www.dkk2016.de CityCube Berlin, 24.-27.02.2016 KONGRESSZEITUNG Transparenz: Die DKG stellt die Frage nach der Qualität der onkologischen Versorgung Seite 3 Neuroblastom: Aktuelle Studie untersucht die genetischen Ursachen der Krankheitsverläufe Seite 4 Hautkrebsscreening: Der Nutzen der gezielten Hautkrebsvorsorge wird kontrovers diskutiert Seite 8 Lebensqualität: Geriatrische Onkologie muss auf alternde Gesellschaft reagieren Seite 10 Forschung an den Schnittstellen vorantreiben Prof. Dr. Angelika Eggert über die Top-Themen des 32. Deutschen Krebskongresses D as Motto des 32. Deutschen Krebskongresses lautet „Krebsmedizin heute: präventiv, personalisiert, präzise und partizipativ“. Wieso haben Sie sich für dieses Motto entschieden? Prof. Dr. Angelika Eggert: Wenn wir über Onkologie sprechen, stehen die moderne Präzisionsmedizin und die neuen Behandlungsstrategien der personalisierten Medizin häufig im Fokus. Diese Aspekte sind zweifelsohne für die weitere Verbesserung der Heilungsraten von Krebspatienten enorm wichtig. Wir müssen aber auch die Krebsprävention im Blick behalten und darüber nachdenken, welche Informationen unsere Patienten brauchen, um an der Entscheidung über eine Therapie aktiv teilhaben zu können und sich nach einer Behandlung im Alltag zurechtzufinden. Die vier Ps aus unserem Motto wurden in Anlehnung an das Konzept der P4-Medizin von Leroy Hood ausgewählt, um auf die Bedeutung einer umfassenden Strategie gegen Krebs aufmerksam zu machen. Hood, ein Pionier der biomedizinischen Forschung, hat viele Technologien mitentwickelt, die die Medizin verändert haben, zum Beispiel die erste automatische DNA-Sequenziermaschine in den 1980ern. Heute ist die Gensequenzierung eine wesentliche Voraussetzung für personalisierte Behandlungsstrategien. Ich glaube, die P4-Medizin birgt große Chancen für unsere Patienten, hält aber auch Herausforderungen bereit, über die wir auf dem Kongress diskutieren wollen. Im Übrigen freue ich mich sehr darüber, dass Leroy Hood als Redner auf dem Deutschen Krebskongress zugesagt hat, selbst eine Einführung in die P4-Medizin zu geben. Was sind Ihrer Meinung nach die bedeutungsvollsten neuen Erkenntnisse und Entwicklungen der vergangenen zwei Jahre, die auf dem Kongress diskutiert werden? Eggert: Insgesamt hat die Krebsmedizin in den letzten Jahren vor allem in zwei Bereichen riesige Fortschritte gemacht: einerseits in der molekularen Diagnostik und der entsprechenden zielgerichteten Therapie und andererseits auf dem Gebiet der Immuntherapie. Bei den molekular gezielten Medikamenten denke ich zum Beispiel an die Entwicklung von BRAF- oder MEK-Inhibitoren zur Behandlung von MelanomPatienten mit einer BRAF-Mutation im Tumor. Auf dem Gebiet der Immuntherapien wird ebenso sehr intensiv und erfolgreich geforscht. Hier sind neben gentechnisch maßgeschneiderten Immunzellen, den sogenannten CAR-T-Zellen, vor allem die ImmunCheckpoint-Inhibitoren zu nennen. Diese Medikamente lösen quasi die Bremse bei den körpereigenen T-Zellen, die vom Tumor an der erfolgreichen Bekämpfung der Krebszellen gehindert werden, und regen so das Immunsystem an, den Krebs zu attackieren. Es deutet sich an, dass die Immun-Checkpoint-Inhibitoren der zweiten Generation bei einer Vielzahl von Tumorerkrankungen wirken. Diese breite Wirksamkeit war das Top-Thema unter den Onkologen 2015. Wie kann der Krebskongress zum Fortschritt in der Onkologie beitragen? Eggert: Der Kongress ist ein ausgezeichnetes Forum, um das Wissen über neue diagnostische und therapeutische Entwicklungen interdisziplinär zu diskutieren. Dabei geht es nicht nur um die rein wissenschaftliche Sicht, sondern auch um die Umsetzung im klinischen Alltag und um die gesundheitspolitischen Voraussetzungen für eine gute Krebsversorgung. Deshalb werden wir auch über den aktuellen Umsetzungsgrad des Nationalen Krebsplans und die Herausforderungen und Chancen durch neue Gesetze sprechen. Die translationale Onkologie ist das Schwerpunktthema des Kongresses. Welche Herausforderungen sehen Sie in diesem Bereich? Eggert: Für eine qualitativ hochwertige translationale Onkologie brauchen wir vor allem gute „Physician Scientists“, die die Forschung an der Schnittstelle zwischen Klinik und Labor vorantreiben. Leider mangelt es in Deutschland, anders als in den USA, häufig an entsprechenden Arbeitsmodellen, die genügend Freiraum für diese Forschung lassen. In einer rein ökonomisch dominierten Pa- privat BERLIN – Die Redaktion sprach mit Kongresspräsidentin Prof. Dr. Angelika Eggert über die Top-Themen und ihre persönlichen Erwartungen an den Kongress. Pixabay Die translationale Forschung ist eines der wichtigsten Themen des Kongresses. Kongresspräsidentin Prof. Dr. Angelika Eggert tientenversorgung bleibt oft keine Zeit für translationale Forschung. Außerdem fehlen Finanzierungsmodelle für die zielgerichtete molekulare Medizin und die zelluläre Immuntherapie. So kommen neue wissenschaftliche Erkenntnisse nur sehr langsam ans Krankenbett. Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte ist Krebs bei Kindern. Was können Kongressbesucher in diesem Bereich erwarten? Eggert: Die pädiatrische Onkologie war in der Vergangenheit häufig Vorreiter in der Krebsmedizin, insbesondere in der Strukturentwicklung flächendeckender klinischer Studien und in der interdisziplinären, ganzheitlichen Versorgung bis hin zur jahrelangen Nachsorge. Dieses gemeinsame, strukturierte Vorgehen hat wesentlich dazu beigetragen, dass krebskranke Kinder heute eine Heilungschance von mehr als 80 Prozent haben. Auch heute sind klinische Studienkonzepte der personalisierten Therapie auf der Basis molekularer Diagnostik wieder zuerst in der Kinderonkologie flächendeckend auf den Weg gebracht worden, wie es das Beispiel der deutschen INFORM-Studie für Rezidive kindlicher Krebserkrankungen ein- drucksvoll belegt. Die Kongressbesucher können also nicht nur neue, spannende Ergebnisse aus der translationalen und präklinischen Forschung erwarten, sondern bereits erste Ergebnisse der personalisierten Therapie und der Immuntherapie miterleben. Welche Veränderungen wird es gegenüber den Vorjahren im Programm geben? Gibt es neue Angebote? Eggert: Die Themen Prävention und Patientenorientierung sind deutlich stärker vertreten als auf den vergangenen Kongressen. Den Bereich „Translationale Onkologie“ bilden wir erstmals in einem eigenen Programmteil mit sehr attraktiven Sitzungen ab. Dort geht es zum Beispiel um die molekulare Charakterisierung von Tumorproben durch Omics-Technologien, um den Stellenwert von Liquid Biopsies, um präklinische Modelle zur Simulation der Therapieeffizienz sowie um neue Erkenntnisse zu Mechanismen der Therapieresistenz, zur Tumorheterogenität und zu TumorWirt-Interaktionen. Die Bedeutung gut ausgebildeter und motivierter Nachwuchsonkologen hatte ich bereits erwähnt: Beim Tag der Jungen Medizin können sich junge Kolleginnen und Kollegen über Karriereplanung und Fördermöglichkeiten für ihre Arbeit informieren. Der Kongress bietet dem Nachwuchs außerdem zahlreiche Möglichkeiten, sich mit Postern und in Vorträgen zu präsentieren. Erstmals beim Kongress vertreten sind auch die onkologisch tätigen Sozialarbeiter mit einem eigenen Programmangebot. Abschließend: Was erhoffen Sie sich persönlich von diesem Kongress? Eggert: Ich freue mich sehr, wenn das Programm des DKK 2016 den Anstoß zu einem intensiven, konstruktiven Austausch unter den Teilnehmern gibt und dieser Input auch noch nach dem Kongress, im beruflichen Alltag, nachwirkt. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sollten in kürzester Zeit am Krankenbett umgesetzt werden. Wenn der DKK 2016 dazu beiträgt, ist schon viel gewonnen! KOMMENTIEREN, EVALUIEREN, TED: DIE INTERAKTIVE KONGRESS-APP DKK 2016 Die Kongress-App zum DKK 2016 gibt es kostenfrei für alle iOS- und Android-Geräte. Neben den allgemeinen Kongressinformationen bietet sie drei interaktive Funktionen: Kommentieren, Evaluieren und TED. Integriert sind außerdem die Kongresszeitung, eine Communityfunktion und ausgewählte Presse-News vom Kongress. KONGRESSZEITUNG | 2 CityCube Berlin, 24.-27.02.2016 P4-MEDIZIN Die Deutsche Krebsgesellschaft Schmiegel: „Herausforderungen in der Onkologie meistern“ D Gesundheitspolitik ....Seite 3 Translationale Onkologie ....................Seite 4 Gynäkologie......... .......Seite 5 Kopf-Hals-Tumoren und Immunologie ..............Seite 6 Uroonkologie und Lungenkrebs ................Seite 7 Hauttumoren ..............Seite 8 Ethik ..............................Seite 9 Nachsorge und Krebs bei Jugendlichen ......Seite 10 Große Chance Pflege, Supportiv- und Palliativmedizin ........Seite 11 Tag der Jungen Medizin .......................Seite 12 IMPRESSUM Verlag: Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, Dieselstr. 2, 50859 Köln, Postfach 40 02 65, 50832 Köln, Tel.: +49 2234 7011-0, www.aerzteverlag.de Chefredaktion/ Leiter Medienproduktion: Bernd Schunk (sk) Tel.: 02234 7011-280 Fax.: 02234 7011-6280 [email protected] Redaktion: Philipp Grätzel von Grätz (pg) Josef Gulden (jg) Katrin Mugele (km) Simone Reisdorf (sr) Christine Vetter (cv) Geschäftsführung: Norbert A. Froitzheim (Verleger) Jürgen Führer Leiterin Produktbereich: Katrin Groos Produktmanagement: Nadine Prowaznik Herstellung: Alexander Krauth Layout: Steffi Schmitz Druck: Druckhaus Berlin-Mitte GmbH, Berlin Konten: Deutsche Apotheker- und Ärztebank, Köln, Kto. 010 1107410 (BLZ 370 606 15), IBAN: DE 2830 0606 0101 0110 7410, BIC: DAAEDEDD Postbank Köln 192 50-506 (BLZ 370 100 50) IBAN: DE 8337 0100 5000 1925 0506, BIC: PBNKDEFF Druckauflage: 9.200 Ex. ISSN print: 1863–9410 ISSN online: 2190–8915 Im Einsatz der personalisierten Medizin liegt also eine große Chance für unsere Patienten. Wenn wir diese Chance nutzen wollen, müssen wir verschiedene Herausforderungen meistern: Die wichtigen sogenannten Treibermutationen für Krebs sind mittlerweile bekannt. Sie triggern nur etwa zehn Prozent aller Tumorerkrankungen. Jetzt geht es vor allem um diejenigen Mutationen, die funktionierende Gene außer Kraft setzen und dadurch Stoffwechselwege entgleisen lassen. Ihre Erforschung ist eine komplexe Aufgabe. Wir erwarten dabei eine Fülle von Daten, deren Analyse nur mithilfe der entsprechenden Bioinformatik-Werkzeuge gelingt. Im Forschungsumfeld sind Fortschritte erkennbar, aber die direkte klinische Anwendung steht noch am Anfang. Schon jetzt gibt es z. B. in den USA „molekulare Tumorboards“, in denen Molekularbiologen, Bioinformatiker und Pathologen die Kliniker bei der Auswahl maßgeschneiderter Therapien beraten. Neben diesen fachlichen Aspekten stehen auch gesellschaftliche und gesundheitspolitische Fragen zur Diskussion: Kommen diese Innovationen beim Patienten an? Bewähren sie sich im Versorgungsalltag, z. B. bei älteren multimorbiden Patienten? Wie lässt sich die Qualität der Krebsversor- privat D ie moderne Onkologie ist geprägt von einem enormen Zuwachs an Wissen. Zum einen sind Operations- und Bestrahlungsverfahren heute deutlich schonender und präziser als noch vor wenigen Jahren. Zum anderen haben neue Erkenntnisse der Tumorbiologie zur Entwicklung zielgerichteter Medikamente geführt und die therapeutische Bandbreite zur Tumorbekämpfung deutlich vergrößert. Bei einigen Tumoren nutzen wir mittlerweile das genetische Profil, um eine präzisere Therapieentscheidung zu treffen. Möglicherweise tragen gendiagnostische Marker sogar zur rascheren Entwicklung neuer Arzneimittel bei. Denn mit ihrer Hilfe lässt sich heute die Entscheidung, ob ein Medikament weiterentwickelt wird oder nicht, schon relativ früh fällen. Prof. Dr. Wolff Schmiegel, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft gung angesichts dieser Neuerungen nachhaltig sichern? Und wie können wir die Patienten bei der Entscheidungsfindung für die „richtige“ Therapieform unterstützen? Enge Zusammenarbeit Bei der Beantwortung dieser Fragen arbeiten wir eng mit der Deutschen Krebshilfe zusammen. Beide Organisationen gehören zu den Mitinitiatoren des Nationalen Krebsplans. Gemeinsam engagieren wir uns im Leitlinienprogramm Onkologie, in der Entwicklung von Patienteninformationen und für die Implementierung klinischer Krebsregister. Gemeinsam sorgen wir auch dafür, dass das Gespräch mit den gesundheitspolitischen Gremien nicht abreißt. Eine gute Gelegenheit zum Austausch bietet der 32. Deutsche Krebskongress. Erstmals ist die translationale Onkologie, also die Schnittstelle zwischen Grundlagenwissenschaft und klinischer Forschung, mit einem eigenen Programmstrang auf dem Kongress vertreten. In den gesundheitspolitischen Sitzungen geht es unter anderem um die Fortschritte und Aufgaben im Nationalen Krebsplan, beim Aufbau klinischer Krebsregister und bei der Finanzierung der personalisierten Medizin. Ich freue mich gemeinsam mit Ihnen auf ein spannendes Kongressprogramm und viele interdisziplinäre Diskussionen auf dem DKK 2016. Ihr Wolff Schmiegel Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft ie Deutsche Krebsgesellschaft e. V. (DKG) – eine Nachfolgeorganisation des 1900 gegründeten „Comité für Krebssammelforschung“ – ist die größte wissenschaftlich-onkologische Fachgesellschaft im deutschsprachigen Raum. In der DKG vertreten sind über 7 500 Einzelmitglieder in 24 Arbeitsgemeinschaften, die sich mit der Erforschung und Behandlung von Krebserkrankungen befassen; dazu kommen 16 Landeskrebsgesellschaften und 36 Fördermitglieder. Die DKG engagiert sich für eine Krebsversorgung auf der Basis von evidenzbasierter Medizin, Interdisziplinarität sowie konsequenten Qualitätsstandards. Sie setzt sich außerdem für die Sicherstellung von Innovation in der Krebsmedizin ein. Die Deutsche Krebsgesellschaft ist, gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren, Mitinitiator des Nationalen Krebsplans. www.krebsgesellschaft.de Die Deutsche Krebshilfe S eit über 40 Jahren setzt sich die Deutsche Krebshilfe für krebskranke Menschen ein. Mit 30 bis 40 Mio. Euro jährlich ist sie der bedeutendste private Förderer der Krebsforschung in Deutschland. Die Deutsche Krebshilfe unterstützt Projekte zur Prävention, Früherkennung, Diagnose, Therapie, Nachsorge und psychosozialen Versorgung einschließlich der Krebs-Selbsthilfe. Sie informiert die Bevölkerung über Krebs und die Möglichkeiten, eine Erkrankung zu vermeiden bzw. früh zu erkennen. Die private Hilfsorganisation engagiert sich auf allen Ebenen der Medizin und der Gesundheitspolitik, damit Betroffene in Deutschland optimal versorgt werden. Sämtliche Aktivitäten finanziert die Deutsche Krebshilfe ausschließlich aus Spenden und freiwilligen Zuwendungen. Sie erhält keine öffentlichen Mittel. www.krebshilfe.de Im Sinne des Patienten handeln Pleitgen: „Neue Erkenntnisse rasch in die Klinik bringen“ A ls die Deutsche Krebshilfe 1974 von Mildred Scheel als Bürgerbewegung im Kampf gegen den Krebs gegründet wurde, war die Behandlung krebskranker Menschen alles andere als vorbildlich. Die Heilungschancen waren schlecht, niemand fühlte sich für eine Verbesserung der Versorgung krebskranker Menschen wirklich zuständig. Keiner sprach über Krebs – das Thema war tabu. Die Betroffenen verschwiegen ihre Erkrankung und auch zwischen Arzt und Patient fand kein Austausch statt. Die Krankheit Krebs von ihrem Tabu zu befreien und in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken, krebskranken Menschen zu helfen und ihnen Hoffnung zu geben, war von Anfang an der Kerngedanke der Deutschen Krebshilfe – er galt vor 40 Jahren und gilt auch heute noch. Inzwischen hat sich an der damaligen Situation erfreulicherweise vieles geändert. Etwa die Hälfte der Krebs-Neuerkrankungen in unserem Land kann heute geheilt werden. Die Deutsche Krebshilfe hat hierzu – dank Hilfsbereitschaft und Unterstützung der Bevölkerung – durch Projektförderungen und Initiativen auf allen Feldern der Krebsmedizin und –forschung einen erheblichen Beitrag geleistet. Aber auch die vor fast vier Jahren eingegangene und intensiv gelebte Allianz mit der Deutschen Krebsgesellschaft als wissenschaftlicher Fachgesellschaft hat zu den Fortschritten beigetragen. Die Entwicklung der Zentrumsstrukturen, das gemeinsame und von der Deutschen Krebshilfe geförderte Leitlinienprogramm Onkologie, der gemeinsam betriebene telefonische Beratungsdienst INFONETZ KREBS mit seinen verlässlichen, unabhängigen Informationen zum Thema Krebs für Patienten und deren Angehörige, sind nur einige Beispiele für die Früchte dieser sinnvollen Kooperation, ebenso wie zahlreiche gemeinsame gesundheitspolitische Aktivitäten, wie die Mitwirkung im Nationalen Krebsplan oder die Begleitung des Aufbaus der Klinischen Krebsregister in den Bundesländern, der ebenfalls von uns finanziell gefördert wird. Dennoch: Trotz aller Fortschritte ist das Krebsproblem lange nicht gelöst und wir haben bei weitem noch nicht alle Ziele erreicht. Die Zahl der Krebs- privat Enormer Wissenszuwachs INHALT Dr. h. c. Fritz Pleitgen, Präsident der Deutschen Krebshilfe erkrankungen wird aufgrund der demographischen Entwicklung weiter steigen. Investitionen in die Krebsforschung – insbesondere mit dem Ziel, das Patienten rasch von wissenschaftlichen Kenntnissen und Innovationen profitieren – sind weiterhin notwendig und zwingend, um die Versorgung zu verbessern. In der Entwicklung der Krebszentren sehen wir ebenfalls noch Verbesserungsbedarf. Experten gehen zudem davon aus, dass ein erheblicher Teil der Krebserkrankungen bei gesundem Lebensstil vermieden werden könnte. Gute Ernährung, viel Bewegung und der Verzicht auf das Rauchen sind nur einige der Faktoren, die das Krebsrisiko senken können. Die Bevölkerung darauf noch stärker zu sensibilisieren und aufzuklären, aber auch die Forschung auf dem Gebiet der Krebs-Prävention zu fördern, sehen wir ebenfalls als wichtige Aufgabe in Zukunft an. Die Deutsche Krebshilfe will mit Hilfe ihrer Spender und gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft die Situation krebskranker Menschen weiter verbessern. Um die künftigen Herausforderungen zu diskutieren und um diesen im Sinne der vielen Krebspatienten in unserem Land zu begegnen, bietet der gemeinsam von Deutscher Krebsgesellschaft und Deutscher Krebshilfe veranstaltete 32. Deutsche Krebskongress eine ideale Plattform. Ich wünsche Ihnen allen aufschlussreiche und spannende Kongresstage in Berlin. Ihr Fritz Pleitgen Präsident der Krebshilfe Deutschen 3 | KONGRESSZEITUNG CityCube Berlin, 24.