Rede zur Hauptversammlung des FV NRW 2015

Rede zur Hauptversammlung des FV NRW 2015
Sehr geehrter Herr Meesters,
sehr geehrter Herr Deppe,
sehr geehrter Herr Dr. Beeck,
sehr geehrter Herr Kurella,
sehr geehrter Herr Gröger,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Angler
die Fischerei hat sich aktiv an dem Protest der Jäger gegen das ökologische Jagdgesetz
beteiligt. Es waren nicht nur Verbandsfunktionäre bei der Großdemonstration am 18. März
in Düsseldorf dabei, sondern auch einige Angler. Viele andere Angler haben die Diskussionen
aufmerksam verfolgt und ihre Sympathie für den Kampf der Jäger in Briefen und E-Mails
ausgedrückt, die unsere Geschäftsstelle erreichten.
Dies geschah natürlich in dem Bewusstsein, dass die Angler in eine ganz ähnliche Situation
kommen werden. Denn eine Novellierung des Landesfischereigesetzes steht in absehbarer
Zeit an, wenn auch nicht mit dem Zeitdruck, der beim Jagdgesetz wirksam ist.
Bis jetzt besitzen wir noch keine konkreten Informationen über geplante Änderungen. Es ist
jedoch mit einiger Sicherheit anzunehmen, dass die Trends, die wir schon heute spüren,
formuliert und gesetzlich verankert werden sollen. In diesem Zusammenhang sind die
Tierschutzfragen zu nennen, wie der Einsatz des Setzkeschers, das Zurücksetzen von Fischen,
das Trophäenfischen oder die Durchführung von Gemeinschaftsfischen.
Wir haben dazu bis heute keine klaren Vorgaben in der Fischereigesetzgebung. Stattdessen
orientiert sich das Recht- bzw. Unrechtsbewusstsein an der aktuellen Rechtsauffassung zum
Tierschutzgesetz und Rechtsprechung. Damit sind wir seit Jahren gut gefahren, obwohl die
Verbände durchaus ihre Schwierigkeiten damit haben, die z. T. komplexen Sachverhalte zu
vermitteln. Manchmal kann man den Eindruck bekommen, dass die Angler mehr an einem
klaren Nein interessiert sind, als an einem Vielleicht, das zwar mehr Handlungsspielräume
eröffnet, aber eben auch nach einer eigenen, überlegten Entscheidung verlangt.
Nun haben wir unsere Angler aber seit Jahren erzogen - wie ich meine gut erzogen. Die
organisierte Anglerschaft kennt die Problematik größtenteils und verhält sich
dementsprechend. Leider gibt es jedoch wie überall auch bei uns schwarze Schafe, die die
Brisanz des Tierschutzes in der Angelfischerei nicht begreifen wollen oder können. Es sind
dies zumeist nicht organisierte Angler, die sich jeder Schulungsmaßnahme und seriösen
Information entziehen. Hier zeigt sich, dass der geringe Organisationsgrad der Anglerschaft
von nur 50 % ein großes Problem darstellt, das wir in Zukunft unbedingt angehen müssen.
Gleichzeitig sollte aber auch ein interner Erziehungsprozess in Gang gesetzt werden. Angler
müssen ihre Kollegen ansprechen, wenn der Setzkescher unter eindeutig unzulässigen
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Bedingungen, z. B. bei Schiffsverkehr, eingesetzt wird, wenn massenweise Boilies zum
Einsatz kommen. Dieses Fehlverhalten fällt auf alle Angler zurück und sollte daher den
Widerspruch der Kollegen am Wasser finden. Es ist keine Nestbeschmutzung, hier ein
offenes Wort zu führen, sondern eine Notwendigkeit im Sinne einer Selbstkontrolle der
Fischerei.
Leider werden die kritischen Verhaltensweisen insbesondere in Bezug auf das
Trophäenfischen mit anschließendem Zurücksetzen in den gängigen Angelmedien
rücksichtslos propagiert. Hier stoßen die Verbände an die Grenzen ihres Einflussbereichs. Die
einschlägigen Angelzeitschriften sind mit dem Kurs der Verbände nicht einverstanden. Sie
nehmen die Warnungen der Verbände zum Anlass, öffentlich Stimmung gegen diese zu
machen. Auch darin mag ein Grund für den geringen Organisationsgrad der Anglerschaft
liegen.
