Manuskript stimmt nicht unbedingt mit dem Wortlaut der Sendung überein. Es darf nur zur Presse- und Hörerinformation verwendet und nicht vervielfältigt werden, auch nicht in Auszügen. Eine Verwendung des Manuskripts für Lehrzwecke sowie seine Vervielfältigung und Weitergabe als Lehrmaterial sind nur mit Zustimmung der Autorin/des Autors zulässig. Thomas Zels, Pastor, Freie evangelische Gemeinde Marburg hr1 Sonntagsgedanken Thema: Kleine Geschenke - große Wirkung Sendetermin: 13.12.2015 1 Es gibt eine kleine Geschichte übers Schenken, die mir gefällt. Sie spielt in der schlechten Zeit kurz nach dem Krieg. Ein kleines Mädchen namens Ella überreichte ihrem Vater erwartungsvoll eine golden verpackte Schachtel. Sie hatte dafür jenes Geschenkpapier aufgebraucht, das eigentlich für besondere Anlässe gut versteckt worden war. Als der Vater die Schachtel entgegennahm und das Geschenkpapier sah, verfinsterte sich seine Mine etwas. Vielleicht hatte er das Geschenkpapier schon anderweitig verplant, oder er dachte er an das knappe Geld. Als er dann das Geschenk öffnete und sah, dass die Schachtel leer war, wurde er ärgerlich. “Weißt du das denn nicht, Ella? Wenn man jemandem ein Geschenk gibt, muss auch was in der Verpackung sein!“ Die kleine Ella kämpfte mit den Tränen und sagte: „Aber Papa, die Schachtel ist nicht leer. Ich hab so viele Küsschen reingetan, bis sie ganz voll war.“ Jetzt bekam auch der Papa feuchte Augen. Beschämt nahm er seine Tochter in den Arm, bat sie um Verzeihung und dankte ihr.1 Zum Glück hatte dieser Vater noch entdeckt, wie wertvoll das Geschenk seiner kleinen Tochter war. Obwohl es so unscheinbar daher kam. 1 Die goldene Schachtel, gefunden auf: www.dorina-mediale-lebensberatung.eu Text vom Autor leicht geändert Ich mache gern Geschenke. Natürlich besonders denen, die ich liebe, die zu mir gehören, oder denen ich mich freundschaftlich verbunden fühle. Auf diese Weise kann ich zeigen: Ich hab an dich gedacht, du bedeutest mir was. Sicher sind auch immer wieder Sachen dabei, die ins Geld gehen. Besonders zu Weihnachten. Aber wie heißt es so schön: Nicht vom Geben, sondern vom Behalten werden wir krank.2 Im Lauf der Zeit habe ich allerdings gemerkt, dass es gar nicht immer die Tablets, Event-Gutscheine oder Edelmetalle sind, die bewegen. Sondern eher die Geschenke, die beweisen, dass ich hingesehen habe. Oder ein anderer bei mir. Deshalb verschenke ich auch gern Kleinigkeiten. Dinge, die nicht teuer sind, und trotzdem Wert für den anderen haben. Kleine Geschenke - große Wirkung. Meine Frau zum Beispiel hat immer Ende November ihren Tauftag. Der bedeutet ihr viel, weil sie damit verbindet, dass Jesus, der Auferstandene, Teil ihres Lebens geworden ist. Und da sie sich erst mit Mitte zwanzig taufen ließ, war das eine sehr bewusste Angelegenheit für sie. Oft geht dieser Tag dennoch unter im Alltag oder im Stress. Dieses Jahr aber nicht. Denn ich hatte mir eine Notiz gemacht und brachte ihr eine kleine weiße Rose mit. Das hat sie bewegt. Einfach nur, weil ich nicht vergessen hatte, wie viel ihr dieser Tag bedeutet. Manchmal hab ich auch Leuten was geschenkt, die ich kaum kannte. Der Frau vor mir an der Kasse den Betrag, den sie zu wenig dabei hatte. Einer iranischen Familie einen Info-Kurs auf persisch für das Alltagsleben in Deutschland. Oder einem alleinstehende Bekannten einen Adventskranz, weil er mal bemerkt hatte, dass sich so ein großer Schmuck für einen allein nicht lohnt. An seinem Blick hab ich gesehen, dass es sich doch gelohnt hat. Übrigens auch für mich. Wie kommt es eigentlich, dass wir beim Thema Geschenke oft eher an was Kostspieliges denken - als an solche Kleinigkeiten? 2 Je teurer, desto wertvoller? Diese Rechnung geht nicht auf. Obwohl uns die Werbung das immer wieder einreden will. Aber nicht der Preis macht ein Geschenk wertvoll, sondern die Zuwendung, die dahinter steckt. Und Zuwendung kostet in der Regel nicht Geld, sondern Aufmerksamkeit, etwas Hineindenken in den ande2 Antoine de Saint-Exupéry zugeschrieben ren und ein bisschen Zeit. Wertvolle Geschenke müssen gar nicht teuer sein. Oft kommen die schönsten Geschenke sogar fast unscheinbar daher, alltäglich. Aber sie bewegen was. Weil der andere merkt: ich habe ihn gesehen, ich habe etwas von ihm verstanden, ich hab mir Zeit genommen. Zuwendung ist ohnehin vielleicht das schönste Geschenk. Und das ist das ganze Jahr über möglich. Christen glauben, dass Gott sich in Jesus den Menschen zuwandte. Und weil Jesus uns zu Weihnachten geschenkt wurde, schenken wir uns zu diesem Anlass auch gegenseitig etwas. Durch Jesu Kreuzigung und Auferstehung vom Tod schenkt Gott sich für immer denen, die ihn suchen. Das ist die