Läden sollen länger offen haben

Markt
Dienstag, 1. März 2016 / Nr. 50
N E U E LUZ E R N E R Z E I T U NG
N E U E Z U G E R Z E I T U NG
DIE ZAHL
DES TAGES
100 000
Euro
FACEBOOK sda. Konsumentenschützer haben in Deutschland einen Sieg gegen Facebook errungen.
Das soziale Netzwerk muss eine
Busse in Höhe von 100 000 Euro
zahlen. Facebook hatte trotz rechtskräftiger Verurteilung eine umstrittene Klausel in seinen allgemeinen
Geschäftsbedingungen zunächst
nicht geändert. «Facebook versucht
sehr beharrlich, Verbraucherrechte
in Deutschland und Europa zu
umgehen. Ein Ordnungsgeld von
100 000 Euro ist ein deutliches Signal. Unternehmen müssen gerichtliche Entscheidungen umsetzen und
können sie nicht einfach aussitzen»,
erklärte Klaus Müller von der Verbraucherzentrale Bundesverband
(VZBV) gestern.
Google räumt
Mitschuld ein
WASHINGTON sda. Ein selbstfahrendes Auto von Google hat möglicherweise erstmals einen Unfall verursacht. Der Google-Mutterkonzern
Alphabet räumte gestern ein, einen
Teil der Verantwortung zu tragen.
Beim Zwischenfall wurde der Kotflügel
eines Busses beschädigt. Verletzt worden sei niemand. Wer die Schuld an
dem Unfall trägt, ist nicht offiziell
festgestellt worden. Das Fahrzeug vom
Typ Lexus RX450h sei Mitte Februar
in Mountain View bei San Francisco
gegen einen Linienbus gestossen, als
es ein Hindernis habe umfahren wollen, erklärte der Internetkonzern in
einer Stellungnahme für die Behörden.
BÖRSE
SMI
AKTIEN DES TAGES
TOP
29.02.
44.95
2.73
54.2
775
45.3
+/+9.23%
+5%
+4.33%
+3.89%
+3.78%
FLOP
Swissmetal Holding
Vetropack
Panalpina Welttr.
Burkhalter
Airesis S.A
0.25 -10.71%
1 440 -8.34%
90.4 -7.28%
102.5 -4.38%
1.05 -3.67%
Dollar in Fr.
Euro in Fr.
Gold in Fr. pro kg
0.9969
1.0829
39 242
-0.02%
-0.52%
+0.7%
ZINSSÄTZE IN %
Geldmarkt
Franken-Libor 3 Mt.
Franken-Libor 6 Mt.
26.02.
-0.8066
-0.7668
Vortag
-0.8086
-0.7648
Kapitalmarkt
29.02.
Schweiz 10-j. Staatsanleihe -0.42
Deutschland 10-j. Staatsanl. 0.102
USA 10-j. Staatsanleihe
1.7382
Vortag
-0.408
0.143
1.7641
Alle Angaben ohne Gewähr. Quelle: vwd group
01032016
N E U E O B WA L D N E R Z E I T U N G
N E U E U R NE R Z E I T U NG
B OT E D E R U R S C H W EI Z
Läden sollen länger offen haben
ÖFFNUNGSZEITEN Laut dem
Nationalrat soll in der ganzen
Schweiz shoppen bis 20 Uhr
möglich sein. Die Verantwortlichen der neuen Mall
of Switzerland würden sich
über die Ausweitung freuen.
Ladenöffnungszeiten:
Vorschlag des Bundesrates
Neue Ladenöffnungszeiten
Mo–Fr 6–20 Uhr
Sa 6–18 Uhr
Veränderungen gegenüber heute
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Ladenöffnungszeiten bereits
Mo–Fr 6–20 Uhr
Sa 6–18 Uhr
oder länger
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LIVIO BRANDENBERG
[email protected]
Die Mall of Switzerland in Ebikon
nimmt Form an. Die Bauarbeiten auf
der Grossbaustelle neben der Firma
Schindler schreiten «zügig voran», sagt
Werner Schaeppi, Sprecher der Mall. Im
Bauplan sei man sogar ein wenig voraus,
ergänzt er. Das grösste Einkaufs- und
Vergnügungszentrum der Zentralschweiz wird also aller Voraussicht nach
wie geplant im Herbst 2017 öffnen. Bis
dann verfolgen die Verantwortlichen der
Mall of Switzerland noch ein anderes
Ziel: «Wir würden gerne mit dem Kanton zusammenarbeiten, um bei den
Ladenöffnungszeiten gegenüber anderen Einkaufszentren nicht benachteiligt
zu sein», sagt Werner Schaeppi.
