Prof. Dr. Jürgen Oechsler Johannes Gutenberg

Prof. Dr. Jürgen Oechsler
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Juristischer Examenskurs
Handels- und Gesellschaftsrecht
WS 2015/16
1. Teil: Handelsrecht
Fall 1
Die V-GmbH will eine alte, im Betriebsvermögen stehende Anlage zum Verzinken von
Schrauben veräußern, da sie die einschlägige Betriebsabteilung stillzulegen beabsichtigt. Geschäftsführer G erteilt daher dem auf derartige Geschäfte spezialisierten H den Auftrag, einen
Käufer für einen Kaufpreis bis zu 95.000€ zu finden.
Im September 2008 bietet H die Anlage in Namen der V-GmbH dem Unternehmen K mündlich zum Preis von 115.000€ an. Anlässlich eines Besichtigungstermins erklärt H auf Frage
des K, die Anlage sei im Boden verschraubt und lasse sich daher ohne Mühe demontieren und
wieder aufstellen. Schließlich einigen sich H und K am 20.09.2008 auf einen Kaufpreis von
108.000€, zahlbar in drei Raten.
Am 22. 9. 2008 geht daraufhin bei K ein Schreiben der V-GmbH folgenden Inhaltes ein:
Auftragsbestätigung und Rechnung.
Wir verkauften an Sie nach Besicht und unter Ausschluss jeder Sachmängelhaftung die (näher
bezeichnete) ... gebrauchte Verzinkungsanlage zum Preis von 108.000€. Die Anlage kann ab
1. Oktober 2008 von Ihnen demontiert werden. Der Kaufpreis ist in drei Raten zu zahlen, und
zwar eine Rate von 40.000 bei Rechnungserhalt, eine zweite Rate von 30.000€ am 1. November, die dritte Rate zum Jahresende.
K zahlt die erste Rate im Anschluss an dieses Schreiben. Bei Beginn der Demontage am 2.
Oktober stellt sich allerdings heraus, dass die Anlage vollständig verschweißt war. Demontage und Wiederaufstellung wären deshalb nur unter sehr großen Schwierigkeiten und bei erheblichen Kosten möglich gewesen. K weigert sich deshalb mit Schreiben vom 18. Oktober,
weitere Raten zu leisten, und erklärt stattdessen, „er kündige den Vertrag“.
Die V-GmbH klagt gegen K auf Zahlung des restlichen Kaufpreises. In der Beweisaufnahme
erklärt H, er sei fest davon ausgegangen, dass die Anlage wie ähnliche Typen lediglich verschraubt gewesen sei. Ob er eine entsprechende Information von der V-GmbH erhalten habe,
könne er nicht mehr sagen.
Muss K den restlichen Kaufpreis zahlen?
Fall 2
Computerfachmann Armin (A) ist Handlungsgehilfe der Softwarefirma Baukland (B); diese
spezialisiert sich auf integrierte Softwareangebote (Personalverwaltung plus ConsultingDienstleistungen kombiniert mit Hardwarebeschaffung nach den Vorstellungen des Kunden).
A will die bei B erworbenen Kenntnisse auch nebenberuflich nutzen. So veranlasst er seine
Frau F, als Inhaberin die Firma Xalix zum Handelsregister anzumelden. Geschäftsgegenstand
der Xalix, als deren einziger Inhaber sich die F ausgibt, ist die Entwicklung und Implementierung von integrierten Softwarelösungen. Die Anmeldung der F wird eingetragen und bekannt
gemacht. Wann immer A im nachfolgenden Jahr Freizeit hat, arbeitet er in den Räumen der X
mit. Ist er im Geschäft der F, führt er schon wegen seiner Fachkenntnisse die Verhandlungen
mit den Kunden. Entsprechend verhandelt er auch mit V über die Anschaffung eines Servers
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für 20.000€; auf Rückfrage des V, der den Namen des A nicht auf dem Briefpapier von X
findet, erklärt A, ja er „sei hier gemeinsam mit F der Boss, V solle sich getrost auf ihn verlassen “.
