Das Leben in der Hauptstadt (?)- Ein Essay von Daniel Stopp „Porto

Das Leben in der Hauptstadt (?)- Ein Essay von Daniel Stopp
„Porto- Novo ist die Hauptstadt von Benin“, weiß Wikipedia zu berichten. Weiter wird erläutert, dass
Porto- Novo dennoch nur die zweite Stadt im Land ist, da das wirtschaftliche Zentrum und auch der
Sitz der meisten Ministerien des Landes, die um einiges größere Stadt Cotonou ist.
Das war dann auch schon alles, was ich über beninische Städte wusste, bevor ich hier her kam. Ich
würde wohl kein zweites Berlin vorfinden, aber mehr Vorstellungen wollte ich mir dann auch nicht
machen, da es sowieso immer anders kommt „als wie man denkt“, wie ich zu sagen pflege.
Jetzt bin ich mittlerweile mehr als 8 Monate im Land und kann behaupten, inzwischen einiges über
das Leben in der Stadt sagen zu können. Inwiefern das Leben hier Hauptstadtcharakter hat, möchte
ich im Folgenden etwas genauer beleuchten.
Kommt man in eine unbekannte größere Stadt, hat man zunächst zu keinem Zeitpunkt eine Vorstellung,
wo man sich gerade befindet. Das trifft auch auf uns und Porto Novo voll und ganz zu! Erst Monate
später habe ich herausgefunden, wohin wir bei einer unserer ersten Ausfahrten mit dem Pastor
gefahren sind, um die Fotos für die Visa machen zu lassen. Was macht man also als vernünftiger
Mensch? Einen Stadtplan besorgen? Fehlanzeige! Nicht einmal in der Touristeninfo haben wir einen
solchen bekommen. Ein Touristenbüro ohne Stadtplan; ist das eine Hauptstadt? Diese Frage stellte
sich wenige Minuten später nicht mehr, als wir wieder in den Verkehr eingetaucht waren. Man steht
nicht Stoßstange an Stoßstange, wie in anderen Städten, was aber nicht daran liegt, dass nicht viel
Verkehr wäre, sondern daran, dass es hier von Mopeds und Rollern nur so wimmelt, die nun mal keine
Stoßstangen haben. Autos sind den Schönen und Reichen und ganz schön Reichen vorbehalten.
Wie bewegt sich also der Normalbürger fort und wie sieht es mit öffentlichen Verkehrmitteln aus?
Sicherlich haben viele Menschen hier eigene Mopeds oder Roller. Ohne mich jetzt auf einen Prozentsatz
festlegen zu wollen, würde ich sagen, dass diese Familien dennoch nicht die Mehrheit bilden. Wie kommt
man dann von A nach B? New York ist für seine gelben Taxis bekannt und San Francisco für die Cable
Cars. In London fährt man mit roten Doppeldeckerbussen und Tokio bewegt täglich 8 Millionen Menschen
mit der U-Bahn. Mal ganz davon abgesehen, dass nach neusten Schätzungen demnach dreiviertel der
Bevölkerung in Tokio jeden Tag mit der U-Bahn fahren könnten; was sind die Doppeldeckerbusse Porto
Novos? Es sind die Blauhemden, die ZEMs oder auch Kekenos. So werden in den lokalen Sprachen
hier die Motorradtaxis genannt, die einen
für umgerechnet zwischen 15 und 60
Cent an jeden beliebigen Ort der Stadt
bringen, solang man nur den Namen des
Quartiers aussprechen kann.
Porto
Novo
hat
also
seine
Doppeldeckerbusse und es ist gut,
dass diese zweirädrig sind! So
können sie nämlich wesentlich besser
um die Schlaglöcher und durch die
Pfützen manövrieren. Ein Londoner
Doppeldeckerbus bräuchte hierfür mehr
als das doppelte an Zeit. Der Ausbau
der Straßen entspricht nämlich leider gar
nicht dem einer Großstadt. Die wenigen
geteerten und gepflasterten Straßen im
Zentrum der Stadt, sind zum Teil löchrig
wie ein Schweizer Käse und wenn man
von den großen Straßen abfährt, muss
man, zumindest während der Regenzeit,
Slalom fahren und wenn man während
Ein Kekeno auf den Straßen Porto Novos.
Die Hemdfarben variieren übrigens von Stadt zu Stadt.
eines Schauers unterwegs ist, auch die Hosen hochkrempeln. Wenn man sich anschließend die
Schlammspritzer von Schienbeinen und Füßen abwäscht, glaubt man nicht, gerade auf den Straßen
einer Hauptstadt unterwegs gewesen zu sein. Dieses Gefühl wird dadurch verstärkt, dass außerhalb
des Zentrums nicht nur die Straßen unbefestigt sind, sondern auch der Charakter allgemein ländlicher
wird. Hohe Gebäude gibt es sowieso nur wenige. Außerhalb des Zentrums allerdings dominieren
kleine, einstöckige Häuser in großen Höfen das (Stadt-) Bild.
Zudem wimmelt es von Tieren auf
den Straßen. Überall scharren
Hühner mit ihren Küken herum,
man sieht freilaufende Hunde
und Ferkel herumtollen. Kühe
stehen angebunden am Wegrand
und Ziegen liegen schlafend im
Schatten der Bäume. Hier verlässt
einen das Gefühl wieder, in der
Großstadt zu sein.
Inwiefern unterscheiden sich
die äußeren Bezirke einer Stadt
also überhaupt vom Land? Ganz
entscheidend!
In der Stadt gibt es keine
Selbstversorger.
Auch
wenn
Der Blick von unserem Dach auf die „Skyline“ der Hauptstadt
es auf den Straßen von Tieren
wimmelt und viele in kleinem Stil
Kleintieraufzucht betreiben, kann man damit niemanden ernähren. Und aufs Feld geht man hier auch
kaum, im Gegensatz zu unseren Mitfreiwilligen aus dem Norden, die durchaus schon von Feldarbeit
erzählt haben. Wenn überhaupt sieht man in den Randbezirken einmal ein paar Quadratmeter Mais
stehen.
In der Stadt kann man eben alles kaufen. Auf den großen Märkten kann man wirklich so ziemlich
alles finden, wenn man nur weiß, wo man suchen muss. Nicht nur Lebensmittel, sondern auch alle
möglichen Produkte für den alltäglichen Bedarf und Luxusartikel werden hier verkauft. Vieles davon
ist allerdings, zumeist aus Asien, importiert, was die miese Außenhandelsbilanz Benins sehr schnell
deutlich macht.
Aber allein die Verfügbarkeit macht deutlich, dass man sich eben doch in der Stadt befindet.
Es bleibt also jedem selbst überlassen, ob er die Lebensweise als Stadtleben bezeichnen würde, wenn
man schon in größeren westlichen Städten war. Mir reicht es jedenfalls, meistens zuverlässiges, wenn
auch langsames, Internet zu haben und das Championsleaguefinale in einer kleinen Bar angucken zu
können, wenn uns kein Gewitter einen Strich durch die Rechnung macht.
Egal aber, wie man das Stadtleben in Porto-Novo auch wahrnimmt, die Metropole bleibt nach wie vor
Cotonou, wie mir neulich wieder bewusst geworden ist, als ich nach längerer Zeit mal wieder dort war
und die vielen mehrstöckigen Häuser, Banken, Ministerien und westlich gekleideten Leute gesehen
habe.