einstellungen der
Haut, je Sitzung
Ggf. zusätzlich:
552
Iontophorese*
*Kosten für Arzneimittel inbegriffen
Punkte
80
80
1-fach
4,66
4,66
Wert [€]
2,3-fach
10,72
10,72
3,5-fach
16,31
16,31
240
13,99
32,18
48,97
44
2,56
4,61
6,40
Ultraschallbehandlung
Sitzung
Beratung
Symptombezogene
Untersuchung
Ultraschallbehandlung*
1
5
1-facher Wert
(€)
4,66
4,66
539
2,56
6,40
(2,5-fach)
Jede weitere
Sitzung
Ultraschallbehandlung*
539
2,56
6,40
(2,5-fach)
6,40
Letzte Sitzung
Abschlussuntersuchung
5
4,66
10,72
10,72
Erste Sitzung
Leistungsbeschreibung
GOÄ
2,3-facher
Wert (€)
10,72
10,72
Summe (€)
27,84
Tattoo-Entfernung
GOÄ
Beratung
Ziffer
1
Punkte
80
1-fach
4,66
Wert [€]
2,3-fach
10,72
3,5-fach
16,31
Symptombezogene Untersuchung
Operative Entfernung
Kleine Tätowierung
Große Tätowierung
5
80
4,66
10,72
16,31
490*
2403*
491*
2404*
443
61
133
121
554
750
3,56
7,75
7,05
32,29
43,72
8,19
17,83
16,22
74,27
12,46
27,13
24,68
113,02
2381
2382
602
370
739
152
21,57
43,07
8,86
49,61
99,06
20,38
75,50
150,75
31,01
2440A
800
46,63
107,25
163,21
* Zuzüglich Sachkosten
Ggf. hinzu
- Einfache Hautlappenplastik oder
- Schwierige Hautlappenplastik
- Oxymetrische Untersuchung
Behandlung mittels Laser
Kleine Tätowierung (bis 7 cm²), je
Sitzung
Laser-Zuschlag, zusätzlich zu Nr.
2440 bei Erbringung mittels Laser
Ggf. hinz
- Zuschlag bei amb. Durchführung
von operativen Leistungen, die mit
Punktzahlen von 800-1199 Punkten
bewertet sind
Entfernung mit gepulstem
Farbstofflaser
Große Tätowierung (7-21 cm²)
Sehr große Tätowierung (größer 21
cm²)
Ggf. hinzu
- Großflächiges Auftragen von
Externa
- Kältepackungen
4.
441
Max. 67,49
444
1300
75,77
2440A
800
46,63
107,25
163,21
2885A
2886A
1110
2770
64,70
161,46
148,81
371,36
226,45
565,11
209
150
8,74
20,10
30,59
530
35
2,04
3,67
5,10
Schriftliche Zustimmung vor der Behandlung
Eine Privatabrechnung erfordert die schriftliche Einwilligungserklärung des Patienten. Die
Zustimmung sowie die Honorarvereinbarung müssen vor Behandlungsbeginn vorliegen und
sich auf den konkreten Einzelfall beziehen. In der Abrechnung müssen enthalten sein:
-
Auflistung der zu erbringenden Einzelleistungen (unter Angabe der entsprechenden GOÄbeziehungsweise Analogziffern und Steigerungssatz)
Angabe der voraussichtlichen Honorarhöhe (EUR-Betrag)
Erklärung, dass die Behandlung auf Wunsch des Patienten erfolgt ist
Erklärung, dass der Patient seitens des Arztes darüber aufgeklärt wurde, dass die
Behandlung nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist
Erklärung darüber, dass der Patient informiert wurde, dass die Leistung nicht mit der
Krankenkasse abgerechnet werden kann und ein Anspruch auf Kostenerstattung nicht
besteht
Unter Beachtung der Grundsätze kann die Narbenbehandlung eine sinnvolle Ergänzung des
IGeL-Leistungsspektrums sein.
KANZLEI FÜR MEDIZINRECHT
RA Jörg Hohmann
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