Die Prävention von Delinquenz und Kriminalität

Die Prävention von Delinquenz und
Kriminalität: Was wir wissen und
zukünftige
kü fti H
Herausforderungen
f d
fü
für
Wissenschaft und Praxis
Andreas Beelmann
Universität Jena
Jena, Institut für Psychologie
Kompetenz-Zentrum Rechtsextremismus
Beitrag zum 9. Landespräventionstag Sachsen-Anhalt am 8.10.2015 in Halle/Saale
Die IInhalte
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Übersicht
1. Zum Stand der Forschung in der Gewalt- und
Kriminalitätsprävention
2. Zukünftige Herausforderung der
Pä
Präventionsforschung
ti
f
h
und
d -praxis
i
Zum Stand der Präventionsforschung
Ergebnisse der
Präventionsforschung
1. Entwicklungsorientierte
g
Prävention wirkt!
2. Die Wirksamkeit ist von zahlreichen Faktoren
abhängig
1
Prävention wirkt !
Meta-analytische Ergebnisse zu Präventionsmaßnahmen bei
Ki d
Kindern
und
d JJugendlichen
dli h (B
(Beelmann,
l
2006 +))
12
1.2
Effektivität
0.9
hoch
0.6
mittel
0.3
gering
0.0
Alle
Programme
Dissoziales Verhalten
Allg. Entwicklungsförderung
Drogen
Sexueller
Missbrauch
Internalisierende
Probleme
Ergebnisse aus 28 Meta-Analysen zur Gewalt- und
Kriminalitätsprävention (Beelmann & Raabe
Raabe, 2009)
Effektstärke (d )
1.0
hoch
0.8
0.6
mittel
0.4
0.2
gering
00
0.0
2
3
4
1
Kindorientierte
Programme
6
8
5
9
7
Eltern- und
familienorientierte
Programme
14 16 19 11 21 12 13 15 17 18 20
Schul- und
gemeindeorientierte
Programme
Interpretation der Präventionseffekte
 Die meisten Effekte liegen
g im Bereich zwischen 10 bis
30% Verbesserung
 Bedeutsame Effekte, wenn auch nicht immer nur
positive Befunde
 Hohe Variabilität der Effekte
 Eindrucksvolle Langzeiteffekte einiger Maßnahmen
 Langfristig günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis
Daten aus dem 3-Jahres-Follow-up der Erlangen-Nürnberger
Präventions und Entwicklungsstudie (Lösel
Präventions(Lösel, Beelmann et al
al., 2006)
14
Prozent mit multiplen Verhaltensproblemen
11.8
12
10
8.0
8
6
4
7.8
5.0
5.1
3.2
2
Trainingsgruppe
Kontrollgruppe
g pp
0
Kindertraining
Elterntraining
Kombiniertes
Training
Ergebnisse der High/Scope Study:
Kriminalität (bis 40 Jahre)
P
Programm-Gruppe
G
Kontrollgruppe
33%
Gewalt
Drogen
48%
14%
34%
36%
Eigentum
0%
58%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
Ergebnisse der High/Scope Study
Kosten-Nutzen Analyse
Sozialsystem
Bildung
Verdienst
Steuern
Kriminalität
$15.1
166
Nutzen
Kosten
$0
G
Gesamtnutzen
t t
= $258,888;
$258 888 $17
$17.07
07 pro iinvestiertem
ti t
D
Dollar
ll
$50.000
$100.000
$150.000
$200.000
$250.000
$300.000
Kosten-Nutzen-Bilanz
Kosten
Nutzen Bilanz des Seattle Social
Developmental Project (Aos et al. 2011)
2
Viele Faktoren tragen
g zur
Wirksamkeit bei
Einflussfaktoren auf die
Wirksamkeit
1 Präventionskonzept
1.
Pä
ti
k
t
2. Umsetzungsgüte
3. Merkmale der Zielgruppe
4. Methodische Merkmale der Untersuchungen
5 Interessenkonflikte/Publikationsverzerrungen
5.
