Predigt 21. Juni 2015

Gottesdienst zur Verabschiedung von Pfarrer Beat Jung
Stifts- und Pfarrkirche St. Leodegar im Hof Luzern, Sonntag, 21. Juni 2015
PREDIGT zum Sonntags-Evangelium Mk 4,35-41 (Seesturm)
Liebe Brüder und Schwestern,
Das EVANGELIUM von Jesus und seinen Jüngern im Sturm auf dem See gehört
nach der Leseordnung unserer Kirche zum heutigen Sonntag. Die LESUNG vom
Pfingststurm in Jerusalem aber haben wir in der Vorbereitungsgruppe eigens für
heute gewählt. Engagierte Frauen aus dem Pfarreirat haben mit mir den Gottesdienst
vorbereitet. Ich danke ihnen und allen Freiwilligen für ihr Mittragen in der Pfarrei, für ihre
Bereitschaft, den Glauben ins Spiel zu bringen. Denn Pfarrei lebt vom Zusammenspiel
der Personen, die sich hier treffen – zur Begegnung mit Gott und untereinander, die
alle auf eigene Art glauben oder zweifeln. Pfarrei ist Begegnung, Solidarität, „feu
sacré“ für Jesus und seine Botschaft vom Reich Gottes.
Der Sturm auf dem See ist eine ungemütliche Prognose für einen Pfarrer, für den es
Abend geworden ist in seiner bisherigen Aufgabe … und der gerne an das andere
Ufer hinüber fahren möchte! „Der Mensch denkt und Gott lenkt“, sagt der Volksmund. Und bringt damit das Wort aus dem Buch der Sprichwörter auf eine kurze
Formel: „Des Menschen Herz plant seinen Weg, /doch der Herr lenkt seinen
Schritt.“ (Spr 16,9) – Gedacht habe ich mir, in Rücksprache mit dem Personalverantwortlichen des Bischofs, dass ich im Pensionsalter eine kleinere Rolle übernehmen
und spielen könnte als bisher. Ob das aber so klappt, weiss ich heute noch nicht!
„Sturm“ kann es – auch unerwartet – immer wieder geben! Das kennen wir alle! Das
heutige Evangelium lädt uns aber ein, unser Augenmerk in der Geschichte vom Seesturm mehr auf JESUS zu richten als auf den Sturm. Das ist ein entscheidender Perspektivenwechsel!
Denn: Spontan sehe ich mich auf der Seite der Jünger im Boot und verstehe sehr gut,
dass sie sich bedroht fühlen vom Wirbelsturm und dem Wasser, das ins Boot eindringt. Aber hinter dieser Bedrohung ist die EINLADUNG nicht zu vergessen, die ja
von Jesus ausgegangen ist: „Lasst uns ans andere Ufer hinüber fahren!“ Wenn wir
uns auf der Seite der Jüngerinnen und Jünger sehen, dann sind wir auch WIR eingeladen und bereit, Jesus zu folgen und ihm zu vertrauen.
„Ans andere Ufer hinüber fahren“ ist die Einladung, aufzubrechen im Vertrauen
darauf, dass Jesus dabei ist – auch im Sturm! Er selber kann sogar ruhig schlafen. Er
vertraut seinem Vater im Himmel ganz und gar. Sein Schlafen ist Ausdruck seiner
tiefen Geborgenheit in Gott. Er lässt sich durch diesen Sturm nicht verunsichern.
-2Und will uns darauf hinweisen, dass auch wir in den Stürmen des Alltags auf ihn
und seinen Vater im Himmel vertrauen dürfen!
 Ein stilles „Vater unser“ könnte uns in solchen Momenten eine Hilfe sein, die uns im Herzen mit Jesus und seinem Vater verbindet!
„Warum habt ihr solche Angst?“ fragt Jesus. „Was fürchtet ihr euch?“ Er spürt bei
den Jüngern, die ihn aus dem Schlaf aufgeweckt haben, eine grosse Angst heraus.
Zwar wenden sie sich in ihrer Not immerhin an ihn – und kapseln sich damit nicht
völlig von der Umwelt ab.
Sich in der Not an Jesus wenden: Das ist ein erster und entscheidender Schritt im
Glauben und im Vertrauen. Aber Jesus möchte seine Jünger – und uns alle – noch weiter führen: Dass ihr Herz, und auch unser Herz, immer mehr aus der Enge und der
Angst heraus findet in die Weite des Vertrauens auf Gott!
Auf das Wort Jesu hin „Schweig! Sei still!“ legte sich der Wind und der See beruhigte
sich, hörten wir im Evangelium. Da wurden die Jünger von grosser Ehrfurcht ergriffen,
und sie sagten zueinander: »Wer ist das, dass selbst Wind und See ihm gehorchen?«
„Ehrfurcht“ ist hier meines Erachtens klar die bessere Übersetzung als einfach
„FURCHT“.
Furcht ist stark Angst-geprägt. Und „leider Gottes“ – muss ich sagen – ist diese Art
„Furcht“ in unserer Kirche früher oft gepredigt und verbreitet worden. „Ehr-Furcht“
dagegen geht mit Verehrung einher, mit Respekt … und kann zur „Gottesfurcht“
werden. Glauben in diesem Sinne gründet im Vertrauen und in der Liebe, nicht in
der Angst.
Das FEUER dieses Glaubens mit euch zu teilen und am Brennen zu erhalten, war
mein Bemühen als Pfarrer hier im Hof – und wird auch über den Abschied hinaus
meine FREUDE bleiben!
AMEN. 