Kindliches-Miterleben-HG-Maren-Kolshorn-Osnabru-ck

Kindliches Miterleben häuslicher Gewalt
Ausmaß, Dynamiken, Folgen
„Die Schläge, die meine Mama bekam,
spürte ich in meinem Bauch…“
Maren Kolshorn, Diplom-Psychologin
3. Osnabrücker Kinderschutzfachtagung, 23. September 2015
phoenix KINDER- UND JUGENDBERATUNG
im Beratungs- und Fachzentrum sexuelle und häusliche Gewalt
Frauen-Notruf e.V.
www.big-interventionszentrale.de
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Was Sie erwartet…
Definition und Ausmaß
In welcher Situation leben betroffene Kinder und Jugendliche?
Wie fühlen sie sich?
Was sind die Folgen?
Was braucht es?
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Was ist Häusliche Gewalt?
Häusliche Gewalt = Partnerschaftsgewalt
Körperliche, psychische, sexualisierte und soziale Gewalt
i.d.R. von Männern ausgeübt
Opfer meist Frauen
Täter und Opfer aus allen Schichten, Altersgruppen, Religionen
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Häusliche Gewalt - Ausmaß
25% aller Frauen in Deutschland sind betroffen (Schröttle/Müller, 2004)
6-10% in der aktuellen Partnerschaft (Hagemann-White, 2009)
Besonderes Risiko während Schwangerschaft und nach Geburt
UNO: Menschenrechtsverletzung
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Kindliches Miterleben häuslicher Gewalt
Kaum Forschung in Deutschland
90% der Kinder bekommen häusliche Gewalt mit
Jedes 5. Kind wird ZeugIn häuslicher Gewalt (KFN)
Polizei-Einsätze:
Britische Studie: in 1/3 der Fälle ruft Kind/JugendlicheR die Polizei
BISS-Stellen: 50% der Protokolle mit Kindern im Haushalt
(Göttingen rund 500 Protokolle / Jahr bei 250.000 Einw.)
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Kindliches Miterleben häuslicher Gewalt
Große Überlappung häusliche Gewalt – Gewalt gegen Kinder
In 78% aller Vernachlässigungsfälle gab es vorher hG (Kindler, DJI)
In 40% aller hG-Fälle gleichzeitig Kindesmisshandlung
(Kindler, 2006, Kavemann / Rabe, 2007)
Kinder, die wiederholt hG miterleben, werden 8x häufiger als
andere auch misshandelt.
Gewalt durch Mutter nimmt ab, wenn Gewalt gegen sie selbst
aufhört (Heynen, 2004)
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In welcher Situation leben
betroffene Kinder?
Zeugung durch Vergewaltigung
(sexuell) traumatisierte Mutter
Ambivalente Beziehung zum Kind
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In welcher Situation leben
betroffene Kinder?
Misshandlung in der Schwangerschaft
5-15% aller schwangeren Frauen betroffen
Folgen:
Frau: körperliche und psychische Beeinträchtigungen
Kind:
vorgeburtlicher Stress
Tritte in den Bauch der Mutter
(Hirn)Schäden des Kindes
Auch nach der Geburt oft unzureichende
Versorgung und Zuwendung
Beeinträchtigung der kindlichen Entwicklung
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In welcher Situation leben
betroffene Kinder?
Gewalt in der Schwangerschaft ist eine entscheidende
gesundheitliche Beeinträchtigung für Mutter und Kind!
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In welcher Situation leben
betroffene Kinder?
Kinder und Jugendliche werden (mit)geschlagen
„aus Versehen“, z.B. auf dem Arm der Mutter
„Mein Vater schlug mit allem, was er greifen konnte, nach uns“
(Josi,16 Jahre, in CORAktuell, August 2015)
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In welcher Situation leben
betroffene Kinder?
