GRENZÜBERSCHREITUNGEN ZWISCHEN MODE UND KUNST? Eine Analyse mit ausgewählten Arbeiten von Hussein Chalayan und Rei Kawakubo Mag. art. TINA M ARIA W IMMER DIPLOMARBEIT zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Künste am Institut für Kunstwissenschaften, Kunstpädagogik und Kunstvermittlung der Universität für Angewandte Kunst Wien Betreuerin: ao. Univ.-Prof. Mag. art. Dr. phil. Marion Elias Wien, Mai 2013 Danksagung An dieser Stelle möchte ich im Besonderen Dr. Marion Elias für die Betreuung dieser Arbeit danken. Weiters Mag. Andrea Wallner für die Unterstützung beim Ordnen meiner im Detail verlorenen Gedanken und Dr. Mustafa Soleman für das sorgfältige Korrekturlesen als auch James Chen, Ph.D., für die Hilfe beim Übersetzen der Kurzzusammenfassung ins Englische. Zuletzt sei auch Katze Susi Adabei gedankt, die mich mit ihrer Anwesenheit unterstützt hat. i Inhaltsverzeichnis DANKSAGUNG ........................................................................................................................................ I INHALTSVERZEICHNIS ...................................................................................................................... II KURZZUSAMMENFASSUNG .............................................................................................................. V ABSTRACT .......................................................................................................................................... VII 1 EINLEITUNG ................................................................................................................................... 1 2 THEORETISCHER HINTERGRUND .......................................................................................... 3 2.1 BEGRIFFSBESTIMMUNGEN ........................................................................................................................ 3 2.1.1 Der Begriff Grenze ............................................................................................................................. 3 2.1.2 Der Begriff Mode ................................................................................................................................ 3 Die Kleidung .................................................................................................................................................................................... 4 Die (Kleider-‐) Mode ...................................................................................................................................................................... 4 Der in dieser Arbeit verwendete (Kleider-‐) Modebegriff ............................................................................................ 5 Exkurs: Die (Kleider-‐) Mode und die Moderne ................................................................................................................ 5 2.1.3 Die Begriffe tragbar und untragbar ......................................................................................... 8 Persönliches Empfinden ............................................................................................................................................................. 9 Der Kontext ................................................................................................................................................................................... 10 Der Dress-‐Code ............................................................................................................................................................................ 11 Die verwendeten Materialien ................................................................................................................................................ 12 Die Form des Kleidungsstückes ........................................................................................................................................... 12 Der Zustand des Kleidungsstückes ..................................................................................................................................... 13 2.1.4 Der Begriff Kunst ............................................................................................................................. 13 Die „einfachste“ und weiteste Definition von Kunst ................................................................................................... 14 Bourdieus Untersuchungen des künstlerischen Feldes ............................................................................................ 15 Der in dieser Arbeit verwendete Kunstbegriff .............................................................................................................. 18 Exkurs: Einteilung der Künste und Kunsttheorien ...................................................................................................... 18 2.2 PHÄNOMENE, DIE ZU EINEM AUFWEICHEN DER MODE / KUNST-‐GRENZE FÜHREN .................. 24 2.2.1 Mode im Museum ............................................................................................................................. 24 ii Die erste Retrospektive eines lebenden Modedesigners in einem Kunstmuseum ........................................ 25 Gründe für die Ausstellung von Arbeiten einzelner ModedesignerInnen in Kunstmuseen ...................... 27 2.2.2 Fashion Shows und Performance ............................................................................................. 32 2.2.3 „Arty“ Luxus Stores ......................................................................................................................... 37 2.2.4 Crossover von Kunst und Mode .................................................................................................. 40 Vokabeln der Kunst in der Mode .......................................................................................................................................... 40 Mode-‐ und Galerieinserate in Kunstmagazinen ............................................................................................................ 40 ModedesignerInnen lassen sich von Kunstwerken oder KünstlerInnen inspirieren ................................... 41 ModedesignerInnen und KünstlerInnen arbeiten zusammen ................................................................................ 42 ModedesignerInnen und KünstlerInnen, die in beiden Bereichen tätig sind / waren ................................. 43 Kleidungsstücke in der Kunst ................................................................................................................................................ 45 2.3 WISSENSCHAFTLICHER DISKURS: IST MODE KUNST? ...................................................................... 46 2.3.1 Beschreibung der Diskussion ...................................................................................................... 47 Historische Wahrnehmung von Mode und Kunst ......................................................................................................... 47 KünstlerInnen und die Themen Mode und Anti-‐Moden ............................................................................................ 47 Mode im Kunstmuseum ........................................................................................................................................................... 48 Abweichende Selbstpositionierung von ModedesignerInnen und Ausbildungsstätten .............................. 49 Der Modeschöpfer und seine geniegleiche mediale Wahrnehmung .................................................................... 51 Die Japanische Moderevolution ............................................................................................................................................ 52 Ausstellungen zu Mode und Kunst ...................................................................................................................................... 53 Modeschauen und Modefotografie ...................................................................................................................................... 54 Der Diskurs an sich und seine möglichen Folgen ......................................................................................................... 54 2.3.2 Fazit des bisherigen Diskurses ................................................................................................... 54 3 PRAXISTEIL: ARBEITEN VON HUSSEIN CHALAYAN UND REI KAWAKUBO ............. 55 3.1 ARBEITEN VON HUSSEIN CHALAYAN ................................................................................................... 56 3.1.1 „Remote Control Dress“: Kollektion „Before Minus Now“ (Frühling / Sommer 2000) ......................................................................................................................... 56 Formale Beschreibung von „Remote Control Dress“ .................................................................................................. 56 In welchen Räumen wurde „Remote Control Dress“ zum Beispiel präsentiert? ............................................ 57 Wie wurde über „Remote Control Dress“ gesprochen? ............................................................................................. 57 3.1.2 „Table Dress”: Kollektion „Afterwords“ (Herbst / Winter 2000) ................................ 58 Formale Beschreibung von „Table Dress“ ........................................................................................................................ 58 In welchen Räumen wurde „Table Dress“ zum Beispiel präsentiert? ................................................................. 58 Wie wurde über „Table Dress“ gesprochen? .................................................................................................................. 59 3.1.3 Ohne Titel: Kollektion „Temporal Meditations“ (Frühling / Sommer 2004) ......... 60 Formale Beschreibung dieser Arbeit aus der Kollektion „Temporal Meditations“ ....................................... 60 In welchen Räumen wurde diese Arbeit aus der Kollektion „Temporal Meditations“ zum Beispiel präsentiert? .................................................................................................................................................................. 60 Wie wurde über die Kollektion „Temporal Meditations“ gesprochen? ............................................................... 61 iii 3.1.4 Hussein Chalayan spricht über seine Beweggründe und Arbeitsweise .................... 62 3.2 ARBEITEN VON REI KAWAKUBO ........................................................................................................... 64 3.2.1 Ohne Titel: „Body Meets Dress, Dress Meets Body“ Kollektion (Frühling / Sommer 1997) ......................................................................................................................... 64 Formale Beschreibung dieser Arbeiten aus der „Body Meets Dress, Dress Meets Body” Kollektion .... 64 In welchen Räumen wurden Teile der „Body Meets Dress, Dress Meets Body“ Kollektion zum Beispiel präsentiert? ....................................................................................................................................................... 65 Wie wurde über die Kollektion „Body Meets Dress, Dress Meets Body“gesprochen? ................................. 65 3.2.2 Ohne Titel: „White Drama“ Kollektion (Frühling / Sommer 2012) ........................... 66 Formale Beschreibung dieser Arbeit aus der Kollektion „White Drama“ .......................................................... 66 In welchen Räumen wurden Teile der Kollektion „White Drama“ präsentiert? ............................................. 67 Wie wurde über die Kollektion „White Drama“ gesprochen? ................................................................................. 67 3.2.3 Rei Kawakubo spricht über ihre Beweggründe und Arbeitsweise ............................. 69 3.3 SCHLUSSFOLGERUNGEN .......................................................................................................................... 71 3.3.1 Was lässt die Betrachterin / den Betrachter glauben, dass es sich um ein Kunstwerk handelt? ....................................................................................................................................... 71 4 LITERATURVERZEICHNIS ....................................................................................................... 75 5 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ..................................................................................................... 80 6 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ................................................................................................... 