Ausstellungstext

Ramin Haerizadeh / Rokni Haerizadeh /
Hesam Rahmanian
Slice A Slanted Arc Into Dry Paper Sky**
21.02.–17.05.2015
Al Barsha Street in Dubai, dort leben die drei iranischen Künstler Ramin Haerizadeh (*1975),
Rokni Haerizadeh (*1978) und Hesam Rahmanian (*1980). Das mit allen möglichen Dingen vollgehängte Haus der Künstler ist jedoch mehr als nur ein aussergewöhnliches Wohnhaus: Es ist
Bühne, Filmset und Kinosaal, es ist Atelier und Wunderkammer, Versuchsgelände und Kloster
in einem, es ist ein Reich für Forschung, Begegnung und Vergnügen. Und natürlich hinterlässt
die exzentrische Villa tiefe Spuren in der Kunst, die hier entsteht – und nun in Zürich sozusagen auf Zwischenstation ist.
Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian arbeiten sowohl einzeln als auch
zusammen, ohne jedoch ein Kollektiv zu bilden. Ihre Kunst äussert sich in den verschiedensten
Formen – in Filmen, Installationen, Kunstwerken und Ausstellungen – und entwickelt sich häufig aus der Begegnung mit Freunden, anderen Künstler/innen oder zufälligen Bekanntschaften.
Da wären zum Beispiel die iranische Künstlerin Niyaz Azadikhah und ihre Schwester Nesa
Azadikhah, die als DJ auflegt, der iranische Bildhauer Bita Fayyazi, die polyvalente Schriftstellerin Nazli Ghassemi, der amerikanische Künstler Lonnie Holley, die Galeristin Minni McIntyre
und Maaziar Sadr, der für ein Telekommunikations-Unternehmen in den Arabischen Emiraten
arbeitet, die Tamilen Edward St und Indrani Sirisena sowie den iranischen Grafiker und Künstler Iman Raad. Manchmal übernehmen diese Personen zentrale Rollen, manchmal bleibt Ihr
Beitrag marginal; in jedem Fall aber bringen sie eine ganz eigene Realität ein, die das Universum und die Sprache des Trios aufbricht und deren – und unsere – Aufmerksamkeit auf bislang
unbekanntes Terrain lenkt.
Ein weiterer, wichtiger Bestandteil ihrer künstlerischen Praxis ist der Einbezug von Werken
Dritter, denen sie hohen Respekt zollen und/oder die sie schamlos aneignen und adaptierten.
Nichts und niemand wird verschont, auch nicht die eigene, iranische Kultur. Befasst man sich
jedoch eingehend mit ihren Arbeiten, ihrem Denken und ihren Interessen lernt man viel darüber,
wie Filmemacher/innen, Cartoonist/innen und Künstler/innen wie Ardeshir Mohasses, Bahman
Mohasses, Ali Hatami, Mahmoud Khan Saba, or Noureddin Zarrinkelk die persische Kultur mit
westlichen Einflüssen und umgangssprachlichen Traditionen kombinierten. Dies ist gerade im
Eingangsbereich der Kunsthalle gut ersichtlich, wo Werke aus den Jahren zwischen 1850 und
2012 installiert sind. Inspiriert vom Kaffeehaus-Bild in der Ecke über dem Fernseher, ist diese Auswahl ein Hommage an eine Kunst, die für und über den Alltag geschaffen wurde. Spätestens hier
wird klar, dass weitere Kapitel der (kritischen) Moderne darauf warten, geschrieben zu werden.
Dabei entdeckt man, vielleicht zur eigenen Überraschung, dass dieses sehr barock angelegte Werk sich immer auch mit Politik beschäftigt. Jedoch geschieht dies nicht einfach
illustrativ und plakativ, sondern vielmehr durch gezielt doppeldeutige Parabeln, die in der Regel genauso viele Fragen aufwerfen wie beantworten. Auch wenn das Trio nun in Dubai lebt,
und es ihnen aufgrund der Themen ihrer Kunst nicht möglich ist, in den Iran zurückzukehren,
präsentieren sie sich doch nie als jene «Künstler im Exil» als die sie gerne durch die Medien
porträtiert werden. Denn sie hinterfragen Irans grüne Revolution genauso wie das normative
Denken über Sexualität, die Rollen, denen wir uns unterwerfen oder die Mechanismen des
Kunstmarktes und der Kunstwelt. Wenn ihre Verweigerung zum Schubladendenken manchmal
«aussenseiterisch» und exzentrisch wirkt, dann deshalb, weil es ihnen, ihrer Kunst und ihrem
Denken Freiräume garantiert.