I t
k flikt /P blik ti
Merkmale wirksamer
Präventionsprogramme:
 Bezug zu wichtigen Risiko- und Schutzfaktoren
(Entstehungsmodelle)
 Strukturiertes, aufeinander aufbauendes Lernen
 Interaktive Durchführung (nicht nur
Wissensvermittlung)
 Mehrebenen-Modelle insbesondere bei Risikogruppen
 Rechtzeitig und entwicklungsangemessen
 Geringe Implementationsprobleme
Meta-Analyse deutschsprachiger Präventionsstudien
(160
Studien von 1971
1971-2010):
2010):Präventionsart
Zielgruppe
Wirksamkeit
nach
0.6
0.47
0.5
0.41
ES
0.4
0.3
0.20
0.2
0.1
0
universell
selektiv
Quelle: Beelmann, Pfost & Schmitt, 2014
indiziert
Meta-Analyse deutschsprachige Präventionsstudien
(160 Studien von 1971
1971-2010):
2010): Erfolgskriterien
Quelle: Beelmann, Pfost & Schmitt, 2014
Wirksamkeit familien- und elternbasierter
Präventionsmaßnahmen nach finanziellen
Interessenkonflikten
08
0.8
06
0.6
0.4
Interessenkonflikte
0.2
Unwahrscheinlich
Möglich
Wahrscheinlich
0.0
Post-Intervention
Quelle: Eisner & Humphreys, 2012
Zukünftige Herausforderungen für die
Präventionsforschung und -praxis
Herausforderungen
1. Weiterentwicklung
g von Präventionskonzepten
p
2. Implementation von Präventionsmaßnahmen
in bestehende Versorgungsstrukturen
3. Verhaltens- vs. Verhältnisprävention ?
1
Weiterentwicklung von
Präventionskonzepten
Vi A
Vier
Aspekte
k
1. Wissenschaftliche Fundierung von
Präventionskonzepten
2. Präventionsprinzipien vs. Präventionsprogramme
3 Anpassung oder Konzepttreue bei internationalen
3.
Präventionsprogrammen?
4 „Neue
4.
Neue“ GewaltGewalt und Kriminalitätsformen
Ein Modell zur wissenschaftlichen Fundierung und
Entwicklung von Präventionsmaßnahmen
Legitimation der
Maßnahmen
Entwicklungs(veränderungs-)
theoretische
Fundierung
ProgrammP
Theorie
(Inhalte)
IInterventions-t
t
ti
t
heorie
(Durchführung)
Wissenschaftlich
f
f
fundierte
Prävention
Systematische Evaluation und Implementation
(Wirksamkeit Kosten-Nutzen,
(Wirksamkeit,
Kosten Nutzen Prozesse)
(Efficacy, Effectiveness, Dissemination)
Quelle: Beelmann, A. (2012). The scientific foundation of prevention: The status quo and future challenges for developmental
crime prevention. In T. Bliesener, A. Beelmann & M. Stemmler (Eds.), Antisocial behavior and crime. Contributions of
developmental and evaluation research to prevention and intervention (pp. 137-164). Cambridge, MA: Hogrefe.
Präventionsprogramme


Programme mit Markennamen
Evidenz-basierte Verzeichnisse (Burkhardt et al.,
2014)
Präventionsprinzipien
 Inhalte anhand von Erfordernissen „guter“ Entwicklung
(z.B. Benson, 1997)
 Abgeleitete Prinzipien aus systematischen
Forschungsreviews
 Gemeinsame Kernelemente (Chorpita & Daleiden, 2009;
Embry & Biglan, 2015)
 Allgemeine Interventionstheorien (z
(z.B.
B Beelmann
Beelmann, 2015;
Wilson et al., 2014)
Modell der Developmental Assests (Benson, 1997)
External Assets
Internal Assets
Support
Lernbereitschaft
(z.B. Familie,
Nachbarschaft Schule)
Nachbarschaft,
Empowerment
((z.B. Wertschätzung junger
Menschen, soziales
Engagement)
Bindungen
(z.B. Leistungsmotivation,
Bindung an Schule, Lesen
aus Freude
Positive Werte
(z.B. Gleichheit,
Gerechtigkeit, Ehrlichkeit)
Soziale
Kompetenzen
(z.B. Familie, Peers,
Schule, soziale Modelle
und Vorbilder)
(z.B. Interpersonaler Kontakt
gute
t Konfliktlösung,)
K fliktlö
)
Kreative Freizeit
Positive Identität
((z.B.