-27.02.2016 Wie misst man Qualität und was kostet sie? Die Deutsche Krebsgesellschaft plädiert für eine freiwillige Transparenzoffensive D aten liefern bisher im Wesentlichen freiwillige Initiativen engagierter Einrichtungen. Wer die Qualität der Krebsversorgung systematischer erfassen will, muss dafür auch die Voraussetzungen schaffen. Onkologische Versorgungsqualität zu messen ist anspruchsvoll. Eine ganze Reihe von Parametern kommt dafür prinzipiell infrage. Ganz vorne steht die Sterblichkeit bei bestimmten Tumoren. Aber auch Komplikationsraten bei operativen Eingriffen, die Häufigkeit unerwünschter Wirkungen der Therapie, die Leitlinientreue einer Einrichtung und nicht zuletzt die Patientenzufriedenheit erlauben zumindest im Prinzip Rückschlüsse darauf, wie gut die Qualität der onkologischen Versorgung in einer bestimmten Einrichtung ist. Vergleiche sind freilich nur dann möglich, wenn das Messinstrumentarium standardisiert ist. „Daran arbeiten wir seit einigen Jahren. Die Zertifizierungsprogramme der Deutschen Krebsgesellschaft, aber auch der Ausbau der Krebsregister tragen dazu bei“, betont Dr. Johannes Bruns, der Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG). „Letztlich entwickeln wir im Moment ein Sensorium für die Messung von Qualität und kommen da gut voran.“ Am weitesten ist die Schaffung von Qualitätstransparenz beim Brustkrebs gediehen. Das hängt eng mit der Etablierung von Brustkrebszentren zusammen: „80 Prozent der Patientinnen werden heute in 250 Brustkrebszentren versorgt. Die restlichen 20 Prozent verteilen sich auf mehr als 500 weitere Kliniken“, so Bruns. Zentren, die sich zertifizieren lassen, können an Benchmarking-Programmen teilnehmen und erfahren so, wie sie im Vergleich zu anderen Zentren dastehen. Versorgungsqualität messbar machen festlegen und die Qualität damit messbar machen. „Wir tasten uns da heran und versuchen, ein Gespür für sinnvolle Parameter zu bekom- Benchmarking reden. „Wir haben mittlerweile über 1 000 onkologische Netzwerke mit knapp 440 Krankenhäusern da- sind skeptisch, nicht zuletzt, weil sie Sorge haben, dass sie im Vergleich nicht bestehen und dadurch finanzielle Nachteile bekommen könnten. Auch weil vonseiten der Kostenträger Zurückhaltung herrscht, hat der Gesetzgeber im Krankenhausfinanzierungsgesetz einen ersten Versuch hin zu einer an Qualität gekoppelten Vergütung unternommen. Eine tragende Rolle soll dabei dem Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) zukommen. Die Frage ist allerdings, wie ein solches Konzept sinnvoll umgesetzt werden kann. Freiwilligkeit verbessert die Akzeptanz DKG BERLIN – Wie gut ist die Qualität der onkologischen Versorgung in Deutschland? Diese Frage ist leicht zu stellen, aber alles andere als einfach zu beantworten. Ein Kernpunkt aus Sicht der DKG ist, dass die in langjähriger Arbeit etablierten Initiativen Berücksichtigung finden und dass den Einrichtungen nicht ein weiteres, externes Programm zur Dokumentation von Qualität übergestülpt wird. „Aus unserer Sicht sollte auch die Freiwilligkeit beibehalten werden, weil das die Akzeptanz verbessert“, erklärt Bruns. Vorstellen kann sich die DKG in einem ersten Schritt eine Art Transparenzbonus, einen motivierenden Zuschlag auf die Vergütung für Einrichtungen, die bestimmte Standards erfüllen. „Einen Leis- Zertifizierte Zentren sind Netzwerke aus stationären und ambulanten Einrichtun- Bei anderen Tumoren geht gen, die möglichst die gesamte Behandlungskette für den Patienten abbilden. die Entwicklung schrittweise in dieselbe Richtung. Von der men“, beschreibt Bruns das bei. Aber das ist alles freiwillig“, DKG zertifizierte Organkrebs- Vorgehen. „Durch das Bench- sagt Bruns. zentren gibt es außer für den marking können wir den in der Die Frage ist, wie sich dieses Brustkrebs auch für den Darm- Versorgung tätigen Einrichtun- genuine Engagement der onkokrebs, den Lungenkrebs, den gen eine Orientierung geben. logischen Leistungserbringer Hautkrebs, den Prostatakrebs Dass das gewünscht ist, sehen verbreitern und auf Dauer instiund für gynäkologische Tumo- wir daran, wie engagiert sich al- tutionalisieren lässt. Eine naheren. Zusätzlich werden immer le teilweise seit Jahren betei- liegende Antwort lautet, entwemehr übergreifende Onkologi- ligen. Es gibt in vielen Einrich- der Qualität oder die Dokumensche Zentren zertifiziert, in de- tungen ein echtes Interesse an tation von Qualitätsparametern nen es auch für seltenere Tu- Verbesserungen.“ an die Finanzierung zu kopmorerkrankungen Module gibt, Wer über Qualität in der on- peln. „Aufseiten der Kostenträdie für die Versorgungsqualität kologischen Versorgung reden ger gibt es da bisher aber nur beispielsweise der Patienten will, darf freilich nicht nur über ein latentes und noch kein wirkmit neuroonkologischen oder die Zertifizierungsprogramme liches Interesse“, so Bruns. Kopf-Hals-Tumoren Standards und das mit ihnen verknüpfte Auch viele Leistungserbringer tungsausschluss für nicht teilnehmende Einrichtungen, wie er derzeit im Gesetz vorgesehen ist, halten wir dagegen nicht für den richtigen Weg, da viele das Potenzial haben sich verbessern zu können“, so Bruns. Schon allein der finanzielle Anreiz dürfte dazu führen, dass die Bereitschaft der Einrichtungen, Transparenz zu schaffen, steigt. Dass sich eine nennenswerte Zahl an Einrichtungen einem solchen System der Qualitätserfassung auf Dauer entzieht, ist unwahrscheinlich, wenn die Zuschläge entsprechend gestaltet werden. Qualitätsentwicklung ist noch nicht am Ziel Klar ist aber auch, dass nichts übers Knie gebrochen werden sollte. „Wir haben begonnen, Qualität besser zu definieren. Wir müssen Transparenz schaffen und die Ergebnisse erklärbar machen, erst dann können wir sie auch bewerten. In der Onkologie sind wir besser als in vielen anderen Disziplinen, aber am Ziel sind wir noch nicht. Dieser Prozess der versorgungsnahen Qualitätsentwicklung, wie wir ihn über viele Jahre aufgebaut haben und weiterentwickeln werden, muss finanziell begleitet und durch Beitragsmittel unterstützt werden“, fordert Bruns. pg Raum Budapest Mi., 24.02. 16 Uhr Besserer Zugang zu innovativen Therapien Für personalisierte Medizin sollen Zulassungen beschleunigt und Kommunikation verbessert werden P atienten erhalten derzeit in Europa oft etwas später Zugang zu innovativen Krebsmedikamenten als in den USA. Zudem ist die Verfügbarkeit der Krebsmedikamente auf den nationalen Märkten extrem unterschiedlich. Neue Initiativen für eine raschere Zulassung und eine bessere Abstimmung zwischen nationalen und internationalen Behörden sollen das ändern. Viele Jahre lang waren innovative Krebsmedikamente in Europa und den USA ähnlich schnell verfügbar. In den letzten Jahren ist die Schere allerdings auseinandergegangen, zu Ungunsten von Europa. Das hat zwei Gründe: Zum einen sind die Zulassungsprozesse in Europa bei onkologischen Medikamenten derzeit langsamer als in den USA. Zum anderen setzen europäische Länder besonders stark auf nationale Bürokratien, die nach der europaweiten Zulassung ein Health Technology Assessment (HTA) durchführen, im Rahmen dessen mit dem Ziel einer Kostendämpfung entweder der Zu- satznutzen neuer Medikamente oder das Kosten-Nutzen-Verhältnis separat bewertet wird. In einem aktuellen Review diskutieren Experten aus Zulassungsbehörden um Francesco Pignatti von der European Medicines Agency (EMA) die derzeitige Zulassungs- und Erstattungssituation in Europa und stellen Initiativen vor, mit denen der Zugang zu innovativen Onkologika für europäische Patienten verbessert werden könnte (Annals of Oncology 2016; 276: 1–10). Beschleunigte Zulassung in den USA Der Artikel liefert Zahlen, die den Unterschied zwischen Europa und den USA gut illustrieren. So wurden fast alle in den Jahren 2013/14 erstmals zugelassenen Krebsmedikamente erst in den USA und dann in Europa zugelassen. Bei Präparaten wie Pomalidomid, T-DM1, Trametinib, Obinutuzumab, Ibrutinib, Ceritinib oder Nivolumab erfolgte die europäische Zulassung zwischen 150 und knapp 400 Tagen später. Ein Hauptgrund: In den USA wurde die große Mehrheit der Onkologika im Rahmen des beschleunigten Zulassungsverfahrens der FDA (Accelerated Approval, AA) zugelassen. In Europa gab es eine beschleunigte Zulassung im Rahmen der seit 2006 existierenden Conditional Marketing Authorisation (CMA) dagegen nur bei einem verschwindend geringen Anteil der Medikamente. Pignatti und Kollegen führen das auf unterschiedliche Anforderungen bei den AA- und CMAZulassungen zurück. Zu den Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit ein neues Krebsmedikament in Europa eine CMA durchlaufen kann, gehört die Formulierung eines klaren Bedarfs (Unmet Need) in Verbindung mit präliminären Daten, die einen großen therapeutischen Fortschritt durch das betreffende Medikament erwarten lassen. Kritiker halten das für zu restriktiv. Aber auch das CMAVerfahren selbst ist verbesserungsfähig: So hat eine Auswertung der ersten elf im CMAProzess zugelassenen Onkologika gezeigt, dass die klinische Entwicklung zwar verkürzt werden kann. Der Zeitgewinn wurde aber weitgehend durch längere regulatorische Bewertungsprozesse aufgezehrt. Deutlich an Dringlichkeit gewinnt die Frage einer beschleunigten Zulassung angesichts der zunehmenden Personalisierung der Therapien – nicht nur, aber auch in der Onkologie. Die personalisierte Krebsbehandlung führt dazu, dass die Zielgruppen für klinische Studien kleiner werden, was die Patientenrekrutierung und damit die klinische Entwicklung tendenziell verlangsamt. Vor diesem Hintergrund hat die EMA ein neues Verfahren der beschleunigten Zulassung meldet. Andersherum ausgedrückt: Jedes dritte Medikament im Adaptive-Pathway- gleich sind mit jenen, die die nationalen HTA-Instanzen anlegen, um über Zusatznutzen oder Kosten-Nutzen-Relation zu entscheiden. Frühzeitig in gemeinsamen Dialog treten nmann77 – Fotolia LONDON – Beschleunigte Prozesse und eine bessere Kommunikation sollen dazu beitragen, dass Patienten in Europa schneller und effektiver von neuen Krebsmedikamenten profitieren können. Die Zulassung personalisierter Medizin soll beschleunigt werden. entwickelt, das sich „adaptive Zulassung“ oder Adaptive Pathway Licensing nennt. Dabei wird die klassische Zulassung ersetzt durch einen Prozess, bei dem Daten aus präliminären Studien systematisch und nach klar festgelegten Regeln durch reale Versorgungsdaten ergänzt werden, die den Zulassungsstatus dann unmittelbar verändern, ihn beispielsweise auf bestimmte Patientengruppen beschränken. Das Pilotprojekt der EMA zum Adaptive Pathway Licensing läuft seit 2014. Immerhin 20 Krebsmedikamente wurden innerhalb des ersten Jahres für diese Form der Zulassung ange- Pilotprojekt ist ein Krebsmedikament. Um abschätzen zu können, ob das neue Zulassungsprozedere funktioniert, ist es noch zu früh. Aber die Branche wartet mit Spannung auf die ersten Erfahrungsberichte der EMA. Neben einer langsamen Zulassung sind die Entscheidungsprozesse der nationalen HTA- bzw. Kostenerstattungsbürokratien der zweite wichtige Faktor, der den Zugang von Patienten zu innovativen Krebstherapien in Europa verzögern kann. Ein Hauptproblem ist, dass die Kriterien, nach denen die europäische Zulassung vergeben wird, nicht deckungs- Diese Kriterien können wegen der unterschiedlichen Zielsetzungen und der unterschiedlichen methodologischen Herangehensweisen der HTA-Instanzen auch gar nicht deckungsgleich sein. Schwierig wird es aber dann, wenn die nachgelagerten HTA-Instanzen Parameter wünschen, die in den Zulassungsstudien nicht erhoben wurden. Um hier Abhilfe zu schaffen, gibt es mehrere europäische Initiativen, die auf einen frühen Dialog zwischen EMA und nationalen HTA-Instanzen einerseits und pharmazeutischen Unternehmen andererseits zielen. So gibt es zum Beispiel schon seit 2010 eine gemeinsame wissenschaftliche Beratung von EMA und nationalen HTA-Instanzen, die sich an jene richtet, die klinische Studien durchführen. Neueren Datums ist die Initiative Shaping European Early Dialogues (SEED), in deren Rahmen unterschiedliche Dialogszenarien verglichen werden sollen. pg Raum Budapest 24.02. 17:30 Uhr KONGRESSZEITUNG | 4 CityCube Berlin, 24.-27.02.2016 Erforschung des Tumorgenoms Nichtinvasive Verlaufskontrolle HEIDELBERG – Die Gesamtgenomsequenzierung von Tumoren ist zwar noch nicht in der Klinikroutine angekommen, sie kann aber ein wichtiges Werkzeug der Prognose und der Prädiktion des Therapieerfolgs sein. N eue Methoden wie das Next Generation Sequencing können vielen Patienten zu wirksamen Therapien verhelfen, die sonst gar nicht in Betracht gezogen würden. Sie haben der Erforschung des Tumorgenoms einen Schub gegeben: Heute genügen theoretisch zwei bis drei Tage, um bei einem Krebspatienten das vollständige Tumorgenom und zum Vergleich das Genom der gesunden Körperzellen zu bestimmen. Die Gesamtkosten liegen bei rund 3 000 Euro pro Patient. Mutationen, die in den Tumorzellen vorkommen, in den gesunden Zellen derselben Patienten aber nicht, sind mutmaßlich Treibermutationen der Krebsentstehung und Proliferation und verdienen besondere Aufmerksamkeit. Nach ihnen wird international arbeitsteilig gesucht, das macht die Forschung effektiver: 2008 wurde das International Cancer Genome Consortium gegründet, seit 2010 sind vier deutsche Projekte Teil dieses Konsortiums geworden. Das Konsortium hat sich zum Ziel gesetzt, bei den 50 häufigsten Tumorarten das Tumorgenom und das Genom der gesunden Zellen von je 500 Patienten vollständig zu sequenzieren. Inzwischen sind statt 50 bereits 78 Projekte in Arbeit. Deutschland hat die Erforschung kindlicher Hirntumoren sowie bestimmter Lymphome, früh einsetzender Prostatakarzinome und einiger seltener Lungenkrebsarten übernommen. Dabei gibt es bereits beachtliche Erfolge zu verzeichnen, wie Prof. Dr. Peter Lichter, Abteilung Molekulare Genetik, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg, erklärt: „Es wurden bereits zahlreiche Genmutationen und Mutationssignaturen in kindlichen Hirntumoren gefunden, auch seltenere Varianten bis hinunter zu einer Häufigkeit von einem Prozent.“ Wichtige Rolle seltener Mutationen Lichter erläutert, warum auch so seltene Mutationen eine wichtige Rolle spielen können: „Die Genmutationen sind in den verschiedenen Krebsentitäten, aber auch innerhalb einer Entität unterschiedlich verteilt“, so Lichter. Mutationen, die in einer Krebsart häufig sind, können in der anderen ebenfalls vorkommen, womöglich aber seltener. Das eröffnet völlig neue Optionen. So könnte etwa eine Brustkrebspatientin mit einer seltenen Mutation, die aber beim Kolorektalkarzinom häufig ist, mit einem dazu passenden (bereits verfügbaren) zielgerichteten Darmkrebsmedikament behandelt werden. Ohne vollständige Sequenzierung des gesamten Tumorgenoms hätte man nach der beim Brustkrebs seltenen Mutation schlichtweg nicht gesucht. Deshalb wird die Gesamtgenomsequenzierung außer in der Forschung auch bei Patienten angewendet, die ansonsten nur noch wenige Optionen haben. Zu diesen „bevorzugt“ untersuchten Patienten gehören Kinder mit Krebsrezidiven. Denn während die Aussichten bei Kindern mit Krebs allgemein gut sind, haben die etwa 20 bis 25 Prozent Kinder mit Rezidiven kaum noch echte Heilungschancen. Im Rahmen des INFORMProjekts koordiniert deshalb Lichter zusammen mit Prof. Dr. Stefan Pfister, Prof. Dr. Olaf Witt vom DKFZ sowie Prof. Dr. Angelika Eggert (Berlin) mit der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie die Analyse des Gesamtgenoms von Krebsrezidiven junger Patienten. „Das betrifft in Deutschland etwa 500 Kinder pro Jahr“, so Lichter auf Nachfrage, „derzeit gelingt es uns, etwa die Hälfte von ihnen in das INFORM-Projekt einzuschließen und nach zielgerichteten Therapien für ihren individuellen Tumor zu suchen.“ Aussagen über Prognose und Therapieansprechen Die Krebsgenomsequenzierung hat aber noch weitere Vorteile, die direkt dem Patienten zugute kommen. Dazu Lichter: „Die Kenntnis der Mutationssignatur in den Tumoren eines Patienten erlaubt oft unmittelbare Aussagen über seine Prognose, so dass Personen mit ungünstiger Prognose von vornherein aggressiver therapiert werden können. Zudem kann sie in einigen Situationen auch prädiktive Aussagen über das Ansprechen eines Patienten auf zielgerichtete Therapien ermöglichen – wir können absehen, ob eine bestimmte Behandlung bei einem Patienten sinnvoll ist.