54 Sonntag/Montag, 1./2. November 2015 > < REPORTAGE Der Kaffee ist fertig Kaffee aus Kapseln ist nicht nur ein gutes Geschäft, vor allem ist er eine Umweltsünde. Ein Unternehmer aus Bremen will die Lösung gefunden haben. Er produziert Kaffeekapseln aus abbaubarem Material. Von Marion Hahnfeldt avid Wolf-Rooney sieht aus, als hätte er gerade einen richtig guten Kaffee gehabt. Er lächelt, nein, er strahlt, sein Jackett, blau wie der Himmel eines erwachenden Sommermorgens, bringt sein Gesicht zum Leuchten. Fröhlich streckt er einem die Hand zur Begrüßung entgegen, kein Zweifel, der Mann ist guter Dinge, wie man eben guter Dinge ist, wenn man in absehbarer Zeit viel Geld verdient, sehr, sehr viel, um genau zu sein, zumindest, wenn sein Plan aufgeht, zumindest, wenn auch die letzten Hürden genommen sind. Die Chancen stehen jedenfalls fifty-fifty, wahrscheinlich stehen sie sogar besser. Mitarbeiterin Stephanie Lichtenberg wenigstens ist überzeugt: „Kaffekapseln sind ein Phänomen unserer Zeit. Der Boom lässt sich nicht mehr aufhalten, Sie können nur einen anderen Umgang versuchen.“ Dass man sich hier am Stadtrand von Bremen in einer Lagerhalle zum Gespräch trifft, hat mit Wolf-Rooneys Idee zu tun, den Kaffee-Markt „zu revolutionieren“, Öko- statt Alukapseln, ein kleiner Schritt für ihn, ein großer aber für die Menschheit. 15 Milliarden Kaffee-Kapseln wurden allein vergangenes Jahr weltweit verkauft, in jedem dritten deutschen Haushalt steht eine Kapsel-Kaffee-Maschine, ein Großteil des Umsatzes geht dabei auf das Konto von Nespresso, der Firma also, für die George Clooney seinen Kopf hinhält, und weil in den Augen der Konsumenten nichts glaubwürdiger ist als ein Hollywood-Star, geht der Verkauf weiter; mit einem Wachstum von 30 Milliarden Kapseln für das Jahr 2020 rechnet Wolf-Rooney, was immerhin so ähnlich klingt wie Clooney. Sein Ziel ist es, mindestens ein Prozent des Marktes für sein Produkt zu gewinnen, und man muss kein Mathematik-Genie sein, um zu erkennen, dass das ein hübscher Verdienst ist. David Wolf-Rooney sagt: „Es ist eine phantastische Idee.“ Kunden würden anrufen und sagen, wie froh sie seien, dass es endlich ein Produkt gäbe, das sie ideologisch D Velibre-Chef David Wolf-Rooney (53). Zwei Jahre hat er an der Entwicklung seiner abbaubaren Kapseln gearbeitet, „der härteste Job ever“. Fotos: Ulf-Kersten Neelsen Infos Wer mehr über das Unternehmen wissen möchte: Velibre GmbH, Steindamm 37, 28719 Bremen, Telefon: 0421/688 096 211 Der Kaffee kann online in verschiedenen Geschmacksrichtungen bestellt werden unter www.velibre.com. Die Kapseln werden in Kapstadt, Südafrika, gefertigt. Alle sind mit dem Nespresso-System kompatibel. vertreten könnten. Und Stephanie Lichtenberg wiederholt: „Der Trend lässt sich nicht mehr aufhalten.“ Als nächstes wollen sie sich für den Umweltpreis bewerben. Begonnen hat das Ganze vor etwas mehr als zwei Jahren. Damals saß Wolf-Rooney mit einem Freund in der heimischen Küche und irgendwie kam das Gespräch auf diese Kaffee-Kapseln, die den Planeten im Wortsinn überschwemmen, und man philosophierte darüber, wie viel Geld Nespresso wohl allein mit einem Kilogramm Kaffee verdienen würde. Und so redete und redete man und am Ende stand die Idee, ein Unternehmen zu gründen, das einerseits am Umsatz beteiligt ist, sich andererseits aber der Umwelt verschreibt. Denn Kaf- fee-Kapseln mögen zwar praktisch sein, zugleich aber sind sie ein Haufen Müll. Die linksalternative „Tageszeitung“ rechnete aus: Auf sechs Gramm Kaffee kommen drei Gramm Aluminium oder Plastik, hochgerechnet braucht man 300 Gramm Aluminium für ein Kilo Kaffeepulver. Greenwashing? Seit Monaten nun ist Wolf-Rooney in der Welt unterwegs, um für sein Produkt zu werben; Pressetermine hier, Interviews da, und er wirkt nicht so, als wäre es ihm unangenehm. Velibre hat er die Firma genannt, Velibre für die Städte Veliko Tarnovo (veli) und Bremen (bre). Im bulgarischen Veliko Tarnovo saß sein erster Geschäftspart- Wer sich intensiver mit dem Umweltaspekt und der Müllvermeidung auseinander setzen möchte: Der Verein „Die Deutsche Umwelthilfe“ gibt