84 iv Kurzzusammenfassung Zwischen den Bereichen Mode und Kunst können vermehrt Phänomene beobachtet werden, die als Anzeichen für ein Aufweichen der Grenze zwischen den beiden Disziplinen gewertet werden können. Dies hat zu einem wissenschaftlichen Diskurs darüber geführt, ob Mode eine Form von Kunst ist. Vor diesem Hintergrund soll in der vorliegenden Diplomarbeit der Grenzbereich zwischen Mode und Kunst exemplarisch anhand von Arbeiten des Modedesigners Hussein Chalayan und der Modedesignerin Rei Kawakubo besprochen werden – es soll diskutiert werden, was die präsentierten Werke Chalayans und Kawakubos zu Arbeiten des „Grenzbereiches Mode / Kunst“ macht. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Abschnitte: Im Kapitel 1 befindet sich die Einleitung. Im Kapitel 2 wird ein theoretischer Hintergrund zum Thema Grenzbereich Mode / Kunst gegeben: Zentrale Begriffe werden definiert und jene Phänomene näher besprochen, die die Grenze zwischen Mode und Kunst undeutlich werden ließen. Danach wird der wissenschaftliche Diskurs zur Frage: „Ist Mode Kunst?“ behandelt. Im Kapitel 3 folgt ein Praxisteil, in dem ausgewählte Arbeiten von Hussein Chalayan und von Rei Kawakubo beschrieben sowie exemplarische Präsentationsorte angeführt werden. Weiters wird den von einander abweichenden Zugängen Chalayans und Kawakubos nachgegangen, als auch der Frage wie Experten / Expertinnen die ausgewählten Arbeiten kommentieren. Dieses Kapitel endet mit den Schlussfolgerungen. v Die Beantwortung der fundamentalen Frage, ob die besprochenen Arbeiten Chalayans und Kawakubos Kunstwerke sind oder nicht, wird davon abhängen wie Kunst definiert wird. In Kapitel 2.1.4 definiere ich Kunst wie folgt: Kunst ist alles Menschengemachte und es ist auch ein persönlicher Glaube. Letzterer ist entscheidend beim Definieren von Kunst. Dies wird im Kapitel 3.3.1 mit Indizien untermauert, die den Betrachter / die Betrachterin glauben lassen können, dass es sich bei den ausgewählten Arbeiten um Kunst handelt. Es wird zwar im Allgemeinen vorausgesetzt oder akzeptiert, dass Alles von ModedesignerInnen kreierte Mode ist. Wie auch immer, die ausgewählten Arbeiten erfüllen jedoch nicht zur Gänze die in Kapitel 2.1.2 angeführten Kriterien für (Kleider-) Mode. Meine Untersuchung hat mich meine Anfangsfrage nach Grenzüberschreitungen zwischen Mode und Kunst zurückziehen lassen, da ich nun daran glaube, dass Mode eine Form von Kunst ist. Es gibt keine verbindliche oder endgültige Antwort auf „Was ist Kunst?“ und „Was ist Mode?“ weil es weder einen wissenschaftlichen Konsensus über die Definition von Kunst noch von Mode gibt. Deshalb können die ausgewählten Arbeiten Chalayans und Kawakubos Kunstwerke, Mode oder deren Hybrid sein. vi Abstract In the fields of fashion and art, we have increasingly witnessed the boundaries between fashion and art are blurring. This phenomenon has led to a scientific debate whether fashion is indeed a form of art. My diploma thesis, against this backdrop, will attempt to review the common area between fashion and art by presenting the works of fashion designers Hussein Chalayan and Rei Kawakubo and discuss what has turned their works into “art FASHION” or if you will “fashion ART”. The thesis has 3 chapters: Chapter 1 is an introduction. Chapter 2 presents a theoretical background of common area between fashion and art. Key terms are defined and specific phenomenons elaborated as contributing factors making the boundaries between fashion and art indistinct; followed by the fundamental question “Is fashion art?” In Chapter 3, works of Hussein Chalayan and Rei Kawakubo are selected and described; certain presentation venues listed; Chalayan and Kawakubo’s different approach to his/her own works explained and comments by several experts also included. It ends with the final conclusion. How art is defined will answer to the fundamental question whether Chalayan and Kawakubo’s works at discussion are fashion or art. In chapter 2.1.4 art is defined as follows: Art is everything man-made and is also a personal belief. For this reason personal belief is crucial in defining art. This is vii substantiated in chapter 3.3.1. by evidence that may influence the viewers to believe those selected works as art. It is generally assumed or accepted that everything created by fashion designers is fashion. However, the selected works here do not completely meet my definition of fashion in chapter 2.1.2. My research has led me to withdraw the initial question I was asking – are art and fashion crossing each other? – now believe that fashion is not independent of art but a form of art. There is no authoritative or definitive answer to “what is art?“ and “what is fashion?” for there is no scientific consensus on the definition of either art or fashion. Therefore, Hussein Chalayan and Rei Kawakubo’s works can be either or both. viii 1 Einleitung Zwischen den Bereichen Mode / Kunst können vermehrt Phänomene beobachtet werden, die als Anzeichen für ein Aufweichen der Grenze zwischen den beiden Disziplinen gewertet werden können – Beispiele hierfür sind: Ausstellungen von ModedesignerInnen in Kunstmuseen, Verkaufsflächen von Luxusmarken, die an White Cubes erinnern, Fashion Shows, die Performances sind sowie ein Crossover zwischen Kunst und Mode. Außerdem wird ein Diskurs darüber geführt, ob Mode eine Form von Kunst ist. Anzumerken ist auch, dass die Mode im Allgemeinen aufgewertet und zum Forschungsobjekt verschiedener Wissenschaften geworden ist bis heute konnte sich allerdings noch keine eigene Modewissenschaft an deutschsprachigen Universitäten etablieren. Aus diesem wissenschaftlichen Diskurs ergeben sich eine Vielzahl offener Fragen – in der vorliegenden Diplomarbeit soll der Grenzbereich zwischen Mode und Kunst anhand folgender Themen besprochen werden: Zuerst soll ein theoretischer Hintergrund zum Thema „Grenzbereich Mode / Kunst“ gegeben werden in dem folgende Fragestellungen behandelt werden: a) Welche Phänomene werden zurzeit beobachtet, die zu einem Aufweichen der Grenzen zwischen Kunst und Mode führen? b) Wie sieht der sich aus dieser Aufweichung ergebende wissenschaftliche Diskurs aus? Aufbauend auf diesem theoretischen Grundgerüst sollen in einem zweiten Teil praktische Beispiele anhand der Arbeiten der beiden Modedesigner Hussein Chalayan und Rei Kawakubo beschrieben werden, welche als zugehörig zum Grenzbereich Mode / Kunst interpretiert werden können. Es soll außerdem der Frage nachgegangen werden, was diese Werke zu einer Arbeit 1 des Grenzbereiches Mode / Kunst macht, insbesondere soll hier darauf eingegangen werden, in welchen Räumen die Arbeiten präsentiert wurden. Die Arbeiten von Hussein Chalayan und Rei Kawakubo werden auch darüber definiert, wie sie selbst und wie andere sowie auch Medien über die Werke sprechen – deshalb ist auch der Diskurs Thema der vorliegenden Arbeit. 2 2 Theoretischer Hintergrund 2.1 Begriffsbestimmungen Zur besseren Nachvollziehbarkeit meiner Analyse lege ich hier zu Beginn der Arbeit offen, was ich unter den verwendeten Begriffen verstehe. 2.1.1 Der Begriff Grenze Eine Grenze kann sichtbar oder unsichtbar sein. Eine Annäherung auf der Suche nach einer geeigneten Definition von jener Art von Grenze ist: „[...] nur gedachte Trennungslinie unterschiedlicher, gegensätzlicher Bereiche u. Erscheinungen o. Ä.: die G. zwischen Stadt und Dorf, Hell und Dunkel, Kindheit und Jugend; die -n zwischen Kunst und Kitsch sind fließend (es gibt keine eindeutige Trennung); [...]“1 2.1.2 Der Begriff Mode In der Recherchephase zu meinem Thema sind mir auch eigene sprachliche Ungenauigkeiten im Gebrauch der Begriffe Mode und Kleidung bewusst geworden. Für mich waren das Synonyme, wobei nur im verallgemeinerten Sprachgebrauch dem so ist. Kleidung und Mode unterscheiden sich wie folgt: 1 Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage, Mannheim, Zürich, Duden 2011, https: / / 10927.lip.econtent.duden-business.com / lip-suche / - / lip_article / fx / 64653 (Zugriff: 10. Dez. 2012) 3 Die Kleidung Die Kleidung ist eine grundlegende Begleiterscheinung der Entwicklung der Menschheit. Aus Notwendigkeiten heraus begannen Menschen Kleidung unter Heranziehung verschiedenster Materialien anzufertigen. Im Online-Brockhaus steht dazu Folgendes zu lesen: “Die Kleidung dient der Bedeckung des menschlichen Körpers zum Schutz gegen Nässe, Kälte, Hitze, dem Verhüllen, dem Schmuck, der sozialen Differenzierung sowie der erotischen Präsentation. Sie besteht hauptsächlich aus gewebten, gewirkten oder gestrickten Faserstoffen, ferner aus Leder und Pelzwerk.”2 Bei Kleidung handelt es sich auch um einen Überbegriff, der die Kleider-Mode miteinschließt, die jedoch erst wesentlich später in der menschlichen Geschichte auftaucht. Die (Kleider-) Mode Wenn ich in dieser Arbeit den Begriff Mode verwende, so verwende ich ihn als Kurzform für Kleider-Mode. Diese wenn auch etwas unpräzise Kurzform gewinnt meiner Wahrnehmung nach zunehmend an Bedeutung. So wird im deutschsprachigen Raum das Studium Modedesign nicht Kleidermodedesign - angeboten. Wer dem Modedesign dann beruflich nachgeht, wird als Modedesignerin oder Modedesigner bezeichnet. Auch spricht man, aufgrund der zunehmenden Präsenz von Anglizismen im Österreichischen zu Beginn des 21. Jahrhunderts eher von Modelabels als von der Bekleidungsmarken und wenn eine Kollektion fertig ist, dann wird sie im Rahmen einer Modenschau präsentiert. Den folgenden Eintrag im Online-Brockhaus habe ich auch mit dem Suchbegriff Mode gefunden: 2 Brockhaus - Die Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Auflage, Leipzig, Mannheim, F. A. Brockhaus 2005-06, https: / / 10927.lip.e-content.duden-business.com / lip-suche / - / lip_article / B24 / 12006211 (Zugriff: 11. Dez. 2012) 4 „[...] der sich wandelnde Geschmack (in den verschiedensten Lebensbereichen); Zeitgeschmack (besonders im Hinblick auf die Art, sich zu kleiden). – Während die Kleidermode (Kleidung) in den mittelalterlichen Gesellschaften bis in die beginnende Neuzeit auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stand verwies, hat die Mode seit Ausbildung der Industriegesellschaft ihre heutige Bedeutung als Mittel sozialen Wettbewerbs breiter Schichten und der Schichtangehörigen untereinander gewonnen. […] Das Durchsetzungsvermögen von Modeströmungen beruht darauf, dass eine Mode, die von bestimmten sozialen Schichten […] und Gruppen – ihrem Bedürfnis nach Differenzierung und Exklusivität folgend – akzeptiert wird, Nachahmung und Verbreitung findet. Im Rahmen der modernen Konsumgesellschaft erweist sich Mode daher als Ausdruck sozialer Anpassung und Nivellierung.”3 Der in dieser Arbeit verwendete (Kleider-) Modebegriff (Kleider-) Mode ist im Alltag tragbar, findet Nachahmung und unterliegt einem Wandel. Exkurs: Die (Kleider-) Mode und die Moderne Gertrud Lehnert4 hat sich mit der Modernität der Mode beschäftigt. Sie schreibt, dass von Mode zum ersten Mal im Mittelaltern gesprochen wird, und erst seit dem 18. Jahrhundert davon im „engeren Sinne“, da die folgenden Voraussetzungen für das Entstehen von Mode nötig waren: „Erst relativ stabile gesellschaftliche und ökonomische Ordnungen, wie sie sich mit der entstehenden Moderne zu etablieren beginnen, schaffen sowohl die Voraussetzungen für eine zunehmende Individualisierung als auch den Freiraum für die Betonung der ästhetischen Selbstgestaltung; als Stichworte seien genannt: städtische Kulturen, entstehendes Bürgertum, entstehender Kapitalismus.“5 3 Brockhaus in 15 Bänden, Leipzig, Mannheim, F. A. Brockhaus 2002-2006, https: / / 10927.lip.e-content.dudenbusiness.com / lip-suche / - / lip_article / B15 / 31472700 (Zugriff: 13. Dez. 2012) 4 Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Potsdam, * 1956 5 Lehnert, Gertrud: „Mode und Moderne“ S. 251 – 263. In: Kulturanthropologie des Textilen. Bamberg, edition ebersbach 2005, S. 251 5 Doch schon Roland Barthes6 hat eine Verbindung von Mode und Moderne wahrgenommen: „[...] da die Mode zu jenen Orten gehört, aus denen sich der Geist der Moderne, ihr Umgang mit dem Plastischen, dem Erotischen und dem Traumhaften anscheinend am ehesten herauslesen läßt; [...]“7 Laut Lehnert machen sowohl Tracht als auch Mode mit ihren „lesbaren vestimentären Zeichen“ die Zugehörigkeit zu - und somit die Abgrenzung von anderen - sozialen Gruppen sichtbar. Mit zunehmender Ausdifferenzierung und Individualisierung der modernen Gesellschaft konnte das die Tracht nicht mehr leisten und die vielfältiger werdenden sozialen Gruppierungen treten in einer „Vielfalt der wechselnden Moden“ hervor. Lehnert schreibt, dass die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen flüchtiger wurde und es Gruppen gab, die sich nur „momentan“ oder „vorübergehend“ bildeten. Dies führte dazu, dass es schwerer wurde die „modischen Zeichen“ „richtig“ zu interpretieren bzw. einzusetzen. Die Modernität der Mode erkennt Lehnert in ihrer Flüchtigkeit, Geschwindigkeit und Vergänglichkeit. Sie merkt an, dass Mode eine kurze Verfallsdauer hat, jedoch Zyklen folgt. Kennzeichnend ist hier, dass „Moden selten ganz vorüber sind“, denn sie kehren in Variationen und verfremdet wieder. Dieses Phänomen ist auch schon Jean Baudrillard8 aufgefallen: 6 Philosoph, * 12. Nov. 1915 in Cherbourg (Frankreich), † 26. 3. 