Der säuft das Öl

REPORTAGE
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Ölverbrauch beim TFSI-/TSI-Motor
Kunden klagen an
Das Problem Öl saufender TFSI- und TSI-Motoren beschäftigt Besitzer von Audi-, VW-, Seat- und
Skoda-Modellen. Der Hersteller räumt „Einzelfälle“ ein. Doch vieles spricht für ein Serienproblem
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56
ERADE HAT THOMAS WITTMANN 2300 Euro an VW verschenkt. So fühlt es sich zumindest für ihn an, denn für den
Schaden an seinem Golf VI 1.8 TSI von
2009 sieht er sich nicht verantwortlich.
1,45 Liter Öl pro 1000 Kilometer verbrannte der Motor zuletzt, so die offizielle Verbrauchsmessung bei Kilometerstand 103 000. Ein Einzelfall?
Das Problem der Öl saufenden 1.8und 2.0-TSI-Motoren ist im VW-Konzern bekannt, entsprechende „Technische Produktinformationen“ (TPI)
liegen den Werkstätten vor. Golf-Fahrer
AUTOBILD.DE 30. APRIL 2015
Die
Reparatur
kostet
bis zu
5000 Euro.
Wittmann entscheidet sich, das vor
sechs Jahren für 33 000 Euro neu gekaufte Auto reparieren zu lassen. Am Ende
teilt er sich zähneknirschend die insgesamt 4600 Euro Kosten für den nötigen
Kolbentausch mit VW: „Ich musste für
einen Fehler geradestehen, den ich
nicht zu verantworten hatte.“
Wittmann ist nur einer von 150 VW-,
Skoda-, Seat- und Audi-Fahrern, die
nach dem Bericht in AUTO BILD 13/
2015 bei der Redaktion wegen ähnlicher Probleme ihren Unmut geäußert
haben. Die bisherigen Erkenntnisse zusammengefasst: Der intern auf EA888
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aus Russland: Das
Öl-Problem ist
dort seit 2010 bekannt
„Audi will sich
seiner Verantwortung
entziehen.“
Michael Kemmer (48),
Bocholt
getaufte Motor ist eine AudiEntwicklung und neigt in seiner zweiten Generation (Baujahre 2008 bis 2011) sowohl
mit 1,8 als auch mit 2,0 Liter
Hubraum schon nach wenigen Tausend Kilometern zu
erhöhtem Ölverbrauch, der
nach 50 000 bis 80 000 Kilometern teilweise drastisch ansteigt. Ursache sind fehlerhafte Kolben und Kolbenringe,
die Öl in den Brennraum gelangen lassen. Weil das Öl dort
verbrennt, können die Kolben Schaden
nehmen, in der Folge kann der Motor
kaputtgehen. Da die Probleme üblicherweise erst nach Ablauf der Garantie deutlich spürbar zutage treten, bleiben die Kunden in der Regel auf einem
Eigenanteil nach einer Kulanzregelung
sitzen. Ist der Motor nicht massiv beschädigt, wird ein neuer Kolbensatz
eingebaut – für 4000 bis 5000 Euro. Andernfalls kann es noch teurer werden.
Trotz der erheblichen Anzahl von
Betroffenen spricht VW nach wie vor
von „Einzelfällen“. Von denen allerdings
kennt Victor Brenner* einige Dutzend.
DAS SAGEN
AUTO BILD-LESER
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„VW sollte das
Geld lieber bei
dem Zulieferer
eintreiben, der
diesen Schrott
geliefert hat.“
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Thomas Wittmann (58),
Kulmbach
„Bei so hohen
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muss der
Hersteller von
sich aus
reagieren.“
Thomas Bohner (49),
Gailingen
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Mein Audi A6 2.0 TFSI braucht bis
zu einem Liter pro 1000 Kilometer.
Das nächste Auto wird ein Koreaner.
Karlheinz Semmler, 50129 Bergheim
y So berichtete AUTO
BILD im März 2015 –
es folgte eine Flut von
Zuschriften
FOTOS: J. MÖNNICH
(2), J.U. KOCH, M. MÖTSCH,
S. GEHRT, S. HABERLAN
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FOTOS: HERSTELLER (3), G. LUKAS, J. MÖNNICH, J.U. KOCH
Es ist eine bodenlose Frechheit,
die eigenen Fehler auf Kosten der
Kunden auszutragen.
