Predigt von Pfr. BV Dr. Helmut Prader bei der Festmesse zum Christtag, 25. Dezember 2015 Ist Gott gescheitert? Liebe Brüder und Schwestern, diese Frage müssen wir stellen, dieser Frage müssen wir uns stellen angesichts des Weihnachtsfestes, wie es heute in unserer Gesellschaft vor uns steht. Gott kommt in Jesus Christus zu uns Menschen als Mensch. Ein Fest für die Welt. Die Welt feiert dieses Fest - aber so richtig wissen viele nichts mehr damit anzufangen. Jesus, Maria, Josef kommen kaum mehr vor. Statt des menschgewordenen Gottes trifft man viel häufiger auf den Weihnachtsmann. Dieser pauspäckige, gemütliche Dickwanst verstellt den Blick auf die Krippe. Ist Gott gescheitert? Diese Frage müssen wir stellen, dieser Frage müssen wir uns stellen angesichts der Weihnachtsevangelien. Auch die sprechen vom Scheitern Gottes. Maria legte Jesus, den Sohn des allerhöchsten Gottes, in eine schäbige Futterkrippe und zwar, weil in der Herberge kein Platz für sie war. So beschreibt es Lukas. Und Johannes wird noch deutlicher, wenn er ganz offen sagt: Er (Gott) war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Der Großteil unserer Welt hatte mit Gottes Sohn nichts am Hut. Sie ließen ihn im wahrsten Sinne des Wortes außen vor. Nur ein paar arme Hirten und die Weisen nahmen Notiz von ihm. Sie sahen ein Engelheer und einen Stern, große Zeichen am Himmel, die auf das Kind in der Krippe wiesen: auf Gott unter uns. Die paar Leute? Ziemlich schwache Ausbeute. Das also soll der allmächtige Gott sein? Da in der Krippe? Dieses Kind in Windeln? Seien wir ehrlich: Man muss schon dran glauben, sich darauf einlassen, denn so richtig zwingend ist das ja nicht. Aber Gott zwingt niemanden zum Glauben. Zum Glauben gehört Freiheit! Freiheit, sich für oder gegen Gott zu entscheiden. Und darin liegt wohl die wahre Allmacht Gottes: Dass er uns diese Freiheit lässt. Er will uns nicht zwingen, sondern von innen her gewinnen. Daher ist es ständig nötig, eine persönliche Beziehung zu Jesus, dem Sohn Gottes, aufzubauen Gott hat sich so klein gemacht, ist Mensch, ja sogar ein Baby geworden, damit wir es leichter haben, sich ihm zu nähern und eine Beziehung aufbauen zu können. Einem Kind gegenüber fällt uns alles leichter. 1 Die Hirten waren die ersten Verkünder der Frohen Botschaft, es waren ganz einfache Menschen, aber mit einem Herzen, das offen war für die Botschaft Gottes! Glaubensverkündigung und Evangelisierung beginnt in der Familie, den Kindern von Jesus erzählen, den Glauben erklären, dem Kind helfen, auf Jesus zu vertrauen, mit Jesus zu sprechen, ganz natürlich - und doch auch immer Ehrfurcht bekunden! Nützen wir diese Weihnachtszeit wieder neu für Gespräche über Jesus, Maria und Josef! Es kann so schön sein, aus der Bibel oder einer speziellen Kinderbibel vorzulesen, um dem Kind Fragen zu beantworten! Aber es braucht letztlich auch bei jedem Erwachsenen das Bemühen, sich wieder neu im Glauben zu vertiefen, weg von der Oberflächlichkeit, die ja doch keine wahre Zufriedenheit bringt! Wie soll etwas, das weniger wert ist als der Mensch, z. B. materielle Güter, dem Menschen genügen und zufriedenstellen, wenn er doch eine Sehnsucht nach dem Höheren und Größeren hat. Letztlich kann nur Gott unsere Sehnsucht stillen, im Himmel und genauso auch bereits hier auf Erden! Der Mensch wird in seiner Begrenztheit dem Menschen nie ganz genügen können. Warum fällt es uns so schwer, von Gott zu sprechen, in der Familie und auch außerhalb? Woran liegt es, dass man uns als Christen nicht mehr erkennt und als solche wahrnimmt? Haben wir uns bereits so an die Welt angepasst, dass wir nicht mehr auffallen und daher