1980 in Paris 7 Barthes, Roland: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn. Kritische Essays III. Frankfurt am Main, Suhrkamp 1990, übersetzt von Dieter Hornig, L'obvie et l'obtus. Essais critiques III, Paris, Edition du Seuil 1982, S. 110 8 Philosoph u. Soziologe, * 27. Juli 1929 in Reims (Frankreich), † 6. März 2007 in Paris 6 „Die Mode ist immer »retro«, aber auf der Basis der Abschaffung des Vergangenen beinhaltet sie den Tod und die gespenstische Wiederauferstehung von Formen. Gerade die ihr eigene Aktualität bedeutet keine Bezugnahme auf die Gegenwart, sondern eine totale und unmittelbare Wiederverwertung früherer Formen. Die Mode ist paradoxerweise inaktuell. Die Mode setzt immer eine tote, abgestorbene Zeit von Formen voraus, also ein (sic!) Art von Abstraktion, durch die die Formen – außerhalb des Zeitablaufes – zu effektiven Zeichen werden, die – gewissermaßen durch eine Verkehrung der Zeit – zurückkehren können und die Gegenwart mit ihrer Inaktualität besetzen, daß heißt mit dem ganzen Charme der Wiederholung von Vergangenem, die der Entwicklung von Strukturen entgegengesetzt ist. Ästhetik der Wiederholung: die Mode bezieht ihre Frivolität aus dem Tod und ihre Modernität aus dem »déjà-vu«. Sie beinhaltet die Verzweiflung darüber, daß nichts Bestand hat, und die perverse Lust am Wissen, daß jenseits dieses Todes jede Form die Möglichkeit zu einer zweiten Existenz hat“.9 Lehnert erkennt auch in der Mode die doppelte Natur des Schönen und sieht darin einen weiteren Aspekt der Modernität von Mode. Sie bezieht sich hierbei auf Charles Baudelaire10, der die folgende Theorie über das Schöne aufstellt: „Das Schöne wird aus einem ewigen, unveränderlichen Element gebildet, dessen Quantität außerordentlich schwierig zu bestimmen ist, und aus einem relativen, bedingten Element, das, wenn man will, um und um oder allzugleich, von dem Zeitabschnitt, der Mode, dem geistigen Leben, der Leidenschaft dargestellt wird. Ohne dieses zweite Element, als welches gleichsam der amüsante, glänzende Überguß ist, der den göttlichen Kuchen uns verdaulich macht, wäre das erste Element für die menschliche Natur unzuträglich, ungeeignet, unverdaulich. Ich glaube, man wird schwerlich irgendwelche Probe von Schönheit ausfindig machen, die nicht diese beiden Elemente enthielte.“11 Für Lehnert entspringt die Mode aus dem „dauerhaften Streben nach Schönheit“, sie ist sich aber auch bewusst, dass die Vorstellung von Schönheit selbst wechselnden Moden unterworfen ist, denn sie führt aus: 9 Baudrillard, Jean: Der symbolische Tausch und der Tod, München, Matthes & Seitz Verlag, 19. Titel 1991, S. 134, übersetzt von Gerd Bergfleth, Gabriele Ricke und Ronald Voullié; L’ échange symbolique et la mort, Paris, Éditions Gallimard 1976 10 Schriftsteller, * 9. April 1821 in Paris, † 31. Aug. 1867 ebd. 11 Baudelaire, Charles: Das Schöne, die Mode und das Glück. Constatin Guys, der Maler des modernen Lebens. Berlin, Alexander Verlag 1988, übersetzt von Max Bruns; Originaltitel usw. nicht angegeben, S. 10 7 „Man könnten den Begriff „Schönheit“ modifizieren zu „ästhetisierende Selbstgestaltung“ oder „ästhetisierende Selbstinszenierung“, und diese hat ganz wesentlich mit der Flüchtigkeit der Moden zu tun.“12 Lehnert nennt ein weiteres Merkmal von Modernität der Mode: Ihre Selbstreflexivität und führt als Beispiel die Modehäuser Maison Martin Margiela und Comme des Garçons - von Rei Kawakubo - an. Hier und bei anderen „avantgardistischen Modeschöpfern“ finde man „Kleider“, die ihr eigenes System und ihren Status als Mode reflektieren. Ein weiteres Merkmal der Modernität ist die Warenförmigkeit der Mode bei gleichzeitigem Wunsch „ästhetisch wahrgenommen“ zu wenden. Dieser Wunsch liegt laut Lehnert darin begründet, dass Mode teil am „System der Kunst“ hat und „zumindest potentiell“ eine „angewandte Kunst“ ist. Sie schreibt weiter: „[...] denn modern ist die Mode schließlich auch deshalb, weil sie es fertig bringt, die Kleidung von ihrer nützlichen Funktion zu emanzipieren – bzw. weil es ihr gelingt, die nützliche Funktion mit einer ästhetischen untrennbar zu verknüpfen und so, wie die Avantgarde es immer gefordert hat, die Kunst ins Leben und das Leben in Kunst zu überführen.“13 2.1.3 Die Begriffe tragbar und untragbar Ob ein Kleidungstück tragbar oder untragbar ist, hängt ab • vom persönlichen Empfinden • vom Kontext in dem es getragen wird • vom gültigen Dress-Code • von den Materialien aus denen es besteht • von seiner Form • vom Zustand, in welchem sich das Kleidungstück befindet. Diese Dimensionen sind entscheidend bei unserer Beurteilung, ob wir ein Kleidungsstück anziehen können / wollen. Sobald wir auch nur zum Ergebnis untragbar gekommen sind, werden wir ein Kleidungsstück nicht mehr anziehen. Anhand von Beispielen möchte ich nun die Dimen12 Lehnert, Mode und Moderne, a. a. O., S. 254 13 Lehnert, Gertrud: Mode, Weiblichkeit und Modernität. S. 7 – 19. Hier: S. 13 f. In: Mode, Weiblichkeit und Modernität, Dortmund, Ed. Ebersbach 1998 8 sionen der Tragbarkeit beziehungsweise Untragbarkeit von Kleidungsstücken veranschaulichen. Persönliches Empfinden Hierbei handelt es sich meiner Meinung nach um die bedeutendste aller Dimension. Denn das Persönliche Empfinden erlaubt uns, für andere Untragbares zu tragen beziehungsweise macht für Individuen tragbare Kleidungsstücke zu untragbaren. Das letztere ist dann der Fall, wenn dem Träger oder der Trägerin „unwohl“ beim Tragen wird. Gründe hierfür liegen im Bereich des Persönlichen und sind deshalb sehr vielfältig. Einige Beispiele möchte ich jedoch an dieser Stelle anführen: Ein Kleidungsstück wird untragbar, wenn es nicht dem Bekleidungsverhalten der jeweiligen Peer Group oder Schicht entspricht. Auch kann ein nicht mehr modisches Kleidungsstück Spott zur Folge haben. Das Kleidungsstück eines Verstorbenen kann untragbar oder ein liebgewonnenes Erinnerungsstück sein. Die Kleider eines Massenmörders werden für die Meisten untragbar sein. Auch werden die Kleidungsstücke, die während einer Vergewaltigung getragen wurden, zu untragbaren werden. Für Personen, die vegan leben, sind zum Beispiel Lederschuhe nicht tragbar und für buddhistische Mönche sind sogar Kleidungsstücke untragbar, die mit tierischen Produkten wie Purpur und Karmin eingefärbt wurden. Allein der persönliche Eindruck, dass einem ein kurzer Rock nicht steht, genügt um ein Kleidungsstück als nicht tragbar wahrzunehmen. Das waren nur einige Beispiele, die die Verbindung des persönlichen Empfindens mit der Untragbarkeit von Kleidungsstücken, welche für andere Menschen noch tragbar sein können, verdeutlichen sollen. Kleidern aus Fleisch würden die meisten Menschen ihre Tragbarkeit absprechen. Wobei Lady Gaga14 im Jahr 2010 ein ebensolches bei den „MTV Video Music Awards“ getragen hat. Aufgrund ihres persönlichen Empfindens und dem Kontext - dem Auftritt auf einer Bühne - ist das für die Musikerin möglich. 14 Musikerin, Musikproduzentin, * 28. März 1986 in New York City 9 Der Kontext In welchem Zusammenhang ein und dasselbe Kleidungsstück getragen wird ist entscheidend. Um dies zu veranschaulichen habe ich mir drei Fälle des Tragens eines Kleides aus Fleisch überlegt: Fall 1: Eine Unbekannte trägt auf offener Straße ein Kleid aus Fleisch. Fall 2: Lady Gaga trägt bei einem Auftritt ein Kleid aus Fleisch. Fall 3: Eine Frau trägt bei einer Demonstration für bessere Arbeitsbedingungen von Sexarbeiterinnen ein Kleid aus Fleisch. Abb. 1: Lady Gaga in einem „Meat Dress“ Bei „Fall 1“ werden wir am gesunden Geisteszustand der Frau zweifeln. Beziehungsweise im günstigsten Fall annehmen, es handle sich um eine Performance und Ausschau nach einer Kamera halten. Bei „Fall 2“ ist klar, es handelt sich um einen Bühnenauftritt einer Sängerin - niemand der Anwesenden denkt an eine Entmündigung. Wobei zu Recht die Frage gestellt werden sollte, ob das Tragen eines Kleides aus Fleisch noch ethisch vertreten werden kann, wenn auf der Erde 850 Millionen Menschen an chronischer Unterernährung leiden.15 Bei „Fall 3“ wird man vielleicht daran denken, dass eine Sexarbeiterin mehr als „ein Stück Fleisch“ ist, nämlich eine Berufstätige mit dementsprechenden Rechten. Bei den drei angeführten Fällen handelt es sich um drei verschiedene Kontexte, die zur Folge haben, dass dem Tragen eines Kleides aus Fleisch jeweils eine andere Bedeutung beigemessen wird. 15 Vgl. Food and Agriculture Organization of the United Nations: The State of Food Insecurity in the World 2012, http: / / www.fao.org / docrep / 016 / i3027e / i3027e00.pdf (Zugriff: 9. März 2013) 10 Der Dress-Code Bei unserer Einschätzung, ob ein Kleidungstück tragbar oder untragbar ist, ist auch der jeweilige Dress-Code zu beachten. Das Wort stammt im Übrigen aus dem Englischen und wird ins Deutsche übersetzt mit: „[...] Kleiderordnung (z. B. bei der Arbeit, bei Veranstaltungen, Partys usw.)“16 Worunter man die „Gesamtheit von [amtlichen] Vorschriften u. Verboten od. auch Gewohnheiten, Gepflogenheiten, die sich auf Art u. Beschaffenheit der Kleidung beziehen [...]“17 versteht. Der Dress-Code ist von mehreren Kategorien beeinflusst, dazu gehören Geschlecht, Berufsgruppe, Alter, Schicht, der jeweilige Anlass sowie die Zeit. Für letzteres möchte ich das Beispiel Hosen für Frauen bringen, um auch die Veränderbarkeit eines Dress-Codes aufzuzeigen: Erst während des 1. Weltkrieges wurden Hosen für Frauen tragbar, da Frauen die beruflichen Leerstellen der in den Krieg eingerückten Männer auffüllen mussten und die Funktonalität einer Hose der eines Rockes überlegen ist. Populär gemacht haben Abb. 2: „Bloomer-Kostüm“ „Hosen für Frauen“ schließlich unter anderem Coco Chanel, Marlene Dietrich, Katherine Hepburn. Bis dahin wurde jedoch ein langer Weg zurückgelegt. Der in den 1850iger seinen Ausgang genommen hat, als einige in der Antisklaverei- und Frauenrechtsbewegung engagierte Amerikanerinnen begonnen haben „Bloomer-Kostüme“ zu tagen und damit ihre Forderung nach einer „Verbesserung der Frauenkleidung“ sichtbar machten.18 Getragen wurden diese Kostüme ohne Korsett. Sie bestanden aus einem gekürzten, jedoch über die Knie reichenden Rock - mit dem nicht mehr die Straße gefegt wurde - einem geschlossenen Oberteil mit langen Ärmeln sowie einer weitgeschnittenen Hose. 16 Duden - Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O., https: / / 10927.lip.e-content.duden-business.com / lip-suche / - / lip_article / fx / 2002274 (Zugriff: 13. Dez. 2012) 17 Duden - Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O., https: / / 10927.lip.e-content.duden-business.com / lip-suche / / lip_article / fx / 87487 (Zugriff: 10. Dez. 2012) 18 Vgl. Wolter, Gundula: Hosen, weiblich. Kulturgeschichte der Frauenhose, Marburg, Jonas-Verl. 1994, S. 48 11 Die verwendeten Materialien Für Markus Heinzelmann19 ist das „Käferkleid“ von Jan Fabre20 aus zwei Gründen untragbar, zum einen ist es „derart versteift“ und zum anderen weil „die Haut“ aus grünlich schillernden „Juwelenkäfern“ besteht. Diese Form der Untragbarkeit entspricht der von mir aufgestellten Dimension des verwendeten Materials.21 Abb. 3: Jan Fabre „Käferkleid“ Die Form des Kleidungsstückes Wenn ein Kleidungsstück wie angegossen sitzt, dann ist es auch sicherlich tragbar, da die Form den Körper perfekt umgibt. Wenn schon kleinere Unstimmigkeiten bei der Kleiderform bestehen, wirkt sich das bereits spürbar negativ auf den Tragekomfort aus. Bei gröberen Unstimmigkeiten, wie ein zu eng genähter Ärmel eines Mantels, wird die Tragbarkeit schon in Frage gestellt. Wenn die Form der Kleidung gar nicht der des darunterliegenden menschlichen Körpers entsricht, dann ist sie untragbar. Die an dieser Stelle abgebildete Arbeit22 aus dem Modehaus Maison Martin Margiela ist im obigen Sinn untragbar, da die Form des Kleidungsstückes bei weitem nicht der des sich darunter befindenden Körpers entspricht. Jedoch wurde es im Kontext einer Abb. 4: Arbeit von Maison Martin Margiela 19 20 Modenschau tragbar. Kunsthistoriker, Kurator, seit 2006 Leiter des Museums Morsbroich in Leverkusen, * 1965 in Frankfurt am Main Künstler, Dramatiker, Regisseur, Choreograph und Designer, * 1958 in Antwerpen (Belgien) 21 Vgl. Heinzelmann, Markus: Wie die Mode untragbar wurde. S. 11 – 23. Hier: S. 15 f. In: Untragbar. Mode als Skulptur. Katalog zur Ausstellung „Untragbar. Mode als Skulptur“, im Museum für Angewandte Kunst Köln vom 14. Juli bis 6., Sep. 2001, Ostfildern-Ruit, Hatje Cantz Verlag 2001 22 Dass die abgebildete Arbeit von Martin Margiela stammt, wurde von Mag. Adelheid Call, Lektorin an der Universität für Angewandte Kunst Wien, am 28.1.2013 bestätigt. 