“ Nach einzelnen, bekannten Mutationen – wie BRAF, KRAS, HER2neu- und WNTVariationen – wird auch jetzt bereits gesucht, dies gibt aber nur begrenzte Informationen. Lichter ist überzeugt: „Die Gesamtgenomsequenzierung der Tumoren ist das richtige Prinzip. Wir werden die Therapie künftig mehr auf die molekularen Profile abstimmen und weniger auf die Zellmorphologie.“ sr Raum Helsinki 2 Sa., 27.02. 8:00 Uhr Liquid Biopsies – Fortschritte und Herausforderungen HAMBURG – Liquid Biopsies könnten schon bald nichtinvasive Verlaufskontrollen der häufigsten Krebserkrankungen ermöglichen. B ei der Metastasierung solider Tumoren spielen in der Blutbahn zirkulierende Tumorzellen (CTC) eine entscheidende Rolle. Deren Zahl und Eigenschaften können mit einigem Aufwand in Blutproben bestimmt werden. Anders als bei Leukämien und Lymphomen finden sich bei Patienten mit soliden Karzinomen nur wenige Krebszellen im peripheren Blut; sie gelangen vermutlich durch die tumoreigenen Gefäße in den Kreislauf. Man nimmt an, dass auf etwa 106 bis 108 Leukozyten eine maligne Zelle kommt. „Aber gerade diese wenigen Tumorzellen sind Ausgangspunkt krankheitsentscheidender Rezidive und Fernmetastasen“, betont Prof. Dr. Klaus Pantel, Direktor des Zentrums für Experimentelle Medizin, Institut für Tumorbiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Zwar werden zielgerichtete Therapien heute bereits auf die Treibermutationen des Primärtumors maßgeschneidert. Dessen Abkömmlinge können aber ihr genetisches Profil verändern, um außerhalb des Tumors zu überleben. Zahl und Profil der CTC zu kennen und zu beobachten wäre also von Vorteil, um den Krankheitsverlauf zu beurteilen und die Therapie wenn nötig anzupassen. Neue Methoden der Anreicherung Ein Hauptproblem der Gewinnung und Verarbeitung von CTC aus Liquid Biopsies ist die große Zahl störender Leukozyten und auch Erythrozyten. Zur Anreicherung der CTC (positive Selektion) oder Entfernung der Blutzellen (negative Selektion) wurden etliche neue Methoden entwickelt. So sieben Nanofilter oder Mikrofluidsysteme die größeren und eher starren Krebszellen aus; bei der FicollZentrifugation wird stattdessen die unterschiedliche Dichte von CTC und Blutzellen ausgenutzt und bei der Dielektrophorese ihre abweichende elektrische Ladung. Andere Systeme basieren auf typischen Oberflächenproteinen: Karzinome entstehen aus Epithelzellen und tragen deren Stützproteine sowie deren Bindeglied, das Epithelial Cell Adhesion Molecule (EpCAM). Diese werden von Antikörpern erkannt, die an mikro- halb eine Kombination die besten Erfolgsaussichten haben dürfte. Mit einigen Methoden gelingt sogar die Suche nach lebensfähigen CTC, die weiter angezüchtet und untersucht werden können, oder das Erkennen zellfreier DNA-Fragmente und mikroRNAs sowie zirkulierender Mikrovesikel (Exosomen) der Tumorzellen. Nachweis und Charakterisierung der CTC Sind die CTC auf wenigstens eine pro 1 000 Zellen angereichert, werden sie – wiederum anhand ihrer Oberflächenproteine – mittels Fluoreszenz-Immunozytochemie (ICC), Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung motorolka– Fotolia Krebsgenomsequenzierung kann wichtiges Werkzeug sein Liquid Biopsies klären Zahl und Profil von zirkulierenden Tumorzellen. skopisch kleine Eisenkügelchen gebunden und damit magnetisch abgefiltert werden. Der Selektionsdruck kann jedoch dazu führen, dass einige CTC eine Transformation von Epithel- zu Mesenchymzellen (EMT) durchlaufen. Solche Zellen sucht und findet man nach dem gleichen Prinzip, aber anhand anderer Antigene, etwa Vimentin oder Plastin-3. Umgekehrt können auch die Leukozyten anhand ihrer Oberflächenproteine erkannt werden: Nur sie exprimieren CD45, dieses kann zur negativen Selektion (Abreicherung der gesunden Zellen) dienen. Alle genannten Verfahren haben Vor- und Nachteile, wes- (FISH) oder Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) nachgewiesen und gezählt. Technische Weiterentwicklungen ermöglichen die halbautomatische Durchführung dieser Arbeitsschritte: Erst wenn verdächtige Zellen gefunden werden, wird ein hochqualifizierter Mitarbeiter zur Bestätigung benötigt. Am UKE führt Pantels Team CTCAnalysen im Rahmen von klinischen Studien und als diagnostische Leistung bei ausgewählten Indikationen mit einem FDA-zertifizierten Testsystem durch. sr Raum A3 Fr., 26.02. 11:15 Uhr Gentranslokation hilft Tumoren, die Zellalterung zu umgehen Neuroblastom: Genetische Ursachen der Krankheitsverläufe B isher waren nur wenige genetische Veränderungen im Neuroblastom bekannt, darunter Amplifikationen des Proto-Onkogens MYCN und inaktivierende Mutationen des Gens ATRX. Die Kölner und Heidelberger Wissenschaftler entdeckten nun Translokationen des Chromosoms 5 in etwa 13 Prozent aller Neuroblastome1. Diese Mutationen führen zu einer veränderten Positionierung regulatorischer Elemente des Erbguts und haben dadurch eine massive Aktivierung des Gens Telomerase-Reverse-Transkriptase (TERT) zur Folge. Das Gen TERT codiert für die katalytische Einheit des En- zyms Telomerase, das die Chromosomenenden, die sogenannten Telomere, stabilisiert. In den meisten gesunden Zellen kommt es mit jeder Zellteilung zu einer fortschreitenden Verkürzung der Telomere, die schließlich zu einem Zellzyklusarrest oder zur Apoptose führt. Stammzellen und Krebszellen aktivieren das Enzym Telomerase, um die Telomere wieder zu verlängern und somit unsterblich zu werden. beobachten. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Veränderungen dieser drei Gene fast nie gemeinsam auftreten, jedoch alle ähnliche Folgen haben: Auch MYCN-Amplifikationen führen zu einer starken Induktion der TERT-Expression, während Tumoren mit ATRX-Mutationen eine Aktivierung des Mechanismus des „Alternative Lengthening of Telomeres“ aufweisen. In Neuroblastomen, die sich spontan zurückbilden, ließen sich solche Veränderungen dagegen nicht nachweisen. Schlechte Heilungschancen bei aggressiven Tumoren Die Wissenschaftler fanden heraus, dass TERT-Translokationen nur in aggressiv wachsenden Neuroblastomen auftreten, und dass Patienten, deren Tumoren eine solche Veränderung aufweisen, schlechte Heilungschancen haben. Auch MYCNAmplifikationen und ATRXMutationen lassen sich nur in Hochrisiko-Neuroblastomen Dr. Larissa Savelyeva, DKFZ KÖLN – Wissenschaftler aus Köln und Heidelberg sind den genetischen Ursachen der unterschiedlichen Krankheitsverläufe von Neuroblastomen auf der Spur. Zellen eines Hochrisiko-Neuroblastoms: Zwei normale Kopien des TERTGens (grün) in ihrer normalen Umgebung (nahe dem CLPTM1L-Gen, rot). Die dritte Kopie des TERT-Gens ist auf Chromosom 20 umgelagert und hat ihren normalen „Nachbarn“ CLPTM1L verloren. Neues Verständnis der Pathogenese „Unsere Ergebnisse verändern unser Verständnis der Pathogenese des Neuroblastoms fundamental“, sagt Prof. Dr. Matthias Fischer (Universitätskinderklinik Köln/Max-PlanckInstitut für Stoffwechselforschung Köln), Initiator der Stu- die. Das klinische Verhalten des Neuroblastoms wird offenbar von Telomer-Verlängerungsmechanismen bestimmt: Werden diese durch spezifische genetische Veränderungen aktiviert, kommt es zu einem aggressiven Tumorwachstum. Fehlen sie, bildet sich die Erkrankung komplett zurück. „Der Nachweis der aktiven Telomer-Verlängerungsmechanismen im Tumor könnte zur Prädiktion des Krankheitsverlaufs und damit zur Auswahl der richtigen Therapie genutzt werden“, erklärt der Experte. Auch die Entwicklung von Medikamenten zur Inhibition der Telomerase könne in Zukunft vielversprechende Ansätze liefern. sr 1 Peifer M, et al.: Nature. 2015; 526(7575):700–704 Raum A1 Do., 25.02. 18:10 Uhr 5 | KONGRESSZEITUNG Positive Trends und Kontroversen Die Rolle der Ärzte Neues aus dem Bereich der gynäkologischen Tumoren Primäre Prävention am Beispiel der HPV-Impfung E ine Steigerung der Inzidenz ist beim Endometriumkarzinom zu erwarten, sagt Prof. Dr. Barbara Schmalfeldt, Universiäts-Frauenklinikum HamburgEppendorf und stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO). Die Gründe sind das allgemein zunehmende Körpergewicht der Frauen und der zunehmende Anteil älterer Frauen in der Gesellschaft. Beide Faktoren sind mit einem erhöhten Risiko für die Tumorentwicklung und damit auch für die Entstehung eines Gebärmutterkarzinoms assoziiert. Vor diesem Hintergrund ist es laut Schmalfeldt erfreulich, dass die operative Tumorentfernung inzwischen in aller Regel laparoskopisch und somit mittels eines minimalinvasiven Vorgehens zu realisieren ist. Unklar ist beim Endometriumkarzinom nach wie vor jedoch, bei welchen Patientinnen ein hohes Rezidivrisiko besteht und welche Frauen von einer Chemotherapie profitieren. Diese Fragestellung soll deshalb nunmehr in Rahmen einer internationalen Studie untersucht werden. Beim Ovarialkarzinom, das nach wie vor mit einer allgemein schlechten Prognose behaftet ist, geht es aktuell darum, die molekularen Hintergründe noch besser zu verstehen und neue Strategien der zielgerichteten Therapie zu entwickeln. Neuerungen hat es in jüngster Zeit durch die Zulassung des Angiogeneseinhibitors Bevacizumab gegeben, doch, so Schmalfeldt, „wir brauchen dringend weitere innovative Behandlungsansätze, um die Prognose der Frauen verbessern zu können“. Hoffnungen gründen sich vor allem auf die sogenannten PARP-Inhibitoren, die jedoch bislang nur beim erblichen Ovarialkarzinom und damit nur bei rund 20 Schmalfeldt HAMBURG – Im Bereich der gynäkologischen Tumoren gibt es einige neue Erkenntnisse. Das reicht vom Endometriumkarzinom über das Ovarialkarzinom bis hin zum Gebärmutterhalskrebs und zum Vulvakarzinom. Intraoperativer Situs bei Laparoskopie: Uterus und beide Adnexe Prozent der betroffenen Frauen zur Anwendung kommen. Kontrovers diskutiert wird nach den Worten der Medizinerin weiterhin die Frage, ob beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom zuerst eine Chemotherapie erfolgen sollte, gefolgt von einer Operation, oder ob zunächst der Tumor möglichst weitgehend chirurgisch entfernt werden sollte mit einer anschließenden Chemotherapie. „Unsere Erfahrungen in Deutschland sprechen für ein primär operatives Vorgehen. Dies deckt sich jedoch nicht unbedingt mit den internationalen Erfahrungen“, so Schmalfeldt. Im Rahmen des Studienprogramms TRUST soll diese Frage nun möglichst abschließend beantwortet werden. Neuerungen wird es in absehbarer Zukunft auch beim Screening auf Gebärmutter- halskrebs geben, der in seiner Häufigkeit rückläufig ist. Denn ab 2017 werden die Frauen bei der gesetzlichen Früherkennungsuntersuchung zwischen einem jährlichen Abstrich mit zytologischer Untersuchung und einem HPV-basierten Screening wählen können, wobei das HPV-Screening bei negativem Befund nur alle fünf Jahre vorgesehen ist. „Auch dieses Thema wird derzeit noch heiß diskutiert“, berichtet Schmalfeldt. Noch deutlich zu selten wird aus ihrer Sicht in Deutschland die Chance der prophylaktischen HPV-Impfung genutzt. Intensiv gearbeitet wird daher nunmehr an der Entwicklung therapeutischer Impfstoffe. Eine zunehmende Inzidenz ist laut Schmalfeldt derzeit auch beim Vulvakarzinom zu registrieren. Eine potenzielle Ursache dafür kann die zunehmende Prävalenz der humanen Papillomaviren sein. Die Studiengruppe der AGO hat in Deutschland ein großes Studienprojekt zur Therapie des Vulvakarzinoms durchgeführt: In der CARE-Studie wurde gezeigt, dass Frauen mit Vulvakarzinom und Lymphknotenbefall von einer adjuvanten Strahlentherapie profitieren. An die Studie schließen sich nunmehr translationale Projekte an. Es geht dabei vor allem auch darum, anhand molekularer Marker besser zu charakterisieren, welche Frauen hinsichtlich der Rezidivbildung besonders gefährdet sind und aller Voraussicht nach von einer Bestrahlung und einer adjuvanten Chemotherapie profitieren werden. cv Raum Helsinki 2 Mi., 24.02. 17:00 Uhr BERLIN – Obwohl die meisten Ärzte die HPV-Impfung bei Mädchen aktiv ansprechen, ist die Impfrate niedrig. Was kann unternommen werden, um diese zu verbessern? Ä rzte spielten für Mädchen und ihre Mütter eine bedeutende Rolle bei der Entscheidung für eine HPV-Impfung. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) befragte 2011 circa 3 000 Eltern von Kindern zwischen 0 und 13 Jahren zum Thema „Impfen im Kindesalter“. Als potenzielle Informationsquelle wurden mit 98 bzw. 90 Prozent die Ärzte und die Medizinischen Fachangestellten (MFA) genannt; genutzt wurden die Ärzte von 93 Prozent; die MFA wurden aber nur in 40 Prozent der Fälle angesprochen. MFA sollten daher viel häufiger auch bei der Impfberatung eingesetzt werden. Ähnlich niedrig wie die HPV-Impfrate ist auch die Beteiligungsquote bei der J1-Vorsorgeuntersuchung, die seit Jahren bei circa 33 Prozent liegt. Dies erklärt teilweise, warum so wenige Mädchen gegen HPV geimpft werden. Mädchen mit einer vollständigen HPV-Impfserie waren häufiger beim Gynäkologen oder hatten häufiger an der J1 teilgenommen. Ärzte beschreiben ihr eigenes Verhalten als „aktiv“, d. h. nahezu jede Patientin unter 18 Jahren wird von ihnen zur HPV-Impfung direkt angesprochen. Im Fall der Kinder- und Jugendärzte sind aber weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Beteiligungsquote bei der HPV-Impfung zu überlegen: • Kostenübernahme der U10 und U11 durch alle Kassen, • Hilfe bei der Implementierung eines modernen Recallsystems, • Erinnerungssystem an bestehende Termine (Reminder). 2014 wurden über vier Wochen die Mitglieder des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendmedizin (BVKJ) befragt. Es galt herauszufinden, warum ministerien und Gesundheitsämter gefordert, sich mehr für die HPV-Impfung zu engagieren. Die wichtigste Argumentation pro Impfung ist die Verhinderung von Krebserkrankungen, gefolgt von der STIKOEmpfehlung. Frustrierend ist die Angabe von 80 Prozent der Über aktive Recalls müssen Ärzte die Patienten motivieren, sich impfen zu lassen. eine von der STIKO empfohlene Impfung so niedrige Impfquoten aufweist. Etwa 1 000 Pädiater beantworteten den Fragebogen: 90 Prozent sind vom Sinn vollständig überzeugt, sieben Prozent teilweise. Das von der STIKO empfohlene Alter sehen 96 Prozent der Ärzte als besten Zeitpunkt für die Impfung an. Negative Presseberichte bzw. die Einstellung der Eltern und für einige auch die Honorierung der Impfleistung sind Gründe für die niedrigen Impfquoten. 80 Prozent und mehr der Ärzte erwarten eine Verbesserung der Impfakzeptanz durch: • mehr Informationen über die Schulen, • Aufforderung und Einladung zu Impfungen durch Krankenkassen, • positivere Berichte zum Thema durch Presse, Internet etc. • Knapp über 60 Prozent sahen auch die BZgA, Gesundheits- Ärzte, dass nur jede zweite Patientin sich nach Beratung impfen ließ. • Ärzte müssen mehr tun, um Patienten in dieser Altersgruppe zu erreichen – Stichwort „aktives Recall“. • Aufklärung: Die HPV-Impfung ist keine Eintrittskarte zur Sexualität, sondern eine Prävention gegen Krebs. Männer werden als Betroffene nicht ausreichend wahrgenommen. • Geduld zeigen: Viele lassen sich trotz Aufklärung nicht impfen, die Impfung ist schlecht bezahlt, der Zeitaufwand zur Aufklärung ist groß. Einige wichtige „Player“ sprechen sich gegen die Impfung aus oder unterstützen diese nicht offen. jg Raum London 1 Sa., 27.02. 10:15 Uhr Mammakarzinom – was gibt es Neues? Hoffnung auf weitere therapeutische Fortschritte W elche Neuerungen beim Deutschen Krebskongress (DKK) diskutiert werden, erläutert Prof. Dr. Tanja Fehm, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) und Direktorin der Universitäts-Frauenklinik Düsseldorf. Vor allem bei der Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms zeichnen sich laut Fehm relevante therapeutische Fortschritte ab. Vermittelt werden diese durch innovative Behandlungsstrategien, beispielsweise mit den CDK4/6-Inhibitoren und auch der dualen Antikörperblockade mit Trastuzumab und Pertuzumab. Ein zunehmend hoher Stellenwert kommt ferner der Immuntherapie beim metastasierten Mammakarzinom zu. So wird durch den Einsatz sogenannter Checkpoint-Inhibitoren ange- strebt, das Immunsystem gezielt im Kampf gegen den Tumor zu aktivieren. Weitere Fortschritte sind durch die zunehmende Realisierung des Konzepts der personalisierten Medizin beim metastasierten Mammakarzinom zu erwarten. „Es geht darum, die Tumoren weiter molekulargenetisch zu charakterisieren und individuelle, also personalisierte Behandlungskonzepte zu erarbeiten“, so Fehm. Liquid Biopsy – die Zukunft? Im Rahmen einer Spezialsitzung werden beim DKK zudem die Möglichkeiten der sogenannten Liquid Biopsy diskutiert werden. Bei dem innovativen Diagnostikverfahren werden frei im Blut zirkulierende DNA oder Tumorzellen auf spezifische genetische Veränderungen untersucht. Die Befunde sollen dann als Basis für die individualisierte Behandlung der Frauen genutzt werden können. „Das Verfahren kann möglicherweise eines Tages die her- kömmliche Biopsie ersetzen“, erklärt Fehm. Es hat den Vorteil, dass für die Analysen keine Gewebeproben entnommen werden müssen, sondern lediglich eine Blutuntersuchung erforderlich ist. Das ist für die Frauen weniger belastend und die Untersuchung kann zudem beliebig oft wiederholt werden. Weiter Diskussionsbedarf zum erblichen Brustkrebs Ein Thema, das derzeit vor allem in der Öffentlichkeit auf großes Interesse stößt, ist laut Fehm das Vorgehen beim erb- lichen Mamma- oder Ovarialkarzinom. Es besteht aus Sicht der Frauenärztin nach wie vor Aufklärungsbedarf, wie Mutationsträgerinnen zu behandeln und wann prophylaktische Brustamputationen indiziert sind. Diskutiert wird zudem der Stellenwert der sogenannten PARP-Inhibitoren, die bereits beim erblichen Ovarialkarzinom, nicht aber beim erblichen Mammakarzinom zur Therapie zugelassen sind. Neuerungen gibt es auch beim nicht metastasierten Mammakarzinom, bei dem inDer Aufklärungsbedarf beim erblichen Brust- und Eierstockkrebs wird in der Öffentlichkeit diskutiert. Guschenkova – Shutterstock DÜSSELDORF – Bei der Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms ist einiges im Fluss. Es werden derzeit viele neue Konzepte und Strategien geprüft. zwischen die duale Blockade mit Pertuzumab und Trastuzumab auch für die neoadjuvante Therapie verfügbar ist. „Wir können mit diesem Ansatz bei deutlich mehr Patientinnen eine pathologische Komplettremission erreichen“, so Fehm. Neuer Trend: postneoadjuvante Konzepte Als neuen Trend bei der Therapie des Mammakarzinoms nennt die AGO-Sprecherin außerdem post-neoadjuvante Behandlungskonzepte bei Patientinnen, bei denen durch die neoadjuvante Therapie keine komplette Remission erreicht wurde. Fehm: „Wir diskutieren derzeit, inwieweit wir diesen Frauen nach der Operation eine zielgerichtete Therapie anbieten müssen, um die langfristigen Heilungschancen zu verbessern.