Eugen Volz, per E-Mail
Unser VW Eos 2.0 TSI brauchte 0,8
Liter pro 1000 Kilometer. Bei klaren
Mängeln reagiert VW arrogant.
Hartmut Reimann, per E-Mail
Mein Audi A4 2.0 TFSI hat 98 000 km
und verbraucht mittlerweile
einen ganzen Liter Öl pro 500 km!
Lars Bleck, 29389 Bad Bodenteich
Mein Seat Altea 1.8 TSI braucht nach
82 000 km einen Liter Öl pro 1000 km.
Klaus Wannack, 01169 Dresden
Für die Verbrauchsmessung bei
meinem Audi A4 2.0 TFSI sollte ich
sogar 200 Euro bezahlen.
Dirk Bornemann, 58802 Balve
Der Ölverlust ist ein Armutszeugnis
für die Entwickler – und die
Kulanzregelungen sind es erst recht.
Eckhardt Cordes, 21409 Embsen
Er arbeitet als Audi-Servicetechniker in
Norddeutschland und sagt: „Bei uns gab
es schon 2010 Wochen, in denen mehrere Kolbenpakete eingebaut wurden.“
Die vom Hersteller dem Kolbentausch
vorgeschaltete Maßnahme, mit geändertem Druck im Kurbelwellengehäuse
den Ölverbrauch zu senken, habe in der
Praxis keinen Erfolg gebracht.
Ralf Galow von IAM-NET.EU, einem
Netzwerk für unabhängige Werkstätten, bestätigt, das Problem sei bekannt.
Viele der 8400 dem Netz angeschlossenen Betriebe hätten mindestens einen
* Name von der Redaktion geändert
solchen Fall gehabt. Auch auf Facebook sowie in Internet-Foren findet
längst ein reger Austausch weiterer Betroffener statt – aus England bis nach
Australien und Kanada.
In den USA hat VW im September
2014 gar vor Gericht einer Sammelklage klein beigegeben und den dort
126 000 potenziell betroffenen Kunden
(Audi A4, A5 und Q5) kostenlose Modifikationen am Motor zugestanden sowie die Garantie von vier Jahren oder
50 000 Meilen auf acht Jahre oder 80 000
Meilen, also etwa 125 000 Kilometer, >>
57
AUTOBILD.DE 30. APRIL 2015
REPORTAGE
„Ohne die
AnschlussgarantieVersicherung
hätte ich
5500 Euro zahlen müssen.“
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den
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Motors
Thomas Grube (45),
Hamburg
58
FOTOS: PRIVAT (2), R. TIMM, S. HABERLAND
ERHÖHTER ÖLVERBRAUCH: DAS SAGT VW
AUTO BILD: Was genau sind die
Ursachen des Problems?
VW: Der Ölverbrauch von Motoren
hängt grundsätzlich vom individuellen Nutzungsprofil des Fahrzeugs ab. Insbesondere Stop-andgo-Verkehr, Temperatur, Kurzstrecken und Fahrten mit niedriger Last
können zu höherem Ölverbrauch
führen. Jede Bauteile-Serienfertigung unterliegt gewissen herstellungsbedingten Streuungen – es ist
durchaus möglich, dass es in Einzelfällen zu ungünstigen Toleranzen kommen kann oder gekommen
ist, wodurch es zu einem erhöhten
Ölverbrauch kommt.
Seit wann ist das Problem bekannt (bei Audi/Seat/Skoda/VW)?
Wir kennen kein generelles Problem, wohl aber Einzelfälle, denen
wir genau nachgehen. Grundsätzlich verbraucht jeder Motor Öl,
abhängig von der Fahrweise und
den Einsatzbedingungen (Kaltstarts, Stop-and-go-Verkehr, Volllastbetrieb, Kurzstrecken, Temperatur, Kraftstoffqualität) kann der
Ölverbrauch bis zu 0,5 Liter/1000
km betragen. In den ersten 5000
Kilometern kann der Verbrauch
sogar darüber liegen. So ist es
auch in der Betriebsanleitung beschrieben.
Wie viele Kundenreklamationen
liegen zu dem Thema vor?
Die Beanstandungen bewegen sich
im Promillebereich, deshalb sprechen wir bei der großen Menge produzierter Motoren von Einzelfällen,
denen wir nachgehen.
Was besagen die entsprechenden TPI*?
