Ein Kochkurs mit Hindernissen, PNP vom 24.09.2015

PNP vom 24.09.2015
Ein Kochkurs mit Hindernissen
Gelebte Integration: In der Schulküche lehrt Nisreen Abo Khamis die arabische Küche – und
lernt besser Deutsch
von Romy Ebert-Adeikis
Wie sie Mandeln röstet, zeigt Nisreen Abo Khamis Bertold Barth
und Miriam Altendorfer.
Neureichenau/Haidmühle. Wuselig ist es in der Schulküche Neureichenau. Vier Küchenzeilen gibt es
darin, jeweils mit weißer Arbeitsplatte, vier Herdplatten, einem Backofen. Vor jedem der vier hell
erleuchteten Ofenfenster hockt jemand, drückt hektisch mal hier mal da, dreht und schiebt an Knöpfen,
hebt immer wieder mal die Hand in den Backofen und flucht dann leise. Die junge Lehrerin Miriam
genauso wie der Eritreer Chalid oder Stephanie Simon, die für den arabischen Kochkurs, der hier
gerade stattfindet, die Schlüssel von der Schule bekommen hat.
Wie geht denn bloß der Herd??
Hastig reißen ein paar andere Kursteilnehmer Schranktüren auf, suchen nach einer Betriebsanleitung, in
der sie nachschlagen könnten − und zwischen all dem Trubel steht Nisreen Abo Khamis, mit ihrem
knallroten Kopftuch und den wachen Augen, und versteht kein Wort. Nur, dass der Backofen vor ihrer
Nase nicht warm und ihr arabisches Kebap darum nicht fertig werden wird. Daran soll das Koch- und
Integrationsprojekt jetzt also scheitern? An einem Backofen?!
Nisreen Abo Khamis ist neu in Deutschland. Vor vier Monaten ist sie mit ihrem Mann und den drei
Söhnen aus Damaskus geflohen und hat wie viele andere syrische Familien in Haidmühle Unterschlupf
gefunden. Dort bemüht sich der Haidmühler Helferkreis sehr um die neuen Mitbürger und als die Idee
aufkam, einen arabischen Kochkurs anzubieten, um Einheimische und Neuankömmlinge
zusammenzubringen – Sympathie geht ja bekanntlich auch durch den Magen – war Nisreen Abo Khamis
sofort Feuer und Flamme. "Ich koche so gern", erzählt die 33-Jährige auf Englisch, denn sie lernt erst
seit Kurzem Deutsch bei einem Integrationskurs in Freyung. "Und auch in Deutschland versuche ich,
meiner Familie unsere traditionelle Küche, so gut es hier eben geht, zu erhalten." Zudem war Khamis in
Syrien Grundschullehrerin: "Dann kann sie uns auch Kochen beibringen", sagt Stephanie Simon und legt
der Lehrerin, bevor es losgeht, aufmunternd ihren Arm um die Schulter. "Ich fühle mich wie bei einem
Examen", sagt Khamis. "Wenn es euch dann nicht schmeckt...".
-2-
Ein wenig panisch blättern die Kursteilnehmerinnen in der
Betriebsanleitung des Herdes – der muss doch irgendwie
angehen!
Elf Interessierte haben sich für den Kochkurs in Neureichenau gemeldet. Neun Frauen, zwei Männer.
"Ich koche freiwillig", lacht Bertold Barth, dessen Interesse an der arabischen Kultur daher rührt, dass er
für ein Pharmazieunternehmen früher in Marokko und Algerien gearbeitet hat. Barth, so wie die meisten
der Teilnehmer, engagiert sich sowieso im Haidmühler Helferkreis, kennt Nisreen Abo Khamis bereits,
weil sie für verschiedene Veranstaltungen wie Multikulturelles Treffen oder Schulfest gebacken und
gekocht hat. Aber auch aus Grafenau hat es eine Frau zum Kochkurs verschlagen: "Mich interessiert
das, aber ob ich das wirklich lerne, mal sehen", sagt sie und schaut aus etwas Distanz zu, wie Khamis
mit ein paar Helfern Tomaten und Zwiebeln hackt, während in einem Topf bereits Milchreis weicht.