“ Neue Entwicklungen gibt es ferner beim operativen Vorgehen. „Wir haben bislang routinemäßig eine Wächterlymphknotenbiopsie auch bei klinisch unauffälligem Lymphknoten vorgenommen. In der aktuellen Studie INSEMA wird nunmehr geprüft, ob dies tatsächlich mit Vorteilen für die Frau verbunden ist“, so Fehm. Beim DKK werden außerdem potenzielle Fortschritte bei der Strahlentherapie des Mammakarzinoms diskutiert. Immer häufiger erfolgt die Behandlung in Form der hypofraktionierten Bestrahlung, also mit kürzerer Bestrahlungszeit bei zugleich höherer Strahlendosis. Dieses Vorgehen wird von vielen Strahlentherapeuten ebenso wie die zusätzliche intraoperative Bestrahlung als Ersatz für den sequenziellen Boost als sicher und zugleich effektiv bewertet. Als weiteres beim DKK zu diskutierendes Highlight hinsichtlich der Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms nennt Fehm die Neuerungen bei den Genexpressionsprofilen, anhand derer das Rezidivrisiko abgeschätzt und konkreter die Indikation zu einer adjuvanten Chemotherapie gestellt werden kann. cv Raum A3 Fr., 26.02. 15:30 Uhr tashatuvango – Fotolia CityCube Berlin, 24.-27.02.2016 KONGRESSZEITUNG | 6 CityCube Berlin, 24.-27.02.2016 „Der Traum wäre eine wirklich tumorspezifische Immuntherapie“ Wie neue Ansätze helfen können, den Krebs mit dem Immunsystem zu bekämpfen elluläre Therapien in der Onkologie bestanden lange Zeit vor allem in der Transplantation unveränderter autologer oder allogener Immunzellen, manchmal auch ausgewählter Subtypen davon. Was ist das Besondere an den neuen Techniken wie z. B. den T-Zellen mit chimärem Antigen-Rezeptor (CAR-T-Zellen)? Pezzutto: Zunächst sind die CAR-T-Zellen autologe Zellen, die also vom Patienten selbst stammen – daher gibt es nicht das Risiko einer Abstoßung oder einer Graft-versus-HostReaktion. Zweitens sind die Zellen genetisch verändert, sodass sie einen Antigen-Rezeptor tragen, der spezifisch gegen ein Tumor-assoziiertes Antigen auf der Oberfläche der Tumorzellen gerichtet ist und dadurch eine Art Graft-versus-Tumor-Reaktion verursacht, die allerdings viel spezifischer ist als das, was wir gewöhnlich bei einer allogenen Stammzelltransplantation sehen. Kurz gesagt, haben wir hier eine Technologie, die die allogene Transplantation hinsichtlich ihrer positiven Eigenschaften übertreffen kann, während gleichzeitig ihre problematischen Nachteile vermieden werden – vor allem die aggressiven Konditionierungsregimes und die schweren Graft-versus-Host-Reaktionen, die bei fast einem Drittel der Patienten die Lebensqualität schwer beeinträchtigen. Können Sie kurz zusammenfassen, was mit dieser Methode Was sind die größten Probleme bei diesem Ansatz? Pezzutto: In der Tat kann diese Therapie, auch wenn sie extrem effektiv ist, schwere Nebenwirkungen hervorrufen: Das größte Problem ist ein Zytokin-Release-Syndrom (CRS). Interessanterweise ist das eigentlich ein Hinweis auf die extreme Wirksamkeit der Behandlung, weil es durch den raschen Zerfall einer großen Menge leukämischer Blasten verursacht wird. Kausal mit diesem unerwünschten Ereignis verknüpft sind hohe Konzentrationen des Zytokins Interleukin 6 (IL-6), das man allerdings durch rekombinante monoklonale Antikörper neutralisieren kann. Indem sie diese Art supportiver Therapien anwenden, haben die Kollegen das CRS wirksam unter Kontrolle gebracht. Während es zu Beginn für schwere Morbidität gesorgt hat, ist es durch frühes Erkennen und frühe Intervention mit anti-IL6-Antikörpern mittlerweile gelungen, die Häufigkeit eines schweren CRS dramatisch zu reduzieren. Das CD19-Antigen wird auf allen B-Lymphozyten exprimiert, auch auf normalen B-Zellen, und deshalb verursachen diese CAR-T-Zellen auch T-Zellen unterstützen das Immunsystem und greifen Krebszellen an. eine B-Zell-Aplasie. Ist das mit großen Problemen verbunden, und wie geht man damit um? Pezzutto: Patienten, die mit gegen CD19 gerichteten CART-Zellen behandelt werden, entwickeln in der Tat unweigerlich eine B-Zell-Aplasie und müssen mit intravenösen Immunglobulinen substituiert werden. Das ist aber eine Routinebehandlung, die im Allgemeinen unproblematisch ist. Da jedoch reife, langlebige Plasmazellen kein CD19 exprimieren, können gewisse Titer an Immunglobulinen aufrechterhalten werden, die in manchen Fällen eine Substitution unnötig machen. Eine meiner Patientinnen, die vor etwa 15 Monaten wegen eines therapierefraktären Non-Hodgkin-Lymphoms in Philadelphia mit CD19-CAR-T-Zellen behandelt wurde, weist ungefähr die Hälfte der normalen Immunglobulinspiegel auf und benötigt keine Substitution, obwohl sie im peripheren Blut eine B-ZellAplasie hat. Vor Kurzem wurde zur Behandlung der rezidivierten ALL des Erwachsenen ein anderer Ansatz zugelassen, der das CD19-Antigen attackiert – ein bispezifischer T-Zell-Engager-(BiTE)Antikörper. Was sind die Vor- und Nachteile dieser beiden Ansätze? Pezzutto: Um mit den CD19-CAR-T-Zellen zu beginnen: Ihr Vorteil ist, dass es sich um lebende Zellen handelt, die im Körper theoretisch unbegrenzt lange persistieren können und eine Gedächtnisfunktion haben. Der Erfolg der sogenannten Drittgenerations-CART-Zellen geht in der Tat auf ihre Persistenz in vivo zurück. Das heißt, im Falle eines Rezidivs einer CD19-positiven Leukämie können die Zellen diese höchst- wahrscheinlich wieder angreifen, ohne dass sie noch einmal gegeben werden müssen (solange das Rezidiv noch CD19-positiv ist). Nachteile sind die komplizierte Logistik, weil die Zellen für jeden Patienten individuell zubereitet werden müssen, sowie die persis- privat Z bisher bei der pädiatrischen B-ALL erreicht worden ist? Pezzutto: Verschiedene Studiengruppen an der University of Pennsylvania in Philadelphia, am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York, in Seattle und an anderen US-amerikanischen Universitäten, haben Methoden entwickelt, um CAR-T-Zellen zu erzeugen, die B-Lymphozyten attackieren. B-Zellen ebenso wie die meisten B-Zell-Leukämien und -Lymphome exprimieren auf ihrer Oberfläche das CD19-Antigen, gegen das sich der chimäre Antigen-Rezeptor dieser CAR-T-Zellen richtet. Ich denke, die Gruppe aus Philadelphia um Dr. Steffen Grupp, der bei unserem Symposium am Mittwochnachmittag eine Keynote Lecture geben wird, hat derzeit die meiste Erfahrung mit derartigen Methoden bei Kindern in weit fortgeschrittenen Stadien einer Prä-B-ALL. Die Ergebnisse übertreffen bei weitem alles, was man bisher bei diesen Patienten gesehen hat: So wurden zum Beispiel komplette Remissionen – sogar auf molekularer Ebene – bei Patienten erzielt, die gegenüber allen zuvor angewandten Therapien refraktär gewesen waren. royaltystockphoto – Fotolia BERLIN – Prof. Dr. Antonio Pezzutto, Charité Berlin, erklärt im Interview mit der Redaktion, was von zellulären Immuntherapien in den nächsten Jahren zu erwarten ist. Prof. Dr. Antonio Pezzutto tierende B-Zell-Aplasie, die die Gabe von Immunglobulinen erforderlich macht. Ein Vorteil der BiTE-Antikörper ist hingegen, dass es sich hier um ein serienmäßig hergestelltes Produkt handelt, und dass sie nicht zu einer permanenten B-ZellAplasie führen, weil ihre Verweildauer im Körper begrenzt ist. Andererseits ist die Applikation kompliziert mit einer kontinuierlichen Infusion über mehrere Wochen, und sie haben keine Gedächtnisfunktion. Das bedeutet, dass sie im Fall eines Rezidivs der Leukämie wieder appliziert werden müssen. CD19 ist nur ein mögliches Ziel für CAR-T-Zellen, und es gibt Bemühungen, ähnliche Ansätze für andere Zielmoleküle zu entwickeln ... Pezzutto: Einige wenige Beispiele sind CAR-T-Zellen gegen das CD30-Antigen, die derzeit bei CD30-positiven Hodgkinund Non-Hodgkin-Lymphomen getestet werden, sowie Zellen, die sich gegen das auf Myelom- Zellen zu findende B-Cell Maturation Antigen (BCMA) richten, und bei Patienten mit multiplem Myelom erste vielversprechende Ergebnisse erzielt haben – darüber wurde beim ASH-Kongress im Dezember berichtet. Ist es auch vorstellbar, solide Tumoren mit dieser Technologie anzugreifen? Pezzutto: Ein Nachteil der CAR-T-Zellen ist, dass sie sich nur gegen Oberflächenmoleküle auf Zellen richten. Bisher gibt es keine wirklich tumorspezifischen Antigene auf der Oberfläche von Zellen: CAR-T-Zellen können daher wahrscheinlich gut gegen Tumoren angewendet werden, die ihren Ursprung in „entbehrlichen“ Organen haben, z. B. das B-Zell-Kompartment, vielleicht einige endokrine Organe, die Prostata, Hoden oder Ovarien. Es wird aber schwierig sein, Antigene zu finden, die selektiv etwa auf Lungen- oder kolorektalen Tumoren exprimiert werden. Es gibt einige Tricks, mit denen man vielleicht verschiedene solide Tumoren attackieren könnte, aber das wird derzeit noch präklinisch geprüft. Ich glaube persönlich, dass bei bestimmten Tumoren die Anwendung von T-Zellen attraktiver sein wird, bei denen der T-Zell-Rezeptor genetisch verändert wird: Sie haben den Vorteil, dass sie intrazelluläre Antigene erkennen können, die durch MHC-Moleküle auf den Zellen präsentiert werden. Besonders attraktiv erscheint die Idee, mutierte Epitope anzugreifen, wie man sie in vielen malignen Tumoren in großer Zahl antrifft. Damit könnte sich der Traum einer wirklich tumorspezifischen Immuntherapie erfüllen. jg Raum A1 Mi., 24.02. 15:00 Uhr Neue Therapiestrategien Kopf-Hals-Tumoren beim Deutschen Krebskongress E inen Überblick über die Symposien und Diskussionen, die allesamt am Donnerstag, 25.02., stattfinden, gibt Prof. Dr. Rainer Fietkau, Erlangen, Sprecher der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Kopf-Hals-Tumoren in der Deutschen Krebsgesellschaft (IAG-KHT). In einer Veranstaltung zum „State-of-the-Art beim Plattenepithelkarzinom“ soll insbesondere erörtert werden, weshalb in bestimmten Fällen keine standardisierte Behandlung erfolgen kann, sondern die Behandlung individualisiert auf den Patienten zugeschnitten werden muss. Zusätzlich wird erörtert, in welchen Situationen Leitlinien nicht berücksichtigt werden, obwohl dies eigentlich deutlich angezeigt ist. Dabei sollen die jeweiligen Diskussionspunkte aus der Sicht von Pathologen, diagnostischen Radiologen, Hals-Nasen-OhrenÄrzten, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, Radioonkologen und internistischen Onkologen dargestellt werden. Lebensqualität und Funktionserhalt In einem Symposium zu „Lebensqualität und Funktionalität bei Kopf-Hals-Tumoren“ geht es um die Rolle von Lebensqualität und Funktionserhalt bei Kopf-Hals-Tumoren und darum, wie sie gemessen und durch Therapiemodalitäten beeinflusst werden können. Auch dies wird aus Sicht der einzelnen Fachdisziplinen (MKGChirurgie, HNO-Medizin, Radioonkologie und internistische Onkologie sowie Psychoonkologie) diskutiert. Eine Plenarsitzung beschäftigt sich mit „HPV-positiven Tumoren – Änderung der Therapiestrategie“: In den letzten Jahren ist klar geworden, dass ein HPV-positiver Status bei Tumoren des Oropharynx mit einer besseren Prognose einhergeht. Allerdings bleibt noch offen, ob diese Patienten genauso intensiv wie andere Patienten behandelt werden müssen oder ob man die Therapie im Sinne einer Deeskalation zurückfahren kann. Auch dies wird aus dem Blickwinkel der verschiedenen Fachgebiete dargestellt. Nicht jeder Tumor im KopfHals-Bereich muss operiert werden, auch Strahlen- und Chemotherapie können bei der Behandlung helfen, wie in einer weiteren Plenarsitzung „Nicht- operative Therapiekonzepte bei Kopf-Hals-Tumoren“ ebenfalls unter Beteiligung der verschiedenen Fachdisziplinen deutlich werden wird. Allerdings ist es gelegentlich problematisch, das Therapieansprechen optimal festzustellen, der genaue Ablauf der Therapien ist noch nicht op- Ein HPV-positiver Status bei Tumoren des Oropharynx geht mit einer besseren Prognose einher. Dr_Kateryna – Fotolia ERLANGEN – Beim Deutschen Krebskongress sind Kopf-Hals-Tumoren und ihre Behandlung in unterschiedlichem Kontext Gegenstand von Symposien und Diskussionen. timiert, Bestrahlungsvolumina sind derzeit ebenso in der Diskussion wie neue Therapieverfahren, vor allem immunmodulatorische Medikamente. Rauchen und Alkohol bei Kopf-Hals-Tumoren Im Rahmen eines Seminars „Treatment Modifiers bei KopfHals-Tumoren“ soll dargestellt werden, welche Rolle Rauchen und Alkohol bei der Behandlung von Kopf-Hals-Tumoren spielen, welchen Einfluss die Viruslast hat und wie das Tumorstroma das Ansprechen auf Chemo- und Strahlentherapie beeinflusst. Bei einer interaktiven Tumorkonferenz sollen interdisziplinär verschiedene Beispiele von Tumoren der Haut (Basalzellkarzinome, maligne Melanome und Merkelzell-Karzinome) in der KopfHals-Region präsentiert und interdisziplinär von Vertretern der verschiedenen Fachdisziplinen diskutiert werden. jg Raum Helsinki 1 Do., 25.02. 09:00 Uhr 7 | KONGRESSZEITUNG CityCube Berlin, 24.-27.02.2016 Immuntherapie und Co Wann messen? Neue Therapien und Genanalytik in der Uroonkologie PSA-Screening soll durch frühe Messung optimiert werden B eim Deutschen Krebskongress 2016 werden aktuelle Forschungsprojekte diskutiert und vorgestellt. Das Blasenkarzinom gehört sowohl bei Männern als auch bei Frauen zu den häufigsten soliden Tumoren. Bei etwa 30 Prozent der Betroffenen kommt es zur Metastasierung. Die Erkrankung ist dann unheilbar und wird mit eher mäßigem Erfolg chemotherapeutisch behandelt. Für diese Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren deutet sich allerdings ein Wandel an. „Das Blasenkarzinom gehört zu den Tumoren, die auf eine Immuntherapie mit PD1-Inhibitoren sehr gut ansprechen. Derzeit laufen bei dieser Indikation zahlreiche Studien in nahezu allen Erkrankungsstadien“, betont Professor Dr. Peter Albers von der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. PD1-Inhibitoren setzen einen Mechanismus außer Kraft, der die T-Zellen normalerweise bremst. Ein PD1-Inhibitor verstärkt demnach die zelluläre Immunreaktion, was bei manchen Tumoren zu außergewöhnlichen therapeutischen Erfolgen führt. „Bisher sind wir beim Blasenkarzinom nach Zweitlinienchemotherapie von einem Überleben von sechs Monaten ausgegangen. Erste Daten zu PD1-Inhibitoren deuten darauf hin, dass wir das mediane Überleben verdoppeln können. Etwa jeder zweite Patient hat in Pilotstudien auf diese Behandlung angesprochen“, so Albers. Aktuelle Phase-III-Studien testen PD1-Inhibitoren in der First-Line- und in der SecondLine-Therapie. Sogar Studien zur adjuvanten Therapie sind schon unterwegs. In diesen Studien wird untersucht, ob Patienten, die bei lokal fortgeschrittenem Blasenkarzinom primär operiert werden, ein längeres rezidivfreies Überleben haben, wenn sie mit PD1-Inhibitoren behandelt werden. „Bei diesen Patienten nach Zystektomie waren bisher alle adjuvanten Protokolle ohne signifikanten Erfolg. Wenn wir jetzt die Rezidivrate senken könnten, wäre das eine tolle Sache, zumal die Monotherapie mit einem PD1-Hemmer vergleichsweise gut vertragen wird“, so Albers. PREFERE-Studie untersucht Prostatakarzinom Nicht um das Blasenkarzinom, sondern um das Prostatakarzinom geht es in der deutschen Prostatakrebs-Studie PREFERE. In dieser Studie werden vier Behandlungsoptionen zur Therapie des lokal begrenzten Prostatakarzinoms verglichen, nämlich die radikale Prostatektomie, die perkutane Strahlentherapie, die Brachytherapie und eine aktive Überwachung mit regelmäßigen Kontrollen, bei der die Behandlung einsetzt, wenn die Erkrankung fortschreitet. Die unter anderem von der Deutschen Krebshilfe und von Krankenkassen geförderte PREFERE-Studie war wegen langsamer Rekrutierung in die Diskussion geraten. In Medienberichten war sogar von einem möglichen Abbruch der Studie die Rede. Mittlerweile wurden freilich bis Ende 2015 über 320 Patienten eingebracht. „Damit rekrutiert die Studie schneller als eine britische Studie, die für 1 600 Patienten zehn Jahre gebraucht hat. Ich denke, die PREFERE-Studie wurde schlecht geredet. Sie ist wichtig, und sie wird das therapeutische Vorgehen beim lokal begrenzten Prostatakarzinom ändern“, so Albers. Früh einsetzendes Prostatakarzinom Neben dem Blasenkarzinom und dem lokal begrenzten Prostatakarzinom ist das früh einsetzende Prostatakarzinom bei Männern unter 50 Jahren ein weiteres „heißes“ Thema in der Uroonkologie. Das mag zunächst paradox klingen, weil es sich um eine vergleichsweise seltene Erkrankung handelt. Von ihr könnten aber wichtige Impulse ausgehen, nicht zuletzt für das Prostatakrebs-Screening. Konkret wird in einem Großprojekt unter deutscher Leitung im Rahmen des internationalen Krebsgenomkonsortiums Gewebe von jungen Patienten mit Prostatakarzinom genetisch untersucht. Ziel ist es, frühe molekulare Veränderungen zu identifizieren, die einen besonders aggressiven Verlauf des Karzinoms erwarten lassen. Gelingt das, ließe sich das Prostatakarzinom-Screening deutlich stärker personalisieren: Bei jenen Patienten, bei denen auf der Basis des PSA-Werts eine Biopsie gemacht wird, könnten anhand molekularer Marker Tumoren mit hohem und weniger hohem Risiko unterschieden werden. „Gerade in jungen Jahren könnte das die Entscheidung für oder gegen eine radikale Prostatektomie deutlich erleichtern“, betont Albers. pg Raum Budapest Mi., 24.02. 