Soweit einige Themen und Ansätze, wie die Ausstellung der Künstler in der Kunsthalle
Zürich angegangen werden kann. Denn Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam
Rahmanian haben hier ihr weitreichendes künstlerisches Universum anhand von Filmen,
Wandmalereien und Toninstallationen, einem neuen Boden und einer eklektischen Sammlung
von eigenen und gesammelten Kunstwerken ausgebreitet. So wie die Villa in der Al Barsha
Street wird die Kunsthalle Zürich zu einem zentrifugalen Zentrum, in dem unterschiedlichste Richtungen, Überlegungen und Ideen – und auch Gelächter – den Raum füllen. Ab und an
werden sich die Betrachter/innen freilich fragen, was all dies denn überhaupt zusammenhält.
Kunsthalle
Zürich
Limmatstrasse 270
CH–8005 Zürich
Die Ästhetik, könnte man behaupten, die künstlerische Form, welche die Künstler kontinuierlich weiterentwickeln – das also, was man gemeinhin Kunst nennt. In ihrem Fall ist diese, obschon so vielfältig, doch von verblüffender Präzision und handwerklichem Können, und sie ist
getragen von leidenschaftlich und grosszügig geteilten Wissen. Genau dies aber macht ihre
Arbeit nicht nur zu einem Vorbild für unsere komplizierte – wenn nicht sogar chaotische – Welt,
sondern auch zum Vorbild für eine Kunstinstitution wie die Kunsthalle Zürich.
Slice A Slanted Arc Into Dry Paper Sky ist die erste gemeinsame, institutionelle Ausstellung
der drei Künstler in Europa.
** Aus dem Gedicht «I Still Think About That Crow» des iranischen Dichters Ahmad Shamlou,
welches dieser Nima Yooshij, dem Vater der modernen persischen Lyrik, gewidmet hat.
Es bildet einen Teil des Unfaithful Poem Project der drei Künstler. In Zusammenarbeit mit
Christopher Lord aus dem Farsi ins Englische übersetzt.
Publikation
Zur Ausstellung erscheint in Zusammenarbeit mit der Galerie Isabelle van den Eynde die erste
Monografie zur Kollaboration der drei Künstler: Ramin Haerizadeh Rokni Haerizadeh Hesam
Rahmanian. Hrsg. von Tina Kukielski. Mitherausgeber Christopher Lord. Publiziert anlässlich
der Ausstellung Slice A Slanted Arc Into Dry Paper Sky in der Kunsthalle Zürich, 21. Februar–
17. Mai 2015. Texte von Tina Kukielski, Daniel Baumann und Christopher Lord. Übersetzung von
Nazli Ghassemi. Design von Ghazaal Vojdani. Kunsthalle Zürich, Mousse Publishing, Mailand
2015. ISBN 9788867491353.
Werke Dritter
Verschiedene Arbeiten aus Ramin und Rokni Haerizadehs privater Sammlung sind Teil der
Ausstellung in der Kunsthalle Zürich. Es handelt sich um Werke folgender Künstler/innen:
• Ahmad Amin Nazar (*1955), studierte an der Kunstakademie in Teheran. Nach einem achtjährigen Aufenthalt in Köln, zog er zurück in den Iran, wo er mittels Zeichnungen die Beziehungen zwischen der Tradition der Miniatur und der persischen Literatur erforschte. Nazar
gehört zu jenen Künstler/innen, die sich nach violenten politischen und ideolgischen Wirren
aus der Öffentlichkeit zurückgezogen haben. Amin Nazar unterrichtete Ramin Haerizadeh,
Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian bei sich zu Hause.
• Polly Apfelbaum (*1955), amerikanische Künstlerin, die Malerei ortspezifisch einsetzt.