auch nichts mehr zu sagen haben? Ist unsere Toleranzschwelle bereits soweit angestiegen, dass wir alles gut heißen? Wir sind es, die beginnen müssen, Feste als Feste zu feiern und lassen wir uns weniger vom Konsumrausch verführen. Unser Glaube ist nicht auf einer romantischen Geschichte, die mit viel Schönfärberei geschmückt ist, aufgebaut! Nein, unser Glaube basiert auf einem Gott, der die Liebe ist, der aber außer seiner unendlichen Barmherzigkeit auch noch unendlich gerecht ist! Nur wer sich in diesem Leben bemüht, darf auf ein Leben bei Gott hoffen, da gibt es keinen Automatismus, diese Wahrheit darf nicht verschleiert werden, sondern soll ungekürzt verkündet werden. Gott ist so groß, so allmächtig, dass er niemanden zwingen muss, sondern allen die Freiheit lässt. Er hätte alle Macht des Himmels und der Erde, um uns zu etwas zu zwingen. Aber er ist so mächtig, dass er dies nicht tut. "Vielleicht hätten wir sogar vor der Macht, vor der Weisheit eher kapituliert. Aber er will nicht unsere Kapitulation, sondern unsere Liebe." (Joseph Ratzinger) Darum wählt er eben diesen Weg der Weihnacht, der von innen her gewinnen will. 2 Wie jeder andere Mensch verbrachte unser Herr neun Monate im Schoß seiner Mutter. Gott will nichts überstürzen, will auch keine Privilegien und kommt zur Welt wie jeder andere Mensch Der Sohn Gottes wurde nicht in einer der Metropolen der damaligen Zeit geboren, nicht in Rom, Jerusalem, Alexandrien - sondern in einem entlegenen Dorf des Römischen Reiches. Der Sohn Gottes kam nicht aus einer mächtigen Herrscherdynastie oder Priesterkaste, er wuchs nicht im Palast oder Tempel auf, sondern er war Kind einer einfachen Handwerkerfamilie. Dort, wo Menschen sich groß dünken, sich etwas auf ihre Fähigkeiten, auf ihre Herkunft einbilden, ist wenig Raum für die Größe Gottes. Sicher, er kann dort auch wirken. Dennoch hören solche Menschen keine Engel mehr singen. Sie fühlen sich von Gott eher gelangweilt oder bedroht. Sie wollen eben nicht sein Eigentum -Gottes Eigentum - sein. Sie gehören nur sich selber. Und die Welt gehört ihnen sowieso. Deswegen können sie den nicht aufnehmen, der in sein Eigentum kommt dann müssten sie sich ja ändern, ihn als Eigentümer anerkennen. Auch wir sind in der Gefahr, durch unseren Hochmut im Kleinen und Großen, Gott die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Gottes Allmacht tritt zutage, wenn er machtvolle Taten vollbringt durch die Kleinen und Schwachen. Gottes Macht ist größer als die unsere. ER vollbringt dann mit seinem Arm machtvolle Taten durch uns Menschen, wenn wir ihn lassen. Gott vollbringt mit den Kleinen und Schwachen seine Großtaten. Gerade deshalb ist er ja klein geworden, damit wir nicht vor ihm weglaufen, sondern auf ihn zugehen. Das kleine Kind in der Krippe, Gott, ruft uns förmlich, ihm zu helfen. Im Kind zeigt der Allmächtige sich von uns abhängig, hilfsbedürftig. "In der Krippe von Bethlehem sagt Christus dir und mir, dass er uns braucht. Wir werden niemals richtig froh sein, wenn wir Christus nicht wirklich nachahmen, wenn wir nicht demütig sind wie Er. Liebe Gläubige! In einer Krippe, in Windeln, in einem Stall! Die erlösende Wirksamkeit unseres Lebens kann sich nur in Demut vollziehen, indem wir aufhören, nur an uns selbst zu denken, und uns für die anderen verantwortlich fühlen." (Josefmaria Escrivà, Christus begegnen) Wenn wir innerlich so klein werden wie dieses Kind in der Krippe, wenn wir als Kinder Gottes leben - dann hat Gott nicht nur Großes mit uns vor, sondern wird es auch vollbringen: unser Heil und das Heil der Welt! Amen. 3
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