Die Macht der Disziplin oder warum Bürokratie im Unternehmen den Erfolg sabotiert (veröffentlicht in der Pforzheimer Zeitung am 13. Februar 2016) Jeder Unternehmer wird sich noch gut erinnern können, wie die ersten Tagen und Wochen seines Unternehmertums gewesen sind. Kreativität, Fantasien, kühne Ideen, visionäre Begeisterung führten damals zu den ersten schlaflosen Nächten des Jungunternehmers. Und es sollten nicht die letzten schlaflosen Nächte gewesen sein – wenn auch aus ganz anderen Gründen. Denn in den Anfangstagen des Unternehmens ist zwar alles noch improvisiert, aber eben auch überschaubar, da quasi alles von den Gründern selbst gemacht wird. Doch mit zunehmendem Erfolg wächst die Zahl der Neukunden, der Mitarbeiter, der Produkte und der Regelungen. Und aus der ehemals lockeren Truppe dynamischer Jungunternehmer wird rasch eine schwerfällige Masse. Mangelnde Planung, mangelnde Buchführung, mangelnde Routinen sorgen für Probleme – mit Kunden, mit den Finanzen, mit Terminen. Es dauert nicht lange und der Ruf nach einem professionellen Management wird im Unternehmen laut. Also beginnt man Absolventen von Universitäten oder erfahrene Manager von soliden Großunternehmen einzustellen. Auf einmal entstehen im Unternehmen Organigramme, Verfahrenspläne und Checklisten. Namensschilder mit Positionsbeschreibung an den Bürotüren lassen den Verdacht aufkommen, dass das, was früher informell geregelt wurde, jetzt durch Hierarchien ersetzt wird. Zum ersten Mal taucht der Begriff von Kontrollspannen auf. Klare Berichtspflichten werden etabliert und das Management beginnt sich Privilegien wie reservierte Parkplätze auf dem Hof zu sichern. Plötzlich gibt es Abgrenzungen zwischen „uns“ und „denen“. Ein Durcheinander wird nicht mehr geduldet. Die Mitarbeiter der ersten Stunde des Unternehmens beginnen ihren Unmut ob der Geregeltheit zu äußern. Sie spüren, wie ihre damalige erfolgreiche Kreativität nicht mehr wertgeschätzt wird. Die ersten kreativen Köpfe gehen, weil sie mit den internen Formularen, den endlosen Meetings und der zunehmenden Hierarchisierung nichts mehr zu tun haben wollen. Aus dem aufregenden Start-up-Unternehmen von einst droht durch Bürokratie der langweilige Mittelstand von morgen zu werden. Bürokratie entsteht meist dann, wenn Unternehmen versuchen, den kleinen Anteil falscher Leute an Bord zu managen, weil es gilt, Inkompetenz und Disziplinmangel zu kompensieren. Dann aber vertreibt die Bürokratie gleichzeitig die richtigen Leute, was den Anteil der falschen Leute wieder erhöht und zu noch mehr Bürokratie führt, was wiederum weitere wertvolle Mitarbeiter vertreibt und wieder den Anteil von .... usw.. Um gar nicht erst in diese Todesspirale hinein zu kommen, setzen die Spitzenkräfte unter den Führungskräften statt auf Bürokratie und Hierarchie auf eine Kultur der Disziplin. Diese Führungskräfte schaffen ein konsistentes System mit klaren Bedingungen, geben ihren Mitarbeitern innerhalb dieses Rahmens jedoch vollkommene Freiheit und Verantwortung. Sie stellen nur disziplinierte Menschen ein, die man nicht ständig führen muss, und kümmern sich um das Management ihres Systems statt um das Management der Belegschaft. MICHAEL STOERMER Ambition Advisory ⏐ Gaußstrasse 23 ⏐75175 Pforzheim ⏐GERMANY Tel.: +49 (0)7231 4137035 ⏐[email protected] ⏐www.michaelstoermer.com 1 Der unternehmerische Erfolg beginnt damit