10:30 Uhr DÜSSELDORF – Prof. Dr. Peter Albers, Klinik für Urologie des Universitätsklinikums Düsseldorf, diskutiert, ob die Risikostratifizierung durch eine frühe PSA-Messung optimiert werden kann. D afür, dass die Mortalität des Prostatakarzinoms durch ein PSA-Screening gesenkt werden kann, gibt es mittlerweile gute Daten. „Ein Meilenstein war die im Jahr 2009 publizierte europäische Screening-Studie, in der die gescreente Population einen über dreißigprozentigen Mortalitätsvorteil hatte“, so Albers. Weitere Studien haben das seither bestätigt. „Ein Problem bleibt aber, dass wir bei einem populationsbasierten Ansatz sehr viele Männer regelmäßig screenen müssen, um einige vor dem Tod zu bewahren.“ Das ist aus mehreren Gründen nicht ideal. Einerseits ist es ein erheblicher logistischer und auch finanzieller Aufwand. Andererseits droht die Gefahr einer Überdiagnostik mit nachfolgender, nicht notwendiger Therapie. Lässt sich das PSA-Screening durch andere Messalgorithmen möglicherweise spezifischer und effizienter machen? Das soll in der in Deutschland stattfindenden PROBASE-Studie herausgefunden werden. „Es handelt sich um die zurzeit weltweit größte rekrutierende Studie zum PSA-Screening“, so Albers. Hintergrund der PROBASE-Studie sind Daten aus einer schwedischen Kohortenstudie, bei der bei Männern im Alter zwischen 45 und 50 Jahren im Rahmen eines primär kardiovaskulär ausgerichteten Vorsorgeprogramms auch der PSA-Wert gemessen wurde. „Dabei zeigte sich, dass mit dieser frühen Messung das spätere Krebsrisiko möglicher- weise deutlich besser gefasst werden kann“, sagt Albers. Der prinzipielle Vorteil der frühen PSA-Messung besteht dabei darin, dass sie in einem Alter erfolgt, in dem normalerweise noch keine benigne Prostatahyperplasie (BPH) vorliegt. Die BPH kann den PSA-Wert ebenfalls in die Höhe treiben und die Interpretation dieses Laborwerts erschweren. Mit einem einmaligen oder zweimaligen, frühen Screening könnten also die Män- und 3 ng/ml alle zwei Jahre erneut gemessen wird. Weiterführende Untersuchungen erfolgen bei Männern mit PSA-Werten ab 3 ng/ml. Projektiertes Studienende ist jeweils im Alter von 60 Jahren. „Wir gehen davon aus, dass mehr als 90 Prozent der Probanden zur Niedrigrisikogruppe gehören. Für diese Gruppe wäre das PSA-Screening dann ab einem Alter von 60 Jahren nach heutigen Daten nicht mehr not- Hilft eine frühe PSA-Messung, die Risikostratifizierung zu optimieren? jarun011 – Fotolia BERLIN – Personalisierte Therapiestrategien und der Einsatz neuer, nicht zytotoxischer Therapien – das sind in der Uroonkologie derzeit die heißen Forschungsthemen. ner, die tatsächlich ein erhöhtes Risiko haben, identifiziert und dann engmaschig begleitet werden, ohne dass die BPH zu einem hohen Anteil an falsch positiven Befunden führt. Ob das so funktioniert, soll die PROBASE-Studie zeigen, eine prospektive, randomisierte Studie, die in Düsseldorf gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ), der Medizinischen Hochschule Hannover, dem Universitätsklinikum Heidelberg und dem Klinikum rechts der Isar der TU München stattfindet. In der PROBASE-Studie wird randomisiert entweder im Alter von 45 Jahren oder im Alter von 50 Jahren ein BasisPSA-Wert ermittelt. Danach erfolgt in beiden Gruppen ein risikoadaptiertes Screening, bei dem bei Männern mit einem PSA-Wert unter 1,5 ng/ml nur alle fünf Jahre und bei Männern mit PSA-Werten zwischen 1,5 wendig“, so Albers. Bei Beginn der Messung im Alter von beispielsweise 50 Jahren wären demnach drei PSA-Tests ausreichend, um die Entstehung eines Prostatakarzinoms im Alter von über 60 Jahren weitgehend auszuschließen. Dass dieses Modell nicht unattraktiv ist, zeigt nicht zuletzt die bisher sehr gute Rekrutierung der PROBASE-Studie. Infrage kommende Männer werden über die Einwohnermeldeämter angeschrieben, um einen möglichst repräsentativen Querschnitt zu erreichen. Knapp 15 Prozent der Angeschriebenen sagen zu. Bis Ende 2015 wurden über 14 000 Teilnehmer rekrutiert. Nötig sind insgesamt 50 000 Männer, die über einen Zeitraum von fünf Jahren rekrutiert werden sollen. pg Raum A5 Fr., 26.02. 16:45 Uhr Innovation und Kommunikation Stratifizierung bei Lungenkrebstherapie vorantreiben D ie Pneumologisch-Onkologische Arbeitsgemeinschaft (POA) spannt beim Krebskongress 2016 in drei Symposien den Bogen von der State-of-the-Art-Therapie zu innovativen Behandlungsansätzen. Im Spektrum der bösartigen Erkrankungen nimmt der Lungenkrebs noch immer eine Sonderstellung ein. Mit über 50 000 Neuerkrankungen pro Jahr gehört er nicht nur zu den häufigsten Tumorerkrankungen in Deutschland. Es handelt sich auch nach wie vor um einen der am schwersten therapierbaren Tumoren: „Nur etwa 20 Prozent der Patienten überleben langfristig. Damit ist klar, dass eine strukturgebende Kommunikation mit den Patienten eminent wichtig ist, um bei den Patienten und ihren Angehörigen Sicherheit und Klarheit zu schaffen“, betont POA-Vorsitzender Prof. Dr. Michael Thomas von der Thoraxklinik der Universität Heidelberg. Schrittmacher in der Versorgung sind in Deutschland die zertifizierten Lungenkrebszentren der Deutschen Krebsgesellschaft. „Sie etablieren eine Qualitätskontrolle der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, gewährleisten durch klinische Studien, dass innovative Therapien Verbreitung finden, und etablieren Standards für eine interdisziplinäre Versorgung“, so Thomas. Als Leuchttürme sind sie auch für die breite Versorgung wichtig. Denn sie geben Orientierung und liefern den Vergleichspunkt, an dem sich Einrichtungen, die nicht an Lungenkrebszentren angebunden sind, messen lassen können und müssen. Interdisziplinarität und die Diskussion im Tumorboard sind für die optimale Behandlung beim Lungenkrebs ein zentrales Element. Im Einzelfall gehen hier auch Erfahrung und zwischen den Disziplinen ist. Nur wenn wir über die Patienten gemeinsam diskutieren, können wir aus dem Spektrum Prof. Dr. Michael Thomas: „Strukturgebende Kommunikation ist eminent wichtig.“ privat HEIDELBERG – Die Verwendung neuer Diagnoseund Therapieverfahren sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit sind beim Lungenkrebs besonders wichtig. Expertise ein, die sich nicht allein in Leitlinien abbilden lassen. Beim Krebskongress trägt die POA dem mit einem Symposium Rechnung, in dem in Form einer Pro-und-Kontra-Diskussion über den Stellenwert der Operation beim kleinzelligen Lungenkarzinom debattiert wird. „Das ist eines von vielen Beispielen, die deutlich machen, wie wichtig der Austausch der systemtherapeutischen, strahlentherapeutischen und chirurgischen Therapieoptionen die optimalen Behandlungen auswählen und den individuellen Bedürfnissen der Patienten gerecht werden.“ Dass der Bedarf an Abstimmung zwischen den Disziplinen beim Lungenkrebs in den nächsten Jahren abnehmen wird, ist kaum anzunehmen. Im Gegen- teil: Die Zahl der insbesondere medikamentösen Therapieoptionen steigt und steigt, die Versorgung wird immer komplexer. „Für die anhand molekular definierter Subgruppen stratifizierte Krebsversorgung ist der Lungenkrebs in den letzten Jahren zu einer echten Modellerkrankung geworden“, so Thomas. Die auf Patientengruppen zugeschnittene Behandlung mit Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKIs) und Antikörpern ist bei kaum einer anderen Krebserkrankung derartig ausdifferenziert. Spätestens seit 2015 ist klar, dass TKIs und Antikörper beim Lungenkrebs in Zukunft auch noch durch immunonkologische Therapieansätze ergänzt werden. Klinische Studien mit Checkpoint-Inhibitoren zeigen, dass die Ansprechraten zumindest teilweise doppelt so hoch sind wie bei konventionellen Chemotherapien. „Das Besondere an diesen Therapien ist aber vor allem, dass die Erkrankung bei etwa der Hälfte der Patienten, die ansprechen, wesentlich länger stabil bleibt als bei der Chemotherapie“, betont Thomas. Weiteren Forschungsbedarf gibt es dennoch: Zum einen gilt es, die Einsatzfelder der unterschiedlichen immunonkologischen Therapien besser zu beschreiben. Tumorvakzinen beispielsweise könnten für ausgewählte Patienten eine interessante immunonkologische Therapieoption werden. Vor allem aber müsse es jetzt darum gehen, die bei den molekularen Therapien bewährte Stratifizierung auch in den immunonkologischen Kontext zu übertragen. Thomas: „Wir müssen daran arbeiten, die Mechanismen der immunonkologischen Therapien besser zu verstehen, um jene Patienten möglichst schon im Vorfeld zu identifizieren, die davon langfristig profitieren. Erst dann sind wir richtig gut.“ pg Raum A4 Mi., 24.02. 10:30 Uhr KONGRESSZEITUNG | 8 CityCube Berlin, 24.-27.02.2016 Je früher Tumoren entdeckt werden, desto besser Mohr (4) Vom Nutzen der gezielten Hautkrebsvorsorge Malignes Melanom BUXTEHUDE – Seit Juli 2008 haben gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren alle zwei Jahre Anspruch auf ein Hautkrebsscreening. Dessen Nutzen wird kontrovers diskutiert. B ei dieser Diskussion spielen die Number Needed to Screen und die Number Needed to Excise eine wichtige Rolle. Letztlich werden mit relativ wenig Aufwand bei etwa 80 000 Personen pro Jahr Frühstadien der malignen Hauttumoren entdeckt. Mit strukturierter wissenschaftlicher Begleitung könnte der Benefit der Screeningmaßnahmen hinsichtlich Mortalitäts- und Morbiditätssenkung künftig genauer evaluiert werden. Etwa 30 Prozent der infrage kommenden Personen nehmen am Hautkrebsscreening teil, Tendenz gleichbleibend. Auf die Frage, wie viele Personen untersucht werden müssen, um eine maligne Neoplasie zu finden, entgegnet Dr. Peter Mohr, Chefarzt der Klinik für Dermatologie, Elbe Kliniken Buxtehude: „Die Number Needed to Screen, um ein malignes Melanom zu entdecken, ist circa 620.“ Für ein Basalzellkarzinom Plattenepithelkarzinom (Basaliom) müssen circa 184 und für ein Plattenepithelkarzinom (Spinaliom) circa 920 Personen untersucht werden. „Betrachtet man alle malignen Hauttumoren gemeinsam, so findet sich bei jedem 116., der zum Check in die Praxis kommt, eine Neoplasie“, so Mohr. Volkserkrankung Hautkrebs Zahlenmäßig erscheint also der Aufwand recht hoch, denn auf einen entdeckten Hautkrebs kommen 115 Personen, die „umsonst“ untersucht wurden. Doch das scheint vertretbar, denn Aufwand und Kosten pro Person sind gering. Und wegen der hohen Prävalenz der Hauttumoren werden trotzdem viele Läsionen entdeckt, sodass sich die Suche auf jeden Fall lohnt. „Bundesweit wird mit etwa 30 600 Melanomen, 150 000 Basaliomen und 84 000 Spinaliomen pro Jahr gerechnet, dies sind Hochrechnungen, die auf Zahlen aus Schleswig-Holstein basieren“, erklärt Mohr. Die Inzidenz des Melanoms ist durch das gezielte Screening noch von 15 auf 19 pro 100 000 Einwohner und Jahr „gestiegen“. „Hautkrebs ist eine Volkserkrankung“, stellt Mohr klar, „und je früher die Tumoren entdeckt und entfernt werden, desto besser ist es für die Patienten, auch wenn wir noch keine Studien haben, die etwa eine Senkung der Melanom-Mortalität infolge des Screenings beweisen könnten.“ Der Check selbst ist schnell erledigt und auch die Exzision einer Läsion im Frühstadium ist wenig belastend, so Mohr. Nehmen weiterhin 30 Prozent der Berechtigten am Screening teil, so können immerhin bei etwa 80 000 Personen jährlich die Hauttumoren bereits im Frühstadium entdeckt und entfernt werden. Jeder Tumor stört die Lebensqualität „Ein nicht erkanntes Melanom dagegen kann auch schon bei geringer Dicke einen tödlichen Erkrankungsverlauf nehmen“, erinnert der Experte. „Neben der Sterblichkeit sollten wir aber auch die Morbidität nicht vernachlässigen: Unentdeckte Basaliome oder Spinaliome machen in späteren Stadien oftmals größere Operationen im Gesicht notwendig. Das führt zu entstellenden Narben, was die Lebensqualität der Patienten stark beeinträchtigt.“ Malignes Melanom Basalzellkarzinom Naturgemäß werden beim Screening auch Läsionen entfernt, die sich letztlich als benigne erweisen. Doch die Treffsicherheit der deutschen Dermatologen ist relativ hoch und die Number Needed to Excise gering. Dazu Mohr: „Jedes zweite vermutete und exzidierte Basaliom und jedes vierte Spinaliom wird histologisch bestätigt.“ Bei den Melanomen ist immerhin jede 15. Exzision ein Treffer. Plattenepithelkarzinom lässt sich oft vermeiden Ein weiterer Vorteil des Screenings ist die Möglichkeit, gezielt schon vor der malignen Entartung einzugreifen, zumindest bei Plattenepithelkarzinomen. Denn während maligne Melanome und Basaliome keine klar definierten Vorstufen haben (Naevi gelten zwar als Risikofaktor, aber nicht als Vorläufer der Melanome), kündigen sich Spinaliome oftmals durch aktinische Keratosen an. „Aus etwa 10 bis 15 Prozent der durch chronische Lichtschäden entstandenen aktinischen Keratosen werden Plattenepithelkarzinome“, so Mohr. Diese sollten in den meisten Fällen direkt entfernt oder – falls dies nicht möglich ist – lokal behandelt werden. Ob das Screening allgemein das Risikobewusstsein der Bevölkerung verbessert hat und somit Prävention in ganz neuen Größenordnungen stattfindet, ist noch nicht abzusehen. Prinzipiell besteht aber in den letzten Jahren bei vielen eine Tendenz zu vorsichtigerem Verhalten, das wurde schon vor Einführung der Vorsorgemaßnahme deutlich: „Noch Anfang der 1990er Jahre hatte jeder Vierte jährlich mindestens einen schweren Sonnenbrand; im Jahre 2005 war es nur noch jeder Sechste“, erklärt Mohr auf Nachfrage. Geschulter Hausarzt kann Screening übernehmen Das Hautkrebsscreening kann vom Hautarzt oder vom speziell geschulten Hausarzt durchgeführt werden; diese Regelung soll die Dermatologen in der Routine entlasten. Spätestens bei unklaren Befunden oder malignen Verdachtsdiagnosen ist jedoch eine Überweisung zum Dermatologen angezeigt. Er kann sich mithilfe spezieller Ausrüstung, etwa des Auflichtmikroskops, ein detaillierteres Bild machen, und er sollte es sein, der, wenn nötig, die Exzision vornimmt, fordert Mohr. Ein zielgruppenspezifisches Screening in kürzeren Abständen – etwa für Personen mit bestimmtem Hauttyp, höherer UV-Exposition oder familiärer Vorbelastung – hält er derzeit nicht für sinnvoll: „Das wäre den Zielpersonen vermutlich schwer zu vermitteln, letztlich würden dann wohl noch weniger Menschen am Screening teilnehmen.“ Fachärzte anderer Disziplinen sensibilisieren Stattdessen sei es sinnvoll, Fachärzte anderer Disziplinen wie Gynäkologen und Urologen, die ihre Patienten regelmäßig unbekleidet sehen, für die Hautkrebsproblematik zu sensibilieren. Außerdem sollten die Ergebnisse des aktuellen Screeningsprogramms und aller künftigen Hautkrebsscreeningmaßnahmen flächendeckend erfasst und wissenschaftlich begleitet werden, wünscht sich der Experte: „Dann werden wir endlich belastbare Zahlen zum Nutzen der Vorsorge haben.“ sr Raum Helsinki 2 Do., 25.02. 