Es ist angerichtet: Das erste arabische Mahl ist Kebap – aber
nicht der Döner, den wir meist darunter verstehen. − Fotos:
Ebert-Adeikis
Kebap soll es geben – aber nicht das Fleisch mit Salat und Soße im Fladenbrot, so wie wir das kennen.
"Bei uns gibt es noch eine andere Art Kebap, ein Gericht aus dem Ofen", sagt die Kochlehrerin. Und
genau deswegen, weil es die Wenigsten kennen, hat sie sich dieses Gericht für den ersten von drei
Kochabenden ausgesucht.
Langsam blubbert und spritzt es überall. Die Tomaten köcheln auf dem Herd vor sich hin, Nisreen Abo
Khamis schiebt tüchtig Mandelsplitter in einer heißen Pfanne hin und her. "Lass mich das machen",
bietet sich Bertold Barth an und Khamis gibt bereitwillig die Pfanne ab. Aber Ruhe gönnt sie sich keine.
In der Zwischenzeit vermengt sie Lammhackfleisch mit allerlei exotischen Gewürzen – Granatapfelsirup
und Sumak, die Allahham extra in einem türkischen Geschäft in Passau kaufen musste. "In Haidmühle
haben wir ja nur so einen kleinen Supermarkt", seufzt sie. Die Kursteilnehmer vergessen kurzerhand das
Rühren und Schnuppern und Kosten von den fremden Zutaten. "Sieben Gewürze" steht da kryptisch auf
einer Packung. Safran, Zimt, Kümmel seien darin, was sonst, das weiß auch die Köchin nicht, zumindest
nicht auf Deutsch oder Englisch. "Hmm, das ist viel milder als die Gewürze, die ich aus Nordafrika
kenne", frohlockt Bertold Barth, der sich etwas von den sieben Gewürzen auf die Fingerspitze gestreut
hat.
-3Jetzt darf zugelangt werden: Bertold Barth ist gespannt
auf den Reis mit Nudeln, den Nisreen zum Kebap reicht.
"Du kochst die Nudeln nicht mit Wasser?", fragt eine der Teilnehmerinnen die Köchin, die mit großem
Schwung eine halbe Flasche Öl in den Topf mit den Nudeln kippt. "Das Wasser kommt dann später mit
dem Reis dazu", erklärt Khamis. "Was, Nudeln und Reis zusammen?", schallt es unisono aus mehreren
Mündern in denen schon das erste Wasser zusammenläuft. "Da sind wir aber gespannt . . ."
Aber dann der Ofen: Die Reisnudelmischung steht bereits zum Warmhalten auf dem Herd, frisches
Gemüse liegt geschnitten als Beilage bereit, Teller und Gläser stehen sauber aufgereiht auf den zu einer
Tafel zusammengeschobenen Tischen. Nur die Hackröllchen, von den fleißigen Kursteilnehmern auf die
Tomaten-Zwiebel-Mischung geschichtet, warten noch auf ihren Ofengang, während es vor dem Fenster
langsam immer finsterer wird. "Das wird aber spät mit dem Essen."
Nur, alle vier Öfen in der Küche wollen einfach nicht warm werden. "Ein Kochkurs mit Hindernis",
scherzen Einige schon. Zum Glück hat dann aber jemand doch eine zündende Idee: Wohnt nicht
nebenan der Schulhausmeister? Der muss doch auch einen Backofen haben!
15 Minuten später dampft es und mit den Schwaden zieht ein feiner, leicht süßlicher Geruch aus dem
Backofen. In der Schulküche warten die Kursteilnehmer schon an der Tafel, den Platz an der Kopfseite
haben sie für die Kursleiterin reserviert. Noch schnell die Mandelstifte über das Kebap gestreut, an die
Hände gefasst und "Guten Appetit" bzw. "Sakha" gewünscht, schon kann das Schmausen beginnen.
"Hmm" und "super lecker" ist da aus allerlei Kehlen zu hören, vor allem die ungewöhnlichen Reisnudeln
sorgen für Genuss. Und darum widerspricht auch keiner, als Stephanie Simon ihr Fazit hören lässt:
"Nisreen, wenn das hier wirklich ein Examen war, dann hast du mit Eins bestanden."