• Sadie Benning (*1973), amerikanische Künstlerin und Filmerin, Gründungsmitglied der feministischen Punk Band Le Tigre.
• Jake and Dinos Chapman (*1966 / *1962), britische Künstler bekannt für ihren schamlosen
Umgang mit Kunst und Tradition.
• Nicole Eisenman (*1965), amerikanische Malerin, die 2007 eine Einzelausstellung in der
Kunsthalle Zürich hatte.
• Bita Fayyazi (*1962), iranische Künstlerin, Performerin und Aktivistin.
• Gorilla Girls, feministische Kollektiv, das seit 1985 anonym agiert und Sexismus und Rassimus in der Kunstwelt bloss stellt.
• Mona Hatoum (*1952), Künstlerin und Filmemacherin palästinensischer Herkunft.
• Lonnie Holley (*1950), afro-amerikanischer Künstler, Performer und Musiker, der mit Ramin
Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian zusammengearbeitet hat.
• Mehdi Hosseini (*1943), iranischer Zeichner und Maler, der in den USA studierte und heute
in Teheran lebt und unterrichtet.
• Daniel Johnston (1961), amerikanischer Künstler und Musiker, u.a. von Kurt Cobain verehrt.
• Mike Kelley (1954–2012), einflussreicher amerikanischer Künstler und Kritiker.
• RB Kitaj (1932–2007), amerikanischer Künstler jüdischer Herkunft, der vorwiegend in England lebte. Ausgestellt ist eine Auswahl von Siebdrucken (aus: In Our Time: Covers for a
Small Library After the Life for the Most Part, 1969 / 1970).
• Farshid Maleki (*1943), iranischer Künstler und wichtiger Lehrer für eine jüngere Generation
u.a. für Rokni Haerizadeh.
• Robert Mapplethorpe (1946–1989), berühmter amerikanischer Fotograf, dessen Bilder immer wieder zu Kontroversen führten.
• Jessica Mein (*1975), brasilianische Künstlerin, die in Dubai lebt.
• Ardeshir Mohasses (1938–2008), populärer iranischer Illustrator und respektierter Karikaturist, verstarb verarmt in New York.
• Bahman Mohasses (1932–2010), gilt als einer der Väter der modernen iranischen Kunst und
inszenierte 1963 Die Stühle von Eugen Ionesco in Teheran und übersetzte Italo Calvino,
Jean Genet, Luigi Pirandello u.a. in Farsi. Lebte ab 1955 vorwiegend in Rom.
• Tahminal Monazavi (*1988), iranische Künstlerin, Fotografin und Dokumentarfilmerin, die in
Teheran lebt.
• Alice Nikitinova (*1979), tschechische Malerin und Fotografin, die 2010 eine Ausstellung in
der Galerie BolteLang in Zürich hatte.
• Nicky Nodjoumi (*1942), in Iran und den USA ausgebildeter, politisch engagierter Künstler,
lebt in den USA.
• Nam June Paik (1932–2006), koranisch-amerikanischer Künstler und Pionier der Videokunst
und Performance.
• Gertrud Quastler (1909–1963), in Österreich geborene amerikanische Künstlerin. Hier zu
sehen sind kaum gezeigte Zeichnungen.
• Monir Shahroudy Farmanfarmaian (*1924), iranische Künstlerin und frühe Sammlerin
iranischer Volkskunst.
• Judith Shae (*1948), amerikanische Bildhauerin, lebt und arbeitet in New York.
• Kiki Smith (*1954), amerikanische Künstlerin, lebt und arbeitet in New York.
• Sue Williams (*1954), amerikanische Malerin, deren Werke in Zürich in der Galerie Eva
Presenhuber ausgestellt werden.
• Martha Wilson (*1947), amerikanische Tänzerin, Feministin und Mitbegründerin des
Ausstellungsraumes Franklin Furnace Archive in New York.
Filme
Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh, Hesam Rahmanian
Aakkaandi, 2014–2015, Video, Farbe, Ton, 33 Min. 37 Sek.
