ein tannenbaum erzählt… - horseman

EIN TANNENBAUM ERZÄHLT…
VON HANNAH
Schon viele Jahre stand ich im Kindergartentannenwald.
Es wurde Sommer und Winter und wieder Sommer und wieder Winter. Das wurde
mit der Zeit langweilig. Gelegentlich kam eine Gruppe Kinder vorbei. Das war lustig.
Die Kinder sprangen fröhlich schwatzend durcheinander. Wie musste es bei ihnen
schön sein. Nicht so einsam wie hier im Wald.
Ich entschloss mich, den Wald zu verlassen. Ich wollte der Weihnachtsbaum im Kin­
dergarten werden. Bei der erstbesten Gelegenheit würde ich einem Menschen fol­
gen.
Es wurde immer kälter, also kam Weihnachten näher. Am Freitag vor dem ersten
Advent liefen Menschen mit Pünktchen, Momo und Fosta durch meinen Wald. Die
kannte ich schon, weil sie öfters hierher kamen. Ich hörte heraus, dass die Kinder
Hannah und Elisa hießen. Nichts wie hinterher, dachte ich mir.
Es war etwas mühsam, nachdem ich so viele Jahre an einem Fleck gestanden hatte.
Na ja, macht nichts. Schließlich wollte ich ein Weihnachtsbaum werden. Also stapfte
ich über den fest gefrorenen Weg. Meine Zweige ächzten bei jedem Schritt. Mann,
liefen die Menschen schnell. Aber bis zum Kindergarten war es ja nicht weit. Das
würde ich schon schaffen.
Aber was war das? Am Kindergarten war kein einziges Kind. Alles leer und still. Die
Gartenpforte fest verschlossen? Eine dicke Träne kullerte über meine Zweige. Was
sollte ich jetzt machen? Eine ganze Weile stand ich traurig auf dem Weg.
Aber dann entdeckte ich eine Kiste mit Weihnachtsbaumschmuck die vor der Tür
stand. Also - schmücken konnte ich mich doch schon mal. Schnell hängte ich mir
Girlanden um, steckte Sterne auf meine Zweige und wickelte mir die Lichterkette
um. Prima sah ich aus!
Gut das ich meine geschnitzte Flöte dabei hatte. Genug Zeit zum üben war in den
letzten Jahren ja gewesen. ;o))
Plötzlich viel mir ein Lichtschein auf. Gleich in der Nähe wurden unzählige Kerzen
angezündet. Es roch lecker. Ich hörte viele Kinderstimmen, die aufgeregt klangen.
Ob sie dort einen Tannenbaum brauchen? Ich setzte mich wieder knarrend in Bewe­
gung. Bald konnte ich einen Reitplatz sehen, Pferde waren da und viele dick einge­
mummelte Leute. Scheinbar froren sie. Komisch, es war doch so herrlich knackig
kalt. Ich sah Kinder mit einem Pferd spielen und auch Pünktchen, Momo und Fosta
liefen schwanzwedelnd umher. Das musste ich sehen! Wie gern wollte ich auch ein­
mal auf einem Pferd sitzen. Da entdeckte ich Hannah. Vielleicht würde sie mich füh­
ren, wie ich es bei den reitenden Kindern im Wald schon oft gesehen hatte. Schnell
wie der kalte Nordwind rannte ich los. Und ich sage euch - es hat sich gelohnt. So
ein Ritt macht wirklich Spaß. Das, was die Menschen Glühwein nennen schmeckte
hervorragend und ich wurde davon so beschwingt, dass ich glücklich zurück in mei­
nen Wald schwebte. Nächstes Jahr komme ich auf alle Fälle wieder.
Aber vielleicht besucht ihr mich vorher mit den Pferden mal im Kindergartenwald
und dann erzählen wir uns was - ja?! Ich freue mich schon auf euch.
Euer Tannenbaum