Möglicherweise ist eine solche Zusammenarbeit mit dem Kanton Luzern
aber gar nicht mehr nötig. Denn gestern
hat der Nationalrat einer Gesetzesvorlage des Bundesrates zugestimmt, welche
die Ladenöffnungszeiten in der ganzen
Schweiz ausweiten will. Unter der Woche
sollen die Geschäfte laut der Vorlage von
6 bis 20 Uhr geöffnet haben, samstags
von 6 bis 18 Uhr. Wichtig ist: Die Geschäfte müssen nicht zwingend so lange
geöffnet bleiben, die Kantone dürften
aber bei einer Annahme des Gesetzes
diese Eckwerte nicht einschränken. Es
wird von einer «Teilharmonisierung» der
Ladenöffnungszeiten gesprochen.
Die Vorlage geht nun zurück in den
Ständerat, der sie im letzten September
zurückgewiesen hatte. Erneut mit den
Ladenöffnungszeiten befassen wird sich
die Kleine Kammer voraussichtlich im
kommenden Sommer (siehe Box unten).
«Sensibles Thema»
7 843.63 -0.42%
Perrot Duval Hold.
Myriad Group
Implenia
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Bobst Group
N E U E N I DWAL D N E R Z E I T U N G
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Für den Kanton Luzern hätte eine
Annahme der Vorlage grössere Auswirkungen als auf andere Kantone, da Luzern heute im schweizweiten Vergleich
eines der restriktivsten Ladenschlussgesetze hat. Hier verfolgt man die aktuelle Debatte sehr genau. Der Mall-ofSwitzerland-Sprecher Schaeppi sagt:
«Man darf nicht vergessen, dass es sich
in Luzern um ein sensibles Thema handelt. Die Bevölkerung hat bereits mehrfach über eine Liberalisierung abge-
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Mo Sa +
Mo Sa +
Mo Sa +
stimmt und diese verworfen.» Diesem
Umstand müsse man bei der Diskussion
sicher Rechnung tragen. Doch er geht
auch davon aus, dass «es kaum im Interesse des Kantons, ist, eine solche
Einrichtung wie die Mall of Switzerland,
die auf Luzerner Boden steht, bei den
Öffnungszeiten gegenüber umliegenden
Einkaufszentren schlechterzustellen.»
Die Einkaufszentren der Innerschweiz – darunter das Emmen-Center,
der Länderpark Stans oder das Zugerland in Steinhausen – stehen in direkter Konkurrenz miteinander wie auch
mit grossen Shoppingzentren in nahe
liegenden Kantonen. So ist das Zürcher
Sihlcity-Einkaufszentrum von Ebikon
aus mit dem Auto in rund einer halben
Stunde erreichbar. Für alle diese Zentren gelten lockerere Regelungen bei den
Öffnungszeiten.
Gross gegen Klein
Für die Arbeitnehmervertreter ist dies
kein Argument für eine Ausweitung, wie
Marcel Budmiger vom Luzerner Gewerk-
«Es gehört heute zum
Ferienerlebnis, etwas
länger shoppen zu
können.»
SIBYLLE GERARDI,
LU Z E R N TO U R I S M U S
schaftsbund erklärt: «Dass die grossen
Einkaufszentren für eine Liberalisierung
sind, ist logisch; sie können profitieren.
Vielen kleineren Detaillisten würde eine
solche Regelung aber das Genick brechen.» Im Kanton Luzern seien die Unterschiede im Detailhandel grösser als in
anderen Kantonen, weil Luzern auch
Quelle: Parlament / Grafik: Lea Siegwart
ländlich geprägt sei, so Budmiger. Eine
Ausweitung würde laut dem Gewerkschafter neben dem Verkaufspersonal vor
allem die kleinen Detailhändler betreffen,
die auch die Vielfalt ausmachen. Ein
Gegenargument auf diese Aussage liefern
könnten allerdings die Zentralschweizer
Kantone Schwyz, Nid- und Obwalden,
die kein Ladenöffnungsgesetz kennen.
Dort existieren neben grossen Einkaufszentren auch kleinere Läden weiter.
Bei Luzern Tourismus begrüsst man
den Entscheid des Nationalrats. Sibylle
Gerardi, Leiterin Unternehmenskommunikation, sagt: «Es gehört heute zum
Ferienerlebnis, dass man auch ein wenig
länger shoppen kann. In Umfragen sehen wir, dass Gäste vermehrt die Ladenöffnungszeiten in der Schweiz bemängeln.» Der Luzerner Gewerkschaftsbund
will jedenfalls weiter gegen die Ausweitung kämpfen: «Wir versuchen nun
zuerst, unsere Ständeräte für ein Nein
zu gewinnen», sagt Marcel Budmiger.
«Kommt das Gesetz aber durch, werden
wir das Referendum ergreifen.»