12 Der Zustand des Kleidungsstückes Der Zustand, in welchem sich ein Kleidungsstück befindet, gehört maßgeblich zur Definition, ob es als tragbar oder untragbar eingestuft wird. Unter „Zustand“ verstehe ich zum einen den Verschmutzungsgrad und zum anderen einen bestimmten Abschnitt im Lebenszyklus des jeweiligen Kleidungsstückes, da auch Kleidung zu den vergänglichen Dingen zu zählen ist. Am Ende des Lebenszyklus haben Verschleißerscheinung und / oder minderwertige Qualität sichtbare Spuren hinterlassen: Löcher tun sich auf, Reisverschlüsse funktionieren nicht mehr und die Form ist womöglich nun auch eine andere. Als Beispiel habe ich ein Arbeit von Martin Margiela23 ausgewählt, die 1997 im Rahmen der Ausstellung „9 / 4 / 1615“ im „Boijmans Van Beuningen Museum“ entstanden ist. Margiela hat bei diesem Anlass das erste Mal mit einem Mikrobiologen zusammen gearbeitet. Entstanden sind 18 Silhouetten, die für seine zu diesem Zeitpunkt 18. Kollektion von 1989 bis Herbst / Winter 1997 / 8 stehen. Das Besondere ist hier, dass auf den Baumwollstoffen rote Bakterien, grüner Schimmelpilz und pinke Hefebakterien leben.24 Die Tragbarkeit dieser Kleidungsstücke abseits von Fashion Shows Abb. 5: Maison Martin Margiela, Mikroorganismen auf Oberteil (1997) / Performances in Verbindung mit dem jeweiligen persönlichen Empfinden ist zu bezweifeln. Ist es nicht sogar innerhalb einer Fashion Show eine Zumitung zu verlangen, daß das jemand anzieht? Sorry, das ist ja gesundheitsgefährdend... 2.1.4 Der Begriff Kunst So einfach ist das gar nicht mit dem Kunstbegriff. Was als Kunst wahrgenommen wird, ist abhängig vom zugrundeliegenden Kunstbegriff und der wird mal so und dann mal so definiert. Deshalb gibt es mittlerweile auch schon sehr viele Definitionen von Kunst – final wird dieser Begriff auch nicht definiert werden können, da er dem jeweiligen Zeitgeist unterliegt. Auf der Suche nach geeigneten Definitionen bin ich in The New Encyclopaedia Britannica bei „Art, Philosophy of” fündig geworden. Ich finde dieser Artikel bringt Ordnung in den unüberschaubar 23 Modedesigner und Gründer von Maison Martin Margiela, * 9. April 1957 in Leuven (Belgien) 24 Luna, Ian (Hg.): Maison Martin Margiela, New York, Rizzoli 2009, S. 154 f. 13 gewordenen Haufen von Kunstdefinitionen, die immer mehr werden. Natürlich gehört auch jedes Ordnungssystem von Zeit zu Zeit auf seine Tauglichkeit hin überprüft, denn auch ein solches währt nicht ewig. Während der Erstellung der hier vorliegenden Arbeit, habe ich die in dem erwähnten Artikel angebotenen Einteilungsmöglichkeiten für bestehende Kunstwerke und die vorgestellte „einfachste“ und weiteste Definition von Kunst als sehr hilfreich empfunden. Im Folgenden werde ich auf jene Teile dieses Artikels eingehen, die ich im Praxisteil dieser Arbeit heranziehen werde, um zu überprüfen, ob es sich bei den von mir ausgewählten Arbeiten von Rei Kawakubo und Hussein Chalayan um Kunstwerke handelt oder nicht. Laut der New Encyclopædia Britannica haben bereits viele Theoretiker und Theoretikerinnen versucht die Frage zu klären, was Kunst ist und was sie von allen anderen Dingen unterschiedet, und ihre Antworten unterscheiden sich außerordentlich, wobei sie eines gemeinsam haben und zwar: „[...] a work of art is a man-made thing, an artifact, as distinguished from an object in nature.”25 Wobei auch diese Unterscheidung im 20. Jahrhundert durch die „objets trouvés“ herausgefordert wurde - seit Künstler und Künstlerinnen diese gefundenen Gegenstände zu Kunstwerken erklärt haben, auch wenn diese nicht im geringsten verändert wurden, außer dass sie Teil einer Ausstellung waren. Die „einfachste“ und weiteste Definition von Kunst Auf der Suche nach einem gemeinsamen Nenner der bisherigen Definitionen von Kunst, stößt man auf den Menschen selbst. Laut der scheinbar „einfachsten“ und umfassendsten Definition von Kunst versteht man darunter alles Menschengemachte: 25 Art, Philosophy of: Artikel in: The New Encyclopædia Britannica in 30 Volumes, 15th Edition, Volume 2, Chicago 1982, S. 40 ff. 14 “[...] art is anything that is man-made. Within the scope of this definition, not only paintings and sculptures but also buildings, furniture, automobiles, cities, and garbage dumps are all works of art: every change that human activity has wrought upon the face of nature is art, be it good or bad, beautiful or ugly, beneficial or destructive.”26 Bourdieus Untersuchungen des künstlerischen Feldes Pierre Bourdieu27 hat sich dem Feld der Kunst mit den Augen eines Soziologen genähert und seinen Augenmerk auf die sozialen und ökonomischen Bedingungen gerichtet, die den Künstler und die Künstlerin umgeben. Dabei dekonstruiert es den Mythos des „ungeschaffenen Schöpfers“, des „Genies“ und lenkt unserer Aufmerksamkeit auf die anderen Akteure im künstlerischen Feld, die den Glauben des Wert des Kunstwerkes erst produzieren. Bourdieu schreibt hierzu: 26 Ebd. 27 Soziologe, 1. Aug. 1930 in Denguin (Frankreich), † 23. Jän. 2002 in Paris 15 „Das vergessen selbst die Kunsthistoriker oft, wenn sie dem Auftauchen des Künstlers im modernen Sinn des Wortes nachforschen, ohne doch der Falle »essentialistischen Denkens« ganz entrinnen zu können, die in der Benutzung geschichtlich erfundener, also datierter und stets von Anachronismus bedrohter Bezeichnungen lauert. Da sie nicht danach fragen was in der modernen Vorstellung vom Künstler alles stillschweigend mitspielt, und da sie insbesondere im Verlauf des 19. Jahrhunderts ausgearbeitete Berufsideologie vom ungeschaffenen »Schöpfer« weiterschleppen, bleiben sie bei dem sichtbaren Objekt stehen, das heißt beim Künstler (oder in anderen Bereichen beim Schriftsteller, Philosophen, Gelehrten), anstatt das Produktionsfeld zu konstruieren und zu analysieren, das den gesellschaftlich zum »Schöpfer« eingesetzten Künstler produziert. Sie sehen nicht, daß die rituelle wiederholte Frage nach Ort und Zeitpunkt des Auftauchens des Künstlers (in Gegensatz zum Handwerker) auf die Frage nach den wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen der schrittweisen Konstitution eines künstlerischen Feldes hinausläuft, das in der Lage ist, den Glauben an die dem Künstler zugesprochenen, quasi magischen Kräfte zu begründen.“28 Florian Schumacher29 interpretiert die obigen von mir zitierten Gedanken von Bourdieu und schreibt, dass innerhalb der Kunst nicht nach den sozialen Voraussetzungen der „Vorstellung vom Künstler“ gefragt wird. Die Analysen enden somit bei der Person des Künstlers, der zum Mythos und zum Genie verklärt wird. Der Glaube an den Künstler, dem quasi magische Kräfte zugesprochen werden, basiert auf der Ausblendung aller ökonomischen und sozialen Voraussetzungen, so Schumacher. Um einen angemessen Begriff von der sozialen Figur des Künstlers zu bekommen schlägt, Bourdieu laut Schumacher vor, sich das soziale Umfeld der Kunstproduktion genauer anzusehen. Denn hier findet man die „Gesamtheit der Akteure und Institutionen“ die an „Produktion des Glaubens an den Wert der Kunst im allgemeinen und an den Wert dieses oder jenes Werkes im besonderen mitwirken“, so Schumacher.30 Bourdieu nennt an dieser Stelle: 28 Bourdieu, Pierre: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1. Auflage 1999, übersetzt von Bernd Schwibs und Achim Russer; Les règles de l’art. Genèse et structure du champ littéraire, Paris, Éditions du Seuil 1992, S. 458 29 Soziologe, Leiter des „Global Studies“ Programmes an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 30 Vgl. Schumacher, Florian: Bourdieus Kunstsoziologie. Konstanz, UVK Verlagsgesellschaft 2011, S. 57 f. 16 „Kritiker, Kunsthistoriker, Verleger, Galeristen, Händler, Konservatoren, Mäzene, Sammler, Mitglieder von Konsekrationsinstanzen wie Akademien, Ausstellungsstätten, Kunstjurys usw. ferner die Gesamtheit der politischen und administrativen Stellen, die in Kunstfragen mitzureden haben (die je nach Epoche zuständigen Ministerien, Museumsdirektionen, Akademieleitungen), die durch ihre gelegentlich mit wirtschaftlichen Vorteilen (Ankauf, Subvention, Preise, Stipendien usw.), gelegentlich mit anderen Maßnahmen (steuerliche Vorteile für Mäzene oder Sammler usw.) gekoppelten Entscheidungen den Kunstmarkt beeinflussen können; nicht zu vergessen die Mitglieder von Institutionen, die zur Produktion der Produzenten (Kunsthochschulen usw.) und zur Produktion von Konsumenten beitragen, die fähig sind, ein Kunstwerk als solches, das heißt als Wert, anzuerkennen, angefangen bei den Lehrern und den Eltern, die für das erste Einprägen künstlerischer Dispositionen verantwortlich sind.“31 All diese Akteure und Institutionen produzieren den Glauben an den Wert und somit den Wert des Kunstwerkes. Diesem „Kunstuniversum“ von Bourdieu ist ein spezifischer und grundlegender Glaube immanent, so Schumacher, dieser umfasst nicht nur die Vorstellung vom Künstler als ungeschaffenen Schöpfer, sondern „weitreichende, von religiösen beziehungsweise magischen Effekten durchdrungene Vorstellungen.“ Zur Veranschaulichung dieses „Glaubenskomplexes“ greift Bourdieu, so Schumacher, auf Marcel Mauss’ Ausführungen über Magie zurück.32 Bourdieu schreibt hierzu: „Bei der Magie geht es weniger um die Frage der spezifischen Eigenschaften des Magiers oder der magischen Hilfsmittel, Verfahren und Vorstellungen, vielmehr darum, die Grundlagen des kollektiven Glaubens oder, besser, des kollektiven hervorgebrachten und unterhaltenen kollektiven Verkennens zu bestimmen, die der Macht, derer sich der Magier bemächtigt hat, zugrunde liegt. Daß, wie Marcel Mauss feststellt, »Magie ohne magische Gruppe nicht verständlich ist«, liegt daran, daß die Macht des Magiers ein legitimer Betrug ist, kollektiv verkannt, also anerkannt.“33 31 32 33 Bourdieu, Regeln der Kunst, a. a. O., S. 362 Vgl. Schumacher, Bourdieus Kunstsoziologie, a. a. O., S. 58 Bourdieu, Regeln der Kunst, a. a. O., S. 273 f. 17 Der in dieser Arbeit verwendete Kunstbegriff Kunst kann nicht final definiert werden, da auch in der Welt der Kunst die Paradigmen wechseln. Der dieser Arbeit zugrundeliegende Kunstbegriff basiert auf dem gemeinsamen Nenner bisher gängiger Kunstdefinitionen und auf Pierre Bourdieus vorgefundenen Glaubenskomplex im Feld der Kunst. Zum Zeitpunkt des Entstehens der hier vorliegenden Arbeit verwende ich den Begriff Kunst wie folgt: Kunst ist alles Menschengemachte und es ist auch ein persönlicher Glaube. Exkurs: Einteilung der Künste und Kunsttheorien Die Unterscheidung in Fine und Useful Art Im täglichen Leben wird jedoch unter Kunst ein viel engerer Begriff verstanden und eine Einteilung in fine art und useful art vorgenommen: “In daily life when works of art are spoken of, the intention is to denote a much narrower range of object, namely those responded to aesthetically. Among the things in this narrower range, a distinction, although not a precise one, is made between fine and useful art. Fine art consists of those works designed to produce an aesthetic response or that (regardless of design) function as objects of aesthetic appreciation (such as paintings, sculptures, poems, musical compositions) – those man-made things that are enjoyed for their own sake rather than as means to something else. Useful art has both an aesthetic and a (sic!) utilitarian dimensions: automobiles, glass tumblers, woven baskets, desk lamps and a host of other handmade or manufactured objects have a primarily useful function and are made for that purpose, but they also have an aesthetic dimension: they can be enjoyed as objects of beauty, so much so that a person often buys one brand of car rather than another for aesthetic reasons even more than for mechanical reasons (of which he may know nothing).”34 34 Art, Philosophy of, Encyclopædia Britannica, a. a. O., S. 40 f. 18 Ein Grenzfall ist die Architektur: „[...] many buildings are useful objects the aesthetic of which is marginal, and other buildings are primarily objects of beauty the utility of which is incidental or no longer existent (Greek temples were once places of worship, but today their value is entirely aesthetic). The test in practice is not how they were intended by their creators, but how they function in present-day experience.”35 Hingewiesen wird auch, dass zahllose angebotene Kunst-Definitionen, keine Definitionen sondern nichtzufriedenstellende Theorien sind. Die Einteilung der Künste ihren Medien nach Der New Encyclopædia Britannica zufolge gibt verschiedene Möglichkeiten die Künste einzuteilen, wie ihrem Zweck, ihren Absichten und ihren Auswirkungen nach, die geläufigste Einteilung ist jedoch jene aufgrund der verwendeten Medien. Daraus ergibt sich die hier nachfolgende Einteilung der Künste: „Visual art“ / Visuelle Kunst Diese beinhaltet zweidimensionale visuelle Kunst wie Zeichnung und Malerei sowie dreidimensionale visuelle Kunst wie Bildhauerei und Architektur. Wobei einige dieser Künste zweifellos „visuo-tactual art“ genannt werden sollten, da Skulpturen und auch manche Gemälde ganzheitlicher anerkannt werden könnten, wenn sie auch berührt würden könnten. Trotz allem sind diese Künste zu allererst und vor allem, obwohl nicht exklusiv, ein Reiz für den Sehsinn. „Auditory art“ / Auditive Kunst Diese beinhaltet Musik in allen Formen aber nicht Gesang, Oper als auch alle Künste, die Musik mit Literatur kombinieren. Das Medium für Auditive Kunst ist Klang. „Verbal art“ / Verbale Kunst Die Kunst der Literatur ist eindeutig anders als die Auditive und die Visuelle Kunst. Es gibt Ausprägungen von Klang in der Literatur, im Besonderen beim lauten Lesen, aber als Klang alleine würde die Literatur, die am meisten von Armut geplagte Kunst sein. Was den Klang der Poesie 35 Ebd., S. 41. 