15:30 Uhr Vielversprechende Therapien bei fortgeschrittener Erkrankung Der Stand der Forschung bei malignen Melanomen I n der Therapie des fortgeschrittenen malignen Melanoms brachte die CheckpointBlockade mit dem CTLA4-Hemmstoff Ipilimumab vor wenigen Jahren einen Durchbruch. Die Monotherapie mit Ipilimumab ist indes schon wieder überholt: Kombinationen mehrerer Immuntherapien oder mit zielgerichteten Small Molecules ermöglichen nun Ansprechraten um 60 Prozent. Wir sprachen mit Prof. Dr. Dirk Schadendorf, Direktor der Klinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Essen und Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie. Herr Prof. Schadendorf, von welchen neuen Therapieoptionen profitieren Patienten mit fortgeschrittenem malignem Melanom heute? Schadendorf: Zum einen haben wir Kombinationen aus selektivem BRAF-Inhibitor und MEK-Inhibitor, etwa Dabrafenib/Trametinib oder Vemurafenib/Cobimetinib. Sie erzielen ein sehr gutes und nachhaltiges Ansprechen. Zum anderen wurden im Sommer 2015 mit Pembrolizumab und Nivolumab zwei Checkpoint-Blockierer der neuen Generation zugelassen. Ihr Therapieprinzip ist die Hemmung des Signalproteins Programmed Cell Death 1 (PD1). Ipilimumab lässt sich mit diesen Wirkstoffen kombinieren. In einer aktuellen Studie war die Wirkung von Ipilimumab plus Nivolumab der Ipilimumab-Monotherapie überlegen.1 In Europa wird diese Kombination allerdings voraussichtlich erst im Frühsommer 2016 zugelassen. Welche Remissionsraten lassen sich mit solchen Kombinationstherapien erreichen? Schadendorf: Auf Ipilimumab allein sprechen etwa zehn Prozent der Patienten an und auf die PD1-Antikörper etwa 40 Prozent. Mit der Kombination aus beiden haben wir Ansprechraten von etwa 60 Prozent, sie haben also zumindest additive, wahrscheinlich sogar synergistische Effekte. Eine in Entwicklung befindliche individuelle Vakzinierung (IVAC) soll den Immuntherapeutika helfen, Krebsmutationen gezielt aufzuspüren. Wie sind die Aussichten dieser neuen Methode? Schadendorf: Es muss sich erst noch zeigen, ob sie ähnlich große Verbesserungen bringen kann wie die Checkpoint-Inhibitoren oder einen Miriam Dörr – Fotolia ESSEN – Prof. Dr. Dirk Schadendorf sprach im Interview mit der Redaktion über den aktuellen Stand der Forschung zum Thema maligne Melanome. Therapien mit zielgerichteten Small Molecules erzielen beim fortgeschrittenen malignen Melanom Ansprechraten um 60 Prozent. zusätzlichen Nutzen. Ein Nachteil ist, dass für die IVAC eine komplette Sequenzierung des Tumorgenoms benötigt wird; diese ist derzeit noch nicht flächendeckend verfügbar und zudem kostenintensiv. Auch die Herstellung der individuellen Vakzine braucht Zeit. Kürzlich wurde TalimogenLaherparepvec zugelassen, ein gentechnisch modifiziertes Herpes-simplex-Virus. Welche Rolle spielt es in der Melanomtherapie? Schadendorf: T-VEC, wie es kurz genannt wird, ist ein abgewandeltes Herpesvirus. Es wird direkt in oberflächliche Hautund Lymphknotenmetastasen injiziert, zerstört diese und setzt ihre abgetöteten Bestandteile frei. So kann die systemische Immunabwehr die Tumorantigene erkennen und attackieren. Dies gilt sowohl für die körpereigene Immunabwehr als auch für die CheckpointTherapien: Auch deren Wirkung wird durch T-VEC ver- stärkt. Kombinationstherapien mit T-VEC und PD1-Antikörpern werden derzeit untersucht, die Ergebnisse sind frühestens in zwei Jahren zu erwarten. Gibt es auch Neuentwicklungen für die Therapie anderer maligner Hauttumoren? Schadendorf: Für das Basalzellkarzinom wurde ein zielgerichtetes Therapieprinzip entwickelt: Vismodegib und Sonidegib inhibieren den Hedgehog-Signalweg. Zudem werden die PD1-Inhibitoren auch für den Einsatz gegen das fortgeschrittene Merkelzellkarzinom geprüft. Erste Daten dazu waren vielversprechend, es wird aber sicherlich noch 12 bis 18 Monate dauern, bis die Ergebnisse größerer Studien vorliegen. sr 1 Larkin J, et al.: NEJM 2015; 373(1):23–34 Raum Helsinki 2 Do., 25.02. 14:05 Uhr 9 | KONGRESSZEITUNG CityCube Berlin, 24.-27.02.2016 Viele offene Fragen Informierter Umgang Ethik in der personalisierten Medizin Wie kommuniziert man Risiken in der Medizin? ie umfangreiche Anwendung der Genomsequenzierung in der Krebsforschung hat zu der Erkenntnis geführt, dass es nicht „das“ Mammakarzinom oder „das“ nichtkleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) gibt; vielmehr zerfallen nahezu alle Tumorarten in eine Vielzahl verschiedener, molekular definierter Untergruppen, die sich im Hinblick auf die für das Tumorwachstum verantwortlichen genetischen Defekte unterscheiden. Das gestattet die Entwicklung von immer mehr zielgerichteten Therapien für die einzelnen Subgruppen. In der Klinik geht es vor allem um die Frage, wie der einzelne Patient optimal bei einer personalisierten Therapieentscheidung begleitet werden kann, in der Forschung geht es um die Verantwortung im Umgang mit genetischen Daten und dem Wissen um den Patienten. Diese wird Prof. Dr. Dr. Eva Winkler vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg im Rahmen einer Plenarsitzung zu neuen Entwicklungen in der Therapie des Lungenkarzinoms am Mittwoch in einer Keynote Lecture diskutieren. Immer häufiger werden nämlich Tumorbiopsien heute in Biobanken gelagert, die für eine Vielzahl von Forschungsprojekten zur Verfügung stehen. Daher ist auch mit der Möglichkeit zu rechnen, dass an diesem Material beispielsweise das gesamte Genom des Patienten und nicht nur die für den betreffenden Tumor relevanten Gene sequenziert werden. Ziel der Forschung ist es, dabei möglichst große Datenkohorten zu bilden, um in diesen nach statistischen Zusammenhängen und Auffällig- Informationsbedarf der Patienten untersucht, und die Patienteninformation entsprechend der Ergebnisse optimiert. • Patienten werden zu ihren Präferenzen bezüglich der Rückmeldung von Zusatzbefunden befragt: Abhängig davon werden sie kontaktiert bei validierten krebsbezogenen Befunden, die für Prävention oder Therapie relevant sein können. Nicht onkologische Zusatzbefunde sollen in einem besonderen Gremium beraten werden. • Ein Forscherkodex für alle an der Genomsequenzierung beteiligten Wissenschaftler for- Wie sichert man sensible Daten bei der Genomsequenzierung? rung des Patienten angesichts der vielen potenziell krankheitsrelevanten Anlagen gelingen? Und wie kann andererseits das Recht des Patienten auf Nichtwissen gewahrt werden? Wie lässt sich der (inter-)nationale Datenaustausch mit dem Schutz der Privatsphäre vereinbaren? Diesen Fragen widmet sich in Heidelberg das EURAT-Projekt zu „Ethischen und rechtlichen Aspekten der Totalsequenzierung des menschlichen Genoms“. Aus den bisherigen Ergebnissen, so Winkler, hat das NCT für das Präzisionsonkologie-Programm ein Leitbild abgeleitet. Darin werden folgende Dinge berücksichtigt: • Aufklärung und Einverständniserklärung werden an die Bedürfnisse der Patienten adaptiert. Beispielsweise wurde in einem Forschungsprojekt der muliert neue Formen der Verantwortung im Umgang mit genetischem Wissen über Patienten und sieht vor, dass Forscher Zusatzbefunde an den behandlungsführenden Arzt weitergeben, wenn sie darauf stoßen. • Die Keimbahn-Rohdaten werden pseudonymisiert und außerhalb von im Internet zugänglichen Netzwerksystemen gespeichert. Jedes Forschungsprojekt, das auf solche Informationen zugreifen möchte, benötigt dafür eine zusätzliche, explizite, schriftliche Einwilligung des Patienten. Dieses Leitbild soll den verantwortlichen Umgang aller beteiligten Mitarbeiter mit sensiblen genetischen Daten prägen. jg Raum A4 Mi., 24.02. 15:00 Uhr BERLIN – Eine effiziente Gesundheitsversorgung erfordert informierte Ärzte und Patienten. Nicht zu unterschätzen ist dabei das Wissen um statistische Sachverhalte. M edizinische Entscheidungen fallen heute – oder sie sollten es zumindest – auf der Grundlage wissenschaftlicher Evidenz. Diese wird in erster Linie in klinischen Studien generiert, für deren Interpretation eine gewisse Vorstellung von statistischen Zusammenhängen unerlässlich ist. Mangelndes Verständnis für Statistik kann daher sehr leicht zu falschen Entscheidungen führen. Das große wissenschaftliche Thema von Prof. Dr. Gerd Gigerenzer, Direktor des Harding Zentrums für Risikokompetenz und des Forschungsbereichs Adaptives Verhalten und Kognition am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, ist „Risk Literacy“, d. h. der informierte Umgang mit Risiken – gerade auch da, wo man sie nicht exakt berechnen kann, etwa weil Entscheidungen unter Zeitdruck getroffen werden müssen. In der Onkologie beginnen die Unklarheiten bereits bei der Vorsorge: Ist es wichtiger, die Teilnehmerzahlen an Früherkennungsprogrammen zu erhöhen, oder sollte man lieber versuchen, die Bürger besser zu informieren? Beides zugleich ist nicht möglich, meint Gigerenzer, der beispielsweise in einem Editorial für das British Medical Journal (BMJ 2015; 350: h2175) deutlich macht: Wer für bessere Information von Bürgern plädiert, riskiert einen Rückgang der Teilnehmerraten an der Krebsfrüherkennung, weil besser informierte Bürger erkennen würden, dass bei den meisten Tumoren unklar ist, ob ein Screening mehr Nutzen oder mehr Schaden bringt. Empirische Erhebungen zeigen, dass etwa in Deutschland und England, wo das Brustkrebs-Screening lange mit ambitionierten Zielen propagiert wurde, nur zwei bis vier Prozent der Frauen den Nutzen des Screenings tatsächlich verstehen, wogegen der Rest ihn bis zu 200-fach überschätzt oder gar nichts darüber weiß. Mit dem 2008 initiierten Nationalen Krebsplan, der Screening und Behandlung von Tu- Dietmar Gust D keiten zu suchen. Daher sind Forscher darauf angewiesen, Genomdaten gemeinsam zu sammeln und in großen nationalen oder internationalen Konsortien auszutauschen. Daraus ergeben sich zahlreiche ethische Fragen: Soll zum Beispiel die Rückmeldung von Zufallsbefunden erfolgen, die sich im Rahmen eines Forschungsprojekts im Genom des Patienten ergeben? Darf man das Grundprinzip der humangenetischen Beratung verlassen, wonach die Aufklärung vor der genetischen Testung erfolgen muss? Verneint man diese Frage, wie kann dann die Vorab-Aufklä- Eisenhans – Fotolia HEIDELBERG – Die personalisierte Medizin wirft aus ethischer Sicht Fragen in den beiden Bereichen Klinik und Forschung auf. Prof. Dr. Gerd Gigerenzer morerkrankungen koordinieren soll, zeichnet sich ein in der Gesundheitspolitik bislang beispielloser Paradigmenwechsel ab, so Gigerenzer. Laut den Ergebnissen eines Workshops im Februar 2015 wird dafür eine Reihe von Änderungen erforderlich sein. Informationsmaterial – ob schriftlich oder online – muss seinen bisherigen, vor allem werblichen Charakter verlieren und ganz auf evidenzbasierte und transparente Information setzen. Argumente für und gegen ein Screening sollten genauso offen genannt werden wie etwa in Cochrane-Reviews und die Vor- und Nachteile sollten als absolute Risiken aufgezeigt werden anstelle der üblichen irreführenden relativen Risiken und FünfJahres-Überlebensraten. Ärzte und andere im Gesundheitswesen Tätige benötigen ein effizientes Training in medizinischer Statistik: Studien zufolge verstehen auch die meisten Ärzte den Nutzen von Screening-Programmen nicht und fallen sehr häufig irreführenden Statistiken zum Opfer. Das erfordert eine fundierte statistische Ausbildung sowohl künftiger Medizinstudenten im Studium als auch bereits praktizierender Ärzte bei deren kontinuierlicher Fortbildung – die überdies unabhängiger von der Industrie werden sollte. Eine gute öffentliche Gesundheitserziehung sollte jedem Bürger zugute kommen, nicht nur Patienten mit Krebs bzw. solchen mit einem erhöhten Krebsrisiko. Der effektivste Weg dazu beginnt im frühen Leben, am besten in der Schule, wo Kinder und Heranwachsende auf interessante und ansprechende Weise Wissen über Gesundheit und vor allem die dazugehörigen Fertigkeiten wie zum Beispiel Kochen vermittelt bekommen sollten. Gigerenzer zufolge sind in Deutschland einige Fortschritte beim ersten Punkt zu verzeichnen: Irreführende Statistiken, früher weit verbreitet, sind weitgehend aus Patienteninformationen verschwunden. Zum zweiten Ziel, der Ausbildung von im Gesundheitswesen Tätigen, wurde beim Workshop im Februar 2015 ein landesweites Programm vorgeschlagen, dem zufolge Medizinstudenten eine bessere Ausbildung in der Kommunikation mit Patienten erhalten sollen. Ein Kinderspiel wird der Paradigmenwechsel hin zu informierten Patienten (und Ärzten) nicht sein, so Gigerenzer. Der Umsetzung stehen erhebliche finanzielle Interessen in Medizin ebenso wie Industrie entgegen. Der Nationale Krebsplan wird Wege finden müssen, mit diesen Interessenkonflikten umzugehen. jg Raum A4 Fr., 26.02. 09:30 Uhr Enge Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient Der informierte Patient: Ethik aus der Sicht der Betroffenen I mmer deutlicher setzt sich die Erkenntnis durch, dass gerade bei Krankheiten mit einer genetischen Prädisposition nicht nur der einzelne Patient, sondern ebenso dessen Angehörige Berücksichtigung finden müssen. Genetische Testungen können für Klarheit sorgen. Ursächlich für eine genetische Prädisposition können Mutationen in einem Hochrisikogen (z. B. BRCA1/2) oder das variierende Zusammenspiel mehrerer Mutationen in verschiedenen Genen sein. Oft erkranken Betroffene in jungen Jahren und haben im Fall von Brustkrebs zudem ein erhöhtes Risiko für eine weitere Erkran- kung in der bislang gesunden Brust sowie in anderen Organen. Aufgrund der Komplexität eines erblichen Tumorsyndroms ergeben sich sowohl für die bereits erkrankten als auch für die nicht erkrankten Familienangehörigen, die eine genetische Prädisposition tragen, jeweils sehr unterschiedliche Voraussetzungen für individualisierte Behandlungsoptionen, sei es eine intensivierte Früherkennung, eine mögliche vorbeugende Operation oder eine akute onkologische Behandlung. Gesundheitspolitisch rückt somit zunehmend die Verantwortung des Einzelnen für sich selbst in den Vordergrund. Durch eine umfassende Beratung kann und muss der Patient von ärztlicher Seite unterstützt werden, diese Verantwortung autonom und selbstbestimmt wahrzunehmen. Die Arzt-Patienten-Kommunikation charakterisiert in erster Linie, dass es sich um eine Beziehung zwischen ärztlichem Fachpersonal und zumeist medizinischem Laien handelt. Für einen erfolgreichen Austausch sind beide Parteien gefragt. Der Patient kann im Rahmen seiner Möglichkeiten durch offene Kommunika- tion im Behandlungsverlauf zum Gelingen beitragen. Aufgrund des Ungleichgewichts an Fachwissen sind aber vor allem die Ärzte gefragt, den Patienten kompetent, verständlich und umfassend aufzuklären. Ein umfassendes Abwägen, das Einholen verschiedener Arztmeinungen, aber auch der Austausch mit Betroffenen können Auch die Angehörigen von Krebspatienten rücken in den Fokus. Hahne/BRCA BONN – Bei genetischen Prädispositionen rücken auch Angehörige des Patienten in das Blickfeld des Arztes. Im gemeinsamen Dialog muss die richtige Vorgehensweise erörtert werden. dazu beitragen, eine informierte und nachhaltige Entscheidung zu treffen. Ziel ist die gemeinsame Entscheidungsfindung für mögliche (gen)diagnostische, therapeutische und präventive Maßnahmen. Ärzte unterstützen Patienten darin idealerweise durch eine empathische und nichtdirektive Beratung. Dabei ist es notwendig, über das individuelle Erkrankungsrisiko, ebenso über Behandlungsalternativen, aber auch über langfristige Konsequenzen aufzuklären. Dies gilt im Besonderen bei operativen Maßnahmen wie der prophylaktischen Mastektomie bei Frauen mit Nachweis einer pathogenen BRCA1/2-Mutation. Zumeist ist es dabei vertretbar, Entscheidungen ohne Zeitdruck und in der für die Betroffenen passenden Lebensphase, z. B. unter Berücksichtigung der Familienplanung, zu treffen. Ein Beispiel, wie weitreichend die Aufklärung des Patienten und seiner Angehörigen gehen sollte, kann anhand der personalisierten Therapien mit PARP-Inhibitoren gegeben werden („Stellungnahme des BRCA-Netzwerks zur Aufklärungspflicht von Patienten vor genetischer Diagnostik am Tumorgewebe“, BRCA-Netzwerk e. V., 2015, Bonn). Ist es vertretbar, vor genetischer Tumordiagnostik auf eine umfassende Beratung zu verzichten? Sind Gesetzgebung und Behandler auf Innovationen und Konsequenzen ausreichend vorbereitet? Die Beiträge des BRCA-Netzwerks während des Kongresses und im Rahmen des Krebsaktionstags gehen aus Patientenperspektive umfassend auf die komplexen Problemfelder ein. jg Raum A2 Sa., 27.02. 11:00 Uhr KONGRESSZEITUNG | 10 CityCube Berlin, 24.-27.02.2016 Strukturierte Nachsorge fehlt Die Lebensqualität erhalten Langzeitüberleben nach Krebs Die Zahl älterer Menschen mit Krebserkrankungen steigt BERLIN – Kongresspräsidentin Prof. Dr. Angelika Eggert, Berlin, fordert spezielle Nachsorgekonzepte für die Patientengruppe der Langzeitüberlebenden nach Krebs. N ach Abschluss einer Krebstherapie sind die gesundheitlichen Probleme nicht völlig behoben. So können zum Beispiel nach einem Knochentumor orthopädische Probleme bestehen. Es kann durch den Tumor und seine Behandlung zu endokrinologischen Veränderungen ko–mmen und zur Entwicklung von Folgeschäden der Therapie im Bereich der Niere, des Herzens oder auch anderer Organe. Nicht selten belasten die Patienten außerdem Fertilitätsprobleme, wenn aktuell ein Kinderwunsch besteht und vor Behandlungsbeginn keine fertilitätserhaltenden Maßnahmen erfolgt sind. Hinsichtlich der Nachsorge bei Langzeitüberlebenden nach Krebs gibt es nach Eggert aber noch erhebliche Defizite. Die notwendigen Untersuchungen erfordern oft zahlreiche Arztkonsultationen und Kontrolltermine. „Die Betroffenen wünschen sich aber einen einzigen Ansprechpartner, der die Nach- sorge regelt, und wollen nicht von Arzt zu Arzt gereicht werden“, so Eggert. Leider besteht nach den Worten der Medizinerin in diesem Punkt noch eine deutliche Versorgungs- und Beratungslücke. Auch fehlen noch klare Konzepte, wann bei den jeweiligen Tumoren und entsprechender Behandlung welche Untersuchungen angezeigt sind. Nicht nur aus Sicht der Betroffenen, sondern auch aus wissenschaftlicher Sicht sind die fehlenden Nachsorgekonzepte ein Dilemma. „Es geht uns ein großer Datenschatz verloren, wenn wir nicht bald damit beginnen, die bei den Langzeitüberlebenden auftretenden Konsequenzen der Krebsbehandlung systematisch zu untersuchen“, gibt Eggert zu bedenken. „Wenn wir in den klinischen Krebsregistern nur Überlebensdaten erheben, können wir nicht nachverfolgen und nicht beurteilen, welche Spätfolgen die jeweiligen Behandlungskonzepte nach sich ziehen.“ Ist jedoch bekannt, dass eine spezielle Behandlungsmethode das Risiko für bestimmte Spätkomplikationen steigert, kann im Rahmen strukturierter Nachsorgepläne gezielt nach solchen Folgeschäden gefahndet werden. Das eröffnet die Chance einer Früh- Raum A4 Fr., 26.02. 