Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) Landesverband Südwest, Heidelberg Begutachtungs-Seminar für Chefärztinnen und Chefärzte an den am SAV und VAV beteiligten Kliniken zum Thema "Verletzungen der Wirbelsäule" am 08. Juli 2015 in Stuttgart Heft 36 der Schriftenreihe ÄRZTE © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest Titel: Begutachtungs-Seminar für Chefärzte und Chefärztinnen an den am SAV und VAV beteiligten Kliniken zum Thema "Verletzungen der Wirbelsäule" Heft 36 der Schriftenreihe ÄRZTE Herausgeber: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV) Landesverband Südwest Anschrift: Kurfürsten-Anlage 62, 69115 Heidelberg Postfach 10 14 80, 69004 Heidelberg Telefon 06221 5108-0, Telefax 06221 5108-15099 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest Begutachtungs-Seminar für Chefärzte und Chefärztinnen an den am SAV und VAV beteiligten Kliniken "Verletzungen der Wirbelsäule" am 08.07.2015 in Stuttgart Leitung / Moderation: Frau Claudia Drechsel-Schlund Geschäftsführerin der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege Bezirksverwaltung Würzburg Röntgenring 2 97070 Würzburg Herr Priv. Doz. Dr. med. Andreas Badke Stellvertretender Ärztlicher Direktor Chefarzt der Abteilung Querschnittgelähmte technische Orthopädie und Wirbelsäulenchirurgie Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Schnarrenbergstr. 95 72076 Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest Inhaltsverzeichnis 1. Begrüßung / Einführung Claudia Drechsel-Schlund 2. Programm 3. Vorträge: Beteiligte bei der Begutachtung und ihre Rolle im Verfahren Klaus Feddern S. 1 Begutachtung von Migranten aus medizinischer Sicht Dr. Sara Aytac S. 14 aus rechtlicher Sicht Philipp Stark S. 21 Unfallbedingte HWS-Distorsion, begutachtungsrelevante Aspekte und Einschätzung der MdE PD Dr. Andreas Badke S. 29 Begutachtung von Wirbelfrakturen Dr. Stefan Matschke S. 49 Fälle der Begutachtung PD Dr. Andreas Badke S. 60 4. Rechtsprechung S. 71 5. Literaturhinweise S. 72 6. Referenten S. 73 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest "Verletzungen der Wirbelsäule"- Einleitung Claudia Drechsel-Schlund © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 1 Einleitung Bei dem diesjährigen Begutachtungs-Spezialseminar des Landesverbandes Südwest der DGUV standen Wirbelsäulenverletzungen auf dem Programm. Diese Begutachtungsmaterie wurde ausgewählt, weil die Beurteilung traumatischer Wirbelsäulenverletzungen wegen der oft notwendigen Abgrenzung von degenerativen Vorerkrankungen eine besondere Komplexität aufweist. Die Kausalitätsbeurteilung ist unter Berücksichtigung der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteile des Bundessozialgerichts vom 24.07.2012 - B 2 U9/11 R - und - B 2 U 23/11 R -) im Einzelfall, insbesondere bei fehlenden Strukturverletzungen und bei Hebevorgängen, in rechtlicher und in medizinischer Hinsicht sehr schwierig. Auf der Agenda standen begutachtungsrelevante Aspekte der unfallbedingten HWS-Distorsion einschließlich MdE-Einschätzung sowie die Begutachtung von Wirbelfrakturen. In der aktuellen Begutachtungsveranstaltung waren aber nicht nur medizinische Aspekte von Wirbelsäulenverletzungen Gegenstand, sondern auch versicherungsrechtliche Fragestellungen. Beleuchtet wurden das Thema Beteiligte bei der Begutachtung und ihre Rolle im Verfahren sowie das Thema Begutachtung von Personen mit Migrationshintergrund. Die Veranstaltung wurde abgerundet durch Fallbesprechungen. Anhand von praktischen Begutachtungsfällen haben die Teilnehmer die aufgeworfenen medizinischen Fragen und Kausalitätsprobleme diskutiert und gemeinsam Lösungsansätze entwickelt. Die Dokumentation enthält die Power-Point-Präsentationen der Referenten. Hinzu kommen statistische Daten zum Unfallgeschehen und zur Entwicklung der Unfallrenten. Zudem werden Hinweise auf ausgewählte Entscheidungen der Sozialgerichte und Literaturempfehlungen zu Begutachtungsfragen von Wirbelsäulenverletzungen gegeben. Dem ärztlichen Moderator PD Dr. Badke und den Referenten ist für ihre Beiträge und die intensive und lehrreiche Besprechung der Begutachtungsfälle zu danken. © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest Fehler! 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Es ist nicht möglich, durch die Bearbeitung von Feldfunktionen Objekte zu erstellen. © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 2 Programm © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 1 3 Vorträge Beteiligte bei der Begutachtung und ihre Rolle im Verfahren Klaus Feddern © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 2 Beteiligte bei der Begutachtung und ihre Rolle im Verfahren Neben dem Gutachter und dem Probanden sind am Begutachtungsverfahren häufig weitere Akteure beteiligt. Der Vortrag soll einige praxisbezogene Hinweise zur Rolle der Beteiligten und zu formaljuristischen Aspekten bei der Begutachtung geben. In der Begutachtungssituation kommt es zu einem Rollenwechsel von Arzt/Patient zu Gutachter/Proband (Folien 4/5). Wer Gutachter ist, wird vom Auftraggeber bestimmt. Dies erfolgt durch den Beweisbeschluss eines Gerichtes oder durch den Gutachtensauftrag des Unfallversicherungsträgers, welcher insbesondere die Vorschrift des § 200 Abs. 2 SGB VII (Gutachterauswahlrecht) zu berücksichtigen hat (Folien 6/7). Während nach § 407 ZPO eine Verpflichtung besteht, ein Gutachten zu erstatten, gilt dies im Verwaltungsverfahren grundsätzlich nicht. Durchgangsärzte sind freilich nach dem Vertrag Ärzte/Versicherungsverträge verpflichtet, Gutachten zu erstatten (Folie 8). Bei der Delegation von Aufgaben bei der Erstattung von Gutachten ist zu unterscheiden zwischen der (zulässigen) Übertragung von Hilfsdiensten an ärztliche und nichtärztliche Hilfspersonen (Folien 9/10) einerseits und Zusatzgutachten andererseits (Folien 11/12). Bei Gutachten auf psychiatrischem Fachgebiet (wohl auch bei der Schmerzbegutachtung) besteht nur eine eingeschränkte Delegationsmöglichkeit. Ob Begleitpersonen bei der Begutachtung zuzulassen sind, ist gesetzlich nicht geregelt (Folien 13/14). Es gibt gute Gründe, Begleitpersonen bei der Begutachtung zu akzeptieren (Folien 1517). Hierüber entscheidet der Gutachter nach seinem fachlichen Ermessen als Mediziner. Entscheidungen der Sozialgerichte (Folien 19-27) betreffen Fälle, in denen für die betroffenen Kläger eingewandt wird, eine Begleitperson sei nicht beteiligt worden. Es geht meist um Sachverhalte in denen ein Proband die Begutachtung ohne Begleitperson verweigert, so dass der Unfallversicherungsträger Leistungen wegen mangelnder Mitwirkung nach § 66 SGB I ablehnt. Wenn eine sprachliche Verständigung notwendig ist, diese aber nicht möglich ist, bedarf es eines Dolmetschers (Folien 28-30). Gesetzliche Regelungen hierüber gibt es nicht. Es besteht auch keine Verpflichtung, bei fremdsprachlichen Probanden, einen Dolmetscher hinzuzuziehen. Wichtig erscheint vor allem der praktische Hinweis, in einem kurzen Satz im Gutachten zu dokumentieren, dass eine sprachliche Verständigung möglich war, so dass darauf verzichtet wurde, einen Gutachter beizuziehen. Literaturhinweise Bieresborn (Hrsg.) Einführung in die medizinische Sachverständigentätigkeit vor den Sozialgerichten, Referenz Verlag Frankfurt, 2015 Feddern/Widder, Die