19 wirkungsvoll macht, ist das Wissen um die Bedeutung der gehörten Worte. Das Lauschen der Klänge von Poesie in einer nicht vertrauten Sprache, erlaubt einen Einblick in die Wichtigkeit der Bedeutung der Worte in der Literatur. „Mixed arts“ / Vermischte Künste Andere Künste kombinieren verschiedenartig die oberhalb angeführten drei Arten der Künste. Diese Gruppe inkludiert alle Künste mit Aufführungen. Das Drama kombiniert die Kunst der Literatur (Verbale Art) mit den Visuellen Küsten des Kostüms, des Bühnenbildes und so weiter. Die Oper kombiniert die Kunst der Musik (die vorherrschende Komponente) mit der Kunst der Literatur (das Libretto) und der Visuellen Kunst des Bühnenbildes. Der Tanz kombiniert das visuelle Spektakel der sich bewegenden Körper (die vorherrschende Komponente) mit musikalischer Begleitung, manchmal begleitet von Worten und oft mit einem Bühnenbild. Lieder kombinieren Worte mit Musik. Spielfilme kombinieren die visuelle Komponente (einer Serie von Bildern in einer so rasanten Abfolge, so dass es scheint sie würden sich bewegen) mit der verbalen Komponente und meist zeitweise mit einem musikalischen Hintergrund.36 Die Einteilung der Kunsttheorien ihrer Natur, ihrer Funktion bzw. ihren Effekten nach Zudem gibt es laut der New Encyclopædia Britannica unterschiedliche Theorien über die Natur, die Funktion und die Effekte von Kunst - hier wird wie folgt unterschieden. „Art as imitation (representation)“ / Kunst als Imitation (Repräsentation) Die Ansicht von Kunst ist Imitation, ist mindestens so alt wie Platon (428 – 348 v. Chr.) und obwohl heute nicht weitverbreitet, ist ihre lange und bedeutende Geschichte Beleg für diese unverwechselbare Funktion von Kunst. In einem Abschnitt der Kunstgeschichte vertraten ÄsthetikerInnen und KunstkritikerInnen die Ansicht, KünstlerInnen sollen die Natur mit fotografischer Genauigkeit aufzeichnen. Die Erfindung der Fotografie hat, so kann man plausibel sagen, die KünstlerInnen von solch einer Verpflichtung befreit. Terminologisch wird in der New Encyclopædia Britannica zwischen imitieren und repräsentieren unterschieden: KünstlerInnen repräsentieren in ihren Arbeiten Personen, Dinge und Szenen; sie imitieren jedoch die Arbeiten anderer KünstlerInnen. Weiters involviert eine Representation immer einen gewissen Grad der Abstraktion, es handelt sich hierbei um das Wegnehmen eines Charakteristikums oder mehrerer Charakteristika vom Original. Sogar einem ziemlich realistischen Gemälde von einer Person 36 Ebd., S. 43 20 zum Beispiel mangelt es an einigen besonderen Merkmalen, welche die Person charakterisieren: das Gemälde ist zweidimensional, wohingegen die aktuelle Person dreidimensional ist, die Oberfläche des Gemäldes besteht aus Farbe, das ist bei der Person nicht so usw.37 „Art as expression“ / Kunst als Expression Die Ansicht, Kunst ist Imitation (Repräsentation) wurde laut der New Encyclopædia Britannica nicht nur herausgefordert, sondern in einigen Künsten bereits vor mehr als einem Jahrhundert totgeweiht. Sie wurde größtenteils durch die Theorie Kunst ist Expression ersetzt. Anstatt zur Reflexion über Zustände der Außenwelt, wird die Kunst in dieser Theorie herangezogen, um über den inneren Zustand der Künstlerin / des Künstlers zu reflektieren. Die Gestaltung eines neuen Kunstwerkes bringt eine neue Kombination von Elementen in einem Medium (Töne in der Musik, Wörter in der Literatur, Farbe auf der Leinwand usw.) mit sich. Diese Elemente existierten bereits zuvor, aber nicht in derselben Kombination. Kunst ist eine Umgestaltung dieser bereits vorher vorhandenen Materialien. Dass Kunst in zahlreichen Medien vorkommt ist offensichtlich. Die Expressionistin / der Expressionist würde über die Expression sagen es ist ein kreativer, ein expressiver Prozess und Expression ist mehr als das bloße Schaffen. Einige sagen, die Erstellung von Kunst ist (oder beinhaltet) Selbstexpression, andere sagen es ist der Ausdruck von Gefühlen, wieder andere sagen, dass sie nicht notwendigerweise beschränkt ist auf Gefühle, aber dass Ideen oder Gedanken auch ausgedrückt werden können, wie das ganz klar der Fall in Aufsätzen ist. Diese charakteristische expressionistische Sicht auf die künstlerische Gestaltung ist ein Produkt der Romantik, welcher zufolge der Ausdruck von Gefühlen die Schaffung von Kunst begründet. Unterschieden wird bei dieser Theorie jedoch zwischen einer natürlichen Abgabe (“natural release“) von Emotionen, wie Wut, und einem künstlerischen Ausdruck (expression). Bei letzterem wird auch ein widerspenstiges Medium benötigt, das die Künstlerin / der Künstler nach ihrem / seinen Willen zu formen hat.38 „Art as form“ / Kunst als Form Gegenüber allen vorangegangen Beschreibungen der Funktion von Kunst, steht laut der New Encyclopædia Britannica die Theorie, welche unverwechselbar ins 20. Jahrhundert gehört, Kunst als Form oder der Formalismus. Die Entstehung des Formalismus kann am besten verstanden werden, wenn man zur Kenntnis nimmt, wogegen er reagiert hat: Kunst als Repräsen- 37 Ebd., S. 44 f. 38 Vgl. ebd., S. 47 f. 21 tation, Kunst als Expression, Kunst als Behelf von Wahrheit oder Wissen als auch moralischer Besserung sowie sozialer Verbesserung. Formalisten / Formalistinnen bestreiten nicht, dass Kunst nicht imstande ist diese Dinge zu leisten, jedoch glauben sie der wahre Zweck der Kunst wird untergraben, indem sie verwendet wird, um diese Dinge auszudrücken. Die Parole des Formalismus lautet “Art for art´s sake, not art for life´s sake”. Kunst ist da, um genossen und gewürdigt zu werden, wegen der Wahrnehmung von aufwendigen Arrangements von Linien und Farben, musikalischer Töne, Wörter und Kombinationen von diesen. Mittels dieser Medien können Objekte der Welt repräsentiert, Szenen aus dem Leben dargestellt und Emotionen aus dem Leben ausgedrückt werden. Jedoch ist all dies irrelevant für den Hauptzweck der Kunst. In der Tat ist Kunst weniger geeignet zum Erzählen einer Geschichte oder zur Repräsentation der Welt, als zur Präsentation von Farben, Klängen und anderer Bestandteile der Medien von Kunst einfach um ihrer selbst willen.39 In der New Encyclopædia Britannica werden auch noch zwei weitere Einteilung der Künste angeführt, die zusammengefasst werden unter: „Pragmatic theories of Art“ / Pragmatische Theorien der Kunst Den hier erwähnten Theorien ist gemeinsam, dass in jedem Fall das Kunstwerk als ein Mittel zum Zweck betrachtet wird, deshalb ist das was zählt letztlich nicht die Natur des Kunstwerkes sondern seine Auswirkungen auf das Publikum – die vor allem sensorisch, erkenntnismäßig, moralisch, religiös oder gesellschaftlich sind. Hierzu zählen: • „Hedonistic theories of art“ / Hedonistische Theorien der Kunst Entsprechend einer dieser Theorien, ist die Funktion von Kunst das Auslösen von Behagen. Das Kunstwerk kann auch informieren, anleiten, repräsentieren oder ausdrücken aber zuerst und vor allem muss es erfreuen. Falls diese Theorie in dieser simplen Form belassen wird, dann ergibt sich, dass die glatten und oberflächlichen Arbeiten und jene die nichts Schweres oder Düsteres in sich tragen, die besten Kunstwerke sind. Wie dem auch sei, diese Theorie wurde oftmals berichtigt und zwar ginge es darin um ästhetisches Genuss („aesthetic pleasure”) anstatt schlichtem Vergnügen („simply pleasure”). Großartige Kunst kann erfreuen, sie kann aber auch bewegen, schockieren, herausfor- 39 Vgl. ebd., S. 49 f. 22 dern oder das Leben derer verändern, die sie zutiefst erfahren. Genuss ist nur eine vieler Wirkungen die Kunst hervorbringt.40 • „Art as a means to truth or knowledge“ / Kunst als Mittel zur Erkenntnis Laut der New Encyclopædia Britannica ist ein vermeintlicher Zweck von Kunst ihre kognitive Funktion: Kunst als Mittel zur Aneignung von Wahrheit. Zudem könne man mit Kunst eine Form von Wissen erreichen, die unmöglich mit einem anderen Mittel zu erreichen sei. Es gibt keinen Zweifel, dass man eine Aussage treffen kann nachdem man die Bekanntschaft mit einem Kunstwerk gemacht hat, zum Beispiel dass die Aufführung von Beethovens 3. Sinfonie 47 Minuten gedauert hat, dass in diesem Bild die Grüntöne überwiegen und diese Skulptur um 350 vor Christus entstanden ist. Die Frage stellt sich, ob es so etwas wie Wahrheit oder Wissen gibt das in Kunstwerken gefunden werden kann. Die Literatur ist die offensichtlichste Kandidatin. Sie besteht aus Worten und Worte werden zu Sätzen kombiniert und Sätze befördern Aussagen, sprich Aussagen die richtig oder falsch sind. Es gibt auch keine Zweifel darüber, dass Werke der Literatur wahre und falsche Äußerungen beinhalten. Doch was macht deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit schon aus? „The Winter´s Tale“ von Shakespeare spielt zum Teil an der Küste von „Bohemia“, aber die Tatsache, dass „Bohemia“ keine Küste besitzt, schadet „The Winter´s Tale” als Literatur nicht. Kunst anzuerkennen dafür bedarf es keinem Ja oder Nein zu bestimmten Aussagen. Es erfordert nur, dass der Betrachter / die Betrachterin hinsieht und wahrnimmt, dass er / sie so reichlich und vollkommen wie möglich die Gefühle und den Standpunkt des präsentierten Weltbildes wahrnimmt.41 Die oberhalb angeführten Ausschnitte des Artikels zu „Art, Philosophy of“ aus der New Encyclopædia Britannica haben für mich die Relativität des Kunstbegriffs sehr gut strukturiert dargestellt. Was als Kunst wahrgenommen wird, hängt von der jeweils zugrundeliegenden Theorie ab und diese Theorien unterliegen dem Wandel der Zeit. 40 Vgl. ebd., S. 51 41 Vgl. ebd., S. 51 f. 23 2.2 Phänomene, die zu einem Aufweichen der Mode / KunstGrenze führen Welche Phänomene können zurzeit beobachtet werden, die zu einem Aufweichen der Grenze zwischen Kunst und Mode führen? • Arbeiten aus dem Bereich Mode werden in Kunstmuseen ausgestellt • Fashion Shows welche ihrer Form nach Performances sind • Luxus Stores42 die an Ausstellungsflächen denken lassen • ein bemerkbares Crossover in den Bereichen Kunst und Mode 2.2.1 Mode im Museum Die Mode hat nun auch ihren Weg ins Museum gefunden. Die Orte ihres in Erscheinung Tretens haben sich jedoch im Laufe der Zeit verändert. Barbara Vinken schreibt: „Die Szene auf der sie [die Mode, T.W.] auftritt, ist nicht mehr der adelige Salon, sie ist nicht mehr die mondäner Gelegenheiten wie Oper, Theater oder Rennbahn. Gemacht, getragen, vorgeführt wird die Mode nicht mehr von Bourgeoisie oder Aristokratie, sondern auf der Straße. Großstädte – New York, Paris, Tokio, Berlin, Rom – sind die Weltbühne, das theatrum mundi, auf der sie auftritt.“ 43 Ursula Link-Heer44 bemerkt hierzu kritisch: „Wenn und insofern es richtig ist, dass die Mode auf der Straße vorgeführt und getragen wird, so kann sie dort jedoch nicht eigentlich »gesehen«, das heißt als Mode identifiziert werden.“45 Für Link-Heer wird Mode in einem „gesonderten Ausstellungsraum“ besichtigt. Dieser Raum erstreckt sich von den Modeschauen über die „Lifestyle-Inszenierungen der PR-Agentinnen“ 42 Verkaufsflächen für Kleidung im Inneren von Bauten 43 Vinken, Barbara: Mode nach der Mode. Kleid und Geist am Ende des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main, Fischer 1994, S. 35 44 Professorin für Romanistik und Komparatistik der Bergischen Universität Wuppertal 45 Link-Heer, Ursula: Die Mode im Museum oder Manier und Stil (mit einem Blick auf Versace), S. 140 – 164. Hier: S. 141. In: Mode, Weiblichkeit und Modernität, Dortmund, Ed. Ebersbach 1998 24 über die Modezeichnung und Modefotografie hinein in die Modejournale und Regenbogenpresse. Die Mode drängt aber laut Link-Heer nun auch „mit aller Macht“ in einen weder von ihr selbst organisierten noch von ihr kreierten Raum vor: nämlich ins Museum. Denn dieser Ort, das Museum, „scheint die Definitionsmacht über das Moderne zu verkörpern.“ Laut Link-Heer „hinterlegen“ heute viele Modehäuser Prototypen ihrer Modelle in Museen. Außerdem sind 90 Prozent der Bestände des „textilen Louvre“ Schenkungen von Privatpersonen und ModedesignerInnen.46 Ursula Link-Herr geht sogar so weit und schreibt: „Die Mode, die das Moderne zu repräsentieren beansprucht, wird heute also, so darf man ohne allzu große Überzeichnung formulieren, bereits im Moment ihres Entstehens für das Museum produziert.