nicht, dass man die falschen Leute diszipliniert, sondern dass man die richtigen Leute mit entsprechender Selbstdisziplin an Bord holt. Danach bedarf es diszipliniertes Denken. Denn ohne diszipliniertes Denken kann man der harten Realität nicht emotionslos in die Augen schauen und gleichzeitig den Glauben bewahren, dass man irgendwann zur Spitze gehören wird. Und schließlich bedarf es diszipliniertes Handeln. Diszipliniertes Handeln lässt sich jedoch nur mit disziplinierten Menschen durchhalten, denn diszipliniertes Handeln ohne diszipliniertes Denken führt geradewegs ins Desaster. Der Erfolgsschlüssel steckt in der tagtäglichen Disziplin, alles Erforderliche zu tun, um in einem sorgfältig ausgesuchten Segment zur Spitze zu gelangen und dort zu bleiben. So einfach ist das. Und so schwierig. Jede Organisation möchte gerne die beste sein, aber den meisten fehlt die Disziplin, sich schonungslos klar zu machen, worin sie der Beste sein können, und der Wille, alles Notwendige zu unternehmen, um dieses Potential zu realisieren. Was ihnen meistens fehlt, ist die Disziplin im Kampf ums kleinste Detail. Unternehmen mit der Kultur der Disziplin wildern nicht in fremden Branchen, übernehmen keine branchenfremden Firmen und gehen auch keine branchenfremden Joint Ventures ein. Die Spitzenkräfte unter den Unternehmern und Managern konzentrieren sich fanatisch auf den Bereich, in denen sie die Chance haben, die Besten zu werden und der ihren tief verankerten Ambitionen entspricht. Die Spitzenkräfte unter den Unternehmern und Managern holen auch zunächst die richtigen disziplinierten Leute an Bord und bauen ein überlegendes Führungsteam auf, bevor sie mit ihnen zusammen über den richtigen Weg zur Spitze nachdenken. Weniger begabte Führungskräfte gehen anders herum vor: sie legen in Selbstgesprächen die Route fest, entwickeln in ihrem Büro die Strategie und heuern dann Helfer an, um diesen die eigene Vision in zahlreichen Meetings ohne Diskussion zu verkünden. Verlassen diese Führungskräfte aber das Unternehmen, bleiben die Helfer meistens hilflos zurück. Schlimmstenfalls entwickeln sie aufgrund des Führungsvakuums selbst kühne Visionen – und scheitern kläglich. Zuletzt noch ein Blick auf die Vergütung der Führungskräfte. Es kommt nicht darauf an, wie Leistung belohnt wird, sondern wer für seine Leistung belohnt wird. Die Vergütung der Manager ist zwar nicht bedeutungslos, sie dient aber nicht der Motivation. Mit einem auf Tantieme basiertem Vergütungssystem sollte nicht versucht werden, falsche Leute zum richtigen Verhalten zu erziehen, sondern das Vergütungssystem dient von vorneherein (nur) dazu, die richtigen Leute an Bord zu bekommen und zu halten. Hat man die Spitzenmanager endlich an Bord, werden sie alles dafür tun, ein Spitzenunternehmen aufzubauen, und zwar nicht etwa, weil sie selbst etwas Bestimmtes wie Tantieme oder Beförderungen dadurch erhoffen, sondern weil sie sich einfach nicht mit weniger zufrieden geben können als Spitzenleistungen kontinuierlich abzuliefern. Die richtigen Leute tun diszipliniert das Richtige und liefern immer das Beste ab, zu dem sie fähig sind – ihr innerer Antrieb lässt gar nichts anderes zu. MICHAEL STOERMER Ambition Advisory ⏐ Gaußstrasse 23 ⏐75175 Pforzheim ⏐GERMANY Tel.: +49 (0)7231 4137035 ⏐[email protected] ⏐www.michaelstoermer.com 2
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