Am Ende fehlt allerdings das Geld für die Bezahlung der 20.000€. Kann V diese von A verlangen?
Anlässlich dieses Rechtsstreits fliegt die ganze Sache auf und B verlangt von A Herausgabe
des gesamten Gewinns der X: 50.000€. Zu Recht?
Fall 3
Die K-GmbH führt am 1.10.2010 Bewerbungsgespräche; gesucht wird ein neuer Prokurist. G,
der Geschäftsführer der K lässt T bereits nach wenigen Minuten wissen, dass er „versungen“
habe und sich keine Hoffnungen auf den Job zu machen brauche. Voller Wut schleicht T in
das Bürozimmer des Prokuristen und ruft von dort aus die Firma V-Lop AG (V) an. Er gibt
sich dort als neuer Prokurist der K aus und bestellt 1000 T-Shirts, mit dem Konterfei von
„Thilo Sarrazin“ und der Textzeile „Es reicht!“ Bei V fragt man nach einer Faxnummer
zwecks Bestätigung. T sieht das im Raum stehende Faxgerät und gibt V die darauf abgedruckte Nummer durch. Fünf Minuten nach Beendigung des Gesprächs geht auf dem Gerät ein Bestätigungsfax der V ein: „Bestätige Bestellung 1.000 mal T.Sarraz. T-Shirt zu 5 Euro/Stück,
V.“. T steckt das Fax ein und schleicht sich unbemerkt aus dem Geschäftsgebäude der K.
Am 2.10. wird in der deutschen Tagespresse überall und ausgiebig darüber diskutiert, dass
Thilo Sarrazin (S) gegen eine Reihe von T-Shirts mit seinem Konterfei und diversen Aufdrucken vorgehe. „Kein einziges davon habe ich autorisiert!“ wird der Politiker in der Presse
zitiert.
Als am 3.10. die Lieferung der T-Shirts bei K eingeht, ist der Ärger groß und G versucht V
die Lieferung auszureden. V verweist auf das Fax und legt eine Absendebestätigung vor. Bei
G ist man ratlos, verlangt aber die Rückgängigmachung des Vertrages, der V nicht entspricht.
Als am 13.10. der K eine Abmahnung des S ins Haus geht, mit dem Verbot, die T-Shirts zu
verbreiten, wendet sich G noch einmal an V, allerdings ohne Erfolg.
Muss K die 5.000 Euro an V zahlen?
Fall 4
A) Über das Vermögen des Kaufmanns K ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Sämtliche Forderungen aus seinen Handelsgeschäften hatte er bereits im Juni 2007 an das Factoringunternehmen F im Wege der Globalabtretung zediert. F hat die Forderungen zu 95% ihres
Nennwertes honoriert und das Bonitätsrisiko der Schuldner übernommen. Nun stellen sich
folgende Fragen. Lieferant L hatte dem K im April 2008 hundert Stahlträger unter verlängertem Eigentumsvorbehalt geliefert, die K längst an D weiterveräußert hat. D hatte zunächst
noch nicht gezahlt. Nun gibt es Streit zwischen dem Insolvenzverwalter I und dem Factor F: F
will die Forderung gegenüber D aussondern. I behauptet hingegen, an der Forderung gegenüber D bestehe zugunsten des L ein Absonderungsrecht, so dass er die Forderung nach §§ 165
ff. InsO verwerten dürfe. Wer hat Recht?
B) Streit gibt es auch um eine Forderung gegenüber P: Auch diesem gegenüber hatte K einen
von L gelieferten Stahlträger gegen Rechnung veräußert. Doch hatten K und P ein Kontokorrentverhältnis vereinbart in das alle Rechnungen eingestellt würden. I vertritt die Auffassung,
die Kaufpreisforderung gegenüber P gehöre zur Masse. F reklamiert die Forderung für sich.