Wir haben sofort auf einzelne
AUTOBILD.DE 30. APRIL 2015
Kundenbeschwerden reagiert und
deshalb den Handel mit TPI versorgt. Bei den entsprechenden
TPI geht es um eine Optimierung
der Druckverhältnisse zwischen
Verbrennungsraum und Kurbelgehäuse. Des Weiteren wurden die
Fertigungstoleranzen am Kolben
und an den Kolbenringen eingeengt.
Lässt sich das Problem eingrenzen, etwa über den Bauzeitraum?
Die Optimierungen haben ab
Mitte 2011 in unserer Fertigung
eingesetzt. Das Phänomen beschränkt sich auf den 2.0-TFSIMotor.
Wie viele Fahrzeuge sind potenziell betroffen?
Wir können hier keine Zahlen nennen und gehen weiterhin von Einzelfällen aus.
Gibt es Kulanzregelungen?
In jedem dieser Einzelfälle erfolgt
eine Klärung der technischen Ursache bei unseren Servicepartnern.
Sollte es sich um eine berechtigte
Beanstandung handeln, stehen
Maßnahmen zur Ölverbrauchsreduzierung zur Verfügung. Anschließend erfolgt eine Ölverbrauchsmessung über die nächsten 1000
Kilometer in Kundenhand. In berechtigten Fällen werden wir individuelle Einzelfallentscheidungen
treffen, um im Sinne unserer Kunden eine faire und großzügige Lösung zu finden. Das gilt natürlich
auch für Kundenzuschriften, die
den AUTO BILD-Kummerkasten
erreichen.
Werden potenziell betroffene
Kunden aktiv informiert?
Nein.
* TPI = Technische Produktinformation, die der Hersteller den Werkstätten zur Verfügung stellt
DAS PROBLEM:
Die Abstreifringe am
Kolben (oben) lassen
Öl in den Brennraum.
Die Kolben verkoken
und können festlaufen
(unten)
>> verlängert. Davon können Kunden
hierzulande derzeit nur träumen. Laut
Audi ließen sich die Motoren ohnehin
nur bedingt vergleichen, da die USAVersion aufgrund anderer Abgasvorschriften eine „deutlich andere Peripherie“ habe. Also alles kein Problem?
Der VW-Konzern beruhigt und verweist auf die hohe Zahl produzierter
Motoren. Immerhin wird eingeräumt,
dass es „Optimierungen“ in der Serienfertigung ab Mitte 2011 gegeben habe.
Jedoch nur beim 2.0 TSI/TFSI. Von
einem Problem beim 1.8er will man
nichts wissen – obwohl auch für den
eine ähnliche TPI existiert. Laut der
AUTO BILD vorliegenden deutschsprachigen Audi-TPI gab es Änderungen ab
Kalenderwoche 44/2011 (1.8 TFSI) beziehungsweise Modelljahr 2012 (2.0
TFSI). In einer russischsprachigen AudiWerkstattanweisung kam es ab der 22.
Kalenderwoche 2011 zur „schrittweisen
Anwendung in der Serienproduktion“.
Das Problem wird darin als„undefinierte
Lage der Kolbenringe in den Ringnuten
= schlechte Abdichtung“ beschrieben.
Allein drei Millionen Audi sind mit
dem 2.0-TFSI-Motor unterwegs, so ein
Firmensprecher. Einer davon ist das
A5 Cabrio von Michael Kemmer, das
ebenfalls massiv Öl verbrennt. „Nun
fließen Millionen an Reparaturkosten
von den Kunden an den Hersteller“,
sagt Kemmer. „Für eine ab Werk eingebaute Schwachstelle.“
Der Audi-Fahrer hat einen Anwalt
eingeschaltet.
Roland Kontny
MEINE
MEINUNG
Mitarbeiter
ROLAND KONTNY
VERLÄNGERTE GARANTIE
VERLÄNGERT
– UND ZWAR FÜR ALLE!
DIE KAPUTTEN KOLBEN verschmutzen wegen des hohen Ölverbrauchs
die Umwelt, belasten die Geldbörsen
vieler Familien und nagen am Vertrauen in Produkte des gesamten VWKonzerns. Mein Vorschlag: Eine
pauschale Garantieverlängerung wie
in den USA! Wenn es tatsächlich nur
um „Einzelfälle“ geht, dürfte das den
Hersteller nicht allzu viel kosten.
Und die Kunden wären auf der sicheren Seite.