“47 Wobei es sich hier nicht um alltägliche sondern um herausragende Mode handelt. Dieser „Marsch der neuesten Modeavantgarden“ ins Museum ist Teil eines größeren Phänomens und zwar der „Musealisierung gegenwärtiger Avantgarden“.48, 49 Die erste Retrospektive eines lebenden Modedesigners in einem Kunstmuseum Yves Saint Laurent50 war der erste Modedesigner, dem eine Retrospektive in einem Museum gewidmet wurde.51 Gezeigt wurde diese 1983 in New York im Metropolitan Museum of Art und hatte den Titel „Yves Saint Laurent“. Das war im Übrigen auch die erste Ausstellung eines noch lebenden Künstlers in diesem Museum.52 Diana Vreeland53 gibt an, dass Yves Saint Laurent für diese Retrospektive ausgewählt wurde, da er „ein genialer Mensch ist“. Und weil es ihm gelungen sei, die Kleidung der Frauen „26 Jahre lang auf demselben hohen Niveau“ zu halten. Sie hebt Yves Saint Laurents breite Palette 46 47 Vgl. ebd., S. 141 - 144 Ebd., S. 144 48 Ebd. 49 „Avantgarde“ kommt aus dem Französischen und bedeutet soviel wie„Vorhut“. Bei der „künstlerischen Avantgarde“ handelt es sich um künstlerische Bewegungen die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden und gegen die bis dahin gültigen ästhetischen Normen auftraten. Sie glaubten an den Fortschritt und zeichneten sich durch ihre Radikalität gegenüber den herrschenden politischen Verhältnisse aus. Strenggenommen gibt es seit 1945 die „künstlerische Avantgarde“ nicht mehr. 50 Modedesigner, 1. Aug. 1936 in Oran (Algerien), † 1. Juni 2008 in Paris 51 Kamitsis, Lydia: An impressionistic history of fashion shows since the 1960s, S. 92 – 103. Hier: S. 97, In: Fashion and Imagination. About Clothes and Art, Arnhem, ArtEZ Press 2009 52 Bergé, Pierre: Yves Saint Laurent. München, Schirmer / Mosel 1997, übersetzt von Marietta Piekenbrock; Yves Saint Laurent, Paris, Editions Assouline, 1997, S. 70 53 Diana Vreeland war im Jahr 1983 „Special Consultant“ am Costume Institute des Metropolitan Museum of Art. * 29. Juli 1903 Paris, † 22. Aug. 1989 New York City 25 von „„Freizeitmode“ – Hose, Hemden, Boleros, Oberteile, Pullover, Mäntel und Windjacken“ hervor, welche überall getragen werden könne, sei es im Flugzeug, am Land oder auf der Straße. Vreeland betont somit die Tragbarkeit von Saint Laurents Kleidung. Laut ihr habe sich das „soziale Leben“ verändert und alles sei heute „weit schlichter“. Yves Saint Laurent verstehe diese Welt und lebe „wie die heutige Gesellschaft“. Vreeland streicht mit dieser Aussage die Bedeutung des Zeitgeistes von Saint Laurents Mode hervor.54 René Huyghe 55, die einen Text im gleichnamigen Buch, das anlässlich dieser Retrospektive erschienen ist, geschrieben hat, führt an, dass mit Recht heute (im Jahr 1983) Mode in den großen Museen gezeigt wird, da für sie die Kunst „in ihrem Wesen nach die Suche nach Qualität“ darstellt. Für Huyghe ist die Kunst ein „notwendiger werdendes Gegengewicht“ zur Gesellschaft „in der die wachsende Tendenz besteht, nur noch das anzuerkennen, was gemessen und gezählt werden kann“. Laut ihr gibt jede Kunstform auch „die Psyche ihres Schöpfers preis“. Sie unterscheidet hier die individuelle Psyche, welche bei „großen Künstlern“ eine wichtige Rolle spiele und die kollektive Psyche, die „den Künstler als Teil seiner Gesellschaft und seiner Zeit ausweist“.56 Diesbezüglich schreibt sie: „Hierzu gehört auch der große Modeschöpfer. Seine erste Aufgabe ist vor allem, einem Artikel, der sonst ein reines Gebrauchsgut wäre, hohe Qualität zu verleihen. Sein Entwurf verweist auf seine Persönlichkeit und spiegelt gleichzeitig die eigene Zeit und ihren Geschmack wider.“57 In dieser Definition von Kunst formuliert René Huyghe den Künstlerstatus von ModedesignerInnen und legitimiert so auch die Ausstellung „Yves Saint Laurent“ im Metropolitan Museum of Arts, bei welchem es sich - wie der Name schon nahelegt – um ein Kunstmuseum handelt. Auch Rei Kawakubo und Hussein Chalayan hatten bereits museale Präsentationen ihrer Arbeiten. Ebenso so wie andere namhafte Kollegen und Kolleginnen. Was sind mögliche Gründe hierfür? 54 Vgl. Vreeland, Diana: Yves Saint Laurent. Buch zur Ausstellung Yves Saint Laurent am Costume Institute des Metropolitan Museums of Arts New York, 14. Dez. 1983 bis 2. Sept. 1984, Berlin, Frölich & Kaufmann 1984, übersetzt von Jürgen Spiegel; Yves Saint Laurent, New York, Clarkson N. Potter Inc. / Publishers 1983, S. 10 55 Kunsthistorikerin und Mitglied der Académie Française, * 3. Mai 1906 Arras (Frankreich), † 4. Feb. 1997 Paris Vgl. Huyghe, René: Psychologie der Kunst und Mode, S. 16 – 17, Hier: S. 16. In: Yves Saint Laurent. Ebd. 56 57 Ebd. 26 Gründe für die Ausstellung von Arbeiten einzelner ModedesignerInnen in Kunstmuseen Veränderung der Wahrnehmung von Mode Durch die Präsentation von Kleidermode in Kunstmuseen können wir das Alltägliche aus ungewöhnlichen, vielleicht für uns neuen, Blickwinkeln betrachten. Im Zusammenhang einer Ausstellung können die bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Dimensionen von Mode aufgezeigt werden. Zum Beispiel könnte diese losgelöst von ihrer Anwendbarkeit präsentiert werden, indem ihre skulpturale Dimension durch eine entsprechende Art der Präsentation hervorgehoben würde. Oder es könnte zum Beispiel die Aufmerksamkeit des Publikums auf Mode als Sprache gelenkt werden, da Mode ein Medium unserer Kommunikation ist und wir durch sie in ständigem Austausch mit anderen stehen. Das sind nur zwei Beispiele, die aufzeigen sollen, dass durch die Präsentation von Kleidermode in Kunstmuseen die Wahrnehmung derselben verändert werden kann. Ökonomische Interessen seitens der ModedesignerInnen Laut Markus Heinzelmann bildet der Einzug ins Museum das „höchste Ziel der Vermarktung“ und gebraucht in diesem Zusammenhang auch das Wort „White Cube Marketing“.58 Heinzelmann hat sicher Recht, dass die Präsenz in einem Museum gute PR für den jeweiligen Modedesigners / die jeweilige Modedesignerin ist und diese Präsenz seinen / ihren Marktwert steigert. Wobei Heinzelmann dabei außer Acht lässt, dass es sich bei allen anderen, seien es MalerInnen, Fotografen, Mixed Media Artists genau so verhält. Die Künste sind aufgrund des kapitalistischen Wirtschaftssystems, in dem wir uns zu Beginn des 21. Jahrhunderts befinden, auf finanziellen Gewinn ausgelegt, ab und an wird sogar definiert – nur mehr als Ware wie jede andere angelegt. Die Produzierenden müssen ihre Arbeiten verkaufen um ein Einkommen zu generieren, von welchem sie ihr Leben bestreiten müssen. Die Motive der Kaufenden reichen von Liebhaberei über Investment bis hin zu Spekulation. All dies ist Teil des monetären Systems unserer Zeit. Eine Ausstellung im Museum, ein Video im Internet oder ein Zeitungsartikel bewirkt, dass man nicht vergessen wird und hilft den Produzierenden über Umwege das benötigte Einkommen zu generieren. Dies ist eine Auswirkung des kapitalistischen Systems und somit verwundert es nicht, dass auch ModedesignerInnen davon betroffen sind. Geschenkte Arbeiten aus dem Bereich Mode als Teil der Museumssammlung 58 Vgl. Heinzelmann, Mode untragbar, a. a. O., S. 11 27 Heinzelmann zufolge würden Museen von „den führenden Modedesignern so freundlich wie klug mit den jeweiligen Prototypen ihrer Kollektionen beliefert werden.“59 Wobei an dieser Stelle anzumerken ist, dass sogar begrüßt wird, wenn Künstler und Künstlerinnen Arbeiten Museen schenken. 2005 wurde im Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (MUMOK) das „Jahr des Sammelns“ ausgerufen und in einer Veröffentlichung der Sektion Kultur des Österreichischen Bundesministerium für Unterricht und Kultur steht zu lesen: „Die Gründung des MUMOK Board und die Intensivierung der Kontakte mit privaten Sammler / innen und Künstler / innen führten 2005 zu einem neuerlichen Rekord bei den Sammlungsergänzungen im Gegenwert von € 2,4 Mill. (davon € 1,092.000,– aus Eigen- und Sponsorenmitteln, Schenkungen von Privaten und Künstler / innen im Wert von € 699.000.–).“60 Einer der schenkenden Künstler soll Günter Brus61 gewesen sein.62 Außerdem wird bei Ausstellungskonzeptionen natürlich auch miteinbezogen, welche Exponate Teil der Sammlung sind. Dies reduziert Arbeit bei der Realisierung einer Ausstellung, da weniger Werke von anderen Museen ausgeliehen werden müssen und in weiterer Folge auch Versicherungskosten für Leihgaben klein gehalten werden können. Zudem legitimiert das Präsentieren von Stücken aus der Sammlung die Sammeltätigkeit des Museums. Teile der Sammlung können je nach Ausstellungsthema anders arrangiert und durch Leihgaben ergänzt dem Publikum vorgeführt werden, welches dann diese Exponate innerhalb eines anderen Bedeutungszusammenhanges rezipieren kann. Deshalb ist es auch naheliegend, dass Kunstmuseen, die über Arbeiten aus der Mode verfügen, diese auch von Zeit zu Zeit zeigen. 59 Vgl. ebd. 60 Bundesministerium für Unterricht und Kultur, Sektion Kultur, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien – MUMOK, Veröffentlichung ohne Datumsangabe, http: / / www.bmukk.gv.at / medienpool / 14169 / kb05_mumok.pdf, S. 84 (Zugriff: 12. März 2013) 61 Künstler, * 27. Sept. 1938 in Ardning (Österreich) 62 Diese Information bekam ich am 12. März 2013 von einem ehemaligen Mitarbeiter – welcher an dieser Stelle nicht namentlich erwähnt werden möchte - der Wiener Galerie Heike Curtze welche u. a. Günter Brus vertritt. Des weiteren würde „schon vorkommen, dass“ KünstlerInnen Museen Arbeiten schenken, wenn zum Beispiel ein Museum eine oder mehrere Arbeiten ankauft oder das Museum eine Ausstellung macht, bei der die Künstlerin / der Künstler mit einer Arbeit vertreten ist. 28 Musealisierung der gegenwärtigen Avantgarden Ein weiterer Grund für das Auftauchen von Mode im Museum könnte am Phänomen der Musealisierung der künstlerischen Avantgarde liegen. Hermann Lübbe63 schreibt hierzu folgendes: „Die Avantgarde also, statt das Museum als kulturelle Institution zu entmächtigen, bewirkt, daß nunmehr die künstlerische Produktion wie nie zuvor in der Geschichte von der Spekulation auf einen Platz im Museum geleitet wird. Einzig die Aussicht Eingang ins Museum oder in museumsanaloge Einrichtungen der Kunstexposition zu finden, macht doch charakteristische Eigenschaften avantgardistischer Kunstwerke verständlich. Das fängt beim Äußerlichsten an, bei den räumlichen Dimensionen moderner Kunstwerke nämlich. Nachdem Schlösser, deren Wände mit Riesenwerken ausgefüllt werden, nicht mehr gebaut werden, ist es ersichtlich zumeist die Museumsaalwand, deren Dimensionen moderne Künstler ihre Tafelbilder im Superformat angepasst machen. Für Environments, die für sich selbst einen ganzen Raum beanspruchen, gilt Analoges ohnehin, und desgleichen für Werke, die in der Empfindlichkeit und Vergänglichkeit ihrer Materialien schon aus Wartungsgründen auf professionalisierte Konservierungsspezialisten angewiesen bleiben [...].“64 Für Lübbe handelt es sich um Avantgarden, die mit hohem Tempo ihre Innovationen hervorbringen. Der Begründer einer radikalen Avantgarde, Filippo Tommaso Marinetti65, kündigte im Gründungsmanifest66 des Futurismus von 1909 an die Museen zerstören zu wollen. Die Museen sind jedoch bis heute unbeschadet und der Prozess der Musealisierung von Kunst wird laut Lübbe durch das hohe Innovationstempo der Avantgarden zusätzlich beschleunigt. Die Kunstproduzierenden tragen auch zur Musealisierung von Kunst bei indem sie gezielt Arbeiten für das Museum produzieren. Indikatoren hierfür seien zum Beispiel riesige Formate angepasst an Museumshallen oder schnell vergängliche Materialien die einer intensiven restaurativen Betreuung bedürfen. Leider geht Lübbe fast nicht auf die Rolle des sammelnden Museums ein. Vielmehr analysiert er die Funktionsweisen von Avantgarden im Allgemeinen und endet dann beim Stilpluralismus, 63 Philosoph, * 31. Dez. 1926 in Aurich (Deutschland), emer. Prof. der Universität Zürich 64 Lübbe, Hermann: Die Künstlerische Avantgarde und die Musealisierung der Kunst. S. 17 – 31. In: Kunst und Ethos. Deutungsprobleme der modernen Kunst. E.H. Prat / M. Rassem (Hg.), Frankfurt am Main, Peter Lang 1995, S. 19 65 Begründer des Futurismus, * 22. Dez. 1876 in Alexandria (Ägypten), † 2. Dez. 1944 in Bellagio (Italien) 66 Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. http: / / de.wikipedia.org / wiki / Futurismus (Zugriff: 7. Feb. 2013) 29 an welchem er keinen Gefallen findet. Da Rei Kawakubo und Hussein Chalayan jedoch zur Modeavantgarde67 gezählt werden können bin ich Lübbes Gedanken über Avantgarden im Allgemeinen gefolgt mit dem Ziel, dadurch die Arbeiten von Chalayan und Kawakubo besser verstehen zu können. Exkurs: Avantgarden Laut Hermann Lübbe sei die Anzahl an „stilistischen Innovationen“ zwischen 1960 und 1970 „Zehnfach größer gewesen als in fünfzig Jahren des vorigen Jahrhunderts, nämlich zwischen 1850 und 1900“. Diese verdichteten Innovationen sind die Voraussetzung für den „Avantgardismus“. Beschleunigt werden diese Innovationen durch die Orientierung der Avantgarde am Neuen. Die Avantgarde behauptet einen „Geltungsvorrang des Neuen“ gegenüber dem Alten.68 Durch das verdichtete – genauer: mit einer hohen Geschwindigkeit - Auftauchen der Neuerrungen verkürzt sich für Lübbe deren Gegenwärtigkeit. Er führt an dieser Stelle seinen Begriff der „Gegenwartsschrumpfung“ ein und schreibt: „Man kann diese Effekt auch folgendermaßen ausdrücken: Die avantgardistische Erhöhung der Innovationsrate verkürzt die temporale Extension aktueller Geltung des Neuen“69. Laut Lübbe verpflichtet das „Avantgarde-Prinzip“ die Kunstproduzierenden zu „mehrfacher Selbstüberholung in der kurzen Frist“ ihres Lebens. Dies führt dazu, dass die Kunstproduzierenden schon zu Lebzeiten „historisch“ werden und als „Neuerer“ ihrem Publikum in Erinnerung bleiben. Wobei laut Lübbe das Publikum das wiederholte Vorführen „längst überholter Neuerung“ fordert und bringt an dieser Stelle als Beispiel Christo [und Jeanne Claude70, T. W.] welcher immer noch [mit Jeanne-Claude, T. W.] „verpackt“.71 Im Übrigen werde die „aktuelle Kunstszene“ nicht von der Avantgarde sondern von „inzwischen veralteter Avantgarde“ geprägt. Außerdem existieren, wo es eine Avantgarde gibt, für Lübbe, 67 Begriff übernommen von Link-Heer 1998, S. 144 68 Vgl. Lübbe, Avantgarde und Musealisierung, a. a. O., S. 17 69 Vgl. ebd., S. 18 70 Kunstschaffende, Christo: * 13. Juni 1935 in Gabrovo (Bulgarien); Jeanne-Claude: * 13. Juni 1935 in Casablanca (Marokko) , † 18. Nov. 2009 in New York City 71 Vgl. Lübbe, Avantgarde und Musealisierung, a. a. O, S. 19 f. 30 zur gleichen Zeit auch die „Avantgarde von gestern“ und die „vorgestrige Avantgarde“ als auch die „Provinz-Avantgarde“.72 Das gleichzeitige existieren von verschiedenen Avantgarden, könnte auch hilfreich bei der Erklärung sein, warum zeitgenössische Verkaufsflächen von ModedesignerInnen wie Hussein Chalayan und Rei Kawakubo so reduziert, weiß, ja gar asketische gestaltet sind. Die Ästhetik der Verkaufsräume von Kawakubo und Chalayan würden sich somit an der immer noch existierenden Avantgarde der Moderne orientieren. Bei der Gleichzeitigkeit von „avantgardistischer Orientierung“ ist es laut Lübbe „sinnwidrig“ geworden eine Position als ganz vorne auszeichnen zu wollen. Wobei dies nach wie vor geschieht. Die Berühmtheit des Namens des / der Erstgereihten, kann zu „Spitzenwerten“ gelangen. Und an dieser Berühmtheit sind „Marktchancen“ und „sonstige soziale Verwertungsmöglichkeiten“ geknüpft.73 Hermann Lübbe steht jedoch dem Stilpluralismus der Zeitgenössischen Kunst und liberalen politischen Bedingungen ablehnend gegenüber, denn er schreibt: „Nach vorn drängen viele, und je mehr es erfolgreich tun, um so größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß der Ruf „Mir nach!