Rechnungen und Vorsteuerabzug

November 2015
Ausgabe Nr. 3
Rechnungen und Vorsteuerabzug –
Bundesfinanzhof verschärft erneut Anforderungen an die
Ordnungsmäßigkeit von Rechnungen
Mit Urteil vom 22.07.2015 (Az. V R 23/14) hat der Bundesfinanzhof (BFH) jüngst seine Rechtsprechung zur Ordnungsgemäßheit von Rechnungen verschärft und deutlich
zuungunsten der Steuerpflichtigen entschieden. Nach dem
aktuellen Urteil des BFH sind die umsatzsteuerlichen Anforderungen an eine Rechnung nur dann erfüllt, wenn die
Rechnung die Angabe einer Unternehmensanschrift enthält, unter der der Leistungserbringer bzw. -empfänger
tatsächlich seine wirtschaftlichen Tätigkeiten ausführt. Ein
„Briefkastensitz“ soll nach Auffassung des BFH hingegen
nicht (mehr) ausreichen. Demgegenüber hatte das Finanzgericht (FG) Köln in einer kürzlich veröffentlichten
Entscheidung vom 28.04.2015 (Az. 10 K 3803/13) deutlich geringere und praxisfreundlichere Anforderungen
aufgestellt. Unternehmen sollten sich auf die neue Rechtsprechung des BFH einstellen, um sich den Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen zu bewahren.
1. Ordnungsgemäßheit von Rechnungen
Der Vorsteuerabzug ist für den Leistungsempfänger grds.
nur dann möglich, wenn er im Besitz einer korrekt ausgestellten, ordnungsgemäßen Rechnung ist. Das Umsatzsteuergesetz sieht bestimmte zwingende Anforderungen
an Rechnungen vor. So müssen Rechnungen insbesondere
die vollständige Adresse des leistenden Unternehmers und
des Leistungsempfängers beinhalten (§ 14 Abs. 4 Nr. 1
UStG).
Im vorliegenden BFH-Rechtstreit machte der Kläger den
Vorsteuerabzug aus Rechnungen seines Lieferanten geltend. Unter der in den Rechnungen angegebenen Adresse
war der Lieferant allerdings lediglich postalisch erreichbar.
Eine wirtschaftliche Aktivität entfaltete er an diesem Ort
hingegen nicht. Die Betriebsprüfung versagte dem Kläger
im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen. Zur Begründung führte
die Betriebsprüfung an, dass die Rechnungen fehlerhaft
seien, da nicht der wirtschaftliche Sitz des Lieferanten,
sondern lediglich ein Briefkastensitz angegeben sei. Mit
seiner hiergegen gerichteten Klage wehrte sich der Kläger
gegen die Entscheidung der Finanzbehörden und begehrte
den Vorsteuerabzug aus den betroffenen Rechnungen.
2. Angabe eines „Briefkastensitzes“ reicht nicht
Der BFH bestätigte in seiner Entscheidung im Ergebnis das
Vorgehen der Finanzverwaltung. Der Kläger kann nach
Auffassung des BFH keinen Vorsteuerabzug aus den Rechnungen geltend machen, da diese nicht den Anforderungen des Umsatzsteuergesetzes entsprechen.
Das Merkmal „vollständige Anschrift“ in § 14 Abs. 4 Nr. 1
UStG wird nämlich nach Auffassung des BFH nur durch die
Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten
entfaltet, erfüllt. Deshalb sei in einer Rechnung der Sitz
anzugeben, der bei Ausführung der Leistung tatsächlich
Dieser Beitrag wurde nach bestem Wissen erstellt und hat den Stand August 2015.
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bestanden hat. Der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger trägt hierfür die Feststellungslast, denn
es besteht eine Obliegenheit des Leistungsempfängers,
sich über die Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu
vergewissern. Soweit sich der BFH in vorangehenden
Entscheidungen dahingehend geäußert habe, dass die
Angabe eines „Briefkastensitz“ mit allein postalischer
Erreichbarkeit ausreichen könne, hält er hieran nicht mehr
fest.
Gleichzeitig setzt der BFH aber seine umstrittene Rechtsprechung fort, wonach sich der Unternehmer auch nicht
zum Zwecke des Vorsteuerabzugs auf seinen guten Glauben an die Rechnungsangaben berufen kann. Vielmehr
verweist der BFH die betroffenen Unternehmer auf die
verfahrensrechtliche Möglichkeit, einen Vertrauensschutz
bzw. Gutglaubensschutz im Rahmen eines gesonderten
Billigkeitsverfahrens geltend zu machen.