Wer hat hier Recht?
Fall 5
Bauunternehmer K aus Mainz bestellt am 30.09.2008 bei Großhändler V aus München drei
Nano-Durchlauferhitzer zum Gesamtpreis von 95.000 €, die K in einer neu zu errichtenden
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Wellnessanlage montieren will. Zwischen K und V ist Postversand und Zahlung binnen 30
Tagen vereinbart. Am 1.10.2008 übergibt V die Geräte dem privaten Transportunternehmen
F. Bei der Auslieferung der Pakete widerfährt hingegen A, dem Ansgestellte der F, ein Missgeschick. Er lässt die Tür seines Tranportfahrzeugs offen stehen, während er ein Paket an einen schwerhörigen Kunden ausliefert, der ihn länger als geplant aufhält. Dies nutzt D, um
unter anderem die drei Pakete mit den Nano-Durchlauferhitzern zu entwenden. D veräußerte
diese an unbekannte Dritte weiter. A wurde von F sorgfältig ausgewählt und ständig überwacht.
Frage 1: Kann V von K Zahlung der 95.000 € nach Eintritt der Fälligkeit verlangen?
Frage 2: Welche Ansprüche hat V gegen F und D?
Frage 3: Welche Ansprüche hat F gegen D?
Fall 6
Die X-GmbH (Stammkapital: 25.000 €, Gesellschafter A, B, C und D mit einer Stammeinlage
von jeweils 6.250€) wird von A mit Alleingeschäftsführungsbefugnis und B und C mit Gesamtgeschäftsführung vertreten; D hat hingegen keine Geschäftsführungsbefugnis.
Am 1. April 2008 scheidet C aus der Gesellschaft aus und wird als Geschäftsführer abberufen; beides ist bisher noch nicht beim Handelsregister zur Eintragung angemeldet worden.
Obwohl B im Juni einen psychischen Zusammenbruch erleidet und danach zeitweise einen
sehr verwirrten Eindruck macht, unternehmen A und D zunächst nichts. Erst im September
wird im Einverständnis mit dem Betreuer des B das Erlöschen seiner Geschäftsführungsbefugnis im Handelsregister eingetragen. Im August hatte B noch für die GmbH einen Kaufvertrag mit G geschlossen, aus dem die X vermeintlich 50.000€ schuldet. Nachträglich stellt sich
heraus, dass B in diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig war.
Vgl. dazu einen Auszug aus der sog. Publizitätsrichtlinie 2009/101/EG
Art. 9: Sind die Formalitäten der Offenlegung hinsichtlich der Personen, die als Organ zur
Vertretung der Gesellschaft befugt sind, erfüllt worden, so kann ein Mangel ihrer Bestellung
Dritten nur entgegengesetzt werden, wenn die Gesellschaft beweist, dass die Dritten den
Mangel kannten.
Wie ist die Rechtslage?
Erste Abwandlung:
P hat den von X „geschlossenen“ Kaufvertrag mit G noch einmal im Oktober gegenüber G
bestätigt. P war als leitender Angestellter auf Probe, ausgestattet mit Prokura, bei der X angestellt worden. Solange das Probearbeitsverhältnis bestand, wollte die Geschäftsführung die
Anmeldung der Prokura zum Handelsregister nicht vornehmen. Nachträglich erwies sich diese Entscheidung als vermeintlich kluger Schachzug; denn P erwies sich als unzuverlässig und
wurde nach Ablauf der Probezeit Ende August entlassen. Eine Eintragung in das Handelsregister unterblieb daher vollständig.
Wie ist die Rechtslage?