“ vielstimmig ertönt. Eben das löst seine Verbindlichkeit auf und es erweist sich, daß das Avantgarde-Prinzip unter liberalen Bedingungen, das heißt unter Bedingungen seiner politischen Ohnmacht, statt eine Fortschrittsfrontlinie identifizierbar zu machen, Individualismen und Pluralismen und im Umgang mit ihnen Vorlieben und somit Beliebigkeit freisetzt.“74 Diese Sichtweisen von Lübbe teile ich nicht, da ich den Stilpluralismus der Zeitgenössischen Kunst schätze ebenso wie liberale - jedoch nicht neoliberale - Bedingungen. Trotz der Abweichung unserer politischen Grundhaltung kann ich andere Gedankengänge von ihm gut nachvollziehen. 72 73 74 Vgl. ebd., S. 21 f. Vgl. ebd., S. 22 Ebd., S. 23 31 2.2.2 Fashion Shows und Performance Ein Form, Mode zu präsentieren ist die Fashion Show. Lydia Kamitsis75 hat die Geschichte der Fashion Shows untersucht. In ihrem Text „An impressionistic history of fashion shows since the 1960s“ zeichnet sie auf nachvollziehbare Weise die Geschichte der Fashion Shows seit den 1960ern nach und erklärt in schlüssiger Weise das Auftauchen von künstlerischen Performances in den 1990ern als Präsentationsform von Mode im Hochpreissegment. Kamitsis hat bei ihrer Untersuchung von Fashion Shows seit den 1960ern auch eine wesentliche Neuerung feststellen können: Mode wurde zum Mittel persönlichen Ausdruckes und so ein Medium der Seele des Modedesigners / der Modedesignerin. Kamitsis zufolge gab es in den 1960ern junge Ready-to-wear76 Designer, die keine eigenen Show Rooms77 jedoch ein Nahverhältnis zur Kunstszene hatten. Aus dieser Not heraus zeigten sie ihre Kollektionen in Theatern, im öffentlichen Raum, in Ateliers und mit Hintergrundmusik anstatt der traditionellen Moderation, dies führte laut Kamitsis zu einer Entfernung vom kommerziellen Kontext der Mode78 und sogar noch weiter: „The presentation of a new collection had become a parade, a performance, an artistic 'happening'.“79 Von 1960 bis 1970 entwickelte sich das Konzept der Fashion Show in mehr als eine Richtung weiter. Zusätzlich zur Anziehungskraft der Kleider musste jetzt die Show selbst die Aufmerksamkeit des Publikums einfangen und ihre Sinne betören. So hat Jaques Esterel80 für einen Aufruhr gesorgt, als er bei der Präsentation seiner Herbst / Winter Kollektion 1964-65 ein Model mit rasiertem Kopf zeigte. Im Jänner 1966 veranstaltete er dann eine Fashion Show in den Saint-Maurice Film Studios im Lichte der Scheinwerfer und zur Musik afrikanischer Percussions. Im selben Jahr lies Paco Rabanne81 barfüßige Modelle seine erste Kollektion im Pariser Luxushotel „Hotel Georges V“ zum Stück „Marteau sans Maître“ von Pierre Boulez vorführen. Kamitsis hält jedoch fest, dass es sich hierbei zwar nur um ein paar „special effects“ handelte, verglichen mit den prächtigen Kulissen, welche am Ende des 20. Jahrhunderts die Norm wer- 75 Modehistorikerin, Kuratorin, * 1960 im Libanon 76 In einer Fabrik gefertigte Kleidung in standardisierten Größen Präsentations- und Verkaufsflächen 77 78 Vgl. Kamitsis, History of Fashion Shows, a. a. O., S. 93 79 Ebd., S. 93 Modedesigner, * 1918, † 1974 80 81 Modedesigner; * 18. Feb. 1934 in Pasajes (Spanien) 32 den sollten, jedoch brachen so einige radikal mit den monotonen Fashion Shows der Vergangenheit82. Kamitsis weiter: „Gradually fashion shows became theatrical performances, and the borders between the two became increasingly blurred as the use of actors and dancers, props and theaters, became commonplace in the 1980s.“83 Während in den 1960er und 1970er Musik und Tanz bei den Fashion Shows weit verbreiten waren, waren die Kulissen kaum sehr anspruchsvoll – eine Ausnahme war Kenzo. Ab den 1980ern jedoch wuchs das Modedesigner Phänomen. Laut Lydia Kamitsis wurde nun die Fashion Show als Möglichkeit zur Kreation eines spezifischen Designer-Images wahrgenommen. Die Show musste nun die Phantasie des Modeschöpfers darstellen als auch das Thema der Saison. 84 „From then on, the fashion show increasingly moved away from the logic of a working session to become a fully-fledged living art form.“85 Das Modedesigner Phänomen wuchs laut Kamitsis weiter über Dekaden. Zusätzlich kam es zu einer rapiden Zunahme von Fashion Shows. Im Jahr 1986 wurden in Paris 239 Fashion Shows allein in offiziellen Programmen verzeichnet. Dies führte zu einem Nacheifern im Erfinden origineller Arten Mode zu präsentieren, um das steigende Medieninteresse auf die eigene Show zu lenken.86 „From then on, the choice of location, stage design, choreography, background music and lightening became almost as important as the collection itself. And the dress designer became an artistic director2 and surrounded himself with specialists in each of these domains.“87 Kamitsis schreibt, nun war das professionelle Publikum bestehend aus Journalisten / Journalistinnen, Fotografen / Fotografinnen, Einkäufer / Einkäuferinnen, weniger mit den Kleidungstücken beschäftigt als mit der Atmosphäre des Ganzen, die aus einer Vielzahl von Details wie Make-up, Haare, Licht, Musik und Dekor bestand. Diese Veranstaltungen waren jedoch nur für das professionelle Publikum zugänglich. Den fashionbegeisterten Konsumenten und Kon82 83 Vgl. Kamitsis, History of Fashion Shows, a. a. O., S. 93 f. Ebd., S. 94 84 Vgl. ebd., S. 94 – S. 96 85 Ebd., S. 96 Vgl. ebd., S. 96 86 87 Ebd., S. 96 33 sumentinnen wurde das Teilnehmen an diesen Performances verwehrt, sie hatten nur Zugang zu fragmentierten Zeitungs- und Fernsehberichten. Auch im Jahr 2013 kann man an der Paris Fashion Week / Mode à Paris nur mit Einladung teilnehmen: “Fashion shows are not open to the public. They are private events reserved in priority for professionals who report on them within the time limits fixed in the accreditation application and respect the design houses’ intellectual property rights. Only those holding an invitation from the houses may attend the shows.”88 Fashion Shows sind nach wie vor fast ausschließlich „invitation-only events“. Die Public Relations Abteilungen der Modehäuser stellen ihre persönlichen Gästelisten zusammen, die Einladungen werden dann zumindest an Presse und EinkäuferInnen per Email versandt. Bei der „Mercedes-Benz Fashion Week Swim“ 2013 und bei der „Mercedes-Benz Fashion Week Australia“ 2013 wird auch eine „registration fee“ eingehoben, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass trotzdem keine Teilnahme garantiert werden kann, da die Bewerbungsunterlagen (inklusive Foto und Nachweisen der bisherigen Tätigkeiten im Bereich Mode) ja nur an die Modehäuser weitergeleitet würden.89 Kamitsis zufolge hat Thierry Mugler90 als erstes dieses Prinzip des Ausschlusses durchbrochen. 1984 feierte er das 10jährige Jubiläum seines Modehauses. Aus diesem Anlass veranstaltete er eine Performance in Le Zénith, einer Pariser Konzerthalle, für ein Publikum von 6.000 zahlenden Gästen zudem gab es vergünstigte Tickets für Studierende. Auch diese riesen Veranstaltung fand Nachahmer. 1988 veranstaltete Yves Saint Laurent eine Fashion Show bei der „Fête de l’Humanité“, dem jährlichen Fest der Kommunistischen Partei, vor 40.000 im Parc Départemental de La Courneuve Georges Valbon in La Courneuve bei Paris. Am 12. Juli 1998 hat sich Yves Saint Laurent dann selbst übertroffen. Dieses Mal zeigte er seine Show nach dem World Cup Fußball Match im Stade de France dem Nationalstadium Frankreichs und hatte so ein Publikum von 300.000 und Millionen vor den Fernsehbildschirmen. Eine noch gigantischere Fashion Show wurde von Olivier Massart am Place du Trocadéro et du 11 Novembre in Paris anlässlich des „International Fashion Festival“ veranstaltet. Beteiligt daran waren fast 40 französische und ausländische Modedesigner und Modedesignerinnen, 900 Models, ein vor Ort 88 Mode à Paris, Fédération Française de la Couture du Prêt-à-Porter des Couturiers et des Créateurs de Mode, “The accreditation system”, http: / / www.modeaparis.com / en / accreditation / (Zugriff: 12. März 2013) 89 Vgl. Mercedes-Benz Fashion Week, Registration for Mercedes-Benz Fashion Week Swim 2013, http: / / miami.mbfashionweek.com / FILE / 2690.pdf (Zugriff: 12. März 2013) und Mercedes-Benz Fashion Week Australia, Press & Industry Registration, http: / / australia.mbfashionweek.com / FILE / 5880.pdf (Zugriff: 12. März 2013) 90 Modedesigner, * 21. Dez. 1948 in Strasbourg (Frankreich) 34 Publikum von 300.000 und wieder Millionen vor den Fernsehbildschirmen.91 Lydia Kamitsis schreibt weiter: „The idea of fashion shows as artistic performances, in which the concept itself is prized above all else, developed still further in the 1990s with the northern schools, notably the Belgian designers, and specifically the Flemish ones.“92 Für Kamitsis hatten Martin Margiela, Dries Van Noten, Walter Van Beirendonck93 und W.&L.T.94, die ungewöhnlichsten Veranstaltungsorte und Szenarien. Als Veranstaltungsorte in Paris nutzten sie zum Beispiel Ödland im 20. Arrondissement, eine aufgelassene Metro Station, eine Garage in der Nachbarschaft der Metro Station Barbès – Rochechouart oder das Hauptquartier der Heilsarmee95. Laut Kamitsis experimentierten diese Modedesigner mit verschiedenen Konzepten. Wie beispielsweise Modelle, die um ein stehendes Publikum herumwandern aber mit keinem Anspruch, die Distanz zwischen Show und Publikum zu verringern, oder einmal wurden zwei Fashion Shows simultan an unterschiedlichen Orten im 18. Arrondissement abgehalten - dem Publikum wurde am einen Ort die Kollektion in Schwarz und am anderen in Weiß präsentiert. Kamitsis zufolge war eine Fashion Show für Dries Van Noten eine Gelegenheit seine Gäste zu unterhalten. Besondere Aufmerksamkeit schenkt er dem Empfang. Je nach Saison bot er Suppe oder Früchte oder andere Kleinigkeiten zu essen an. Bei der 50. Fashion Show seines Modehauses gab er ein formales Abendessen für 500 Gäste, der Tisch jedoch war der Laufsteg auf dem die Modelle Kleider präsentierten. Walter Van Beirendonck präsentierte seine Frühling / Sommer Kollektion 1997 in zwei nur wenige Meter voneinander entfernten Theatern, dem Le Trianon und dem Théâtre de l'Elysée in Montmartre. Per Definition war diese Performance für eine geschlossene Gesellschaft bestimmt, wurde jedoch temporär öffentlich, als die Modelle auf die Straße traten um von einem Theater ins andere zu wechseln. 91 Vgl. Kamitsis, History of Fashion Shows, a. a. O., S. 96 f. 92 Ebd., S. 98 93 Modedesigner; Van Beirendonck und Van Noten sind Teil Antwerpen Six; die drei studierten an der Koninklijke Academie voor Schone Kunsten Antwerpen 94 Modelabel von Walter Van Beirendonck das nur in den 1990ern existierte 95 Christliche Freikirche mit besonderem Augenmerk auf soziale Tätigkeiten 35 Kamitsis zufolge hatten sich Viktor & Rolf96 in der Pariser Szene mit Präsentationen positioniert, die einen expliziten Bezug zur Zeitgenössischen Kunst hatten.97 Kamitsis schreibt weiter: „They used the fashion show to create a conceptual image, which proved to be a successful communications strategy for obtaining media coverage from the outset.