Pflicht des gerichtlichen Gutachters zur persönlichen Untersuchung MedSach 2009, 93-95 Toparkus, Typische Fehler in der Begutachtung - aus sozialrechtlicher Sicht, MedSach 2012, 230-235 Roller, Die rechtliche Bewertung medizinischer Gutachten im Sozialrecht, WzS 2013, 332-336 Toparkus, Ärztliche Begutachtung im Spannungsfeld von Qualität und Quantität - aus richterlicher Sicht, MedSach 2015, 120-125 Aktueller Nachtrag: Interview Lindemann (Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer – BDÜ) in: NJW aktuell 30/2015, 12; ergänzende Informationen auch unter www.bdue.de © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 3 Beteiligte bei der Begutachtung und ihre Rolle im Verfahren Klaus Feddern BG Verkehr Bezirksverwaltung Wiesbaden Begutachtungs-Seminar Stuttgart, 08.07.2015 Agenda Rollenwechsel Rahmenbedingungen Mehrzahl von Gutachtern Hilfspersonen Familienangehörige Dolmetscher Seite 2 Rollenwechsel: Arzt / Patient Gutachter / Proband Arzt / Patient Besonderes Vertrauensverhältnis Schweigepflicht Gutachter / Proband Objektive Beurteilung Offenbarung von Ergebnissen Behandelnder Arzt als Gutachter ? Seite 3 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 4 Rollenwechsel: Arzt / Patient Gutachter / Proband Arzt / Patient Dienstvertrag Arzt/Patient Gutachter / Proband Werkvertrag Auftraggeber/Patient Seite 4 Behandelnder Arzt als Gutachter ? Ende des Vertrauensverhältnisses? Objektivität? Eigener Anspruch an das Heilergebnis? Beste Expertise Operation Reha-Verlauf - regelmäßig keine Bedenken Ausnahme Befangenheit Sonderfall psychiatrische Begutachtung Seite 5 § 200 Abs. 2 SGB VII Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht … hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren. § 14 Abs. 5 SGB IX … Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, beauftragt der Rehabilitationsträger unverzüglich einen geeigneten Sachverständigen. Er benennt den Leistungsberechtigten in der Regel drei möglichst wohnortnahe Sachverständige … Seite 6 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 5 Der (bestimmte) Gutachter = der vom Auftraggeber benannte Gutachter Beweisbeschluss des Gerichtes Verpflichteter nach § 407 ZPO § 200 Abs. 2 SGB VII Vertragspartner des Auftraggebers Seite 7 Der (bestimmte) Gutachter im Verwaltungsverfahren § 22 Abs. 3 SGB X Verpflichtung nur, wenn gesetzlich vorgesehen Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger DGUV Gutachterverzeichnis Seite 8 Delegation bei Gutachten Zulässig Hilfsdienste (Blutentnahme, Feststellung Körpergröße/gewicht, Pulsfrequenz pp.) Untersuchung durch ärztliche Mitarbeiter Anamneseerhebung durch ärztliche Mitarbeiter Ultraschall durch ärztliche Mitarbeiter/beauftragten Arzt Röntgen durch anderen Arzt Aber: (eigene) Verantwortung des benannten Arztes für das Gutachten Seite 9 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 6 Delegation bei Gutachten Sonderfall: Psychiatrische Anamnese zumindest auch durch den beauftragten Gutachter Ebenso bei der Begutachtung chronischer Schmerzen (?) Auch hier: (eigene) Verantwortung des benannten Arztes für das Gutachten Seite 10 Zusatzgutachten Abgrenzung Befunderhebung Delegation zulässig ergänzende Begutachtung Benennung durch Auftraggeber nicht durch Gutachter Seite 11 Zusatzgutachten im Verwaltungsverfahren ergänzende Begutachtung Gutachterauswahl § 200 Abs. 2 SGB VII Idealerweise vorab durch Auftraggeber „Paketgutachter“ ggf. Hinweis durch Gutachter an Auftraggeber rechtliche Hinweise (§ 200 Abs. 2 SGB VII) durch Gutachter? Seite 12 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 7 Begleitpersonen bei der Begutachtung Leitlinie Allgemeine Grundlagen der medizinischen Begutachtung (AWMF-Leitlinie 094/001) schweigt zu den Themen Begleitperson und Dolmetscher Seite 13 Begleitpersonen bei der Begutachtung Keine gesetzliche Regelung Rechtlicher Anknüpfungspunkt Ablehnung von Begleitperson durch Gutachter keine Mitwirkung des Probanden Ablehnung von Leistungen durch UV-Träger (§ 66 SGB I) Seite 14 Begleitpersonen bei der Begutachtung Pro und Contra - praktische/logistische Probleme Störung der Anamneseerhebung / Untersuchung Seite 15 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 8 Begleitpersonen bei der Begutachtung Pro und Contra + keine grundsätzlichen Bedenken + Proband ist einverstanden + hilfreich bei körperlichen, sprachlichen oder kulturellen Barrieren + transparentes Verfahren + Förderung des weiteren Heilverfahrens + Akzeptanz des Gutachtensergebnisses Seite 16 Begleitpersonen bei der Begutachtung Ablehnung von Begleitpersonen seltener Ausnahmefall In der Schüler-UV Regelfall (Elternbegleitung) Ablehnungsgründe z.B.: - Bedrohung - Behinderung der Untersuchung - Beeinflussung des Gutachters, die das Vertrauensverhältnis beeinträchtigt Seite 17 Begleitpersonen bei der Begutachtung Entscheidung durch den verantwortlichen Gutachter (fachgerechtes Ermessen) (grundsätzliches) Anwesenheitsrecht wird z.T. angenommen Sachgerechte, ggf. begründete Entscheidung geboten (wegen möglicher Rechtsfolgen) Seite 18 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 9 Begleitpersonen bei der Begutachtung Bei einer gerichtlich veranlassten Untersuchung durch einen medizinischen Sachverständigen hat der Rentenbewerber grundsätzlich keinen Anspruch auf die Zulassung einer Teilnahme von Angehörigen Denn die fachliche Durchführung der Untersuchung ist zunächst Sache des Sachverständigen. Wenn es ein Sachverständiger für erforderlich hält, die Untersuchung in Abwesenheit dritter Personen vorzunehmen, weil er die Verfälschung des Ergebnisses der Exploration befürchtet, bewegt er sich … im Bereich seiner Fachkompetenz LSG Baden-Württemberg v. 24.10.2011 – L 11 R 4243/10 Seite 19 Begleitpersonen bei der Begutachtung Es besteht kein wissenschaftlicher Standard, der die Anwesenheit Dritter bei Gutachten der vorliegenden Art vorsieht. Gerade bei der Erhebung und Bewertung entsprechender psychischer Begleitumstände ist es aber von besonderer Bedeutung, dass sich der Sachverständige einen möglichst unmittelbaren und ungestörten Eindruck z.B. von den Schmerzerfahrungen des Probanden und von seinem Umgang mit den Schmerzen verschaffen kann LSG Baden-Württemberg v. 24.10.2011 – L 11 R 4243/10 Seite 20 Begleitpersonen bei der Begutachtung Besondere Umstände, die hier die Anwesenheit der Lebensgefährtin des Klägers zwingend erforderlich machten, liegen hier nicht vor. … Der der Gutachter (war) auch ohne Anwesenheit der Lebensgefährtin in der Lage …, die vorhandenen Erkrankungen und Leistungseinschränkungen auf dem von ihm zu begutachtenden Fachgebiet festzustellen. LSG Baden-Württemberg v. 24.10.2011 – L 11 R 4243/10 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest Seite 21 10 Begleitpersonen bei der Begutachtung Der Kläger kann die Anwesenheit eines Dritten bei der psychiatrischen Exploration dann nicht verlangen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Anwesenheit des Dritten Angaben verfälscht werden und so die Verwertbarkeit des Gutachtens in Frage gestellt wird. LSG Berlin-Brandenburg v. 17.02.2010 – L 31 R 1292/08 Seite 22 Begleitpersonen bei der Begutachtung Der Grundsatz des Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör verpflichtet den Richter wie den Sachverständigen zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation. LSG Berlin-Brandenburg v. 17.02.2010 – L 31 R 1292/08 Seite 23 Begleitpersonen bei der Begutachtung Deshalb dürfte ein genereller Ausschluss von Vertrauenspersonen des zu Untersuchenden, hier des Ehepartners, weder mit dem Grundsatz der Parteiöffentlichkeit noch mit dem eines fairen Verfahrens in Einklang zu bringen sein. Denn angesichts der in die Persönlichkeit eingreifenden Beweisaufnahme durch einen gerichtlichen Sachverständigen kann eine Begleitung durch eine Vertrauensperson bei der Untersuchung gerechtfertigt sein. LSG Berlin-Brandenburg v. 17.02.2010 – L 31 R 1292/08 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest Seite 24 11 Begleitpersonen bei der Begutachtung Bei der Entscheidung des Sachverständigen, die Anwesenheit eines Ehegatten während der Untersuchung nicht zu gestatten, handelt es sich um eine Abwägung des Sachverständigen, die in seinem fachlichen Ermessen steht. Die Entscheidung stellt eine medizinisch fachliche Frage dar, die allein kein Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit rechtfertigt. Bayerisches LSG v. 20.11.2013 – L 2 SF 155/12 B Seite 25 Begleitpersonen bei der Begutachtung Im Übrigen haben die gerichtlichen Sachverständigen bei verfahrensrechtlichen Problemen immer die Möglichkeit, das beauftragende Gericht nach § 404a ZPO um entsprechende Weisung zu bitten. Anmerkung Keller zu Bayerisches LSG aaO., jurisPR-SozR 6/14, Anm. 5 Dies sollte entsprechend bei Gutachten im Verwaltungsverfahren beachtet werden. Seite 26 Begleitpersonen bei der Begutachtung Der generelle Ausschluss eines Rechtsanwalts von der Untersuchung eines Klägers durch einen vom Gericht bestellten ärztlichen Sachverständigen ist mit den Grundsätzen der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme und des fairen Verfahrens unvereinbar, wenn der Kläger die Anwesenheit seines Anwalts oder einer anderen Vertrauensperson wünscht. D8as Gericht hatte die mögliche Befangenheit eines Richters wegen dessen Hinweis nach § 404a ZPO zu prüfen9 LSG Rheinland-Pfalz v. 23.02.2006 – L 4 B 33/06 SB © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest Seite 27 12 Dolmetscher Wenn eine sprachliche Verständigung notwendig ist, diese aber nicht möglich ist, bedarf es eines Dolmetschers Seite 28 Dolmetscher § 19 Abs. 1 SGB X Die Amtssprache ist deutsch. Hörbehinderte Menschen haben das Recht, zur Verständigung in der Amtssprache Gebärdensprache zu verwenden; Aufwendungen für Dolmetscher sind von der Behörde oder dem für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger zu tragen. Seite 29 Dolmetscher Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen (AWMF-Leitlinie 030/102) Da bei der Begutachtung von Schmerzen der Anamneseerhebung besondere Bedeutung zukommt, soll bei fremdsprachigen Personen bereits vor der Begutachtung geklärt werden, ob hierzu ein Dolmetscher erforderlich ist. Sofern dies der Fall ist, sollte beim Auftraggeber die Heranziehung eines Dolmetschers beantragt werden. Familienangehörige, Freunde oder Bekannte sind i.d.R. aufgrund der Interessensverknüpfung mit dem zu Begutachtenden als Dolmetscher nicht geeignet. Seite 30 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 13 Take home Rollenwechsel Arzt / Patient Gutachter / Proband beachten Formelle Gesichtspunkte berücksichtigen, um Fehler zu vermeiden Transparentes Verfahren sichert Akzeptanz Begleitpersonen: im Regelfall ja, sachgerechte Ablehnung im Einzelfall Dolmetscher wenn nötig einschalten Seite 31 Danke für Ihre Aufmerksamkeit [email protected] Seite 32 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 14 Begutachtung von Migranten aus medizinischer Sicht Dr. Sara Aytac © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 15 Universität Heidelberg Begutachtung von Migranten aus medizinischer Sicht Sâra D. Aytaç [eye touch] Begutachtungsseminar für Chefärzte und Chefärztinnen- DGUV Landesverband Südwest Universität Heidelberg Die Medizin (von lateinisch ars medicinae, „ärztliche Kunst“ die „Heilkunde“) ist die Lehre von der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen bei Menschen und Tieren. Begutachtung von Migranten aus ärztlicher Sicht: Zwischenmenschliche Kommunikation Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest Seite 1 Universität Heidelberg Das interessante 1. RGA 57 Jahre, männlich seit >20 J bei Lufthansa Cargo, Versorgungscontainer (15kg) stürzt aus ca 1,5m Höhe fast axial auf Schädel: initial benommen und schwindelig (<10min), kleine Prellmarke auf der Stirn. AU < 5 Tage. Persistierende Symptome wie Kopfschmerzen, Konzentrationsstörung, Tinnitus. MRT? Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest Seite 3 16 Universität Heidelberg Demo Neurochirurgie: (Ohne Kenntnis der Symtome!) Glianarbe im Bereich olfaktorischer und akustischer Cortex! Aufgrund Unfallmechanismus am ehesten in Kombination mit Abscherung Nervenfaser bei Eintritt in Frontalhirn! Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest Seite 4 Universität Heidelberg Zum Vergleich: Vorher MdE auf UCHI Gebiet 0%, keine weiteren Fachrichtungen involviert, Gesamt MdE 0%. Jetzt: UCHI unverändert 0%, aber: 10% auf HNO Gebiet. (Bei besonderer beruflicher Betroffenheit: 20%!) Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest Seite 5 Universität Heidelberg Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest Seite 6 17 Universität Heidelberg Bloss ein Missverständnis? Das Wort „verstehen“ gibt es auf fünf Ebenen: •Der Empfänger hat die Nachricht akustisch richtig wahrgenommen. •Der Empfänger fasst einen Sachverhalt so auf, wie er vom Sender auch gemeint war. •Sender und Empfänger sind gleicher Meinung. •Für jemanden oder eine Situation Verständnis haben. •Durch Übung Gelerntes („sich auf etwas verstehen“). aus: Hermann Paul/Georg Objartel/Helmut Hänne/Heidrun Kämper, a.a.O., S.1106 Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest Seite 7 Universität Heidelberg Lösung ? Idiolektische Gesprächsführung ist eine Gesprächsform mit Augenmerk auf der Eigensprache, dem sogenannten Idiolekt des Gesprächspartners. Unter dem Idiolekt versteht man das individuelle Sprachmuster eines Sprechenden mit all seinen phonetischen, grammatikalischen und die Wortwahl betreffenden Vorlieben. Der Zuhörende fokussiert sich voll auf den Sprechenden. Anwendungsbereiche Die idiolektische Gesprächsführung kann in erkenntnis- und forschungsorientierten Settings Anwendung finden. Daneben auch in angespannten Alltagssituationen, da die idiolektische Gesprächsführung stark deeskalierend wirkt. Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest Seite 8 Universität Heidelberg Aber: Idiolektische Gesprächsführung: gilt nur für gemeinsame Sprache! Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest Seite 9 18 Universität Heidelberg Problem der interkulturellen Kommunikation ? Non verbale Kommunikation! Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest Seite 10 Universität Heidelberg Werte und Tradition Rollenverteilung Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest Seite 11 Universität Heidelberg Sprachbarriere Schmerz {m} ızdırap {Subst.} (eher: Pein, Qual) Schmerz {m} ağrı {Subst.} (eher Schmerz im „herkömmlichen“ Sinne, auch Weh) Schmerz {m} keder {Subst.