Neben Tierschutzfragen ist es vor allem eine verstärkte Einmischung der Behörden in
fischereiliche Belange, die uns Sorgen bereitet. Wir registrieren zunehmende Auflagen in
Pachtverträgen, Reglementierungen von Fischbesatz bzw. eine Abstimmung der
Besatzmaßnahmen mit Unteren Fischereibehörden oder sogar mit Landschaftsbehörden.
Diese Entwicklungen sehen wir kritisch, weil in Sachen Fische und Fischerei die Angler
unbestritten die meiste Kompetenz besitzen. Fische können eben nicht so einfach gezählt
und erfasst werden. Die Bestände sowie Fortpflanzung und Rekrutierung der Fische sind
nicht ohne Weiteres zu beurteilen. Manchmal fischen hier sogar Fischereibiologen im
Trüben. Es ist dumm, diejenigen, die die Gewässer seit Jahren kennen, die Entwicklungen
von Fischbeständen miterlebt haben, die die eigenen Fänge und die der Angelkollegen
einordnen können, außen vor zu lassen.
Die Bewirtschaftung von Gewässern hat ohnehin einen hohen experimentellen Charakter.
Aufgrund der komplexen Zusammenhänge in biologischen Systemen kann es durchaus Sinn
machen, den Besatz mit Fischen zu verändern, auszuprobieren und die Auswirkungen zu
erfassen. So ist auch die Leitlinie zum Fischbesatz aufgebaut, mit der wir gut leben können
und die geholfen hat, den Besatz in ordentliche Bahnen zu lenken, obwohl sie den Vereinen
die Freiheit lässt, zu experimentieren. Ja, sie fordert das Prinzip von Versuch und Irrtum in
der Gewässerbewirtschaftung sogar heraus, weil auch den Verfassern – in der Mehrzahl
Fischereibiologen – klar war, dass in der Fischerei praktische Erfahrung oft über
theoretisches Wissen geht.
Wie sich Gewässer ganz ohne fischereiliche Bewirtschaftung entwickeln, dafür kann man in
Naturschutzgebieten Beispiele finden. Da auch ohne menschliches Zutun Fische in solche
Gewässer gelangen, können sie sich dort ungestört vermehren. Diese
Fischartengemeinschaften sind jedoch i. d. R. weder artenreich noch verfügen sie über einen
gesunden Altersaufbau. Oft sind es zu Verbuttung neigende Massenfischarten, die das
Gewässer negativ verändern. Die Folge können Wasserblüten, d. h. die Explosion von Algen
sein, darunter sogar giftige Formen. Grundlage für das Wachstum dieser Pflanzen sind die in
unserer Kulturlandschaft übermäßig vorkommenden Nährstoffe und das Fehlen von
Fressfeinden, den Kleinkrebsen, die wiederum von Fischen dezimiert werden. Lange Rede
kurzer Sinn, in unserer von Landwirtschaft und Industrie geprägten Landschaft macht es
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keinen Sinn, Gewässer sich selbst zu überlassen. Eine fischereiliche Bewirtschaftung tut not
und ist auch aus ökologischer Sicht angezeigt.
Das trifft z. B. auch auf Karpfenteichwirtschaften zu, deren naturschutzfachlicher Wert höher
ist, wenn die Wasserflächen bewirtschaftet werden. Anderenfalls geht die Biodiversität in
und an den Teichen zurück, wie man eindeutig festgestellt hat. Es ist also viel dran an der
Argumentation, dass sich schützenswerte Faunen- und Florenelemente auch oder gerade
durch die Bewirtschaftung von Anglern, Fischern oder auch Jägern entwickelt haben.
