Holstein-Züchterreise nach Estland Vier überaus interessante und eindrucksvolle Tage erlebten die 25 Teilnehmer der diesjährigen Lehrfahrt nach Estland. Estland ist mit 1,3 Mill Einwohnern (600.000 davon leben in Tallinn und Tartu) sehr dünn besiedelt. Über 50% des Landes ist mit Wald bedeckt. Daneben gibt es endlos wirkende Getreidefelder, Feldfutterbau, aber auch noch viel extensiv genutztes Grünland und Brachflächen. Nach der Wiederherstellung der Unabhängigkeit Estlands Anfang der 90er Jahre wurden die ehemaligen Kolchosen privatisiert. Seitens der neuen Besitzer wurde sehr viel Kapital in die Modernisierung der Betriebe investiert. Moderne Betriebe Aktuell gibt es 192 Milchviehbetriebe, die über 100 Kühe/Betrieb halten und 80% der erzeugten Milch produzieren. 680 Betriebe halten unter 100 Kühe (Ø 26 Kühe/Betrieb), deren Anzahl sich jedoch jährlich verringert, die großen Betriebe werden größer, die kleinen hören auf. Knapp 60% der erzeugten Milch wird nicht im Land benötigt und hauptsächlich nach Lettland und Litauen exportiert. Beim Besuch von Agro Tartu wurde uns einer der größten Betriebe vorgestellt. 6000ha Gesamtfläche werden bewirtschaftet. Auf über 4000ha werden Getreide und Winterraps angebaut, 200ha dienen der Grassamenvermehrung. 1000ha Grünland und 80ha Mais dienen dabei als Futtergrundlage für 1.200 Milchkühe (11.500 kg Stalldurchschnitt) sowie 1.800 Stk. Jung- u. Mastvieh. Desweiteren werden 5.500 Schweine gehalten, die in zwei eigenen Schlachthäusern verarbeitet und vermarktet werden. Für die Milchproduktion wurden neue Stallungen errichtet, das Jungvieh ist in den Altgebäuden der ehemaligen Kolchose untergebracht. Die Melkarbeit erfolgt dreimal täglich und wird durchwegs von Frauen erledigt. Die Jahresproduktion beträgt ca 13 Mill kg (2% der estnischen Gesamtproduktion) bei einem Milchpreis von 33,7 €cent/netto. Insgesamt sind 150 Angestellte auf Agro Tartu beschäftigt. Das Durchschnittseinkommen eines Landarbeiters beträgt ca € 500,00/mtl. Auf Grund schlechten Einkommenssituation auf dem Land wandern immer mehr Menschen ab und es wird schwieriger verläßliche Mitarbeiter zu finden. 5 Melkroboter Dies war auch mit ein Grund warum die 10 Eigentümer von Männiku Piim auf Automatisierung setzen. Die 350 Kühe mit einer durchschn. Leistung von 10.400 kg Milch werden von 5 Melk-roboteren gemolken. Die TMR-Ration wird laufend mit einem autom. Futterschieber nachgeschoben. Zudem ist seit 2 Jahren ein Fruchtbarkeitsüberwachungsprogramm im Einsatz. Neben 300 ha Grünland werden noch 1000ha Getreide und Raps angebaut. Maisanbau ist auf Grund der kurzen Vegetationszeit nicht interessant. Die 15 Mitarbeiter sind hauptsächlich in der Außenwirtschaft beschäftigt. Bei der Soone Farm besuchten wir einen Familienbetrieb mit 10 Angestellten. 1.400 ha werden bewirtschaftet. Mit 210 Kühen und einem Stalldurchschnitt von 11.400 kg Milch zählt die Soone Farm zu den besten Betrieben Estlands. Betriebsleiter Andres Tamm ist ausgebildeter Tierarzt und hat ebenfalls seit 2 Jahren erfolgreich ein Fruchtbarkeitsüberwachungsprogramm im Einsatz. Neben der Milchproduktion wir auch intensiv Getreideanbau betrieben. Moderne Trocknungs- und Lageranlagen sowie der Einsatz von neuer Technik zeigten auch hier, daß der Betrieb auf Wachstum ausgerichtet ist. Absolut überwältigt waren wir allesamt von der Besichtigung der Milchviehanlage Sadala Piim. Die drei Eigentümer (Vater, Sohn u. ein Investor) bewirtschaften 5500 ha Land (davon 3.500 ha Eigenfläche) mit 70 Mitarbeitern. In den neu errichteten Stallungen werden 850 Kühe (Holsteins und Rotvieh) mit einer Ø Leistung von 9.500 kg Milch gemolken. In den alten Gebäuden einer ehemaligen Kolchose sind noch 700 Stk Jungvieh sowie 700 Fleischrinder in Mutterkuhhaltung untergebracht. 1000 ha Grünland und 250 ha Mais bilden hiefür die Futtergrundlage. Gefüttert wird dreimal täglich in 6 Leistungsgruppen. Auf der Restfläche wird Getreide, Raps, Erbsen angebaut. Gutes Management Insgesamt waren wir nicht nur beeindruckt von der Größe der Betriebe, sondern vor allem von den züchterischen Leistungen und dem ausgezeichneten Mangement auf den Betrieben. Andererseits erlebten wir am Peipsi-See aber auch wie die Menschen in einem alten Strassendorf von Fischfang und dem Zwiebelverkauf an der Strasse leben. Im Museum der Altgläubigen erfuhren wir von der Flucht u. Verfolgung Andersgläugiger im Zuge der Kirchenreform, der Gründung der Strassendörfer und des ehemals erfolgreichen Zwiebelanbaus für diese Region. Unter sowjetischer Herrschaft wurden über 8 km² Zwiebel angebaut und bis St Petersburg verkauft. Heute sind es gerade noch 2 km². Überaus aufschlußreich war auch die interessante Führung durch die mittelalterliche Altstadt von Tallinn und der Besuch der Universitätsstadt Tartu. Unverkennbar auch hier, dass versucht wurde in kurzer Zeit sich dem westlichen Niveau anzuschließen und sich den Tourismus zu Nutze zu machen. Bei der Rückreise waren wir uns einig. Estland wird uns noch lange in angenehmer Erinnerung bleiben.
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