Courtesy die Künstler
Ein Kurator-Tourist mit Schweinemaske und arttypischer Totetasche betritt ein Schneideratelier, um sich ein Kleid kopieren zu lassen. Eine nächste Szene zeigt einen Doktor und seine
strenge Krankenschwester, wie sie jeglichen Service bieten, von Injektionen bis Zahnreparaturen. Dazu kommen Aufnahmen einer erwachenden Vogelfigur und ritualer Gurulu-Maskentänze. Zwischen diesen Szenen schieben sich Indrani Sirisenas and Edward Sts Erinnerungen
und Diskussionen über ihr Leben in Sri Lanka während des Bürgerkriegs ein. Das tamilische
Ehepaar, das mit den Künstlern zusammen wohnt und arbeitet, hat diesen Krieg hautnah
miterlebt. Die Arbeit endet schliesslich in einem gemeinsam gemalten Bild, über welches sie
Sätze in tamilischer Schrift legen. Einige der Szenen sind von Edward St gefilmt und von Werken tamilischer Dichter beeinflusst, insbesondere Shanmugam Sivalingams The Aakkaandi
Bird und R. Cherans 21 May 1986.
Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh, Hesam Rahmanian
Chai-e Iran, 2013–2014, Video, Farbe, Ton, 26 Min. 39 Sek.
Courtesy die Künstler
Der Film basiert auf einer billigen Teebüchse (ausgestellt), die die Künstler zufällig gefunden
haben. Auf der Büchse ist eine verschleierte Tee-Pflückerin in idyllischer Umgebung auf dem
Feld zu sehen. Chai-e Iran inszeniert das Leben dieser Tee-Pflückern als melodramatischer
Tanzfilm im Stil des Film Farsi, eines bollywoodartigen Musikfilms. Das Genre war vor der
Revolution 1979 äusserst populär und wird heute nostalgisch verklärt oder als immoralisches
Relikt abgelehnt. Wie in jedem klassischen Film Farsi durchlebt auch hier die Heldin einen Aufstieg aus dem Nichts, wird zum Star um dann unweigerlich zu Tode zu kommen.
Nachdem die Heldin von einem Hahn geweckt wird, verlässt sie ihre geliebte Mutter um
auf den Teefeldern zu arbeiten. Sie hat einen grossen Traum: eines Tages selbst im Supermarkt Tee kaufen zu können. Zwei edle Reiter erscheinen und versuchen, die Tee-Pflückerin zu
verführen. Doch dann trifft sie ihren Geliebten, einen Intellektuellen. Etwas später wird sie von
einem verliebten Khan und reichen Landbesitzer zum Tanzfest mitgenommen. Die TeePflückerin bleibt dem Intellektuellen aber treu und sie heiraten.
Die Tee-Pflückerin hört in der Folge den Vorträgen ihres Ehemanns zu und wird zur politischen Aktivistin. Während der Proteste schlägt sie einem Soldaten den Hut vom Kopf und
schwingt einen Verkehrskegel. Ihr anschliessend gewaltsamer Tod wird von einer Kamera auf
die selbe Weise festgehalten wie Neda Agha-Soltans tragischer, auf YouTube dokumentierter
Tod nach den Wahlen 2009 in Teheran.
Rokni Haerizadeh
Reign of Winter, 2012–2013, Video, Farbe, ohne Ton, 8 Min. 43 Sek.
Courtesy der Künstler
Erstmals an der 2013 Carnegie International gezeigt, kreist Reign of Winter um die königliche
Hochzeit von Prince William und Kate Middleton, um dieses global übertragene Ritual um
Glamour, Glück und Macht in ein sarkastisches, Animal Farm-haftes, unheimliches Märchen zu
verwandeln. Ausgangspunkt war dabei ein Film auf YouTube, der runtergeladen und in Tausende von Standbildern sequenziert wurde. Anschliessend übermalte der Künstler Seite für
Seite und verwandelte die Papierarbeiten in eine gemalte Animation, um den Bewegungen im
Film die Bewegungen der Zeichnung und Malerei entgegenzustellen.
Rokni Haerizadeh
Letter!, 2014, Video, Farbe, ohne Ton, 6 Min. 32 Sek.