Tipps und Hintergründe auf der Webseite: www.duh.de Telefon: 07732/99 950 ner, und dass die Firma nun ausgerechnet in Bremen beheimatet ist, der Heimat also von Kaffee Hag und Jacobs, ist dann aber doch eher Zufall. Wolf-Rooney selbst ist zwar in Hongkong geboren, aufgewachsen ist er im britischen Manchester, seine Frau aber stammt aus Bremen, die beiden haben sich, ganz Global Player, in London kennengelernt, sie lebten dann zehn Jahre in Neuseeland. Sein Geld hat Wolf-Rooney über die Jahre mit „Business Development“ verdient, nichts anderes macht er heute. „Mein Job ist es, die richtigen Leute an den richtigen Tisch zu bringen.“ 36 Investoren aus sechs Ländern habe er inzwischen von seinem Kapsel-Konzept überzeugen können; Unterstützung gibt es von Bis 2016 will Velibre mit Kaffee aus fairem Anbau arbeiten, bisher gibt es ihn drei Sorten Espresso und zwei Sorten Lungo. Biofed, einem Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von abbaubarem Plastik spezialisiert hat, und von Innovialfilms, das sich mit der Produktion von Folien auskennt. Die Bio-Kapseln von Velibre werden auf Erdölbasis hergestellt, das Endprodukt jedoch ist aus aliphatischem Kunststoff, das heißt, die Kapseln können auf dem heimischen Kompost verrotten. Nun sollte man meinen, eine Idee wie diese löst bei der deutschen Umwelthilfe Jubel aus; das Gegenteil ist der Fall. Thomas Fischer, ein sehr beredter Mann, spricht von Greenwashing, und er hat dafür seine Gründe. „Kaffeekapseln sind per se unökologisch. Der Entsorgungspfad ist dabei nicht das Entscheidende. Es gibt ei- Die Vor- und Nachteile Im Jahr 2014 wurden über 15 Milliarden Kapseln verkauft. Ihr Vorteil: die Produktvielfalt. Die Einfachheit der Handhabung. Die Schnelligkeit, mit der sich der Kaffee brühen lässt. Ihr Nachteil: Allein 2014 wurden damit 30 000 Tonnen Plastik- und Aluminiummüll produziert. Außerdem: der Preis. Der Kaffee in Kapseln ist im Schnitt fünf Mal so teuer wie in herkömmlichen Verpackungen. Die Deutsche Umwelthilfe hält im Gegensatz zur Velibre GmbH das Konzept von abbaubaren Kapseln für grundsätzlich den falschen Weg, „weil es keine ökologischen Kaffeekapseln gibt“, wie Thomas Fischer sagt. Wer unbedingt eine Kaffee-Kapsel nutzen möchte, sollte auf Mehrweg-Kapseln setzen. „Die können selbst befüllt werden, sind ebenfalls für Nespresso-Maschinen nutzbar – und sie sind 1000fach benutzbar.“ D) D) Der Boom lässt sich nicht mehr aufhalten. Er ist ein Phänomen unserer Zeit.“ Stephanie Lichtenberg, Velibre Dreier-Team: Velibre-Chef David Wolf-Rooney (re) mit Pressesprecher Walter Hasenclever (li) und Mitarbeiterin Stephanie Lichtenberg. ne einfache Regel für das Öko-Design von Verpackungen“, erklärt er, „je kleiner die Verpackung, desto schlechter das Verhältnis von Füllgut zur benötigten Menge von Verpackungsmaterial“. Im Vergleich zu Großverpackungen würde bei Kaffee-Kapseln 16 Mal mehr Abfall anfallen, „das ist nicht ressourceneffizient und in keiner Weise ökologisch. Es ist der falsche Weg.“ David Wolf-Rooney lässt britisch-höflich die Vorwürfe an sich abprallen, seine Mitarbeiterin sagt in eine Tasse Kaffee hinein, „die haben unsere Kapseln nie getestet“. Für Wolf-Rooney sind die Kapseln in erster Linie natürlich ein Geschäft, am Ende aber geht es für ihn um nichts weniger als um die eigene Zukunft und die seiner Mitarbeiter, allerdings, sagt er, entspreche das Konzept auch seiner Überzeugung. Und je länger die Unterhaltung dauert, desto mehr redet er sich in Eifer, er spricht über vegetarische Lebensweise und über seine Passion, und er sagt, dass er zwar glaube, in Deutschland mit seiner Idee richtig aufgehoben zu sein, und doch sei es das härteste Projekt, das er jemals hatte, the hardest project ever, was auf englisch gleich noch mal dramatischer klingt. Wie also geht es weiter? 600 000 Kapseln wurden bereits vertrieben, und seit wenigen Tagen wirbt das Unternehmen im Internet auf der Crowdfunding-Plattform „Innovestment“ für das Projekt. 500 000 Euro sollen gesammelt werden, verbleibende Tage: 15. Die Zukunft hat begonnen.
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