Zweite Abwandlung:
P bestätigt den Kaufvertrag gegenüber G, indem er G gegenüber als Prokurist auftritt. Bei P
handelt es sich um einen Raumpfleger, der bei X eingestellt ist und dem überhaupt keine Vertretungsmacht erteilt ist. G steht allerdings auf dem Standpunkt, das Handelsregister schweige
über einen Widerruf der Prokura des P; deshalb dürfe er von dieser ausgehen. Wie ist die
Rechtslage?
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Fall 7
A) X und Y sind jeweils zur Hälfte Inhaber der im Handelsregister eingetragen Filmproduktionsfirma Alcona Productions OHG (A); jeder von ihnen hat Einzelvertretungsmacht. Dies ist
im Handelsregister eingetragen. Am 01.06.2008 verkaufen beide das Unternehmen an den
Produzenten Z, der es unter der Firma „Alcona Entertainment“ (A2) betreibt. X verbleibt für
eine Übergangszeit im Geschäft, um die neue Mannschaft einzuarbeiten. Nach außen soll er
dabei nicht mehr in Erscheinung treten. Eintragungen zum Handelsregister hat Z wegen chronischer Arbeitsüberlastung noch nicht eingeleitet.
Am 10.06.2008 engagiert X indes aufgrund eines besonders günstigen Angebots spontan die
Sängerin M für einen Kurzauftritt in der von A2 produzierten Show (Gagenforderung
250.000€). Nachdem die A2 den zum 30.06.2008 vereinbarten Vorschuss nicht geleistet hat,
fragt der deutsche Konzertagent K, der abgetretene Rechte geltend macht, ob Z für die im
Konzertvertrag vereinbarte Vertragsstrafe i.H.v. 250.000€ verantwortlich ist (Hinweis: Es ist
deutsches Recht gewählt). Z verneint den Anspruch dem Grunde nach und beantragt vorsorglich Herabsetzung der Vertragsstrafe.
B) Im Zusammenhang mit dem Erwerb stellt sich für Z eine weitere wichtige Frage: Die A
hatte ihre Show in einem Produktionsstudio hergestellt, das von P gepachtet worden war.
Pächter war nach dem Ausscheiden des Y allein X. Anlässlich des Studiokaufs wurden keine
weiteren Vereinbarungen getroffen, weil X und Z davon ausgingen, dass der Studiovertrag,
der noch 5 Jahre laufen soll, „mitverkauft“ sei. P hingegen bietet Z einen neuen Vertrag mit
deutlich höherer Pacht an. Wie ist die Rechtslage?
Fall 8
(BGH, 16.6.2015 – XI ZR 243/13, BB 2015, 2065, Rn. 17 ff.): Victoria (V) hat Kerstin (K)
einen Gebrauchwagen verkauft. Vereinbart ist ein Kaufpreis iHv. 10.000 € aus § 433 Abs. 2
BGB. K mindert den Kaufpreis wegen eines angeblichen Mangels nach §§ 437 Nr. 1, 441
BGB auf 5.000 €. V bestreitet hingegen das Vorliegen eines Mangels und die Berechtigung
der Minderung.
K weist ihre Bank (B1) an, 5.000 € auf das von V angegebene Konto bei der Bank B2 zu
überweisen und dies V mitzuteilen. B1 erledigt den Auftrag noch am selben Tag und teilt dies
V telefonisch mit. Bei B2 führt man die Zahlung allerdings nicht aus. Denn das angegebene
Konto lautet nicht auf „V“, die im Überweisungsvordruck als Zahlungsempfängerin ausgewiesen ist, sondern auf eine „Hans Altmeyer GmbH“. B2 meldet dies B1 und B1 benachrichtigt darauf K. K und B1 vereinbaren daraufhin, dass die Überweisung nicht ausgeführt werden
soll. K überweist vielmehr den Betrag i.H.v. 5.000 € auf ein andere Konto der V im Wege des
Online-Banking. Vor Eingang des Betrages ruft V jedoch bei B1 an und fragt, wo die 5.000 €
blieben, über deren Überweisung B1 der V Mitteilung gemacht habe. V spricht mit einem
anderen Mitarbeiter der B1, der auf das Problem mit der Kontoinhaberschaft hinweist, aber
von der Absprache mit K über das Nichtausführen der Überweisung nichts weiß. V erklärt,
dass sie selbst Inhaberin der Firma Altmeyer sei. Nach einem Blick ins elektronische Handelsregister stellt der Mitarbeiter fest, dass dies richtig ist und führt die liegen gebliebene
Überweisung nun aus. So gehen bei V zweimal 5.000 € ein: einmal über K direkt und einmal
über B1. B1 fordert die von ihr weitergeleiteten 5.000 € von V heraus. Zu Recht?