} (eher: Kummer, Sorge) Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest Seite 12 19 Universität Heidelberg Lösung: Dolmetscher!!! Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest Seite 13 Universität Heidelberg Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest Seite 14 Universität Heidelberg Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest Seite 15 20 Universität Heidelberg Dikkatiniz için çok teşekkür ederim, sorularınızı cevaplamakta büyük mutluluk duyarım. Herkese emniyetli bir eve dönüş diliyorum. Begutachtungsseminar - DGUV Landesverband Südwest © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest Seite 16 21 Begutachtung von Migranten aus rechtlicher Sicht Philipp Stark © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 22 08.07.2015 Stuttgart Vizepräsident des SG Karlsruhe Philipp Stark § 373 ZPO i.V.m. § 402 ZPO Der Zeugenbeweis wird durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten. Sachverhaltsermittlung hat Vorrang. Feststehende Tatsachen sind von Spekulation und Werturteilen deutlich abzugrenzen. Juristische Wertungen sind zu vermeiden. VPrSG Philipp Stark 2 § 407a Abs. 2 ZPO Der Sachverständige ist nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt. Die wesentliche Erforschung und Feststellung des Sachverhalts muss durch den Gutachter selbst erfolgen. Dolmetscher und andere Hilfspersonen sowie der Umfang ihrer Mitwirkung sind zu benennen. VPrSG Philipp Stark © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 3 23 § 406 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 60 Abs. 1 SGG, §§ 41 ff. ZPO Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden, insbesondere also bei begründetem Verdacht auf Befangenheit. Der Sachverständige hat daher die Neutralität zu wahren. VPrSG Philipp Stark 4 BVerfG vom 19. November 2014 – 1 BvR 1178/14 – zu Gutachten im Familienrecht: Neutralität Beantwortung der gestellten Beweisfragen Ausreichend umfangreiche Begründung, auch im Verhältnis zur Bedeutung der Sache VPrSG Philipp Stark 5 BSG vom 06. Februar 2008 – B 6 KA 40/06 R - zur Versagung eines Anspruchs auf Ermächtigung eines Psychotherapeuten wegen ausländischer Sprachkenntnisse: ethnopsychiatrische Kenntnisse sind wichtiger als einschlägige Sprachkenntnisse Arztversorgung durch Muttersprachler gehört nicht zum erforderlichen Umfang der GKV Das Diskriminierungsverbot (des AGG) verpflichtet nicht zum Ausgleich sprachbedingter Erschwernisse, die im Tatsächlichen auftreten. VPrSG Philipp Stark © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 6 24 BSG vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 25/89: Bei der Prüfung von Berufs- und Erwerbsunfähigkeit kann sich ein Versicherter nicht darauf berufen, dass eine andere Sprache als Deutsch seine Muttersprache ist und er für eine im Übrigen zumutbare Verweisungstätigkeit keine ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache habe. Keine sozialrechtliche Benachteiligung von Deutschsprachigen (auch Ausländern bzw. Migranten). VPrSG Philipp Stark 7 Grundsätzliche Aussagen anderer Gerichte: Migrationshintergrund und Sprachkenntnisse sind strikt zu trennen, da ein Zusammenhang nicht zwingend ist. (LG Düsseldorf, Urteil vom 02. September 2011 – 20 S 73/11) die fehlende Unterscheidung indiziert eine Ungenauigkeit der Beurteilung. VPrSG Philipp Stark 8 Aus der landsmannschaftlichen Verbundenheit des Gutachters oder aus deren Fehlen allein lässt sich ein Anhaltspunkt für eine Befangenheit nicht entnehmen. (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Dezember 2014 – L 16 R 504/12) Keine verfahrensrechtliche Benachteiligung von Nicht-Deutschsprachigen oder NichtMuttersprachlern; das gilt auch für Dolmetscher. VPrSG Philipp Stark © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 9 25 Die Behauptung von Verständigungsproblemen erstmals in zweiter Instanz kann prozessual verspätet sein. (OLG Koblenz, Beschluss vom 21. März 2012 – 5 U 1011/11) Die Kommunikation zwischen Proband und Kläger muss gewährleistet sein, was zeitnah dokumentiert werden sollte, wenn es sich nicht bereits aus den Umständen ergibt. Die Rüge einer Verletzung dieses Grundsatzes kann auch ohne Dokumentation verspätet sein. VPrSG Philipp Stark 10 Nicht jede Reaktion auf bestehende Vorprägungen durch die Verhältnisse im jeweiligen Heimatland muss den Charakter einer Diskriminierung haben. Daraus resultierende Konflikte müssen und dürfen nicht ausgeblendet oder verharmlost werden. (OVG Lüneburg, Urteil vom 02. Juli 2014 – 2 LB 376/12) Kulturelle Unterschiede von Relevanz dürfen und müssen ggf. benannt werden, wobei die Sachlichkeit zu wahren ist. Diese kann aber auch bei einer an sich sachlichen Äußerung bei fehlender Relevanz fraglich sein. VPrSG Philipp Stark 11 (…) liegen beim Antragsteller eine kombinierte Entwicklungsstörung (…) und ein Zustand nach deprivatorischen Lebensumständen mit Migrationshintergrund vor. (…) wären auf Grund des Zeitablaufes Entwicklungschancen der Frühförderung unwiederbringlich verloren. (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29. Januar 2014 – L 8 SO 243/13 B ER) Ein Migrationshintergrund kann Defizite erklären bzw. plausibel machen und damit zur Erfüllung von Anspruchsvoraussetzungen beitragen. VPrSG Philipp Stark © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 12 26 Dr. P. setzt sich bei der Bejahung des Kausalzusammenhangs nicht damit auseinander, ob unfallunabhängige seelische Belastungen wie Verlust des Arbeitsplatzes, Migrationshintergrund, (…) rechtlich wesentlich zum weiteren Verlauf der psychischen Erkrankung beigetragen haben. (SG Duisburg, Urteil vom 06. Juli 2012 – S 4 KN 470/10 U) In der GUV stellt der Migrationshintergrund zwar ein mögliches Erklärungsmuster für die Entstehung oder Verstärkung von Krankheitsmustern dar, im Regelfall handelt es sich jedoch hierbei um eine versicherungsfremde Konkurrenzursache. VPrSG Philipp Stark 13 Konkretes Beispiel hierzu: Hinzu kommt, was die Entwicklung einer depressiven Störung angeht, nach heutigem Kenntnisstand wahrscheinlich auch noch eine individuelle Disposition. Auch werden die hier nicht näher zu erörternden Lebensumstände von Menschen mit Migrationshintergrund in der Literatur immer wieder für die Entstehung von Depressionen verantwortlich gemacht. Im konkreten Fall sei z.B. darauf verwiesen, dass der Kläger berichtete, sein Haus in Kroatien aus finanziellen Gründen nur zweimal im Jahr aufsuchen zu können. (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 07. Dezember 2010 – L 3 U 145/09) VPrSG Philipp Stark 14 Schlussfolgerungen für die Begutachtung von Migranten aus rechtlicher Sicht I.Sachverhaltsermittlung 1.Berücksichtigung von möglichen Sprachproblemen oder kulturellen Unterschieden 2.Abwägung der konkreten Bedeutung von Migration im Einzelfall 3.Grad der Integration 4.Ausreichend Zeit für die Begutachtung! VPrSG Philipp Stark © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 15 27 Schlussfolgerungen für die Begutachtung von Migranten aus rechtlicher Sicht II. Hilfspersonen 1.Dolmetscher - im Zweifel hinzuzuziehen, Klärung vorab - möglichst selber Kulturkreis und selbes Geschlecht wie Proband - Gespräch mit Probanden, nicht mit Dolmetscher - möglichst wortgleiche Übersetzung VPrSG Philipp Stark 16 Schlussfolgerungen für die Begutachtung