B Kunst,
K
t Sport,
S t
Musik, Freunde)
((z.B.
B Kunst,
K
t Sport,
S t
Musik, Freunde)
Anpassung vs. Konzepttreue?
Ergebnisse unterschiedlich konstruierter Präventionsprogramme
0.5
0.4
Vollständige
Neuentwicklungen
Kulturelle
Anpassungen
0.3
Konzeptionelle
Neuentwicklungen
Programmkombinationen
Pragmatische
Anpassungen
0.2
0.1
0
Neuentwicklungen
Übernahme international
Quelle: Sundell, Beelmann, Hasson & von Thiele Schwarz, in press
Adaptationen
„Neue“ Gewalt- und Kriminalitätsformen
1. Internetgewalt und –kriminalität (z.B.
Cyber-Mobbing)
2. Politische und religiöse Radikalisierung und
H
Hasskriminalität
k i i lität
3. Wirtschaftskriminalität
Entwicklungsmodell problematischer Einstellungsmuster
Intergruppale Normen (Formell und informell)
Reale gesellschaftliche Konflikte, kollektives Bedrohungsempfinden soziale Diversität,
empfinden,
Diversität soziale Ungleichheit
Intergruppale Kontakte und Freundschaften,
Verfügbarkeit devianter Peer
Peer-Gruppen
Gruppen
Sozialer Status (Minorität, Majorität)
Identitätsentwicklung
Moralentwicklung, sozial-kognitive Entwicklung, etc.
Einstellungsentwicklung
g
Urteilsverzerrungen
Individuelle Ebene
Intergruppen-Ebene
Vorurteile
Extremistische
Einstellungen
Gesellschaftliche Ebene
Vorschulalter
Adoleszenz
Jungerwachsenenalter
Wichtige Entwicklungsfaktoren von IntergruppenEinstellungen im Entwicklungsverlauf
Positive Kontakterfahrungen und Intergruppale Freundschaften
Verfügbarkeit prosozialer bzw. devianter
Gruppen AkzeptanzGruppen,
Akzeptanz und
Ablehnungserfahrungen
Einstellungen der Eltern und
des sozialen Umfelds
Einstellungsg
entwicklung
Sozial-kognitive Entwicklung:
Soziale Kategorisierung
Perspektivenübernahme
Identitätsfindung
Bedrohungserleben
Moral- und Werte-Entwicklung
4
6
Vorschulalter
8
10
Grundschulalter
12
14
Adoleszenz
16
18
Jungerwachsenenalter
Programm PARTS:
Förderung von
Akzeptanz, Respekt,
Toleranz und sozialer
Kompetenz bei
Grundschulkindern
(Beelmann Saur & Ziegler,
(Beelmann,
Ziegler 2010)
 16 Übungseinheiten a 45 Minuten bestehend aus:
 Wissensvermittlung über Kulturen
 Freundschaftsgeschichten
g
((Cameron,, 2005))
 Förderung (sozial-) kognitiver Fertigkeiten (z.B.
Klassifikationsfähigkeiten, soziale Problemlösung im
Intergruppenkontext, Perspektivenübernahme)
ü
)
Langzeiteffekte von PARTS
(5 Jahre nach Ende des Trainings)
Effektstärke
-0.2
02
00
0.0
02
0.2
04
0.4
*
Zuschreibung von Merkmalen
Intergruppen-Angst
*
Soziale Distanz
*
*
Intoleranz gegenüber anderen Ethnien
*
National-autoritäre Einstellungen
+
Kontakt zu "Rechten"
Ausfallrate:
PG: 18.0%, KG1: 25.3%, KG2: 15.3%
Original KG
Neue KG
06
0.6
08
0.8
2
IImplementation
l
t ti von
Präventionsmaßnahmen
Erfolgreiche und nachhaltige Prävention
Wi
Wissenschaft
h ft
Entwicklung
des Präventionskonzepts
P
Psychosoziale
h
i l P
Praxis/Politik
i /P litik
Erprobung des
Präventionskonzepts
Implementation
in die Regelversorgung
(Kita Schule
(Kita,
Schule, u.a.)