Botschaft der Christen. Ich erlebe das selbst. Ich genieße täglich, nicht mehr allein zu sein, weil ich mich mit Christus verbunden weiß. Ich bin beschenkt. und das gebe ich gerne weiter. Beim Aufstehen und Frühstücken zum Beispiel kann ich durch mein freundliches Guten Morgen zeigen, dass auch Morgenmuffel in meiner Welt willkommen sind, so wie ich bei Gott willkommen bin. Wenn ich an denen, die ich treffe, nicht achtlos vorbeigehe, schenke ich ihnen Aufmerksamkeit, so wie ich sie auch bei Gott empfinde. Ichversuche, andere ehrlich zu fragen, wie es ihnen geht. Nicht nur anstandshalber. Und wenn ich jemanden in Not sehe, dann will ich nicht so tun, als ginge mich das nichts an. Denn glücklicherweise tut Gott auch nicht so, als gingen ihn meine Sorgen nichts an. Wertvolle Geschenke müssen nicht viele Euros kosten. Manchmal kosten sie nur ein „Schön, dich hier zu treffen!“ oder Sätze wie „Ich hab dir was mitgebracht.“ Oder: „Du siehst müde aus, hattest du einen anstrengenden Tag?“ Oder: „Wie war das Gespräch mit deinem Chef?“ Oder: „Ist euer Kleiner wieder gesund?“ Oder: „Erzähl mir, wie es mit deiner Ausbildung klappt.“ Oder: „Hast du Zeit, was zu mir zu essen?“ Alles kleine Zeichen, dass ich jemanden sehe, mich für ihn interessiere. Und deshalb wertvolle Geschenke. Gott sieht uns auch. Die Menschen der Bibel erkannten es oft überrascht. Und das bewegte sie. Zum Beispiel Maria. Sie war überrascht, dass Gott sie angeschaut hatte, obwohl sie sich eigentlich zu klein und unbedeutend dafür fand. Später war es der zweifelnde Jünger Thomas. Jesus kam nach seiner Auferstehung von den Toten extra zu ihm, damit er an das ewige Leben glauben konnte. Gott sieht uns. Das ist ein Geschenk, das ich gern versuche, an andere weiterzugeben. Ich hab auch Zeiten, wo mir das nicht gut gelingt. Im Stress zum Beispiel, oder wenn ich selbst etwas vermisse. Manchmal drehe ich mich nur um mich selber und komme aus meinem Hamsterrad nicht raus. Aber komischerweise hilft es mir gerade da, anderen kleine Geschenke zu machen. Woran liegt das? 3 Wenn ich Zeiten hab, in denen es mir nicht gut geht, dann hilft es mir, anderen kleine Geschenke zu machen. Die Geschichte von einem älteren Mann zeigt, dass es mir nicht allein so geht. Der Mann stand in einem Blumenladen, um seiner Frau etwas mitzubringen, die gerade im Krankenhaus lag. Er entschied sich für einen großen, vollmundigen Strauß voller fröhlicher Farben. Nicht weit entfernt von ihm stand ein junges Mädchen, höchstens fünfzehn. Sie schaute schon länger auf die fertig gebundenen Sträuße. Offensichtlich gefiel ihr die Pracht, denn sie lächelte. An der Kasse sagte der Mann: "Den kleinen hier nehme ich auch noch." Dann wandte er sich an das Mädchen. Er hielt ihr den kleinen Blumenstrauß hin und sagte: "Du magst Blumen, oder? Ich hab´s dir angesehen. Den großen hier bringe ich meiner Frau mit. Aber ich glaube, sie würde es gern sehen, wenn du auch einen geschenkt bekommst." Das Mädchen war sehr überrascht, aber mit einem Lächeln nahm sie die Blumen an. Solche Dinge versuche ich auch. Wenn es mir nicht gut geht, dann mache ich anderen kleine Geschenke. Dadurch wird mir bewusst, dass es in meinem Leben viel mehr gibt, als das, was gerade schwer für mich ist. Ich schiebe das zwar nicht einfach zu Seite. Denn es ist wichtig, dass ich mich um mich selber kümmere, wenn mir alles zu viel wird, oder wenn mich ein Problem plagt. Aber gerade dann hilft es mir, mich nicht nur um mich selbst zu drehen. Denn es gibt es auch Dinge in meinem Leben, die mir Kraft geben. Ermutigende Erfahrungen zum Beispiel, die mich bereichern. Gute Gedanken, die ich von anderen übernommen habe. Oder die Zuversicht, dass Gott mich sieht und nicht alleine lässt. All das kann ich dankbar und kreativ einsetzen. Meine Freigiebigkeit beweist, dass ich all das nicht vergessen habe. Und außerdem, so sagte es der Dichter Antoine de Saint-Exupéry, ist Schenken auch ein Brückenschlag über den Abgrund meiner Einsamkeit. 3 3 aus: Die Stadt in der Wüste, Citadelle, Düsseldorf, Karl Rauch, 1951, S. 164 Schenken macht auch mich reich. Es zeigt mir, dass ich nicht allein durchs Leben gehen muss, sondern mich mit anderen verbinden kann. Jesus hat gesagt: Gebt, und es wird euch gegeben werden. Denn das Maß. das ihr verwendet, wird auch bei euch verwendet werden.4 Vielleicht hat Gott das auch so gesehen, als er uns zu Weihnachten das größte Geschenk aller Zeiten machte. Und vielleicht hat sich Weihnachten ja auch deshalb zum Fest des Schenkens entwickelt. Weil Schenken glücklich macht. Auch den Schenker. Kleine Geschenke - große Wirkung. Nicht nur zu Weihnachten. 4 Lukas 6,38
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