15:00 Uhr JENA – Der steigenden Zahl älterer Menschen mit einer Krebserkrankung ist diagnostisch und therapeutisch Rechnung zu tragen, sagt PD Dr. Ulrich Wedding, Sprecher der AIO-Gruppe Geriatrische Onkologie. V or dem Hintergrund der demografischen Entwicklung dürfte der geriatrischen Onkologe auch künftig eine weiter zunehmende Bedeutung zukommen. So wird hinsichtlich der Krebsinzidenz bis zum Jahr 2035 in Deutschland mit jährlich zusätzlich 110 000 Krebspatienten gerechnet. Das entspricht grob gerechnet einem Anstieg der Krebshäufigkeit um rund 25 Prozent. Die zunehmende Zahl von Krebserkrankungen pro 100 000 Einwohner basiert auf einer Zunahme der Erkrankungen bei Menschen über 65, während bei den unter 65-Jährigen sogar ein Rückgang zu sehen ist. Die Krebsmedizin steht damit vor erheblichen Herausforderungen. Es gibt jedoch auf vielen Ebenen Bestrebungen, die Diagnostik und Therapie von Krebserkrankungen im Alter so zu optimieren, dass die Patienten eine effektive und ihre Lebensqualität erhaltende Therapie bekommen. Dreh- und Angelpunkt ist dabei das geriatrische Assessment. Es zielt darauf ab zu eruieren, welche Therapie im individuellen Fall optimal und zudem im Hinblick auf die Möglichkeiten und auch die Lebensqualität des Patienten zu realisieren ist. Zwar würde man sich klare Grenzwerte als Ergebnis des geriatrischen Assessments und damit eindeutige Handlungsanweisungen wünschen, dies aber erscheint nicht als realistisch. Die Unter- suchungen können jedoch relevante Hinweise auf die individuellen Gegebenheiten des Patienten liefern, beispielsweise auf eine eingeschränkte Mobilität. So besteht die Möglichkeit, die Behandlung an diesen Defiziten auszurichten und gegebenenfalls kompensatorische Maßnahmen zu veranlassen. Die Untersuchungen können zudem Hinweise darauf liefern, wie durch eine der Krebsbehandlung vorgeschaltete Rehabilitation, quasi eine „Prähabilitation“, die klinische Situation zu stabilisieren ist, sodass der Patient die Behandlung besser durchstehen kann. Möglicherweise lassen sich durch steigt dabei nicht nur der Anteil älterer Menschen, die Entwicklung ist auch verbunden mit einem Rückgang des Anteils junger Menschen an unserer Bevölkerung. Damit erhebt sich zwangsläufig die Frage, wie gesichert werden kann, dass künftig ausreichend qualifizierte Mitarbeiter für die Versorgung von Tumorpatienten verfügbar sein werden. Die Frage, wie die personellen Ressourcen zu sichern sind, die benötigt werden, um die Versorgung älterer und alter Menschen mit Krebs zu gewährleisten, ist derzeit noch offen. Es hat in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte in Die zunehmende Zahl älterer und alter Menschen mit Krebs ist eine der zukünftigen Herausforderungen der Onkologie. entsprechende, sich direkt an den bestehenden Defiziten orientierende Maßnahmen sogar Limitationen der Therapie überwinden. Das könnte positive Auswirkungen auf den Therapieerfolg haben. In diesem Sinne können auch rehabilitative Maßnahmen begleitend zur Krebstherapie sinnvoll sein. Allerdings stehen immer wieder die Kosten der Krebsmedizin in der Diskussion und das dürfte sich wohl auch künftig nicht ändern. Es ist somit fraglich, inwieweit zusätzliche therapeutische Maßnahmen zu realisieren sind. Infolge der demografischen Entwicklung Photographee.eu – Fotolia photopitu – Fotolia Die Zahl der Langzeitüberlebenden nach Krebs nimmt zu – doch was passiert nach der Heilung? erkennung sich entwickelnder Folgekomplikationen. Mit strukturierten Nachsorgeprogrammen ist zudem die Früherkennung von Tumorrezidiven möglich, was eine frühzeitige Behandlung mit verbesserten Heilungschancen ermöglicht. Zudem ließen sich so generell Tumorneuentwicklungen, die durch die erste Krebsbehandlung gefördert werden können, frühzeitig entdecken. Hilfreich kann auch die Testung auf eine tumorfördernde Prädisposition sein, ein Phänomen, dessen Bedeutung bislang unterschätzt wird. Dabei zeigen die genetischen Untersuchungen am Tumorgewebe, dass die Zahl der krebsdisponierenden Gene in der Keimbahn höher ist als lange Zeit angenommen. So sind bei rund zehn Prozent der Patienten in der Kinderonkologie Auffälligkeiten nachzuweisen, die auf ein insgesamt erhöhtes Krebsrisiko hinweisen. Die Identifizierung solcher tumorfördernder Gene ermöglicht die Etablierung von Nachsorgeprotokollen, die direkt angepasst sind an das individuelle Risiko des Patienten. Das eröffnet weitere Chancen der Früherkennung von Zweittumoren und/oder Spätfolgen der Krebsbehandlung. Eggert: „Diese Möglichkeiten, die Nachsorge individuell anzupassen und die langfristige Prognose der Patienten zu verbessern, werden noch nicht adäquat genutzt.“ In den Fachgesellschaften sollte laut Eggert daher diskutiert werden, inwieweit es sinnvoll ist, bei Kindern nach überstandener Krebserkrankung generell nach solchen tumorfördernden Mutationen in der Keimbahn zu fahnden. cv der Krebsmedizin gegeben, primär jedoch bei der Entwicklung innovativer Medikamente. Es resultiert eine deutliche Verlängerung der Lebenserwartung bei verschiedenen Tumorarten. Dies hat in vielen Bereichen auch einen erhöhten Betreuungsbedarf zur Folge. Was bislang fehlt, sind realistische Konzepte, wie dieser Situation auch künftig Rechnung getragen werden kann. Die geriatrische Onkologie wird daher mit Sicherheit eines der wichtigsten Zukunftsthemen sein. cv Raum London 2 Fr., 26.02. 17:15 Uhr Es mangelt an geeigneten Versorgungsstrukturen Krebs bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen S owohl bei Kindern als auch bei älteren Menschen mit Krebs hat es in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte gegeben, was bei verschiedenen Tumoren Niederschlag in verbesserten Heilungschancen gefunden hat. Am wenigsten haben von den Fortschritten bislang Jugendliche und junge Erwachsene profitiert. In dieser Altersgruppe gilt es laut Kongresspräsidentin Prof. Dr. Angelika Eggert, Berlin, noch erheblichen Handlungsbedarf. Die Behandlung von Kindern mit einer Krebserkrankung liegt im Wesentlichen in den Händen der Kinderonkologen. In der Erwachsenenmedizin stehen in der Onkologie da- gegen eher ältere Menschen im Fokus. Es fehlen bislang jedoch adäquate Versorgungsstrukturen für Jugendliche und junge Erwachsene (AYA, Adolescents & Young Adults), die an Krebs erkranken. „Es ist nicht vernünftig, Jugendliche mit Krebs zusammen mit dreijährigen Krebspatienten oder aber zusammen mit 70-jährigen Tumorpatienten zu behandeln. Wir brauchen vielmehr altersgerechte Betreuungsmöglichkeiten“, moniert Eggert. Andere Länder wie die USA und Großbritannien sind in dieser Hinsicht weiter; dort gibt es spezielle Krebsstationen für Jugendliche und junge Erwachsene. Entsprechende Strukturen für 15- bis 25-Jährige aufzubauen ist nunmehr auch an der Berliner Charité geplant. „Patienten dieser Altersgruppe sollen während der Zeit in der Klinik unter sich sein, und es ist daher unsere Aufgabe, die notwendigen Versorgungkonzepte zu etablieren“, so Eggert. „Wir brauchen Räumlichkeiten, in denen den Jugendlichen auch Computer und weitere adäquate Unterhaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und wo sie nicht mit der Erzieherin ten mit der Peergroup und auch mit dem anderen Geschlecht kommen und auch hinsichtlich der sich eigentlich in diesem Alter entwickelnden zuneh- Archie Bleyer BERLIN – Die Versorgung von Krebspatienten im Kindes- sowie im höheren Alter verzeichnet stetig Fortschritte. Jugendliche und junge Erwachsene fallen bisher aber meist noch durch das Raster. Expertenversorgung und Studienteilnahme nach Alter, USA konfrontiert werden, die die Patienten zum Basteln animiert.“ Denn für Jugendliche und junge Erwachsene stellt die Krebserkrankung eine besondere Herausforderung dar. Sie kann den physischen und sexuellen Reifungsprozess beeinträchtigen. Es kann zu Problemen bei den sozialen Kontak- menden Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von den Eltern. Kinder und Jugendliche mit Krebs brauchen deshalb eine spezielle Unterstützung auch hinsichtlich ihrer Berufswahl, möglicherweise auftretender finanzieller Probleme und eventuell bei Diskriminierungen in der Schule oder im Berufsleben aufgrund möglicher Entstellungen infolge der Erkrankung. Davon abgesehen müssen die Behandlungskonzepte dahin gehend geprüft werden, ob sie auch für die Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen optimiert werden müssen. Denn die Tumorbiologie ist anders als bei Kindern, was vermutlich auch unterschiedliche Therapieprotokolle erfordert. Dabei sind auch die Unterschiede in der körperlichen Entwicklung, dem Stoffwechsel und dem Hormonhaushalt zu berücksichtigen, da sie Auswirkungen auf die Pharmakokinetik und die Toxizität der eingesetzten Medikamente haben können. Das erklärt möglicherweise die deutlichen Überlebensunterschiede: Während zum Beispiel Kinder mit einer akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) eine Heilungschance von 80 Prozent haben, liegen die Heilungsraten bei den AYA nur bei 50 Prozent. Auch beim Ewing-Sarkom gibt es erhebliche Unterschiede mit Fünf-Jahres-Überlebensraten von 70 Prozent bei den unter Zehnjährigen gegenüber 60 Prozent bei den 10- bis 17-Jährigen und sogar nur 44 Prozent bei den über 18-Jährigen. Es gibt zudem nur vergleichsweise wenige klinische Studien bei den AYA. So werden mehr als 95 Prozent der Kinder, jedoch nur ein bis fünf Prozent der AYA im Rahmen klinischer Studien behandelt. Die Mehrzahl der 20- bis 30-Jährigen mit einem malignen Tumor wird zudem nicht an einem Zentrum betreut. Unbedingt zu begrüßen ist laut Eggert deshalb die Etablierung von Organisationen und speziell Stiftungen, die sich für AYA mit Krebs engagieren wie die „Aline Reimer Stiftung – Netzwerk für Jugendliche und junge Erwachsene mit Krebs“ sowie die „Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs“. cv Raum London 2 Do., 25.02. 09:15 Uhr 11 | KONGRESSZEITUNG CityCube Berlin, 24.-27.02.2016 Etablierung auf breiter Basis Hausärzte in der Onkologie Pflegeforschung in der Onkologie Unterstützer und Lotsen für ihre Patienten ie deutsche Pflegewissenschaft befindet sich derzeit in der Phase des Aufbaus von Pflegeforschung und versucht, gegenüber den internationalen Entwicklungen – z. B. in den USA, Großbritannien oder Skandinavien – aufzuholen, so Kerstin Paradies, Sprecherin der Konferenz Onkologischer Kranken- und Kinderkrankenpflege. Wichtigste Voraussetzung für Pflegeforschung ist eine Akademisierung der Pflegeausbildung, um Forschungsdenken und -methoden in die Berufsrolle zu integrieren. Dazu wurden in den letzten 20 Jahren etwa 90 Pflegestudiengänge zumeist an Fachhochschulen etabliert, daneben einige universitäre, auf Forschung ausgerichtete Studiengänge. Damit einhergehen muss die Entwicklung der onkologischen Pflegeforschung, damit die Pflege innerhalb des therapeutischen Teams ihre eigene Identität weiter entwickeln kann. Um sie zu etablieren, sollten die pflegewissenschaftlichen Studiengänge an einer medizinischen Fakultät verortet sein. Durch die Kopplung mit der Universitätsklinik ergibt sich ein besonders günstiges Umfeld für die Entwicklung klinischer, patientenbezogener Pflegeforschung. Die Robert-Bosch-Stiftung empfiehlt daher dieses Organisationsmodell in einem Memorandum zur Verankerung der Pflegewissenschaft und Pflegeforschung an medizinischen Fakultäten und Universitätskliniken in Deutschland. Ärzte und Pflegekräfte treffen sich somit im Hörsaal und von theoretischen Modellen und Praxiskonzepten. Zukünftige Strategien werden heute vielfach in nationalen Forschungsagenden abgestimmt, in Deutschland seit Herbst 2012 in der Agenda Pflegeforschung, gefördert durch die Robert-Bosch-Stiftung. Es werden darin keine speziellen Erkrankungen oder Indikationen genannt. Für die onkologische Pflegeforschung sind Themenbereiche wie „Leben mit einer chronischen Erkrankung“ und „Pflege in akuten Krankheitssituationen“ beson- Studien zur Pflege können zu einer besseren Versorgung beitragen. punktmäßig auf die Förderung des Selbstmanagements der Patienten. In der Onkologie fokussiert sie vor allem auf die Reduktion der Belastung durch Symptome oder Therapie, wie etwa Fatigue, Schmerz oder Übelkeit. Untersucht wird die Wirksamkeit spezifischer Interventionen im Vergleich zu anderen Maßnahmen oder kliniküblicher Versorgung. Pflegekräfte werden in allen Studien beratend tätig. Darüber hinaus gibt es aber viele Bereiche, in denen sich onkologische Pflegeforschung weiter entwickeln kann, z. B. breite Bereiche der Versorgungsforschung oder der grundlagenorientierten Forschung zur Entwicklung ders relevant. Im nächsten Schritt ist es dann notwendig, aus den Studienempfehlungen der Themenbereiche die spezifisch onkologischen Fragestellungen abzuleiten. Beim Kongress werden onkologische Pflege und Pflegeforschung in verschiedenen Veranstaltungen der Konferenz Onkologischer Kranken- und Kinderkrankenpflege (KOK) thematisiert, so in einer Sitzung der Arbeitsgemeinschaft Breast Cancer Nurse am Mittwoch um 11:00 Uhr oder in einer Sitzung über „Das multiprofessionelle Team“ am Mittwoch um 16:45 Uhr. jg Raum M 1-3 Mi., 24.02. 16:45 Uhr BERLIN – Genaue Zahlen sind nicht bekannt, aber der Deutsche Hausärzteverband schätzt, dass die meisten Krebspatienten in der Palliativphase vom Hausarzt versorgt werden. D och welche Aufgaben übernimmt der Hausarzt in der Versorgung von Krebspatienten? Und welche Abläufe zwischen Haus- und Facharzt oder Klinik garantieren eine optimale Betreuung der Patienten? Infolge der Verlagerung der Gesundheitsleistungen vom stationären in den ambulanten Sektor werde die Zusammenarbeit zwischen Fach- und Hausärzten immer wichtiger, so Dr. Anne Dahlhaus vom Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt. In einem Forschungsprojekt untersuchte sie das Rollen- und Kooperationsverständnis des Hausarztes in der Onkologie. Die qualitativen Interviews im Rahmen dieser Untersuchung zeigen: Hausärzte verstehen sich selbst als Unterstützer und Lotsen für ihre Patienten; sie kennen das familiäre Umfeld sowie die psychosomatischen Aspekte der Erkrankung und können deshalb einen wertvollen Beitrag zur Entscheidungsfindung bei der Therapie leisten, besonders bei multimorbiden oder dementen Patienten. Kurze Wege zählen Was die Zusammenarbeit mit Onkologen und Kliniken angeht, so greifen Hausärzte in der Regel auf ein persönliches Netzwerk zurück, bei dem gute Erreichbarkeit und unkomplizierte Kommunikationswege im Vordergrund stehen. „Ein Telefonanruf zur raschen Verständigung mit dem Kollegen in der Klinik, keine langen Wartezeiten auf einen Facharzt- oder Kliniktermin für meine Patienten sowie Strukturen, die die Trennung zwi- Edler von Rabenstein – Fotolia D am Krankenbett beim Patienten und können dort in der Ausbildung, der Forschung und insbesondere in der Krankenversorgung zu einer neuen partnerschaftlichen Kooperation finden. Die Supportivtherapie in der Onkologie ist dabei ein Bereich, in dem pflegerisches und ärztliches Handeln besonders eng ineinandergreifen und bietet sich daher an, pflegerische Fragestellungen in eine interprofessionelle patientenbezogene Forschung zu integrieren. Klinische Pflegeforschung bezieht sich bisher schwer- Syda Productions – Fotolia BERLIN – Wissenschaftliche Studien zur Pflege sind selten, in der Onkologie ebenso wie in der Medizin allgemein, obwohl sie durchaus zur Verbesserung der Versorgung beitragen könnten. Krebspatienten werden häufig von ihrem Hausarzt versorgt. schen Krankenhaus und niedergelassenem Bereich überbrücken, das wünsche ich mir für eine bessere Versorgung“, so Dr. Stephan Bernhardt, Facharzt für Allgemeinmedizin mit eigener Hausarztpraxis in Berlin. Mobiler Dienst gefragt Auch in ländlichen Gebieten seien die Patienten auf eine gute Zusammenarbeit zwischen Onkologen und Hausärzten angewiesen, bestätigt Dr. Ursula Vehling-Kaiser, Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie und Leiterin einer onkologischen Tagesklinik in Landshut. Im Einzugsgebiet ihrer Praxis nehmen Patienten für eine Chemotherapie weite Wege in Kauf. Für einige Indikationen stehen zwar mittlerweile zielgerichtete orale Medikamente zur Verfügung, aber nicht immer kommen die Patienten zu Hause gut damit zurecht. Deshalb hat Vehling-Kaiser einen mobilen onkologischen Dienst mit speziell weitergebildeten onkologischen Facharzthelferinnen oder Krankenschwestern ins Leben gerufen, die die Patienten zu Hause aufsuchen. Das Projekt wird vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit gefördert; gedacht ist es vor allem für multimorbide Tumorpatienten. „Die Kassen konnten wir damit überzeugen, dass der Dienst an vielen Stellen Kosten spart: weniger Krankentransporte, weniger Therapieabbrüche und sinkende Therapiekosten“, erklärt Vehling-Kaiser. „Unser wichtigster Pluspunkt ist der intensive Kontakt zwischen uns und den jeweiligen Hausärzten. Der Rücklauf von den Hausärzten ist sehr positiv.“ Bürokratie abbauen Trotz dieser positiven Erfahrungen ist es aufwendig, die integrierte onkologische Versorgung für einzelne Krebsarten in die Fläche zu bringen. Das liegt unter anderem daran, dass Brust-, Darm- oder Lungenkrebs nur einen kleinen Teil aller in einer Hausarztpraxis betreuten Indikationen ausmachen. Zwar können Hausärzte, die an der Integrierten Versorgung teilnehmen wollen, mit einzelnen Kassen Selektivverträge abschließen. „Mehr Selektivverträge bedeuten für uns oft mehr Bürokratie, aber nicht automatisch eine bessere Patientenversorgung“, so der Kommentar eines Hausarztes anlässlich einer gesundheitspolitischen Diskussionsveranstaltung der Deutschen Krebsgesellschaft 2015. Die optimale Vernetzung von Hausärzten, Fachärzten und Klinik ist offensichtlich noch lange nicht erreicht. km Raum M8 Sa., 27.02. 