von Migranten aus rechtlicher Sicht 2. Familienmitglieder - als Dolmetscher nicht neutral - für Fremdanamnese eher geeignet, vor allem bei schweigsamen Probanden 3.Dolmetschende Praxisangehörige - nur als Notbehelf VPrSG Philipp Stark 17 Schlussfolgerungen für die Begutachtung von Migranten aus rechtlicher Sicht III. Beantwortung der Beweisfragen 1.Ausreichende Würdigung der Migrationssituation im Gutachten 2.Hierbei: Besondere Beachtung der Anamnese und der tatsächlichen Integration VPrSG Philipp Stark © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 18 28 Schlussfolgerungen für die Begutachtung von Migranten aus rechtlicher Sicht IV. Neutralität - Offenheit gegenüber Prägungen und Einflüssen einer anderen Kultur - kritische und angemessene Berücksichtigung dieser Einflüsse - zurückhaltende, vor allem nicht herablassende Ausdrucksweise - Trennung von Beschwerden, Befunden, Diagnosen, und Schlussfolgerungen - Fehlen von negativen Bewertungen oder nicht veranlassten Rechtsausführungen VPrSG Philipp Stark 19 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! VPrSG Philipp Stark 20 Fundstellen und Literaturhinweise Elling: Medizinische Sachverständigengutachten in der sozialgerichtlichen Praxis - Qualitätssicherung bei Auftraggeber und Auftragnehmer, NZS 2005, 121 Hausotter/Schouler-Ocak, Begutachtung bei Menschen mit Migrationshintergrund, 2. Aufl. 2013 Hausotter, Begutachtungen bei Migrationshintergrund, MedSach 2010, 110 Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl. 2009 VPrSG Philipp Stark © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 21 29 Unfallbedingte HWS-Distorsion, begutachtungsrelevante Aspekte und Einschätzung der MdE PD Dr. Andreas Badke © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 30 HWS - Distorsion PD Dr. med. A.Badke Chefarzt der Abteilung für Querschnittgelähmte, Technische Orthopädie und Wirbelsäulenchirurgie Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen 14.08.2015 The never ending story PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Historisches: 1928 Crowe „Whiplash Injury“ 1953 Gay Abbott Psychoneurotische Reaktion 1966 Hauptthema der 83. Tagung der DGCH 1995 Publikation der QTF PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 31 Zur Klinik: PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Unfall mit Krafteinleitung auf die Halswirbelsäule Unfallopfer beklagt: Nackenbeschwerden Kopfschmerzen Übelkeit Schwindel Tinnitus Paräesthesien obere Extremitäten PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Klinischer Befund: Die klinische Untersuchung umfasst immer: • Palpationsbefund • Feststellung der Beweglichkeit • Neurologische Untersuchung. Der sorgfältigen Dokumentation des klinischen Erstbefundes kommt für die spätere gutachterliche Aufarbeitung der Unfallfolgen entscheidende Bedeutung zu. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 32 Erdmann - Klassifikation Grad 1 Schmerzen nach freiem Intervall > 6 h Grad 2 Schmerzen unmittelbar nach dem Trauma Grad 3 Schmerzen und pathologischer Untersuchungsbefund PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen QTF - Klassifikation Grad 1 Nackenschmerz, Verspannung Grad 2 zusätzlich somatische Befunde ( z.B Bewegungseinschränkung, Druckschmerz ) Grad 3 zusätzlich neurologische Symptome Grad 4 Fraktur oder Luxation PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Radiologische Befunde „Zahnradphä Zahnradphänomen“ nomen“ B.S., weibl., 15 J. Funktionsaufnahmen im Beisein des Gutachters PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 33 B.S., weibl., 15 J. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Merke: Instabilitätskriterien untere HWS: • Translation der Hinterkanten > 3 mm • Angulation der Wirbelkörper > 11° • Facettenartikulation < 50 % Zusätzliche Hinweise auf instabile Verletzungen: • Knöcherner Ausriss der vorderen unteren WK – Kante „teardrop“ • Prävertebraler Weichteilschatten verbreitert • Distanzvergrößerung der Processus spinosi • Unterbrechung der spinolaminären Linie PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen MRT Indikation: Absolute Indikation bei neurologischen Ausfällen ohne nativradiologisch oder computertomographisch nachgewiesenes Korrelat. Bei Beschleunigungsverletzungen spätestens bei nach 4 Wochen noch bestehenden Beschwerden. Bei Patienten, die nach einer Beschleunigungsverletzung stationär behandelt werden. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 34 Rate der Patienten mit Beschwerden nach 6 Monaten: Galasko Radanov Claussen Spitzner Eigene 48 % 30 % 15 - 20 % 13 % 15,5 % PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen „Yellow Flags“ PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Hohe initiale Schmerzintensität Persistierende Schlafstörungen Persistierende vegetative Symptome Persistierender Tinnitus oder Schwindel Vorbestehende degenerative Veränderungen Prätraumatischer Kopf- oder Nackenschmerz Depressivität Belastende Arbeitssituation Streitigkeiten mit der Versicherung PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 35 Zur Begutachtung PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Arbeitsunfall – Prüfschema Bundessozialgericht Zusammenhangsgutachten Arbeitsunfall Unfall UE VT VP GS GS 1 Vers. Person + grds. vers. Tätigkeit Verrichtung zur Unfallzeit Unfall- 2-x Weitere Gesundheitsschäden Gesundheits- Unfallereignis erstschaden haftungsbegründende haftungsausfüllende Kausalität PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen „Dem medizinischen Sachverständigen obliegt es, den Gesundheitserstschaden und die Unfallfolge im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, und die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität im Wege der Beweiserleichterung mit Wahrscheinlichkeit zu sichern. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest hinreichender 36 Vollbeweis für alle Kausalfaktoren anspruchsbegründende Tatsachen z. B. - Richtung der Gewalteinwirkung - Intensität der Gewalteinwirkung - zeitlicher Zusammenhang - „Brückensymptome“ anspruchshindernde Tatsachen insbes. - Schadensanlage und deren Ausmaß - Vorerkrankung und deren Ausmaß Merksatz: Lässt sich ein Kausalfaktor (Unfallereignis / Vorschaden) nicht zweifelsfrei beweisen, stellt sich gar nicht die Frage, ob er Ursache im Rechtssinn sein könnte (vgl. z. B. BSG-Urteil v. 20.01.1987)! PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Zum Unfallmechanismus PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 37 Kollisionsdynamisches Gutachten Sinnvoll, wenn Unfallmechanismus und behaupteter Körperschäden diskrepant sind. Erlaubt Abschätzung des Gefährdungspotentials Definiert die Anknüpfungstatsachen Die Abschätzung von Krafteinwirkungen aus Photos, Unfallschilderungen etc. ist nicht Aufgabe des Mediziners. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen „Harmlosigkeitsgrenze“ Geringe Krafteinleitungen schließen schwere, strukturelle Verletzungen aus. Da die Ätiologie einer Störung QTF I und II nicht bekannt ist, kann eine Grenze für die Krafteinleitung, unter der diese Störung nicht auftreten kann, nur schwer begründet werden. Im Einzelfall sind Kopfstellung bei Krafteinleitung, Kopfanprall Ja/Nein, ggf. Trainingszustand der Muskulatur, anlagebedingte Hyper-/Hypomobilität mit zu berücksichtigen. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Vulnerabilität PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 38 Zum Erstkörperschaden PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen „Die Funktionsstörung des Bewegungssegmentes, die unabhängig von zufälligen degenerativen Veränderungen auftritt, kann durch zahlreiche Noxen ausgelöst werden. Akute oder chronische Überlastungen, Sport, Arbeitsstereotypien, Unterkühlungen, Infekte und andere sind in der Lage, die segmentalen Regelkreise zu überfordern und radikuläre oder pseudoradikuläre akute bis chronische Schmerzsyndrome auszulösen.“ (Eder / Tilscher 1988) PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 39 „Indizienbeweis“ für den Erstkörperschaden Keine Symptomatik im Zeitraum vor dem Unfallgeschehen Verletzungsmöglichkeit unfallmechanisch plausibel Beschwerdearmes Intervall längstens bis zum Morgen des Unfallfolgetages Passendes subjektives Beschwerdebild Beschwerdeprovokation an den Weichteilen durch Druck- und Bewegung Beschwerdemaximum im engen zeitlichen Verhältnis zur Unfalleinwirkung Abklingen der Beschwerden in einem überschaubaren Zeitraum von Tagen bis längstens 2 bis 3 Wochen Nach Schröter F. (2015): Distorsion der Halswirbelsäule – neue gutachterliche Aspekte. Trauma Berufskr 2015 online PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Erstkörperschaden Es besteht ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Ereignis und Beginn der Beschwerden. Zeitnah zum Ereignis wurde ein qualifizierter Untersuchungsbefund der Halswirbelsäule dokumentiert. In diesem Befund werden Funktionsstörungen (Muskelverhärtungen, Druckschmerzen, Bewegungseinschränkungen) niedergelegt. Das klinische Bild und die angegebenen Beschwerden sind vereinbar. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Verhalten nach dem Unfall !! PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 40 Das „beschwerdefreie Intervall“ „Wenn verbreitet wird, ein beschwerdefreies Intervall sei für Verletzungen im Bereich der Halswirbelsäule typisch, so ist dies falsch.“ (Ludolph 1995) Ein „beschwerdefreies Intervall“ zwischen angeschuldigtem Ereignis und dem Auftreten erster Beschwerden schließt gravierende strukturelle Verletzungen der HWS aus. Ein freies Intervall kann ein Indiz dafür sein, dass der Betroffene keine Verletzung erlitten hat. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Bewertung morphologischer Befunde an der HWS „Steilstellung der HWS“ ist nicht pathologisch. Keine Begriffe wie „Gefügestörung“, „segmentale Lockerung“ verwenden, da diese Begriffe nicht definiert sind und Wertungen enthalten, die nicht belegt werden können. Zum Nachweis unfallbedingter Schäden sind weder eine Funktions – MRT noch PET, Szintigraphie erforderlich. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Zum „Dauerschaden“ PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 41 Hypothesen zur Pathophysiologie: 1. Manualtherapeutisch 2. Neurophysiologisch 3. Schädigung der Muskulatur 4. Zellbiologisch PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Zu 1. Manualtherapeutisch Blockierung Atlastherapie Abb. aus Spiegel Wissen PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Zu 1. Manualtherapeutisch Die kraniomandibuläre Dysfunktion Hülse M,, Klosert-Bruggner B. (2009): Die kraniomandibuläre Dysfunktion – Eine nicht hat beachtete Pathologie des sog. HWS – Schleudertraumas. Manuelle Medizin 47: 7 – 15 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 42 Zu 2. „Neurootologisch“ „Multisensorische Konvergenz“ „Dysfunktionelle Störung“ „ (…) eigene Kreationen, die in keinem medizinischen Fachbuch zu finden sind und einer ernstzunehmenden Grundlage entbehren (…)“ (Noth 1997) PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Das cervico-cephale Syndrom Funktionsstörung der Kopfgelenke Ja oder Nein Differenzierte Untersuchungstechnik Sorgfältige Palpation der occipito-cervicalen Muskulatur Eingehende Beweglichkeitsprüfung in allen Ebenen (Neutralstellung, Inklination und Reklination) Untersuchung der Kiefergelenke und der Proc. mastoidei Es obliegt dem Neurologen bzw. dem HNO-Arzt, auf der Grundlage des orthopädisch-traumatologischen Befundes die Zusammenhangsfragen auf seinem Fachgebiet bezüglich der Funktionsstörungen, die nicht traumatologisch erklärbar sind, zu beantworten. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Zu 3. Schädigung der Muskulatur Hypothese zur Erklärung chronifizierter Beschwerden durch regressive Muskelveränderungen Kügelgen B, Kügelgen C ,·Baumgaertel F. (2002): HWS-Schleudertrauma Muskuläre Funktionsstörungen und Therapiekonzepte. Manuelle Medizin 40: 159–168 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 43 ---„(…) Folgen diverser mitochondrialer Funktionsstörungen (…)“ -- ---- Zu 4. Zellbiologisch Kuklinski B (2006): Das HWS – Trauma. Aurum in Kamphausen, Bielefeld n sin n U -------PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Ligamenta alaria Für die Annahme einer isolierten Verletzung der Ligamenta alaria findet sich in der wissenschaftlichen Literatur keine Bestätigung. Die Protagonisten dieser angeblichen Verletzung stützen sich insbesondere auf Befunde der funktionellen Kernspintomographie. Die von einem Autor beschriebenen isolierten Verletzungen der Flügelbänder konnten weder anatomisch noch kernspintomographisch bestätigt werden. K.-D. Thomann, · C. Schomerus · T. Sebestény · M. Rauschmann (2010) :„Isolierte Verletzung“ der Ligamenta alaria Kernspintomographische Diagnostik und operative Therapie. Orthopäde 2010 · 39:285–298 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Merke:: Die Interpretation morphologischer Befunde im MRT sowohl hinsichtlich ihrer therapeutischen Konsequenzen als auch hinsichtlich der Beurteilung des Unfallzusammenhangs sollte durch den Gutachter anhand der Originalaufnahmen erfolgen! In Zweifelsfällen kann ein radiologisches Zusatzgutachten sinnvoll sein. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 44 Eine durchgeführte Therapie darf nicht als Begründung für die Annahme eines schweren Schadens angeführt werden. Vielmehr ist gutachtlich zu begründen, warum der zur Therapie führende klinische Befund als Unfallfolge aufzufassen ist. aber „Zu berücksichtigen sind dabei auch eingetretene Komplikationen oder Fehlbehandlungen, die – wenn die Behandlung auf Unfallfolgen ausgerichtet war – mit ihren Folgeerscheinungen auch dem Unfall zuzurechnen sind.