3. Erhebliche Auswirkungen auf die Praxis
Wiederholt hat die Rechtsprechung die Anforderungen an
die Ordnungsmäßigkeit von Rechnungen verschärft. Wer
sich angesichts dieser Entwicklung vom BFH ein den Bedürfnissen der Praxis entsprechendes Urteil gewünscht
hatte, kann von dieser Entscheidung nur enttäuscht sein,
und das in mehrfacher Hinsicht:
Zum einen hat der BFH nunmehr seine frühere Rechtsauffassung eindeutig aufgegeben, wonach die Angabe einer
Anschrift mit lediglich postalischer Erreichbarkeit ausreichend war. In diesem Zuge stellt der BFH noch schärfere
Anforderungen als die Finanzverwaltung. Diese ist aktuell
(noch) der Auffassung (Abschnitt 14.5. Abs. 2 S. 3
UStAE), dass auch die Angabe einer Postfachadresse oder
einer Großkundenadresse für den Leistungsempfänger die
erforderliche Angabe des „vollständigen Namens und der
vollständigen Anschrift“ erfüllt. Dieser Auffassung hat der
BFH in seiner jüngsten Entscheidung nunmehr explizit
widersprochen. Auch wenn sich die betroffenen Unternehmen für die Vergangenheit unter bestimmten Umständen auf Vertrauensschutz berufen können, bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung an ihrer Auffassung festhalten wird oder im Anschluss an den BFH die Anforderungen
auch in dieser Hinsicht weiter verschärfen wird.
Unbefriedigend ist schließlich auch der Hinweis des BFH
auf die verfahrensrechtliche Geltendmachung des guten
Glaubens des Leistungsempfängers auf die Rechnungsangaben durch den Leistungsempfänger. Regelmäßig kann
der Leistungsempfänger die Rechnungsangaben des Leistungsempfängers nicht oder nur unzureichend überprüfen.
Ist er in seinem Vertrauen auf die Rechnungsangaben
aber schützenswert, erscheint es unverhältnismäßig, ihm
den Vorsteuerabzug zu verwehren. Der BFH verweist den
Steuerpflichtigen auf ein gesondertes und nicht mit dem
Festsetzungsverfahren zu verwechselndes Billigkeitsverfahren. Steuerpflichtige sollten in den betroffenen Fällen
daher unbedingt darauf achten, dass rechtzeitig entsprechende Anträge in den richtigen Verfahren gestellt werden.
28.04.2015 entschiedene Fall. Das FG Köln war darin im
Gegensatz zum BFH der Auffassung, dass die Angabe
einer Anschrift, unter der der Unternehmer lediglich postalisch erreichbar ist, für Zwecke des Vorsteuerabzugs
ausreichend ist. Die Angabe der Anschrift auf den Rechnungen habe, so das FG Köln, den Zweck, den leistenden
Unternehmer eindeutig zu identifizieren. Die Angabe der
Anschrift soll es unter anderem der Finanzverwaltung
ermöglichen, den Unternehmer postalisch zu erreichen. Ist
diese postalische Erreichbarkeit aber gewährleistet, komme es nicht darauf an, welche Aktivitäten unter der Postanschrift erfolgen. Die Revision gegen diese Entscheidung
ist gegenwärtig beim BFH anhängig. Es bleibt abzuwarten,
wie sich der BFH mit der überzeugenden Argumentation
des FG Köln auseinandersetzen wird.
In der Praxis müssen Unternehmen aber zum Zwecke der
Sicherung des Vorsteuerabzuges die jüngste Rechtsprechung des BFH beachten und die Rechnungsangaben
soweit wie möglich überprüfen. Gleichzeitig muss darauf
geachtet werden, in den von der Finanzverwaltung aufgegriffenen Fällen rechtzeitig und flankierend entsprechende
Billigkeitsanträge zu stellen.
Dr. Panagiotis Dodos
Rechtsanwalt
PNHR Pelka Niemann Hollerbaum Rohde
Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
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Dass die Rechtsprechung des BFH nicht unumstritten ist,
zeigt der aktuell vom FG Köln (Az. 10 K 3803/13) am
Dieser Beitrag wurde nach bestem Wissen erstellt und hat den Stand 04.11.2015.
Gleichwohl können wir eine Haftung für dessen Inhalt nicht übernehmen.
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