Courtesy der Künstler
Wie für Reign of Winter, so ist auch für Letter! YouTube der Ausgangspunkt. Die vom Künstler
ausgewählten Szenen zeigen Protestaktionen von Femen, einer radikalen feministischen
Gruppe, die 2008 in der Ukraine gegründet wurde und jetzt in Paris niedergelassen ist. Femen
wurde bekannt, weil die Aktivistinnen mit nacktem Oberkörper gegen Sexismus, religiöse
Institutionen und Homophobie protestierten. Der Ausgangsfilm wurde wie bei Reign of Winter
in unzählige Standbilder aufgeteilt, Seite für Seite übermalt und in eine gemalte Animation
verwandelt, so dass den Bewegungen im Film die Bewegungen der Zeichnung, Malerei und
Buchstaben entgegengestellt werden.
Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh, Hesam Rahmanian
Foolad, 2014–2015, Video, Farbe, Ton, 19 Min. 30 Sek.
Courtesy die Künstler
«Foolad» bedeutet «Stahl» in Farsi. Der Film startet als harter Anti-Held-Streifen: eine Frau
in einem Katzenkostüm läuft in der Morgendämmerung mit zwei Pistolen durch die Strassen.
Sie dringt in das Haus der Künstler ein, «kämpft» mit banalen stereotypisierten Charakteren,
die alle scheitern und sich in Haushaltsgeräte wie Mixer oder Staubsauger verwandeln. Einer
der Besiegten zieht sich eine Afro-Perücke an und startet einen Rave. Als die Katzenfrau einschläft, denken sich die Besiegten als Rache eine Vergewaltigung aus.
Der Soundtrack zum Film mischt Auszüge aus dem Videospiel Tekken, frühe Stücke von
Noureddin Zarrinkelk, eine Improvisation von Nesa Azadikhah, John Cages The Choral Works (I)
sowie John Cages und Meredith Monks Pianos and Voices.
Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh, Hesam Rahmanian
Night Of Another Spring (Die Nacht eines anderen Frühlings), 2013–2014, Video, Farbe, Ton, 22
Min. 42 Sek.
Courtesy die Künstler
2012 improvisierten und filmten die drei Künstler Jean Genets Die Zofen (1947) in ihrem Wohnzimmer. Daraus entstand eine Faszination für den Kampf zwischen Liebe und Hass und wie
in Genets Stück die machtlosen Zofen die Rolle der dominanten und herrschsüchtigen Herrin
übernehmen und imitieren. Ausgangspunkt für Night Of Another Spring war dabei die Ähnlichkeit zwischen Marie Antoinette und einer Bekannten der Künstler.
Während die Herrin, begleitet von ihrem Butler und einem Diener mit Fächer, durch die
Ausstellung schreitet, sind Fragmente von Allen Ginsbergs Das grüne Automobil zu hören. Dabei lässt sie sich vor den Kunstwerken stehend fotografieren. Nach einem rituellen Festmahl
trifft sie die sie verehrende xxx und gebiert dann, begleitet von einem Gedicht von Forough
Farrokhzad, ein Schwein. Energisch wäscht sie die schwarze Farbe vom Gesicht ihres Verehrers, quält ihren Butler und steckt sich eine Blume in ihr Korsett. Daraufhin wird sie von einem
Richter zu Tode verurteilt. Als ihre Verehrer später Pizza essen, wir ihnen ihr Kopf serviert.
Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh, Hesam Rahmanian
O, You People!, 2014, Video, Farbe, Ton, 93 Min.
Courtesy die Künstler
O, You People! dokumentiert ein zwei Wochen dauerndes Ritual rund um ein Bootshaus auf
Pfählen im Golf von Mexiko. Ausgangspunkt war dabei ein Gedicht von Nima Yushij, der als
Erfinder der modernen Poesie Irans gilt. Yushijs O You People (Ay Adam-ha) beschreibt das
Ertrinken eines Mannes in den Wellen, der die wohlgenährten Badenden anruft. Im Film ist
dieses Gedicht in einer abgeänderten Version zu hören, da es durch verschiedene Hände ging:
die wörtliche Übersetzung von Farsi ins Englische durch einen zweisprachigen Übersetzer
wurde anschliessend von einem englischsprachigen Schriftsteller in Zusammenarbeit mit den
drei Künstlern weiter bearbeitet.