Kinder und Jugendliche werden (mit)geschlagen
Kind als Schutzschild
„Ich hab` den Moritz (…) als Schutzschild vor mir gehabt und ich
hab‘ ihn nicht losgelassen. Der Junge hat nur geschrien. Den
Schlag spür ich heut` noch. (…) Er hat das Kind zur Seite
geschoben und hat mir voll mit der Faust ins Gesicht
geschlagen, vor dem Kind rein“ (Heynen 2006)
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In welcher Situation leben
betroffene Kinder?
Kinder und Jugendliche werden (mit)geschlagen
Kind / Jugendlicher versucht, Mutter zu schützen
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Auswachsen in einer Atmosphäre von
Gewalt und Demütigung
Versucht den Mann zu besänftigen
Schlägt, schreit,
demütigt, droht mit
(Selbst-)mord,
erpresst, kontrolliert
Vater
Darf nichts mitkriegen
Mutter
Kind
Wird als schwach,
verletzt, gedemütigt
erlebt
Wird selbst geschlagen,
vernachlässigt
Außenwelt
Hilft nicht
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Geschwister
Müssen beschützt werden
Müssen versorgt werden
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In welcher Situation leben
betroffene Kinder?
Aufwachsen in einer Atmosphäre von Gewalt und
Demütigung
„Und dann war´s vorbei. Und er ist dann gegangen (...)
Und ich (hab) dann auf dem Boden gelegen. Und mein
Sohn ist dann her und hat gesagt: „Mama, das wird
irgendwann gut. Ich bin bei Dir.“ Das war total traurig. Ich
bin dann ins Bad. (...) Mein Sohn ist dann mit. Er hat
mich wirklich getröstet“ (Heynen 2006).
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In welcher Situation leben
betroffene Kinder?
Aufwachsen in einer Atmosphäre von Gewalt und
Demütigung – Kind wird zur Erpressung benutzt
„Entweder hat er die Tür aufgemacht zum
Kinderzimmer oder er hat mich solang‘ nicht
zum Stefan (…) gelassen, bis ich gemacht
hab‘, was er wollte“ (Heynen 2006).
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In welcher Situation leben
betroffene Kinder?
Erziehungsfähigkeit der Eltern ist immer
beeinträchtigt bei häuslicher Gewalt!
Kinder und Jugendliche sind nicht nur
ZeugIn, sondern stets auch Opfer
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Wie fühlen sich die Kinder?
(Todes)ängstlich
„Ich hatte immer Angst, ich fühlte mich nie sicher, nicht
mal nachts im Bett.“
(BIG Film)
Wütend
• Auf den gewalttätigen Vater
• Auf die schwache Mutter, die sich nicht wehrt
• Auf das Umfeld, was nichts sieht und nicht einschreitet
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Wie fühlen sich die Kinder?
Verantwortlich
Irgendjemand muss
• sich ja um die Versorgung kümmern
• sich ja um die Geschwister kümmern
• die Mutter ja schützen
„Manchmal ging ich nicht in die Schule, weil ich Angst
hatte, sie allein zu lassen.“
(BIG Film)
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Wie fühlen sich die Kinder?
Allein gelassen
• Mit dem Alltag
• Mit Sorgen und Ängsten bezogen auf die Gewalt
Ambivalent
• Vater: Angst, Wut – Stärke, Bedürfnis nach gutem Vater
• Mutter: Verantwortung – Verachtung
• Wunsch nach „normaler“ Familie – Wut gegenüber den Eltern
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Wie fühlen sich die Kinder?
Schuldig
• Am Streit der Eltern
• Nicht die Mutter geschützt zu haben
Scham
für das, was in der Familie passiert
„Ich schämte mich für das, was mein Vater tat.“
(Josi,16 Jahre, in CORAktuell, August 2015)
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Wie fühlen sich die Kinder?
„Die Schläge, die meine Mama bekam, spürte ich in
meinem Bauch von einem hin und her Zerren ... das
machte mich traurig, und (ich) bekam Angst. Mein Bauch
hatte Angst, manchmal hatte er um meine Mama Angst,
manchmal sogar hatte ich um meinen Vater Angst. Dass
er nicht weiß, was er tut. (...) Mir ging es ganz anders als
sonst. Mein Bauch hatte ständig andere Gefühle. Mir
kamen die Tränen von selbst heraus, sie kamen einfach
von selbst“ (Strasser 2006).
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Was sind die Folgen?
Kurz- und langfristige Folgen hängen ab von
Ausmaß, Schweregrad, Häufigkeit und Art der Gewalt
Eigenen Ressourcen
Zugang zu Hilfen
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Was sind die Folgen?
Körperliche Folgen
Beeinträchtigung der Gehirn- und Bindungsentwicklung
Verletzungen
Mangelversorgung (Essen, Hygiene…)
Körperliche Folgen von traumatischem Stress
(z.B. Schlafstörungen, Kopf- und
Bauchschmerzen, Ess-Störungen)
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Was sind die Folgen?
Verhaltensauffälligkeiten
Unterschiedliche Extreme möglich:
Extrovertiert / aggressiv / tyrannisch /
überkontrollierend
Introvertiert / überangepasst
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Jedes Verhalten hat seinen Grund!
Verhaltens- Auffälligkeiten als
Bewältigungsversuche verstehen
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Was sind die Folgen?
Kognitive Beeinträchtigungen
Konzentrationsstörungen
+ Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls
+ Geringes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten
= vorhandenes Potential kann nicht genutzt werden
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Was sind die Folgen?
Emotional soziale Entwicklung
Isolation – alleine fertig werden müssen
Verlust emotionaler Sicherheit
Rollenumkehr – Parentifizierung
Verunsicherung der eigenen Wahrnehmung
Größere psychische Verwundbarkeit
Posttraumatische Belastungsstörung
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Was sind die Folgen?
Geschlechtsspezische Folgen
Häufiger Paarprobleme als Erwachsene
Bis hin zu eigenen Erfahrungen mit
Partnerschaftsgewalt als Täter(in) oder Opfer
(transgenerationale Weitergabe von Gewalt)
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Folgen erkennen!
Nur wenn Menschen im Umfeld des Kindes Folgen
wahrnehmen und die Ursache erkennen, kann Kindern
nachhaltig geholfen werden!
Dazu braucht es:
Wissen um die Thematik
Kompetenzen, mit den Kindern und ggf. Müttern zu
sprechen
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Was braucht es?
Ineinandergreifende Maßnahmen für
Das betroffene Kind
Die Mutter
• als Betroffene
• als Mutter
Den Vater
Kurz-,
mittel- und
längerfristig
• als Täter
• als Vater
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Was braucht es?
Schulungen für verschiedene Berufsgruppen, z.B.
Hebammen, GynäkologInnen, KinderärztInnen
LehrerInnen
Jugendämter
Erziehungsberatungsstellen
…
Prävention
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phoenix
Göttingen
Nach Polizeieinsatz: altersgerechte Informationen
Über Kontakt zu Müttern: telefonische/persönliche
Beratung für Kinder und Jugendliche
Mütterberatung zu kindlichen Bedürfnissen nach
Gewalterfahrung
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Göttingen
altersgerechte Sicherheitsplanung
Psychoedukation und Stabilisierung
individuelle Kompetenzen fördern
Selbstwahrnehmung stärken
Orientierung für weitere Hilfen
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Göttingen:
Gewalt-Prävention an Schulen
Welche Warnzeichen
für Gewalt in
Beziehungen
gibt es?
Wie erreiche ich
Hilfsangebote?
Wie kann ich einer
Freundin/einem
Freund helfen,
die/der Gewalt
erlebt?
Wie will ich meine eigenen Beziehungen gestalten?
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Bildernachweis
Alle in dieser Präsentation verwendeten Bilder sind frei verwendbare
Grafiken von der Seite opencliparts.org. Verwendete Zeichnungen und
Fotos wurden von Mitarbeiterinnen des Frauen-Notruf e.V. selbst erstellt
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