ua)
Dimensionen der Implementation von
Pä
Präventionsprogrammen
ti
Individuelle Ebene
Institutionelle Ebene
Gesellschaftliche/politische
p
Ebene
 Konzepttreue
Umsetzung
(einschl. ihrer
Voraussetzungen)
 Bereitschaft und
Unterstützung der
beteiligten
Institutionen mit Ihren
Funktions-trägern
 Kommunikations- und
Beziehungsqualität in
der Institution (Klima)
 Institutionelle
Rahmenbedingungen
(z B zeitliche
(z.B.
Ressourcen)
 Politische Unterstützung für
Prävention (mit Bezug auf
gesetzliche Grundlagen)
 Einstellungen,
Ausbildung und
Engagement der
Administratoren
p
 Inanspruchnahmeund Teilnahmeverhalten der
g
Zielgruppe
Quelle: Beelmann & Karing (2014)
 Zur Verfügung stehende
Ressourcen, auch für die
nachhaltige Bereitstellung
 Angebotsstruktur, -qualität
u.a. Vernetzung bestehender
Angebote
g
((Präventionsstrukturen), verbesserte
Passung zu Hoch-Risikog
Zielgruppen
Essenzielle Bestandteile
gelungener Implementation
 Feststellung des Ist-Zustandes/Readiness
 Bereitstellung
B it t ll
einer
i
angemessenen
Angebotsstruktur
 Ausbildung und Qualifikation der
Verantwortlichen
 Hohe Compliance, gutes Institutionsklima
ag ä ge Präventionsä e to s u
und
d
 Tragfähige
Implementationsstrukturen (Vernetzung)
 Politische und finanzielle Unterstützung
Etablierung von
Implementationssystemen
1.
Einstiegsphase
Need- und Readiness-Assessment,
Need
Readiness Assessment Schaffung von
Implementationsvoraussetzungen (Verantwortlichkeiten,
Training)
2. Aufbau einer Implementationsstruktur
Teambildung Implementationsstrategie
Teambildung,
3. Monitoring und Feedback
Unterstützung und Supervision, Prozessevaluation und
Qualitätssicherung
Quelle: Meyers, Durlak & Wandersman, 2012
3
Verhaltens- vs.
Verhältnisänderung
Entwicklungskontexte
nach Bronfenbrenner (1979)
Steigende Wahrscheinlichkeit
längerfristiger
g
g Einflüsse auf das Individuum
Steigende Implementationsprobleme
Mikrosystem
Mik
t
(Eltern-KindInteraktion)
Kind
Mesosystem
(z B Familie
(z.B.
Familie,
Schule)
Makrosystem
(Gesellschaft)
Steigende Wahrscheinlichkeit
unmittelbarer (kurzfristiger)
Einflüsse
Gefahr von Überlagerungen der
Effekte von Faktoren höherer
Ordnung
Exosystem
((z.B.Arbeitstelle
des Vaters)
Zusammenhang
g zwischen Einkommensungleichheit und sozialen Problemen
Literatur
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Ergebnisse und Implikationen der integrativen Forschung. Zeitschrift für Klinischen Psychologie
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Köhnken (Hrsg.), Lehrbuch der Rechtspsychologie (S. 106
106-125).
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Hermann, U. Sandfuchs, M. Schäfer, W. Schubarth & P. Daschner (Hrsg.), Handbuch Aggression,
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Beelmann, A. & Karing, C. (2014). Implementationsfaktoren und –prozesse in der
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Rundschau, 65, 129-139. doi: 10.1026/0033-3042/a000215
Beelmann,
B
l
A Pfost,
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M & Schmitt,
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Pä
ti und
dG
Gesundheitsförderung
dh it fö d
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beii Ki
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und Jugendlichen. Eine Meta-Analyse der deutschsprachigen Wirksamkeitsforschung. Zeitschrift
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J
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3, 260-281.
260 281