Fall 9
Die V-OHG, bestehend aus den persönliche haftenden Gesellschaftern A, B und C ist im Möbelhandel tätig. Laut Satzung steht A, B und C Vertretungsmacht jeweils nur gemeinsam mit
dem Prokuristen P zu. Dies ist entsprechend in das Handelsregister eingetragen. Dem Kunden
K verkauft A am Telefon eine vom Käufer zu montierende Vitrine zum Preis von 1.500 Euro.
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Wegen eines Streits mit P, der später zu dessen Entlassung führt, erhebt dieser Protest gegen
diesen und alle anderen Abschlüsse des A. A wendet sich darauf – nun rechtsanwaltlich beraten – an B und C und holt deren Zustimmung zum Abschluss ein. Als K den gelieferten Modellbausatz öffnet, findet sich nur eine schwedische Aufbauanleitung. Mit Hilfe seines
schwedischen Arbeitskollegen X gelingt der Aufbau dennoch. Nun, 1 Jahr nach Lieferung,
muss K jedoch infolge eines Umzugs die Vitrine wieder ab- und aufbauen. Er verlangt von A
Lieferung einer deutschen Montageanleitung. Zu Recht?
Fall 10
(BGH 10.5.2012 – IX ZR 125/10 = NJW 2012, 2435) Mandant G wendet sich an Rechtsanwalt R, der Gesellschafter der Sozietät Schredder & Partner GbR (GbR) ist. Er hat folgendes
Problem:
Verleger V hat G durch schriftlichen Vertrag eine Unterbeteiligung an seinem Kommanditanteil an der X-KG auf den Todesfall zugewendet. Im Gesellschaftsvertrag sind G dabei Informations- und Auskunftsrechte gegenüber V über die laufende Geschäftsführung der X eingeräumt. Nach dem Tod des V hat dessen Erbin E den Kommanditanteil erworben und verweigert jetzt die Gewinnauszahlung; Begründung: Die Schenkung sei formnichtig. G fragt, ob er
den Gewinn einklagen könne. R sieht gute Chancen und verspricht, diese komplizierte
Rechtsangelegenheit für G zu prüfen. Er schließt mit M einen schriftlichen Beratungsvertrag.
Dieser ist auf dem Briefpapier der GbR aufgesetzt. Später teilt R dem G mit, leider sehe er
große Gefahren. G solle sich auf die von E angebotene Abfindung iHv. 15.000 € einlassen
und einen Vergleich mit dieser schließen. G verfährt genauso so. Später spricht ihn ein anderer Rechtsanwalt auf den Vergleich an und meint, dieser sei ein schlechtes Geschäft, denn G
habe den Gewinn ursprünglich in voller Höhe beanspruchen können. G verlangt nun von S
Schadensersatz iHd. des entgangenen Gewinns, der – berechnet auf 10 Jahre und abgezinst –
10,5 € beträgt. S ist als Steuerberater Gesellschafter der GbR. Er verweist auf die AGB, die
dem G im Beratungsvertrag gestellt wurden. Dort wird die persönliche Haftung der nicht an
der Beratung des G beteiligten Gesellschafter ausgeschlossen. Besteht der Anspruch?
