Artikel - Roxin Rechtsanwälte LLP

ROXIN Newsletter | Ausgabe 08/2015
Wirtschaftsstrafrecht
2. Untreue durch Verwendung von Fraktionsgeldern für
Wahlkampfzwecke und Nichtanzeige der so erhaltenen Mittel als
Parteispende
Werden Gelder, die einer Fraktion eines Landtags zur Erfüllung ihrer Aufgaben zugewendet worden sind,
gesetzwidrig für Zwecke der die Fraktion tragenden Partei ausgegeben, liegt darin eine Untreue im Sinne
des § 266 StGB zum Nachteil der Fraktion. Dem Parteivorsitzenden kann zudem gegenüber seiner Partei
eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB obliegen, die er dann in strafrechtlich relevanter
Weise verletzt, wenn er eine rechtswidrige Spende annimmt, sie dem Bundestagspräsidenten nicht anzeigt
und an diesen nicht weiterleitet.
(BGH, Urteil vom 11.12.2014 - 3 StR 265/14 = BeckRS 2015, 06664)
Anlässlich der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März 2006 hatte die rheinland-pfälzische
CDU-Landtagsfraktion im Rahmen des Programms „Wahlsieg 2006“ die Unternehmensberatungsagentur
C-GmbH für die Erstellung und Umsetzung des Wahlkampfkonzepts gewonnen. Spitzenkandidat der CDU
war der Angeklagte B, der damalige rheinland-pfälzische Fraktions- und Parteivorsitzende. Der Angeklagte
F wiederum war Geschäftsführer und Gründungspartner der beauftragten C-GmbH. Für ihre Leistungen
erhielt die C-GmbH Zahlungen in Höhe von insgesamt mehreren Hunderttausend Euro aus der
Fraktionskasse. Diese Zahlungen wurden auf Betreiben des Angeklagten B im Rechenschaftsbericht der
Partei für das Jahr 2005 nicht angegeben. Aus diesem Grunde setzte der Präsident des Bundestages später
eine Strafzahlung in Höhe von über 1 Mio. Euro gegen die CDU fest. Diese wurde von der CDU akzeptiert
und beglichen.
In der Vorinstanz wurde der Angeklagte B wegen Untreue zum Nachteil der CDU-Landtagsfraktion in zwei
Fällen, jeweils in Tateinheit mit Untreue zum Nachteil des CDU-Landesverbands, sowie wegen eines
Verstoßes gegen das Parteiengesetz verurteilt. Der Angeklagte F wurde wegen Beihilfe zur Untreue
verurteilt. Vom Vorwurf des versuchten Betruges wegen angeblicher Falschangaben in einem Verfahren des
Landesrechnungshofs Rheinland-Pfalz, in dem die Zahlungen überprüft wurden, hat das LG beide
Angeklagten freigesprochen. Insofern hat der BGH das Urteil auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin
aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Im Übrigen urteilt der BGH wie folgt.
Auf die zweckwidrige Verwendung von Fraktionsgeldern für den Wahlkampf der tragenden Partei sei § 266
StGB anwendbar. Denn den Fraktionsvorsitzenden treffe aufgrund seiner Stellung und seiner Befugnisse
hinsichtlich des Fraktionsvermögens eine Vermögensbetreuungspflicht, kraft derer er dafür Sorge zu tragen
habe, dass die der Fraktion aus dem Landeshaushalt zugewendeten Gelder nur für Zwecke eingesetzt
werden, die einen Bezug zur parlamentarischen Arbeit der Fraktion aufweisen. Werden fraktionseigene
Gelder dagegen allein im Interesse der tragenden Partei verwendet, liege darin eine Verletzung der
Vermögensbetreuungspflicht. Dass eine landesgesetzliche Regelung existiere, wonach eine
Landtagsfraktion zweckwidrig verwendete Gelder zurückzuerstatten habe, ändere an der Untreuestrafbarkeit
nichts. Denn für eine Einschränkung des bundesgesetzlichen Untreuestraftatbestandes fehle es dem
Landesgesetzgeber bereits an der Kompetenz. Auch die im Nachhinein von der Fraktionsversammlung
erteilte „Entlastung“ des Angeklagten sei für die Untreuestrafbarkeit irrelevant. Zum einen könne nur ein
nichts. Denn für eine Einschränkung des bundesgesetzlichen Untreuestraftatbestandes fehle es dem
Landesgesetzgeber bereits an der Kompetenz. Auch die im Nachhinein von der Fraktionsversammlung
erteilte „Entlastung“ des Angeklagten sei für die Untreuestrafbarkeit irrelevant. Zum einen könne nur ein
vorheriges, ggf. auch mutmaßlich erteiltes, Einverständnis tatbestandsausschließend wirken. Zum anderen
hätte ein derartiges Einverständnis der Fraktion im vorliegenden Fall gegen eindeutige gesetzliche und
verfassungsrechtliche Vorgaben verstoßen und damit zu keinem Zeitpunkt eine tatbestandsausschließende
Wirkung entfalten können. Der Vermögensnachteil für die Fraktion liege darin, dass die Leistung der
Agentur ausschließlich der Partei und eben nicht der Fraktion zugutekam.
Weiterhin führt der BGH aus, dass den Angeklagten B als Vorsitzenden des CDU-Landesverbands auch
eine Vermögensbetreuungspflicht sowohl hinsichtlich des Landes- als auch hinsichtlich des
Bundesverbands der CDU traf. Aus diesem Grund sei er verpflichtet gewesen, die Vorschriften des
Parteiengesetzes zu beachten, um so Schaden von den genannten Verbänden abzuwenden. Die Zahlungen
der Fraktion zur Finanzierung des Parteiwahlkampfs seien als Parteispenden i.S.d. § 27 Abs. 1 S. 3 u. 4
PartG einzuordnen. Diese Spenden hätten gegen § 25 Abs. 2 PartG verstoßen. Der Angeklagte habe sie in
den Rechenschaftsbericht des Landesverbands aufnehmen und unverzüglich an den Bundestagspräsidenten
weiterleiten müssen. Da er gegen diese Bestimmungen verstoßen habe, habe der Angeklagte die
Strafzahlung nach § 31c PartG verursacht und so unmittelbar einen Vermögensnachteil für die CDU
herbeigeführt, weil der gegen sie gerichtete Anspruch auf Strafzahlung automatisch und ohne rechtlich
bedeutsame Zwischenschritte kraft Gesetzes entstehe.
Praxis-Tipp
von Dr. Johannes Altenburg, ROXIN Rechtsanwälte LLP
Dieses Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt einmal mehr, dass die Rechtsprechung dazu neigt, den
Tatbestand der Untreue zu überdehnen. Der Bundesgerichtshof nimmt bei der Finanzierung eines
Wahlkampfs mit Fraktionsmitteln nicht nur eine Untreue zulasten der Fraktion, sondern auch zulasten der –
von der Finanzierung profitierenden – Partei an. Die Begründung dafür überzeugt zwar nicht (vgl.
ausführlich dazu die Urteilsanmerkung von Altenburg, NJW 2015, 1624), wird jedoch für die Urteilspraxis
der Instanzgerichte nicht ohne Auswirkungen bleiben. Für die Praxis bedeutet dieses Urteil, dass bei
Verletzung rechtlicher Bestimmungen selbst dann ein Strafbarkeitsrisiko für Entscheidungsträger in Politik
und Wirtschaft besteht, wenn eigentlich eine Vermehrung des betreuten Vermögens beabsichtigt ist.