Es ist daher kontraproduktiv, wenn Angler überreglementiert werden, wenn Angelverbote in
Naturschutzgebieten durchgesetzt werden sollen, wenn zeitliche oder räumliche
Beschränkungen festgesetzt werden, anstatt auf die Kompetenz und die Selbstverpflichtung
von Anglern zu vertrauen. Leider fehlt es in einigen Landschaftsbehörden an dem Vertrauen,
Naturschutz mit den Menschen zu machen. Stattdessen wird auf Verordnungen und Erlasse
gesetzt.
In mehreren Gesprächen haben wir z. B. gemeinsam mit der Bezirksregierung Münster
versucht, vertragliche Regelungen zu Angeleinschränkungen an der Lippe im Kreis
Recklinghausen zu installieren, die sich an den jeweiligen Brutorten von Uferschwalben und
Eisvögeln orientieren. Der Fischereiverband konnte auf die in der Stadt Hamm
funktionierende Praxis eines „Vertragsnaturschutzes“ hinweisen.
Wir waren auf einem guten Weg, diese gemeinsam getragenen, flexiblen Lösungen zu
vereinbaren, als die Untere Landschaftsbehörde durch ihr Veto diesem Prozess ein Ende
gemacht hat. Nun wird es auf eine Konfrontation hinauslaufen. Im schlimmsten Fall wird
aber die Fischerei auch ihren Verpflichtungen für die Fischereiaufsicht sowie die Gewässerund Fischbestandskontrolle nicht länger nachkommen. Das wird dem Naturschutzgebiet
Lippe langfristig wohl eher schaden.
Die Anwesenheit von Anglern am Wasser bietet einen großen Vorteil, den man sich zu Nutze
machen sollte. Das sollte man bei den anstehenden Gesprächen zu einer Novellierung des
Landesfischereigesetzes immer im Auge behalten.
Sie wissen, dass wir uns als Natur- und Umweltschutzverband verstehen. Sie wissen sicher
auch, dass wir als ein solcher auch seit 2012 nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz
anerkannt sind. Diese Anerkennung nutzen wir bereits für einige Rechtsstreitigkeiten, in
denen es um die Reaktivierung von Wasserkraftanlagen geht. Zu diesem Thema arbeiten wir
mit den Naturschutzverbänden gut und partnerschaftlich zusammen. Wir sind nicht so
weltfremd zu meinen, dass die Wasserkraft in dem Energiemix, der unsere Versorgung
langfristig sichern soll, gar keinen Platz hat.
Aber wir setzen uns mit großer Vehemenz dafür ein, dass Nutzungen der Kleinen
Wasserkraft und der Kleinstwasserkraft in unseren Bächen und Flüssen nicht genehmigt
werden, weil der ökologische Schaden den energetischen Nutzen bei Weitem überwiegt.
Wir, die Fischer, fühlen uns dazu verpflichtet, weil niemand diesen Lebensraum Wasser
besser kennt als wir.
Noch besser als eine Klage vor dem Verwaltungsgericht ist es freilich, bei Planungen
frühzeitig gefragt und einbezogen zu werden, um möglichen Widerstand ankündigen bzw.
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fischfreundliche Lösungen empfehlen zu können. Bei größeren Wasserkraftanlagen sind es
häufig kombinierte Lösungen, um verschiedenen wichtigen Fischarten und –beständen
gerecht werden zu können. Dazu ist ein Wissenstand notwendig, der die aktuellsten
Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet berücksichtigt und verhaltensbiologische
Erkenntnisse bei Fischen mit hydrologischen Berechnungen und Erfahrungswerten
verbindet. Es ist heute eine interdisziplinäre Wissenschaft, die sich um diese Fragen
kümmert. Da wir nicht alle Wissensgebiete im Verband vereinigen können, wird es
zunehmend wichtig sein, sich gut zu vernetzen und die Kontakte zu pflegen.
Der Fischereiverband ist in diesem Sinne ein kritischer aber auch konstruktiver
Ansprechpartner für die Wasserkraftbetreiber, aber auch für die Genehmigungsbehörden in
den Kreisen. Das wollen wir auch in Zukunft sein und bieten jeder Interessensgruppe an,
unser Wissen zum Wohle der Fische und Gewässer einzubringen.
Petri Heil!
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