Fall 11
B ist seit fünf Jahren als Angestellter bei der X-Bank beschäftigt. Diese vertreibt über den
Vertriebsagenten („Drücker“) V diverse Kapitalanlagen, darunter auch Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds. Am 1.10.2010 kommen V und B in der Cafeteria der X ins
Gespräch. Bei dieser Gelegenheit schlägt V dem B vor, in den „bombensicheren I-Fonds“ zu
investieren, der von der Y-AG aufgelegt wird. Die Y ist selbst Fondsmitglied und vertreibt die
99 weiteren gleich hohen Anteile, die laut Gesellschaftsvertrag gebildet werden können, als
Geschäftsführerin des I an Privatanleger; ihr ist im Gesellschaftsvertrag entsprechende Vertretungsmacht erteilt worden. Laut Gesellschaftsvertrag soll der Fonds ein Geschäftsgebäude in
der Mainzer Innenstadt für 1.000.000 Euro erwerben, dessen Ladenlokale an die Betreiber
internationaler Franchiseketten vermietet werden sollen. B zeigt sich bei seinem Gespräch mit
V äußerst interessiert. Nach weiteren Vorabsprachen erwirbt er auf Vermittlung der X, vertreten durch V, durch schriftlichen Vertrag mit dem I, vertreten durch die Geschäftsführerin Y,
einen Fondsanteil (Einlageverpflichtung 15.000 Euro). Weitere Belehrungen unterbleiben.
Vier Wochen später reut B der Kauf und er übt sein Verbraucherwiderrufsrecht aus. Er verlangt von I die bereits gezahlten15.000 Euro zurück. Das Vermögen des Fonds beträgt zurzeit
aber 800.000 Euro, wobei alle 100 Anteile vertrieben worden sind. Das Grundstück ist noch
nicht erworben. In wieweit kann B hier desinvestieren?
Zusatzfrage 1: V hat dem B verschwiegen, dass die X von der Y, die ja hinter dem I-Fonds
steht, eine Provision i.H.v. 4.000 Euro pro geworbenem Fondsteilnehmer erhält. Welche Ansprüche hat B in diesem Fall?
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Zusatzfrage 2: Auch A ist dem I unter denselben Bedingungen wie B beigetreten. Haftet er
für den Rückforderungsanspruch des B?
Zusatzfrage 3: Wie ist die Rechtslage, wenn Y den B über die steuerliche Abschreibung der
Beteiligung arglistig getäuscht hat?
Fall 12
A betreibt ein gut gehendes Internetcafé in der Stadt. Wegen dringend anstehender Investitionen nimmt er B als Geldgeber auf. Beide gründen am 1. 7. 2008 eine Kommanditgesellschaft,
der A als Komplementär und B als Kommanditist mit einem Haftkapital von 30.000 € angehören sollen. Zwei Tage nach der Geschäftseröffnung, der B zugestimmt hat, stellt er fest,
dass ihn A über die Höhe der Schulden seines Geschäfts nicht richtig unterrichtet hat. Er ficht
den Gesellschaftsvertrag sofort an. Den Antrag auf Eintragung der KG ziehen beide daraufhin
zurück.
B fragt sie, ob er für folgende Forderungen haftet:
A) A hat dem K anlässlich eines Besuchs im Internetcafé am 1. 04. 2008 versprochen, die
Domain www.cybercash.de für 4.000€ zu beschaffen. Dies gehört jedoch B, der auf damalige
Nachfrage des A für die Herausgabe 5.000€ verlangte. Darauf unternahm A nichts weiter. K
verlangt nun von B die Domain heraus. Mit Aussicht auf Erfolg?
B) A, der laut Gesellschaftsvertrag vom Verbot des § 181 BGB befreit war, verkaufte der KG
seinen gebrauchten Fiat als Firmenwagen für 3.000 € (Marktwert: 4.100 €). Den Kaufpreis
fordert er nun unmittelbar von B.
C) Die Bardame des Cafés D hatte sich vom hartnäckigen Handelsvertreter X erweichen lassen und vierzehn PC-Mäuse für 100€ erworben. X geht nun gegen B vor.
Fall 13
Die Lima-KG (KG) besteht aus den Komplementären A und B sowie den Kommanditisten
K1 und K2. Für K1 ist eine Haftsumme i.H.v. 100.000 Euro, für K2 eine Haftsumme i.H.v.
50.000 Euro in das Handelsregister eingetragen. Am 1.10.2011 scheidet K1 aus der KG aus,
was am 31.10.2011 in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht wird. Am
2.10.2011 nahm die KG, vertreten durch A, ein kurzfristiges Darlehen bei der X-Bank i.H.v.
250.000 Euro auf, dessen Rückführung nun Probleme bereitet. Deshalb wendet sich die Bank
an K1 und K2 und macht folgendes geltend:
Frage 1: K1 habe die für ihn eingetragene Haftsumme nicht ausreichend mit Kapital unterlegt. Unstreitig hatte K1 gegenüber einem Gläubiger der KG (G) eine Kaufpreisverbindlichkeit für die KG betreffend eine Computeranlage i.H.v. 100.000 Euro getilgt. Allerdings sei
diese Computeranlage mangelhaft und nur 70.000 Euro wert gewesen. Die KG hatte eine entsprechende Rüge gegenüber G rechtzeitig erhoben; K1 habe vor seiner Zahlung aber keine
Rücksprache mit der KG gehalten. Ferner habe die KG von K1 bei seinem Ausscheiden aus
der KG einen Pkw für 90.000 Euro erworben, dessen Verkehrswert laut Schwacke-Tabelle bei
50.000 Euro gelegen habe. Deshalb hafte K1 in voller Höhe.
Frage 2: K2 hafte ebenfalls in voller Höhe, weil sie den A als Alleinerbin nachgefolgt sei. K2
beruft sich auf die beschränkte Kommanditistenhaftung will wissen, welche Rechte ihr hier
zustehen.
Fall 14
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(BGH, 21.10.2014 – II ZR 84/13, WM 2014, 2168, abgewandelt) Die X GmbH&Co. KG besteht aus der Komplementärin X-GmbH (X) und den Kommanditisten K1 und K2. Mit Datum vom 1.10.2015 fassten X und K1 gegen die Stimmen von K2 folgenden Beschluss:
„Der Übertragung des Kommanditanteils von K2 auf die M-Stiftung wird zugestimmt.“
Zugrunde liegt folgender Vorgang: In einer außerhalb des Gesellschaftsvertrags über die KG
getroffenen sog. Poolvereinbarung aus dem Jahr 2010 hatte sich K2 gegenüber X und K1 verpflichtet, seinen Kommanditanteil gegen Enschädigung auf die M-Stiftung zu übertragen,
wenn er bis zum 30.9.2015 keinen Erben erster Ordnung habe. Einen solchen Erben hat K2
nicht, doch wendet er gegen die Verpflichtung § 275 Abs. 1 BGB ein und verweist auf folgende beiden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages:
§ 6. Gesellschafterversammlung
...
(4) Die Gesellschafter haben insgesamt 100 Stimmen. Davon entfallen
- auf X 80 Stimmen;
- auf K1 10 Stimmen;
- auf K2 10 Stimmen.
(5) Soweit nicht in diesem Gesellschaftsvertrag oder im Gesetz ausdrücklich abweichend geregelt, erfolgen die Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit der vorhandenen Stimmen.
§ 10. Verfügungen über Gesellschaftsanteile
(1) Die Übertragung des Gesellschaftsanteils bedarf der Einwilligung der Gesellschaftsversammlung.
Muss K2 den Gesellschaftsanteil auf die M. Stiftung übertragen?
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