Jeden Morgen standen Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian um
vier Uhr auf, gingen zum Bootshaus, schlichen darum herum und filmten sich dabei gegenseitig bis die Sonne aufging. Sie schnüffelten am Boden, rieben ihre Brustwarzen am holzigen
Balkon und zeigten auf einen unsichtbaren Punkt draussen im Meer. Ab und zu sprachen sie
die Wörter des Gedichtes mit absurden Gesten nach, um die Feierlichkeit des Textes immer
wieder zu unterlaufen. Die Farben der Kleider, die sie tragen, verweisen dabei auf den jeweiligen Wochentag: Gelb für Sonntag, Grün für Montag, Rot für Dienstag, Blau für Mittwoch,
Braun für Donnerstag, Weiss für Freitag und Schwarz für Samstag.
Fernseher über der Kasse mit
Ausschnitten aus iranischen
Filmen
Masoud Kimiai (*1941)
Titelsequenz (mit Tatoos) für den Film Qeysar (1969).
Ein Meisterwerk des iranischen Kinos, das dem Film Noir das Tor öffnete. Die Titelsequenz
stammt vom damals jungen Abbas Kiarostami
Bijan Mofid (1935-1984)
Ausschnitt aus dem Theaterstück Shahr-e Qesseh / City of Tales, 1968
Das Stück ist Satire und Musikstück in einem. Es kritisierte und persiflierte mit beissendem
Witz und Tiermasken die moderne iranische Gesellschaft. Erstmals am Shiraz Festival unter
Beisein der Königin aufgeführt, schockierte es die iranische Theaterwelt.
Ali Hatami (1944-1996)
Hassan Kachal, 1970
Klassischer persischer Film inspiriert von iranischen Volkserzählungen und erstes iranisches
Musical. Die Titelsequenz beruht auf einem Kaffeehaus-Bild, wie sie im Iran überall zu sehen
waren und zu öffentlichen Erzählungen dienten. Ein solches Kaffeehaus-Bild des Künstlers
Abbas Bolukifar (1924–2000) hängt über dem Fernseher.
Fernseher auf der Bank im
Eingang
Noureddin Zarrinkelk (*1937)
Prince Amir-Hamzeh, 1977
The Mad, Mad, Mad World, 1975
Super Powers, 1982
Association Of Ideas, 1973
Alle vier Filme stammen von Noureddin Zarrinkelk, einem Künstler, Grafiker und Fotografen.
Er wird als Vater des iranischen Trickfilms bezeichnet und gründete Irans erste Schule für
Trickfilm.
Theorie & Vermittlung
Künstlergespräch mit Daniel Baumann (Direktor)
• 24.02., 18.30-19.30 Uhr
In Englisch. Freier Eintritt
Das gemeinsame Leben in einem Haus in Dubai wird oft als das Herzstück der kollaborativen
Praxis der drei Künstler betrachtet. Geselligkeit und Gespräch bieten demnach einen besonderen Zugang zur facettenreichen Kunst und dem kritischen Denken der drei iranischen
Künstler. Der gemeinsame Abend mit ihnen verspricht grosszügig und umgangssprachlich,
präzise und flamboyant zu werden.
Ausstellungsführungen
Mit Daniel Baumann (Direktor)
•
25.02. / 15.04. 12.30–13.30 Uhr
Mit Arthur Fink (Freier Kurator und Kunsthistoriker)
•
12.03. / 30.04., 18.00–19.00 Uhr
Mit Yannic Joray (Künstler und Kurator)
•
22.03. / 17.05., 14.00–15.00 Uhr
Sprachlich flexibel. Freier Eintritt
Familiennachmittage
Mit Brigit Meier (Kunstpädagogin), Sonntag, 14.00-15.30 Uhr, 29.03. / 12.04.
Öffnungszeiten
Di / Mi / Fr 11.00–18.00 Uhr, Do 11.00–20.00 Uhr, Sa / So 10.00–17.00 Uhr, Mo geschlossen
Feiertage: Fr 03.04. / So 05.04. / Fr 01.05. / Do 14.05.2015, 10.00–17.00 Uhr
Bitte beachten Sie auch die aktuellen Hinweise auf unserer Internetseite
www.kunsthallezurich.ch
Die Kunsthalle Zürich erhält regelmässig Unterstützung von: