„… um Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den Interessen der

„… um Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den Interessen
der jungen Generation zu überprüfen“
Diskussionspapier zur Entwicklung eines Jugend-Checks
für Maßnahmen der Bundesregierung1
- Auszug -
Jugend ist eine eigenständige Lebensphase. Junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren
stehen vor spezifischen Herausforderungen, sie haben eigene Interessen und Bedürfnisse.
Diese unterscheiden sich bedeutsam von den Belangen anderer Alters- und Bevölkerungsgruppen. Die Lebenslagen Jugendlicher und junger Erwachsener werden u. a. durch vielfältige
Gesetzgebungen, Verordnungen und Programme des Bundes beeinflusst – mit spezifischen
Auswirkungen. Diese Auswirkungen können sehr unterschiedlich sein: Im Interesse junger
Menschen, gegen ihre Interessen oder beides; sie sind z.T. gewollt (z. B. SGB VIII; Jugendarbeitsschutzgesetz; JUGEND STÄRKEN,…), z.T. werden sie im Gesetzgebungs- oder Maßnahmenentwicklungsprozess nicht bemerkt oder zumindest nicht ausreichend berücksichtigt.
Dies greift der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien auf:
„Eigenständige Jugendpolitik: Jugend ist eine eigenständige Lebensphase. Wir begreifen Jugendpolitik als ein zentrales Politikfeld, das vorrangig von Ländern und Kommunen vor Ort gestaltet wird.
Um unsere jugendpolitischen Ziele zu verwirklichen, benötigen wir eine starke Allianz für die Jugend mit
einer neuen, ressortübergreifenden Jugendpolitik, die die Belange aller jungen Menschen im Blick hat.
Gemeinsam mit Jugendlichen und ihren Jugendverbänden entwickeln wir das Konzept einer eigenständigen Jugendpolitik weiter. Wir wollen Jugendlichen Freiräume ermöglichen, ihnen
Chancen eröffnen und Rückhalt geben. Wir werden mit den Jugendverbänden einen „JugendCheck“ entwickeln, um Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den Interessen der jungen Generation zu überprüfen.“ 2
1. Ziele und Anforderungen
Der Jugend-Check als ein aus mehreren Modulen zusammengesetztes Instrument hat das
Ziel, dass bei allen relevanten Maßnahmen der Bundesregierung (v. a. Gesetzgebungen, Verordnungen und Programme) die Interessen und Bedürfnisse von Jugendlichen und jungen
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Dieses Diskussionspapier ist gleichzeitig der Zwischenbericht der Expertinnen und Experten der sechs Workshops zur Entwicklung eines Jugend-Checks, die zwischen Dezember 2014 und Oktober 2015 stattgefunden
haben (siehe Kapitel 2).
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD
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Erwachsenen systematisch und frühzeitig – das heißt bereits in der Entwicklung – berücksichtigt werden.
Der Jugend-Check orientiert sich an der in sich sehr heterogenen Altersgruppe von 12 bis 27
Jahren. Die Vielfalt wird sich in je spezifischen Prüfkriterien abbilden müssen, denn Jugendliche und junge Erwachsene werden aufgrund ihrer sozialen Hintergründe, ihrer verschiedenen
Altersgruppen und Identitäten von Maßnahmen unterschiedlich betroffen.
Der Jugend-Check wird derzeit für die Bundesebene entwickelt. Das Ergebnis soll jedoch ermöglichen, dass Länder und Kommunen jeweils für sie passende Module aufgreifen, für sich
weiterentwickeln und nutzen.
2. Prüfinstrument – Stand der Überlegungen
Mithilfe des zu entwickelnden Prüfinstruments sollen in einem ersten Schritt Gesetzesvorhaben der Bundesregierung auf die Vereinbarkeit mit den Belangen Jugendlicher und junger
Erwachsener überprüft werden. Das Ergebnis der Prüfung soll jeweils eine Darstellung der
Auswirkungen des Gesetzesvorhabens auf junge Menschen in der Vorlage für den Bundestag
sein. Diese Darstellung soll sicherstellen, dass der Gesetzgeber bei seinen Entscheidungen
über die möglichen spezifischen Auswirkungen des Vorhabens auf junge Menschen informiert
ist und diese berücksichtigen kann. In dieser Darstellung soll jedoch bewusst darauf verzichtet
werden, Vorschläge o. ä. zu formulieren, wie der Gesetzgeber mit dieser Darstellung umgeht
und wie er sie berücksichtigt.
Die Darstellung der spezifischen Auswirkungen auf junge Menschen als Bestandteil der jeweiligen Gesetzesvorlage wird i. d. R. spätestens mit Beginn der Beratungen im Deutschen Bundestag öffentlich. Dies soll es auch ermöglichen, dass Fach- und Interessenorganisationen
bzw. -gruppen im Interesse der Belange von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Bezug
auf die jeweilige Maßnahme besser und breiter aktiv werden.
Das Prüfinstrument soll im Rahmen seiner verpflichtenden Anwendung in den federführenden
Bundesministerien und durch die Darstellung der spezifischen Auswirkungen in den Gesetzesvorlagen auch der Sensibilisierung dienen.
Das Prüfinstrument
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soll so konzipiert werden, dass der bürokratische Aufwand angemessen und vertretbar ist,
•
darf jedoch kein Instrument sein, bei dem lediglich ein „Haken an einen Gesetzentwurf“
gemacht wird,
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muss Prüfkriterien, die eine transparente und nachvollziehbare Bewertung ermöglichen,
als Grundlage haben,
•
muss unabhängig, transparent, ressortübergreifend sein,
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•
soll verbindlich sein und
•
soll nach einer erfolgreichen Dialogphase gesetzlich verankert werden.
Unter „spezifischen Auswirkungen“ werden Auswirkungen verstanden, die
•
junge Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser Altersgruppe (12 bis 27 Jahre)
betreffen oder auf diese in besonderer Weise wirken und
•
beschreibbare Gruppen junger Menschen betreffen. Die Vielfalt junger Menschen in Hinblick auf Neigungen und Interessen, Bedürfnisse und Fähigkeiten, Lebenssituationen und
Angehörigkeit zu verschiedenen (sozialen und Alters-)Gruppen innerhalb der Lebensphase Jugend sorgt für unterschiedliche Betroffenheit durch Gesetzesvorhaben. Es ist
klar, dass die wenigsten Regelungen alle jungen Menschen gleichermaßen betreffen.
Das Verfahren ist für Gesetzesentwürfe der Bundesregierung beschrieben. Es ist zweistufig
und findet vor Einbringung in den Deutschen Bundestag bzw. Bundesrat statt.
•
Stufe 1: Die Autorinnen bzw. Autoren des Gesetzes beschreiben bereits im Referentenentwurf die möglichen spezifischen Auswirkungen des Vorhabens auf junge Menschen.
•
Stufe 2: Ein Gremium prüft 3 im Rahmen der Ressortabstimmung diese Darstellung auf
Vollständigkeit, andere Sichtweisen, Relevanz etc. und verfasst ggf. eine Stellungnahme,
die in die Gesetzesvorlage mit aufgenommen wird.
Dieses Kontrollgremium ist neben einer regierungsinternen Prüfung (Stufe 1) nötig, damit
der Jugend-Check nicht nur aus der fachlichen Perspektive des federführenden Ressorts
ausgeführt wird. Das Gremium soll unter Mitwirkung von Organisationen der Zivilgesellschaft, insbesondere von Interessenvertretungen junger Menschen und Fachorganisationen, besetzt werden.
zu Stufe 1
Zu jedem Referentenentwurf verfassen die Autorinnen bzw. Autoren des Entwurfs eine Beschreibung der zu erwartenden spezifischen Auswirkungen 4 auf junge Menschen und der entsprechenden Relevanz, die neben Problem und Ziel, Lösung, Alternativen, Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand, Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger, Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft, Erfüllungsaufwand der Verwaltung, weiteren Kosten in das Vorblatt
des Gesetzes verbindlich aufzunehmen sind. 5 Sind diese Auswirkungen negativ, ist auch darzustellen, ob es Alternativen zur Regelung gibt und warum diese nicht gewählt wurden. Die
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4
5
Umfang und Tiefe der Prüfung sind von der Relevanz (wie viele junge Menschen und wie stark sind sie betroffen) abhängig.
unabhängig davon, ob sie Kern der Regelung oder gewollte oder ungewollte Nebenwirkungen sind
geregelt in Anlage 3 zu § 42 Absatz 1 GGO
3
Detailtiefe dieser Darstellung soll von der Relevanz für junge Menschen bzw. der Nähe zu
ihren Lebenswelten abhängig sein.
Zur Unterstützung kann auf die Expertise des Jugend-Check-Gremiums 6 sowie von Beratungsgremien der Bundesregierung zurückgegriffen werden, möglich ist auch eine Beratung
durch das Jugendressort. Darüber hinaus sollen Handreichungen zu den inhaltlichen Prüfkriterien zur Verfügung gestellt werden, in denen diese übersichtlich und inhaltlich auf das Ressort abgestimmt dargestellt und mit Ankerbeispielen versehen sind.
zu Stufe 2
Im Rahmen der Ressortabstimmung 7 wird der Gesetzesentwurf samt Vorblatt (inkl. der o. g.
Darstellung) auch dem Jugend-Check-Gremium übersandt. Dieses prüft die Darstellung der
spezifischen Auswirkungen auf junge Menschen. Umfang und Tiefe der Prüfung sind abhängig
von der Relevanz für junge Menschen bzw. der Nähe zu ihren Lebenswelten. Das Gremium
kann dem federführenden Ressort bei besonders hoher Relevanz weitergehende Prüfungen,
z. B. durch Expertisen, Beteiligungsverfahren etc. empfehlen. Das Gremium hat die Möglichkeit, eine Stellungnahme zu verfassen, die in die Gesetzesvorlage mit aufgenommen wird.
Für das Gremium ist eine Arbeitsstruktur mit folgenden Anforderungen vorgesehen:
• personelle Ressourcen;
•
Ausstattung in einem Umfang, der eine qualitativ ausreichende Kontrolle im üblichen Zeitrahmen einer Ressortabstimmung ermöglicht und der Anzahl der zu prüfenden Gesetzesvorhaben angemessen ist;
•
eine Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ermöglicht, sowohl die Sichtweisen und Bedarfe von jungen Menschen in die Prüfung einzubringen, als auch die jeweils fachliche Beurteilung des Reglungsgegenstandes.
Prüfkriterien
Es wird nicht möglich sein, alle denkbaren Auswirkungen mit Hilfe von Kriterien zu erfassen
oder gar abschließend zu beschreiben. Daher ist anzustreben, dass bei allen Prüfungen auch
mögliche Auswirkungen betrachtet werden, die durch ein Kriterienraster (umfasst Prüfdimensionen und Lebensbereiche) nicht erfasst sind. Eine Reduzierung auf ein bloßes Abarbeiten
des Rasters – im Sinne einer Checkliste – wäre nicht angemessen und auch nicht zielführend.
Daher sind die Kriterien (nur) als Ausgangspunkt und Hilfsmittel für die Erarbeitung und Überprüfung der Darstellung der spezifischen Auswirkungen auf junge Menschen zu sehen. Diese
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siehe Stufe 2
i. S. § 45 GGO – Beteiligungen innerhalb der Bundesregierung
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Kriterien können niemals vollständig sein und bedürfen einer regelmäßigen Anpassung unter
Beteiligung Jugendlicher und ihrer Vertretungen.
Es wird von den Prüfdimensionen Teilhabe, Schutz und Entwicklung sowie von den Lebensbereichen Schule, Familie, Freizeitgestaltung, Ausbildung/Arbeit, Politik/Gesellschaft sowie Umwelt/Gesundheit ausgegangen, die jedoch als nicht abschließend angesehen werden. Im Rahmen von Fortschreibungen muss die Ergänzung von Lebensbereichen
oder Differenzierung einzelner Bereiche geprüft werden.
Eine wichtige Basis für die Kriterien ist die UN-Kinderrechtskonvention (UNKRK), welche international verbindlich den Mindeststandard für die Rechte von Menschen unter 18 Jahren
darstellen. Die Kernbereiche der UNKRK bieten auch für die Erstellung von Prüfkriterien im
Sinne junger Erwachsener (18-27 Jahre) einen guten Ausgangspunkt, auch wenn deren Herausforderungen sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen andere sind. Die Kriterien müssen
so geschärft werden, dass sie alle relevanten Aspekte für alle Altersgruppen der Lebensphase
Jugend abbilden.
Neben weiteren rechtlichen Grundlagen, die im Grundgesetz und zahlreichen Einzelgesetzen
beschrieben sind, dienen die Grundsätze der Eigenständigen Jugendpolitik als Orientierungspunkte. Insbesondere die Berücksichtigung dieser Grundsätze muss als dynamisches Element
des Jugend-Checks regelmäßig mit Jugendlichen und der jugendpolitischen Fachwelt überprüft und ggf. überarbeitet werden. In die Entwicklung und regelmäßige Fortschreibung sind
vor allem einzubeziehen: junge Menschen als Expertinnen und Experten in eigener Sache,
Interessenvertretungen junger Menschen und Fachorganisationen. Dafür müssen demokratische Regelungen vereinbart und für die einzelnen Gruppen angemessene (Beteiligungs-)Verfahren und Dialogprozesse gefunden oder entwickelt werden.
3. Dialogphase 2016/2017
Auf Grundlage der bisherigen Überlegungen soll in 2016/2017 eine Dialogphase zur Entwicklung des Jugend-Checks (Modul: Prüfinstrument) stattfinden. Dabei geht es sowohl um die
Information und Diskussion in der Fachöffentlichkeit, als auch um die Erprobung und weitere
Konzeptentwicklung.
Berlin, Dezember 2015
Dieser Zwischenbericht ist das Ergebnis der sechs Workshops, an denen folgende Expertinnen und
Experten teilgenommen haben: Rainer Wiebusch (BMFSFJ), Thomas Suchan (BMFSFJ), Nicole Groß
(BMFSFJ), Jasmin Parsaei (AGJ), Mike Corsa (BJK), Immanuel Benz (DBJR); Dominik Naab (DBJR),
Andrea Köhler (DBJR), Christian Weis (DBJR), Jana Schröder (Koordinierungsstelle „Handeln für eine
jugendgerechte Gesellschaft“) und Christian Lüders (DJI).
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