Nationalrat: Überall bis 20 Uhr einkaufen
BERN Zum Auftakt der Frühlingssession hat der Nationalrat gestern über
die Ladenöffnungszeiten diskutiert.
Konkret ging es um ein Bundesgesetz,
das Mindeststandards für alle Kantone
vorgeben würde. Demnach dürften
Detailhändler unter der Woche von 6
bis 20 Uhr und am Samstag von 6 bis
18 Uhr geöffnet haben. Die Kantone
dürften über diesen Rahmen hinausgehen, nicht aber weniger lange Öffnungszeiten vorschreiben. Das Geschäft geht zurück auf eine Motion
von Ständerat Filippo Lombardi (CVP,
Tessin) aus dem Jahr 2012. Er wollte
damit die Wettbewerbsfähigkeit der
grenznahen Geschäfte stärken, die
wegen des Einkaufstourismus unter
Druck sind.
Mitarbeiter sind dagegen
SP und Grüne konnten mit der Argumentation von Lombardi nicht viel
anfangen: Der Grund für den Einkaufstourismus seien die tieferen Preise in
den Nachbarländern, nicht die Öffnungszeiten der Geschäfte, sagte Louis
Schelbert (Grüne, Luzern). Die Gegner
kritisierten zudem, dass sich mit dem
Gesetz die Arbeitsbedingungen des
Personals verschlechtern würden. Es
sei arrogant, eine solcher Vorlage auszuarbeiten, ohne die Arbeitnehmenden
zu erwähnen, sagte Ada Marra (SP,
Waadt). «Wir müssen Nein sagen, solange es keinen landesweiten Gesamtarbeitsvertrag gibt», ergänzte sie. Gemäss einer von der Gewerkschaft Unia
vergangene Woche veröffentlichten
Umfrage lehnen über 90 Prozent der
Detailhandelsangestellten längere Öffnungszeiten ab.
Umgehung des Volkswillens
Ein weiteres Argument der Gegner
war, dass die Regelung der Ladenöffnungszeiten eine Aufgabe der Kantone
sei. «Es ist eine Kompetenzanmassung», sagte Schelbert. Auch die Kantone haben sich aus diesem Grund
gegen das Gesetz ausgesprochen. Ada
Marra sagte zudem, mit der Vorlage
umgehe man den Volkswillen, da sich
die Bevölkerung in mehreren Kantonen
an der Urne gegen längere Ladenöffnungszeiten ausgesprochen habe.
Die Bürgerlichen und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann
sahen das anders: «Es gibt ein Dilemma zwischen dem Wunsch, eine Kantonskompetenz beizubehalten, und
einer wirtschaftlichen Realität, dass
dieser Wildwuchs mit verschiedenen
Öffnungszeiten manchmal zu Einbussen führen kann», sagte Dominique de
Buman (CVP, Freiburg). Längere Ladenöffnungszeiten seien natürlich nicht
das einzige Mittel, um den Einkaufstourismus zu bekämpfen, aber Teil der
Lösung, sagte Christian Lüscher (FDP,
Genf). Zudem sei es ein steigendes
Bedürfnis der Bevölkerung, abends
einkaufen zu gehen.
Die Befürworter beriefen sich immer
wieder auf eine Studie des Instituts
Gesellschaft für Konsumforschung.
Laut dieser sind die längeren Öffnungszeiten in den Nachbarländern für 22
Prozent der Konsumenten der Grund,
wieso sie auf der anderen Seite der
Grenze einkaufen. Auch aus Sicht des
Bundesrats gibt es Handlungsbedarf,
wie Schneider-Ammann sagte. Dass die
Stimmbevölkerung im Tessin am ver-
gangenen Sonntag Ja gesagt habe zu
längeren Öffnungszeiten sei ein Zeichen, dass etwas getan werden müsse.
Ständerat mit Stichentscheid
Die Vorlage geht nun wieder zurück
an den Ständerat. Dieser war im September 2015 mit einem Stichentscheid
durch den damaligen Ratspräsidenten
Claude Hêche (SP, Jura) nicht auf das
Geschäft eingetreten. Sollte der Ständerat das Gesetz erneut ablehnen, ist
die Vorlage beerdigt. Wie der Rat diesmal abstimmen wird, sei schwierig
einzuschätzen, sagt Martin Schmid
(FDP, Graubünden), Präsident der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft
und Abgaben. «Es wird sicher knapp.
Es könnte auf beide Seiten kippen.»
Sollte der Ständerat Ja sagen, werden
die Gegner das Referendum ergreifen.
Das kündigte Nationalrat und Gewerkschafter Corrado Pardini (SP, Bern)
gestern bereits an. Gut möglich also,
dass das Volk am Schluss über längere
Ladenöffnungszeiten entscheiden wird.
MICHEL BURTSCHER
[email protected]