“ Nach Schröter F. (2015): Distorsion der Halswirbelsäule – neue gutachterliche Aspekte. Trauma Berufskr 2015 online PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Der Problemfall Konstellation: Niederenergetisches Trauma (klassischer Auffahrunfall) WAD QTF I oder II Multiple Therapieformen Langanhaltende Beschwerden, ggf. mit gravierenden Konsequenzen für die Lebensführung PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen K.,M., weibl., 32 J. Klassischer Heckanprall, Sofort Beschwerden, Schwindel, Tinnitus Nackenschmerzen, „HWS verspannt, endgradige Bewegungseinschränkung“ Vorerkrankungsverzeichnis leer, MRT 3 Wochen nach Unfall Deg. Veränderungen C5/6 und 6/7 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 45 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Prüfschema nach Schröter PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 46 Fazit: Begutachtung nach einheitlichem Schema (Prüfschema, Standardfragen) Im Zweifel kollisionsdynamisches GA Pro und Contras der Kausalitätsbegründung auflisten PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Fazit: Ohne Erstschaden keine Chronifizierung!! Wenn Erstschaden als „Weichteilzerrung“ / QTF 1 und 2, dann ist kein Dauerschaden begründbar! PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Literatur H. Schrader · L.J. Stovner · T. Sand (2007): Studien zum Halswirbelsäulenschleudertrauma kritisch hinterfragt; Der Orthopäde 36:379–380. Spitzer WO, Skovron ML, Salmi LR, et al. (1995);: Scientific monograph of the Quebec Task Force on Whiplash-Associated Disorders: redefining "whiplash" and its management. Spine.1995;20(suppl):1S-73S. Schrader H, Obelieniene D, Bovim G, et al. (1995): Natural evolution of late whiplash syndrome outside the medicolegal context.Lancet 347:1207-1211. Castro WHM, Schilgen M, Meyer S, Meyer S, Weber M, Peuker C, Wörtler K, Wörtler K (1997): Do „whi plash injuries“ occur in low speed rear impacts? Eur Spine J 6:366–375 Kügelgen et al.(2002): HWS – Schleudertrauma – Beriffsbestimmunen und ätiologische Aspekte. Manuelle Medizin 40 101-110 K.-D. Thomann, · C. Schomerus · T. Sebestény · M. Rauschmann (2010) :„Isolierte Verletzung“ der Ligamenta alaria Kernspintomographische Diagnostik und operative Therapie. Orthopäde 2010 · 39:285–298 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 47 Literatur Schröter F. (2015): Distorsion der Halswirbelsäule – neue gutachterliche Aspekte. Trauma Berufskr 2015 online Schröter F.. (2010): „HWS – Schleudertrauma nach geringfügigen Unfällen Konstrukt oder ernstzunehmende Verletzung? Orthopäde 39 276-284 Hülse M,, Klosert-Bruggner B. (2009): Die kraniomandibuläre Dysfunktion – Eine nicht hat beachtete Pathologie des sog. HWS – Schleudertraumas. Manuelle Medizin 47: 7 – 15 Thomann KD, Hollo DJ, Gaidzik PW (2014): Sonderfall einer Zusammenhangsbegutachtung: HWS – Distorsion nach Verkehrsunfällen („Schleudertrauma“). In: Hollo p, Schilternwolf (Hrsg): Begutachtung der Thieme .. Castro WH, Meyer SJ, Becke ME et al. (2001) No Stress – No Whiplash? Prevalence of „Whiplash“ Symptoms following Exposure to a Placebao Rear-End-Collision. Int J Legal Med 114: 316-322 Lamb SE, Gates S, Williams MA et al. (2013): Emergency Departement Treatments and Physiotherapy for acute Whipilash: a pragmatic, Twostep, randomisis controlled Trail. Lancet 9 866: 546-556 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Literatur Weber M. (2010): Unfallanalyse und Biomechanik - Zur Bedeutung unfallanalytischer Gutachten für die medizinische Einschätzung der Schwere von Wirbelsäulenverletzungen. Orthopäde 2010 · 39:264–275 Magin M, ·Auer C (2014): Begutachtung der Halswirbelsäulendistorsion Interdisziplinärer unfallchirurgischorthopädischer und biomechanischer Ansatz. Unfallchirurg · 117:263–273 Lang CJG, Badke A, Grifka J et al. (2008): Leitlinie Begutachtung der Halswirbeldistorsion. Akt Neurolog 35: 131 – 137 Weber M, Badke A., Haushotter W. (2004): Anhaltspunkte für die Begutachtung von H Halswirbelverletzungen. DGU Mitteilungen und Nachrichten Suppl 12 - 242 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen The story goes on! PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 48 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 49 Begutachtung von Wirbelfrakturen Dr. Stefan Matschke © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 50 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 51 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 52 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 53 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 54 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 55 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 56 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 57 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 58 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 59 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 60 Fälle Begutachtung Wirbelsäule PD Dr. Andreas Badke © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 61 Fälle Begutachtung Wirbelsäule PD Dr. Andreas Badke Chefarzt der Abteilung für Querschnittgelähmte, Technische Orthopädie und Wirbelsäulenchirurgie Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen 14.08.2015 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen MdE Bewertung PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Orientierung an Wirbelkörperform: Gut verheilte VK – Absprengung 5% Deckplattenimpression 5% 1/3 VK - Höhenminderung 10 % 2/3 VK – Höhenminderung 15 % Grober WK – Verformung 20 % Degeneration ein angrenzender BSR Degeneration zwei angrenzende BSR Op bedingter Weichteilschaden Verbliebendes Metall +5 % +10 % +5 % +5 % Nach Rompe 2003 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 62 Segmentprinzip: Nach Weber 1992 Segment Grad % C0/1 C1/2 C2/3 C3/4 C4/5 C5/6 C6/7 C7/ T1 T1/2 T2/3 T3/4 T4/5 T5/6 T6/7 T7/8 T8/9 T 9 / 10 T 10 / 11 T 11 / 12 T 12 / L1 L1/2 L2/3 L3/4 L4/5 L5/S1 50 46 37 39 46 42 39 32 14 14 14 14 14 16 12 12 12 14 12 23 21 23 29 36 30 7,8 7,2 5,8 6,1 7,2 6,6 6,1 5,0 2,2 2,2 2,2 2,2 2,2 2,5 1,8 1,8 1,8 2,2 1,8 3,6 3,3 3,6 4,5 5,6 4,7 Segmentwert x 1 Bandscheibenbeteiligung x 2 Fehlform / Skoliose x 3 Ankylose x 4 Instabilität Grad I x 5 Instabilität Grad II PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Bewertung: VK Höhenminderung 1 / 3 10 Degeneration einer Bandscheibe +5 Weichteilschaden nach Op +5 __ 20 % PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Bewertung: Segment T 12 / L1 Wert 3,6 X 2 (Fehlform) = 7,2 % PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 63 Bewertung: a) T12 / L1 L1 / 2 3,6 x 3 = 10,8 3,3 x 3 = 9,9 -------20,7 b) Grober Verformung WK Op bed. Weichteilschaden Deg. ein angr. BSR 20 +5 +5 -----30 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Bewertung: a) T11 / 12 1,8 x 3 = 5,4 -------5,4 b) „Deckplattenimpression“ Op bed. Weichteilschaden 5 +5 -----10 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Fall G.H.: 68 J. Subluxation HWK 6 / 7, ventrale Spondylodese mit BK - Span GA 18 Monate nach Unfall: Subjekt. Ausgeprägte Schmerzen Nacken, Neurostatus oB Befund: HWS vor / rück 20 - 0 - 30, rot re. / li. 40 - 0 - 40, diff. DS gesamte Nackenmuskulatur PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 64 Fall G.H.: 68 J. MdE 10 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Ereignis: Sturz von der Leiter, ca. 2,5 m Höhe Aufprall auf das Gesäß Klinik: Akute Rückenbeschwerden ohne Ausstrahlung in die Beine, zunächst keine Neurologie Am Folgetag Ischialgie, Pelzigkeit S1 li. Vorzustand: Gesund, Vorerkrankungsverzeichnis leer. S.J. , 32 J. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen MRT 3 Wo. nach Unfall PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 65 Bewertung: Trauma geeignet Unmittelbare Lumbalgie Kein klinisch relevanter Vorschaden Trauma ist rechtlich wesentliche Ursache des BSV Postop. rasche Erholung, keine Neurologie Endgradige Funktionsminderung MdE 10 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Ereignis: Auf der Baustelle einen schweren Betonring von einem LKW abgeladen Klinik: Stechender Schmerz im Rücken mit Ausstrahlung in beide OS, keine Ausfälle Vorzustand: Lt. Vorerkr.Verzeichnis 2 und 5 J. vor dem Ereignis kurze AU Zeiten wg. Lumbago S.E. , 62 J. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 66 Bewertung: Vorschaden ausgeprägt Kein Überraschungsmoment Morphologisch keine frische Verletzung Ereignis als Gelegenheitsursache eingestuft PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Ereignis: Sturz auf der Treppe, prallt mit dem Rücken auf die Treppenstufe Klinik: Prellmarke am Rücken, starke Lumbago, keine radikuläre Symptomatik Vorzustand: Beschwerdefrei, lt. Vorerkr.-verz. Keine Behandlungen wg. WS dokumentiert, Leistungssportler (Tennis) Spondylolyse seit Wehrdienst bekannt S.N. , 34 J. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Bewertung: Ereignis führt zu einer Richtunggebenden Verschlimmerung des anlagebedingten Leidens Behandlung wird bg-lich geführt Derzeitiger Funktionszustand Entspricht einer MdE von 20% S.N. , 34 J. PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 67 F, M, 52 Jahre Unfall 13.07.1983 GA 17.10.2012: Knöchern verheilte Fraktur mit Verblockung TH1 bis L3 Buckelbildung von 20° und S-förmige Verkrümmung Narbenbildung am Rücken mit eingezogener Narbe am oberen Pol Konzentrische Bewegungseinschränkung Anschlußarthrose Th 11/12, Th10 / 11 und L 3/ 4 Unfallunabhängig Leicht Spondylolisthesis L 5 / S1 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen 03.07.2014 Op bei BSV L4 / 5 mit nach caudal umgeschlagenem Sequester und Kompression der Wurzel L 5 rechts und intraforaminaler Cyste PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 68 Frage: Ist der BSV und die Arthrose L4 / 5 als Folge des Unfalls zu werten? PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Pro: Contra: Vorbestehende Listhese L5 / S1 Unfallbedingte Fehlstellung mit Mehrbelastung des Segmentes rechtsbetont Zeitverlauf 30 Jahre (?) Arthrose L3 7 4 mit Retrolisthese anerkannt PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen P, D, 46 Jahre Unfall 05.05.1990 Atlasfraktur Magerlsche Verschraubung ME der Schrauben 08 / 90 2. RG 1990: Bewegungseinschränkung der Kopfgelenke MdE 20 Ab 2000 zunehmende Schmerzen Nacken, Hinterkopf Radiologisch progrediente Spangenbildung C2 / 3 PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 69 Radiologischer Verlauf: HWS Funktionsaufnahmen von 2004: Spange 2/3, Verkalkungen Längsband 4/5 und 5/6 HWS in 2 Ebenen 2006: Spange 2/3, Verkalkungen unverändert, PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen Frage: Welche Segmente sind unfallabhängig betroffen? Rheumatologische Abklärung negativ (HLA B-27, RF) PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 70 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit PD Dr. med. Andreas Badke, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Eberhard Karls Universität Tübingen © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 71 4 Rechtsprechung Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 01. Juni 2011 – L 2 U 416/09 – Kriterien für das Einschätzen der MdE nach Wirbelsäulenverletzung sind insbesondere stabile oder instabile Ausheilung und Achsenabweichung Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. Januar 2012 – L 2 U 358/10 – MdE-Einschätzung bei Wirbelsäulenverletzungen, insbesondere bei Vorerkrankungen: Die Regelsätze enthalten nur Anhaltspunkte für den Normalfall und dürfen nicht schematisch angewandt werden. Ein Vorschaden kann auch eine geringe MdE bewirken. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. März 2012 – L 6 U 7/11 – Kausalität bei einer Lendenwirbelsäulenverletzung: Hat sich im Zusammenhang mit einem Unfallereignis eine bereits zuvor angelegte Gesundheitsbeeinträchtigung manifestiert, so fehlt jedenfalls dann ein für die Annahme eines Arbeitsunfalls im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlicher Gesundheitsschaden, wenn der anlagebedingten Gesundheitsbeeinträchtigung (hier: Schädigung der Wirbelsäule) gegenüber dem Unfallereignis (hier: Verheben) für das nach dem Unfall gegebene Schadensbild überragende Bedeutung zukommt. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. April 2015 – L 3 U 191/13 – Kausalität bei einem Wirbelbruch: Bei der Abgrenzung eines von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII von einem (nicht versicherten) willensgesteuerten Ereignis ist die Handlungstendenz des Versicherten maßgeblich. Treten durch willensgesteuerte Handlungen unbeabsichtigte Folgen auf (etwa ein Wirbelbruch bei dem Versuch ein auf der Seite liegendes Motorrad aufzuheben), kann ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (etwa in Form der Krafteinwirkung beim Anheben eines schweren Gegenstands) vorliegen. Weitere Hinweise auf Rechtsprechung bei den einzelnen Referaten © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 72 5 Literaturhinweise W. Hausotter Begutachtung von Personen mit Migrationshintergrund; Forum C, Beitrag C1-2015 unter www.reha-recht.de; 05.03.2015 (LINK) Carstens, C. Was ist eigentlich ein "statisch wirksamer Achsenknick"? Der Medizinische Sachverständige 110 (2014) Nr. 5, S. 210-211 Marx, P. Begutachtung von Beschleunigungsverletzungen der Halswirbelsäule Der Nervenarzt (2011) Nr. 12, S. 1525-1532 Schröter, F. HWS-"Schleudertrauma" - faktenorientierte rationale Begutachtung Der Medizinische Sachverständige 107 (2011) Nr. 2, S. 69-75 Weise K. / Schiltenwolf M.: Grundkurs orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, Kapitel 18. Wirbelsäulenschäden (Verfasser: Schröter F.), 2. Auflage 2014 Carstens, C.: Was ist eigentlich ein "statisch wirksamer Achsenknick"? Der Medizinische Sachverständige 110 (2014) Nr. 5, S. 210-211 Schittig, P.: Neue Gesichtspunkte in der Begutachtung der Wirbelsäulenfrakturen, Trauma und Berufskrankheit 2 (2000), Supplement 2, S. S264-S267 Thomann K.-D., Grosser V., Rauschmann M.: Begutachtung von Wirbelsäulenverletzungen, Orthopäde (2000). 39 S. 312-328 Weitere Literatur-Hinweise bei den einzelnen Referaten bzw. durch Anfrage bei den Referenten © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest 73 6 Referenten Leitung/Moderation Claudia Drechsel-Schlund Geschäftsführerin der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege Bezirksverwaltung Würzburg Röntgenring 2 97070 Würzburg Priv.Doz. Dr. med. Andreas Badke Stellvertretender Ärztlicher Direktor Chefarzt der Abteilung für Querschnittgelähmte, techn. Orthopädie und Wirbelsäulenchirurgie Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Schnarrenbergstraße 95 72076 Tübingen Referenten Dr. med. Sara Aytac Fachärztin der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie BG Unfallklinik Ludwigshafen Ludwig-Guttmann-Straße 13 67071 Ludwigshafen Klaus Feddern Geschäftsführer der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft Bezirksverwaltung Wiesbaden Wiesbadener Straße 70 65197 Wiesbaden Dr. med. Stefan Matschke Leiter der Sektion Wirbelsäulenchirurgie der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie BG Unfallklinik Ludwigshafen Ludwig-Guttmann-Straße 13 67071 Ludwigshafen Philipp Stark Vizepräsident des Sozialgerichts Karl-Friedrich-Straße 13 76133 Karlsruhe © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest
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