08:00 Uhr Integrale Bestandteile der Onkologie Frühzeitige Integration von supportiven und palliativen Maßnahmen BERLIN – Ohne eine an die individuelle therapeutische Situation angepasste Supportivtherapie sind viele moderne Therapien gar nicht durchführbar. S upportive Maßnahmen sind schon seit vielen Jahren ein grundlegender Bestandteil des onkologischen Behandlungskonzepts. Prinzipiell will die Supportivtherapie vorhersehbare Nebenwirkungen durch geeignete Prophylaxemaßnahmen verhindern. Treten dennoch Nebenwirkungen auf, müssen validierte Strategien für die Behandlung von Nebenwirkungen und Symptomen vorliegen. Die klassischen Themen der Supportivtherapie – Antiemese, Infektionsprophylaxe, Schmerztherapie, Mukositis u. v. m. – sind gut erforscht und mit Therapieempfehlungen und Leitlinien hinterlegt. Dennoch gibt es immer wieder Risikokonstellationen, bei denen die Supportiv- therapie unzureichend ist. Hinzu kommen viele neue Therapieverfahren und Medikamente, die mit neuen Nebenwirkungen behaftet sind oder in Kombination mit anderen Methoden deren Nebenwirkungen verstärken. Daher ist die Supportivtherapie ein sich stetig weiterentwickelndes und wandelndes Feld in der onkologischen Medizin. Die ASORS (Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin der Deutschen Krebsgesellschaft) nimmt innerhalb der Deutschen Krebsgesellschaft den Auftrag wahr, supportive und rehabilitative Themen zu entwickeln, zu koordinieren und zu kommunizieren. Ziel ist die Förderung der Supportivmedizin sowie der Rehabilitation und Sozialmedizin als integrale Bestandteile der Onkologie in Praxis, Lehre und Forschung. „Supportive Maßnahmen sollen unsere Patienten von der Diagno- sestellung über alle Phasen der Behandlung hinweg und darüber hinaus schützen wie ein Regenschirm vor Regen“, sagt Prof. Dr. Petra Feyer, Vorsitzende der ASORS. „Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob das Therapieziel kurativ oder palliativ ist.“ Wenn die Therapie nicht kurativ sein kann Die Palliativtherapie setzt dann an, wenn die Therapie nicht mehr kurativ sein kann und vermehrt krankheitsbedingte Symptome auftreten. Dies kann einen langen Zeitraum umfassen und nicht nur die Phase unmittelbar am Lebensende, erklärt Feyer. „Gemeinsam zum Wohle des Patienten“ – so beschreibt sie den Synergismus zwischen der onkologischen Supportivtherapie und der Palliativmedizin. Gemeinsames Ziel sei die Verbesserung der Lebensqualität. Die Supportivtherapie begleitet den Patienten von der Di- agnosestellung an und verhindert oder lindert krankheitsbedingte Symptome und Nebenwirkungen der aktiven Tumortherapie. Die Palliativmedizin setzt im nicht mehr heilbaren Stadium einer Erkrankung an. Palliativmedizinische Maßnahmen werden heute bei allen schweren und unheilbaren Erkrankungen angewandt. Überschneidungen zwischen den Bereichen sind naturgemäß und sinnvoll. Während die Supportivtherapie heute von Anfang an in die Therapieplanung einbezogen wird, wurden palliative Maßnahmen über viele Jahre hinweg erst dann eingesetzt, wenn die Erkrankung weit fortgeschritten war und starke Symptome wie Schmerzen oder Dyspnoe auftraten. Dass eine frühzeitige Integration palliativer Maßnahmen die Lebensqualität von Patienten mit einer nicht heilbaren Tumorerkrankung verbessert und zudem das Über- leben verlängern kann, zeigten mehrere Studien beim Bronchialkarzinom. Palliative Versorgung parallel zur Therapie initiieren Daher empfiehlt die amerikanische Krebsgesellschaft ASCO seit 2012 die frühzeitige Integration palliativer Maßnahmen in das onkologische Behandlungskonzept. Die vorläufige klinische Empfehlung, der ASCO lautet, dass Patienten mit metastasiertem nichtkleinzelligem Bronchial-karzinom ab Diagnosestellung eine palliative Versorgung zeitgleich zur onkologischen Therapie erhalten sollen. Dafür gibt es eine klare Evidenz aus einer randomisierten PhaseIII-Studie. Für andere Tumorentitäten konnte bisher noch kein Überlebensvorteil gezeigt werden, jedoch spricht eine breite Datenlage dafür, dass eine frühzeitige Palliativversorgung zu einer Besserung von Symptomen, Lebensqualität und Zufriedenheit sowie einer geringeren Belastung der Angehörigen führen kann. Im weiteren Verlauf der Erkrankung könnte dieses Vorgehen zudem zu einem effektiveren Einsatz von Hospiz- und Palliativstrukturen führen und dazu beitragen, unnötige stationäre Aufnahmen, intensivmedizinische Maßnahmen und invasive Tumortherapien am Lebensende zu vermeiden. Auch die 2015 erschienene S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung“ des Leitlinienprgramms Onkologie empfiehlt unter anderem eine frühzeitige palliativmedizinische Behandlung der Betroffenen und geeignete Behandlungspfade dafür. Dr. Petra Ortner Raum A5 Mi., 24.02. 15:00 Uhr KONGRESSZEITUNG | 12 CityCube Berlin, 24.-27.02.2016 Hilfe zur Selbsthilfe Aufstiegstipps vom Chef Krebsaktionstag 2016 für Patienten und Angehörige Tag der Jungen Medizin zu Karrieren der Generation Y m Interview erklären Ralf Rambach, Vorstandsvorsitzender vom Haus der KrebsSelbsthilfe – Bundesverband und PD Dr. Jutta Hübner von der Deutschen Krebsgesellschaft, was die Besucher erwartet. Was ist das Besondere am Krebsaktionstag 2016? Ralf Rambach: Der Krebsaktionstag ist ein wesentlicher Bestandteil des Krebskongresses – Patienten haben die Möglichkeit, mit Experten zu sprechen und sich über Brandaktuelles vom Kongress zu informieren. Viele Krebs-Selbsthilfeorganisationen haben das anspruchsvolle Programm durch die Auswahl von Themen und Referenten mitgestaltet. Dr. Jutta Hübner: Die Veranstaltung bietet einen breiten Überblick über die Krebsdiagnostik und -behandlung. Sie zeigt aber auch, wie viele Möglichkeiten Patienten heute haben, in Selbsthilfegruppen aktiv zu werden und dort auch Unterstützung zu finden. Wie kann die Selbsthilfe Patienten unterstützen? Rambach: Selbsthilfegruppen wollen Hilfe zur Selbsthilfe vermitteln und Mut machen. Diese Aufgabe kann am besten von den Betroffenen selbst und deren Angehörigen geleistet werden – das eigene Erleben ist der entscheidende Kompetenzfaktor. Der Schicksalsschlag der Diagnose und die Belastungen der Therapie lassen sich leichter ertragen, wenn man nicht alleingelassen wird. Auf der Ebene der Bundesorganisationen unterstützen wir z. B. mit patientengerecht aufbereiteten Welche Vorteile bietet eine solche Organisation wie das „Haus der Krebs-Selbsthilfe – Bundesverband“? Rambach: Um die Interessen der Krebspatienten gegenüber den Playern im Gesundheitssystem zu vertreten, haben sich kürzlich neun große Bundesorganisationen der Krebs-Selbsthilfe zu diesem Dachverband zusammengeschlossen. Auf diese jeweiligen Informationsbedarf einzelner Patientengruppen. Was wünschen Sie sich, damit Patienten künftig besser an Therapieentscheidungen teilhaben können? Rambach: Inhaltlich geht es vor allem um mehr Zeit – etwa, um das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient aufzubauen, das zur Therapieentscheidungsfindung nötig ist. Das erfordert vom Arzt Empathie und Flexibilität. Beides ist nicht umsonst zu haben und setzt eine bessere Vergütung der „sprechenden Me- Am Samstag, 27.02., findet der Krebsaktionstag 2016 statt. Weise können wir unsere Arbeit besser harmonisieren, Synergien schaffen und Kräfte bündeln. Bei diesem Krebsaktionstag werden erstmals auch Sitzungen in Türkisch angeboten. Haben Patienten aus anderen Kulturkreisen einen anderen Informationsbedarf? Hübner: Patienten weisen, abhängig von ihrer Kultur, ihrem Bildungsstand und ihren religiösen Überzeugungen sehr unterschiedliche Informationsbedürfnisse auf. Das gilt für die deutsche Bevölkerung genauso wie für fremde Kulturkreise. So ist z. B. der bei uns geforderte offene Umgang mit ungünstigen Krankheitsverläufen und Tod in vielen anderen Ländern unüblich. Es genügt nicht, Patienteninformationen in andere Sprachen zu übersetzen, wir müssen einen sensiblen Umgang mit anderen Lebenseinstellungen finden. Leider wissen wir noch zu wenig über den dizin“ voraus. Auch die Gremienarbeit der Selbsthilfevertreter kostet Zeit und stößt an Grenzen, vor allem, wenn die notwendige administrative Entlastung nicht bezahlt werden kann. ... und aus der Sicht des Behandlers? Hübner: Der erste Schritt besteht darin, dass wir Patienten fragen, wie und in welchem Umfang sie an der Entscheidungsfindung beteiligt sein möchten. Insgesamt ist ein sensibles Herangehen aller an der Behandlung Beteiligten gefragt, um die Patienten zu begleiten und ihnen mit Informationen zur Seite zu stehen. Dazu müssen wir immer wieder abgleichen, welche Informationen wann und in welcher Form benötigt werden. Nur dann kann es gelingen, dass Patienten sich an der Entscheidung beteiligen. km Raum A2 Sa., 27.02. 09:00 Uhr BERLIN – Der 32. Deutsche Krebskongress will mit dem Tag der Jungen Medizin Wege nach oben aufzeigen und für die Attraktivität der onkologischen Fächer werben. W ie fast alle Disziplinen in der Medizin sorgt sich auch die Onkologie um den medizinischen Nachwuchs. „Der Nachwuchs in der Hämatologie und Onkologie ist wie in der gesamten Medizin frauengeprägt und insgesamt gibt es für den zukünftigen Versorgungsbedarf zu wenig junge Kolleginnen und Kollegen“, sagt Prof. Dr. Diana Lüftner, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) und Oberärztin am Charité Centrum Tumormedizin in Berlin. Zahlenmäßig interessant wird es in der Dekade ab dem Jahr 2020. Dann geht die Generation der Babyboomer in Rente und reißt Löcher in die Versorgungslandschaft, die es zu stopfen gilt. Um den Nachwuchs von der Attraktivität einer Karriere in der Krebsmedizin zu überzeugen und auch um vielversprechende Karrierewege aufzuzeigen, bietet der Deutsche Krebskongress 2016 erneut einen Tag der Jungen Medizin. Am Freitag, dem 26. Februar, gibt es einen kompletten Nachmittag lang ein Programm, das sich direkt an die Nachwuchskräfte richtet, sowohl an jene mit wissenschaftlichen als auch an jene mit klinischen Interessen. Drei Vortragsblöcke werden dabei durchlaufen. Zunächst berichten Experten aus Klinik, Wissenschaft und Krankenhausmanagement über die unterschiedlichen Karrierewege in die Führungspositionen in der Forschung, der Krankenversorgung und der Verwaltung. Danach steht die Attraktivität des Fachs Onkologie für die Generation Y im Fokus, für jene Ärzte also, die am Ende ihres Medizinstudiums oder in den ersten Jahren der klinischen Tätigkeit stehen. Schließlich gibt es einen wissenschaftlichen Vortragsblock, in dem sich Nachwuchsforscher über Fördermöglichkeiten von Forschungsprojekten und Forschungszeit informieren können. Weiterbildung in der Hämatologie/Onkologie falle vielen Frauen weiterhin schwer, so Lüftner: „Es mangelt nach wie vor generell an Teilzeitpositionen und insbesondere an Teilzeitpositionen auf Oberarztebene.“ Die gute Nachricht sei aber, dass diese Befragung auch zeige, dass flexiblere Arbeitszeitmodel- Der Tag der Jungen Medizin wendet sich an den Nachwuchs. lenets_tan – Fotolia I Informationsangeboten, mit Patiententagen und indem wir Patienteninteressen in Gremien vertreten. kasto – Fotolia BERLIN – Am letzten Kongresstag öffnet der Deutsche Krebskongress mit dem Krebsaktionstag 2016 seine Pforten für Patienten und Angehörige. Als habilitierter Hämatologin/Onkologin liegt Lüftner naturgemäß vor allem der wissenschaftliche Nachwuchs am Herzen. Jungen Kolleginnen und Kollegen, die in diese Richtung denken, empfiehlt sie unter anderem den Vortrag ihres Berliner Kollegen Professor Jalid Sehouli zum wissenschaftlichen Karriereweg mit dem Ziel Habilitation und Professur. Hoch relevant ist aus ihrer Sicht auch der Übersichtsvortrag zu den Nachwuchsförderprogrammen der Deutschen Krebshilfe, die für viele künftige Habilitanden am Anfang der Karriere stehen. Lüftner selbst beschäftigt sich in ihrem Vortrag mit der Attraktivität des Fachs Hämatologie/Onkologie, genauer mit einer Mitgliederbefragung der DGHO zur Arbeits- und Lebenszufriedenheit in den internistisch-onkologischen Fächern. Dabei sind durchaus Defizite festgestellt worden: Der Spagat zwischen Kindern und Familie einerseits und der relativ zeitaufwendigen le in der Hämatologie und Onkologie prinzipiell umsetzbar sind: „Es gibt Einrichtungen, die das besser hinbekommen als andere. Wir haben mittlerweile zum Beispiel in einigen Einrichtungen funktionierende geteilte Oberarztmodelle. Von solchen Angeboten brauchen wir viel mehr.“ Mittelfristig könnten die internistisch-onkologischen Fächer sogar zu Vorreitern bei Arbeitszeitmodellen werden, die den Bedürfnissen der jungen Ärzte aus der Generation Y entgegenkommen. Einer der Vorteile, die diese Fächer haben, ist das relativ große Interesse des weiblichen Nachwuchses: Es studieren nach wie vor sehr viel mehr Frauen als Männer Medizin. Traditionell männerdominierte Fächer haben es da wesentlich schwerer. Letztlich ist die Nachwuchspolitik aber ein Thema, das alle medizinischen Disziplinen angeht. pg Raum London 3 Fr., 26.02. 15:00 Uhr Forschung voranbringen, Versorgung verbessern BERLIN – Krebserkrankungen haben nicht nur eine medizinische und eine psychologische, sondern auch eine soziale Dimension. Beim Deutschen Krebskongress soll das stärker in den Vordergrund gerückt werden. S oziale Folgen von Krebserkrankungen werden den Betroffenen nach einer Krebsdiagnose oft erst schrittweise bewusst. Vergleichsweise häufig thematisiert werden Fragen zur finanziellen Absicherung und zur beruflichen Zukunft. „Die soziale Dimension einer Krebserkrankung geht aber über das Finanzielle hinaus“, betont Marie P. Rösler, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Soziale Arbeit in der Onkologie (ASO). Der Verlust sozialer Kontakte kann zum Beispiel ein großes Thema werden. Freunde ziehen sich zurück. Wer nicht im Alltag präsent ist, nicht mehr so viel leisten kann, gehört irgendwann nicht mehr dazu. „Auch der ganz normale Alltag wird durch die Krebserkrankung und die Krebsbehandlung gravierend verändert und erschwert, für die Betroffenen, aber auch für nahestehende Menschen wie Partner oder Kinder“, so Rösler. Um all diese Aspekte kümmert sich die Soziale Arbeit in der Onkologie. Rösler engagiert sich in diesem Feld seit vielen Jahren: „Der Bedarf dafür steigt, auch weil die sozialen Härten zunehmen. Der finanzielle Druck bei Krebspatienten ist heute größer als vor zehn oder 20 Jahren.“ Zu den Gründen dafür zählen das sinkende Rentenniveau und die Zuzahlungen zu den Behandlungskosten. Auch an sich positive Entwicklungen wie jene, dass Krebspatienten heute wegen besserer Therapie länger mit und nach ihrer Erkrankung leben, sorgen dafür, dass sich Soziale Arbeit spielt auf dem Kongress eine wichtige Rolle. soziale Fragen heute in anderer Intensität stellen: „Die Betroffenen und ihre Familien fühlen sich mit den Problemen und dem Management ihrer Erkrankung oft weitgehend allein“, betont Rösler. Hinzu kommt, dass das auf Kostenminimierung getrimmte Versorgungssystem mitunter Entwicklungen anstößt, die für die Betroffenen nicht ideal sind. „Die Kostenträger fragen heute oft sehr früh nach der mittelfristigen beruflichen Perspektive“, weiß Rösler aus Erfahrung. „Da werden dann teilweise lange Andrey Popov – Fotolia Soziale Arbeit in der Onkologie vor Ablauf der Krankengeldzeit die Weichen in Richtung Erwerbsminderungsrente gestellt. Das ist für die Betroffenen finanziell in der Regel ein weiterer Schritt nach unten und mit zusätzlichen Unsicherheiten und Ängsten verbunden.“ Ein wichtiges Ziel, das die im Februar 2015 gegründete ASO auf dem Deutschen Krebskongress 2016 gemeinsam mit Fachverbänden, der Deutschen Krebsgesellschaft, den Landeskrebsgesellschaften und der Deutschen Krebshilfe verfolgt, ist der flächendeckende Ausbau und die geregelte Finanzierung von ambulanten Krebsberatungsstellen. Bisher läuft die Finanzierung der bestehenden lückenhaften Angebote in Deutschland weitgehend über Spenden. „Der Deutsche Krebskongress ist ein geeignetes Forum, mit vereinten Kräften in Richtung Politik zu kommunizieren, dass die ambulante Krebsberatung in Deutschland flächendeckende, verlässliche Strukturen benötigt“, so Rösler. Neben dem Versorgungsaspekt und der Qualitätssicherung ist die Forschung zur sozialen Arbeit in der Onkologie ein wichtiges Anliegen der ASO. „Eine zentrale Frage ist dabei die nach dem Bedarf an sozialer Unterstützung. Da sind noch viele Fragen offen“, betont Rösler. Ein weiteres Forschungsgebiet im Kontext der sozialen Onkologie beschäftigt sich mit den langfristigen finanziellen Auswirkungen von Krebs- erkrankungen auf die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen. Beim Deutschen Krebskongress können Besucher sich zu Ausbildungs- und Forschungsfragen einen Überblick verschaffen. Im Rahmen des Thementags Soziale Arbeit in der Onkologie geht es auch um die Stärkung der Patientenorientierung und den Beitrag der Sozialen Arbeit in diesem Zusammenhang. Soziale Auswirkungen von Krebserkrankungen und Unterstützungsbedarfe werden in unterschiedlichen Sitzungen während des gesamten Kongresses thematisiert. Außerdem ist die Soziale Arbeit mit der Deutschen Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen (DVSG) in der Ausstellung mit einem eigenen Informationsstand vertreten. pg Raum M8 Do., 25.02. 09:45 Uhr
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