“98 So haben Victor & Rolf ihre Frühling / Sommer Kollektion 1999 zweimal hintereinander präsentiert - einmal in ultraviolettem und dann in gewöhnlichem Licht. Bei der Präsentation ihrer Winterkollektion 2001 zeichneten sie laut Kamitsis Schlüsselmomente der Modegeschichte des späten 20. Jahrhunderts in dreidimensionalen Schattenbildern nach. Alles war dabei in Schwarz gehalten - das Make-up und das Dekor. Laut Kamitsis würden Victor & Rolf alles verwenden um Emotionen auszulösen und hätten sich bei jeder Show mit verschiedenen Genres auseinander gesetzt. Kulminiert sei das Ganze dann in ihrer 19. Kollektion, mit dem Titel „Le Fashion Show“, bei der das dem Equipment der Show – Soundsystem und Projektoren - an den Kleidungsstücken befestigt wurde. Fashion Shows können, wie die Show von Yves Saint Laurent bei der „Fête de l’Humanité“, auch eine politische Botschaft haben, wenn auch selten. Als weitere Beispiele nennt Kamitsis Rei Kawakubo mit ihrer „’Bumps’ collection“ (Frühling / Sommer 1997) sowie Hussein Chalayan mit dem Tschador in seiner Frühling / Sommer Kollektion von 1998 und seiner Kollektionen „Afterwords“ (Herbst / Winter 2000). 99 Auf zwei Arbeiten aus den soeben erwähnten Kollektionen werde ich im Praxisteil näher eingehen. Im Jahr 2009 waren die Fashion Shows jedoch wieder viel schlichter. Kamitsis schreibt: “The present revival of intimate fashion shows, more like working sessions again, doubtless marks a new turning point in this rich history of fashion show incarnation.”100 Dies führt sie zum einen auf finanzielle Gründe zurück und zum anderen wiederspiegle es auch einen anderen Zugang zu Kleidung. Kamitsis schreibt weiter: 96 Modedesigner: Victor Horsting * 1969 in Geldrop (Niederlanden), Rolf Soeren, * 1969 in Dongen ebd. 97 Kamitsis, History of Fashion Shows, a. a. O., S. 98 98 Ebd., S. 98 ff. Vgl. ebd. S. 100 f. 99 100 Ebd., S. 101 36 “After showing the clothes and telling the story of the universe, fashion shows now seem to be returning to an 'inhabited' clothing approach. Of course this does not mean the abandonment of artistically creative performances based on and around clothing, or the promotion of a concept or the possibility for a brand or a designer to give vent to his or her imagination.”101 2.2.3 „Arty“ Luxus Stores Die Nähe von Kunst und Mode wird auch sichtbar beim Interior Design der Luxus Stores sowie der avantgardistischen Architektur ganzer Hochhäusern, die sich im Besitzt von Luxusmarken befinden. Gilles Lipovetsky102 und Veronica Manlow103, die dieses Phänomen untersucht haben führen an, dass in den letzten Jahren die Anzahl von „multi-brand“ Stores gesunken, jedoch die Anzahl an Luxus Stores sich auf spektakuläre Weise multipliziert hat. Von besonderer Bedeutung ist hier die Innenarchitektur dieser Verkaufsflächen. Die beiden schreiben: „For a long time, luxury was synonymous with ostentatious signs and rich decorations. Luxury finds itself, to a great extent, at the opposite pole of this maximalist style. It is (by comparison) a minimalist, sober, highly unadorned luxury that many boutiques display – a 'Zen' style: white and empty spaces, the purity of unfinished granite, and plates of lacquered steel (reminiscent of the art gallery).”104 Lipovetsky und Manlow halten fest, dass in den 1980ern und 1990ern neue Annäherungspunkte zwischen Kunst und Kommerz aufgetaucht sind. So haben Rei Kawakubo, Issey Miyake105, Yohji Yamamoto106 und Martin Margiela die Kreation als auch die Kommerzialisierung von Mode revolutioniert: 101 102 103 Ebd. Philosoph, * 24. Sept. 1944 in Millau (Frankreich) Soziologin, „Assistant Professor of Business and Marketing“ am Brooklyn College 104 Lipovetsky und Manlow, Gilles und Veronica: The 'artialization' of luxury stores. S. 154 -167. Hier: S. 157. In: Fashion and Imagination, Arnhem, Art EZ Press 2009 105 Modedesigner, * 22. April 1938 in Hiroshima 106 Modedesigner, * 3. Okt. 1943 in Yokohama (Japan) 37 „Inspired by contemporary artistic movements, they opened stores that looked like art galleries. The articles were displayed in a rarefied atmosphere, as though they were exclusive objects or works of art.”107 In weiterer Folge haben dann Stores begonnen, zeitgenössische Kunstwerke in ihren Räumlichkeiten zu zeigen. Arbeiten von Lucio Fontana, Claude Lalanne, Nancy Lorenz wurden in Tom Ford Stores gezeigt. Werke von Christian Lacroix, André Dubreuil und Ado Chale wurden von Dior präsentiert. Damien Hirst hat zum Beispiel im Prada Flagship Store im New Yorker Stadtteil SoHo ausgestellt – um nur einige an dieser Stelle zu nennen. Auch werden von Luxusmarken gezielt Arbeiten bei Künstlern und Künstlerinnen in Auftrag gegeben. Lipovetsky und Manlow nennen hier den Louis Vuitton Store auf der Avenue des Champs Élysées.108 Für dieses Geschäft wurde eine Videoinstallation bei Tim White-Sobieski109 sowie eine Licht Skulptur bei James Turrell110 als auch eine Arbeit bei Olafur Eliasson111 in Auftrag gegeben. Prada, Dior, Dolce & Gabbana, Ralph Lauren und Gucci haben in der Vergangenheit ein uniformes architektonisches Konzept für ihre Stores verfolgt, sie wollten ihrer Zielgruppe dieselbe Atmosphäre in allen ihren Stores bieten. Lipovetsky und Manlow bemerken in der Gegenwart jedoch eine Destandardisierung der Luxus Stores, da Standardisierung ein Merkmal des Massenmarktes ist, von welchem sich die Luxus Marken distanzieren wollen, deshalb wird heute auf einzigartige architektonische Konzepte für Luxus Stores gesetzt. 112 Lipovetsky und Manlow beobachten auch pharaoartige Projekte der großen Luxusmarken, sie investieren in exklusive Flagship- und Megastores weltweit. Sie schreiben: „Now the luxury giants built 'temples', 'pyramids' and 'monoliths' to the glory oft their brands.“113 Angefangen damit hat das Modehaus Louis Vuitton im Jahr 1998, als es den ersten Megastore der Modegeschichte mit einer Fläche von 1.800 m2 auf der Avenue des Champs Élysées in Paris eröffnete. 2003 hat Vuitton dann ein elf Stockwerke hohes Gebäude, welches von 107 Lipovetsky und Manlow, Luxury Stores, a. a. O., S. 160 108 Vgl. ebd. Künstler, * 1961 in Polen 109 110 Künstler, * 6. Mai 1943 in Los Angeles 111 Künstler, * 5. Feb. 1967 in Kopenhagen Vgl. Lipovetsky und Manlow, Luxury Stores, a. a. O., S. 158 f. 112 113 Ebd., S. 155 38 Christian de Portzamparc114 entworfen wurde, auf der Fifth Avenue in New York City bauen lassen. Lipovetsky und Manlow zufolge konkurrieren die großen Luxusmarken darum, wer das höchste Gebäude in Tokyo baut. So hat Gucci dort acht Stockwerke errichten lassen, Chanel zehn, Hermès und Armani zwölf. Diese Gebäude sind innovativ und architektonische Juwelen, so bestehen die zwei engen Türme von Hermès zum Beispiel aus 13.000 Glasblöcken - jeder so groß wie ein Hermès-Quadrat - oder zum Beispiel die Fassade des Turmes von Chanel: Sie ist ein riesiger Screen der von 700.000 LEDs erleuchtet wird, auf dem das animierte Logo oder Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern, wie Michal Rovner115, zu sehen sind. Für Lipovetsky und Manlow handelt es sich bei diesen architektonischen Errungenschaften um „luxury 'sculptures'“. Die Gebäude und die sich darin befindenden Luxus Stores werden von Interessierten bereits wie Museen aufgesucht. Sie erklären sich das wie folgt: „Thanks to their architecture, luxury stores have become exemplars of art, and at the same time mythical places and poles of attraction for large public.“116 Wobei laut Lipovetsky und Manlow diese Luxus Stores mehr als Verkaufsflächen sein wollen: „In the hypermodern era, luxury megastores are not satisfied with merely being stores, they want to be cultural and artistic venues, spaces of better living and even ethical spaces able to give rise to book manifestos such as that of Koolhaas.“117 Die Stores von Rem Koolhaas118 sind so konzipiert, dass dort von der Fondazione Prada gesponserte Ausstellungen gezeigt werden können. Der Megastore von Louis Vuitton auf der Avenue des Champs Élysées in Paris beinhaltet ein kleines Buchgeschäft und Raum für Ausstellungen von zeitgenössischer Kunst. Und bei Hermès in Tokyo findet man ganz oben Dachgärten und die zwei obersten Stockwerke beherbergen Ausstellungs- und Multimediaflächen.119 Als treibende Kraft hinter der Artifizierung und Individualisierung der Luxus Stores nennen Lipovetsky und Manlow: 114 115 Architekt, * 5. Mai 1994 in Casablanca Künstler, * 1957 in Tel Aviv 116 Lipovetsky und Manlow, Luxury Stores, a. a. O., S. 157 117 Ebd. Architekt, * 17. Nov. 1944 in Rotterdam (Niederlande) 118 119 Vgl. Lipovetsky und Manlow, Luxury Stores, a. a. O., S. 157 39 „When consumption is no longer structurally status-enhancing, distinguished by the imperative of signifying its place in the social hierarchy, there is an increasing in the incessant search for hedonistic and perceptible experience, for renewed an surprising emotions which contemporary art, amongst other things, is able to provide. That is why the act of purchasing must be rich in aesthetic and cultural emotions. That is the reason for artifying the stores. In the age of hyperconsumer capitalism, homo consumericus is less homo religiosus than ever; he is homo aesthticus, avid for new sensations and experiences.”120 2.2.4 Crossover von Kunst und Mode Im Grenzbereich von Mode und Kunst gibt es Überschneidungen. Hier zu nennen sind sprachliche, die Ästhetik von Anzeigen in Kunstmagazinen betreffende als auch Künstler und KünstlerInnen, die Mode und Accessoires entwerfen oder ModedesignerInnen, die den Umgang mit KünstlerInnen pflegen und sich auch ihnen inspirieren lassen, mit ihnen zusammenarbeiten oder für sich arbeiten lassen. Auch gibt es Kleidungstücke, die Teile von Kunstwerken sind oder künstlerische Arbeiten die „nur“ aus einem Kleidungsstück bestehen. Und es gibt ModedesignerInnen deren Arbeiten sich sichtbar im Bereich der Kunst befinden, was ich im Praxisteil anhand von ausgewählten Arbeiten von Hussein Chalayan und Rei Kawakubo zeigen werde. Im Folgenden eine exemplarische Darstellung des Crossovers von Mode und Kunst: Vokabeln der Kunst in der Mode Lipovetsky und Manlow schreiben, dass im Universum der Boutiquen auch die Sprache der Kunst zu bemerken ist; auch dort die Rede von „installations“, „concepts“ und „happenings“.121 Mode- und Galerieinserate in Kunstmagazinen Yvonne Volkart122 weist darauf hin, dass beim Durchblättern von traditionellen Kunstzeitschriften wie „Artforum“ und „Flash Art“ ganz- oder doppelseitige Anzeigen von Luxusmarken wie 120 Ebd., S. 165 121 Vgl. ebd., S. 161 Autorin, Kuratorin, Dozentin für Sprache und Neue Medien an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich, 122 * 1963 in Zürich 40 Prada, Jil Sander oder Helmut Lang zu finden sind und Anzeigen von Galerien oft wie Modeinserate aufbereitet sind. 123 ModedesignerInnen lassen sich von Kunstwerken oder KünstlerInnen inspirieren Yves Saint Laurent präsentierte in seiner Winterkollektion 1965 / 1966 das abgebildete Cocktailkleid, welches sichtlich an Piet Mondrian angelehnt ist. José Teunissen124 zufolge wurde Mode ab diesem Zeitpunkt ein Medium zum Ausdruck von Konzepten, Ideen und Politischen Idealen, da dieses Kleid gezeigt hatte, dass Mode auch Elemente aus der Kunst übernehmen und ebenso Avantgarde sein konnte. 125 Abb. 6: Cocktailkleid von Saint Laurent angelehnt an Mondrian Aus dem Jahr 1937 stammt Elsa Schiaparellis126 „Woman´s Dinner Dress“ – auch bekannt unter dem Namen „Hummerkleid“. Schiaparelli nimmt in dieser Arbeit Bezug auf das „Hummer Telefon“ (1936) von Salvador Dalí127. Anne Seibold zufolge ist Schiaparelli, die von Italien nach Paris gezogen ist, begeistert von der Bildenden Kunst. Sie holt sich von den Pariser Surrealisten Anregungen und lässt diese auch am „Prozess des Entwerfens teilhaben.“128 Abb. 7: Elsa Schiaparelli „Woman´s Dinner Dress“ (1937) 123 Vgl. Volkart, Yvonne: Mode als Diktat. Die neue Weltordnung GmbH. S. 25 – 33. In: Oberflächen. Zur Erscheinung in Kunst und Mode. Schriftenreihe der Kunsthalle Wien, Klagenfurt, Ritter Verlag 1998, S. 27 124 Professorin für „Fashion Design“ am ArtEZ Institute of the Arts in Arnhem, Enschede und Zwolle (Niederlande), * 1959 in Boeckl ebd. 125 Vgl. Teunissen, José: Fashion and Art. S. 10 – 26. Hier: S. 11. In: Fashion and Imagination. About Clothes and Art, Arnhem, ArtEZ Press, 2009 126 Modedesignerin / Künstlerin, * 10. Sept. 1890 in Rom, † 13. Nov. 1973 in Paris 127 Künstler, * 11. Mai 1904 in Figueres (Spanien), † 23. Jän. 1989 ebd. 128 Vgl. Seibold, Anne: Surrealismus - Traumwelten in der Mode. S. 27 – 36. Hier: S. 28 u. 34. In: Mann, Karin (Hg.): Mode und Kunst. Grenzgänge aus mode- und textilwissenschaftlicher Sicht. Studienreihe Mode- und Textilwissenschaft, Baltmannsweiler, Schneider Verlag Hohengehren 2008 41 ModedesignerInnen und KünstlerInnen arbeiten zusammen Diese Zusammenarbeit - sei es entgeltlich oder unentgeltlich führt dann dazu, dass Künstler und Künstlerinnen Mode und Accessoires oder Stoffmuster entwerfen. Beispiele hierfür sind Takashi Murakami129 und Richard Prince130, die laut Lipovetsky und Manlow, Kollektionen für kommerzielle Marken entwerfen.131 Beide Künstler haben mit Louis Vuitton kollaboriert. 2008 war Prince bei Vuittons Frühling / Sommer Kollektion tätig und 2002 Abb. 8: Takashi Murakami, Muster für Louis Vuitton begann Takashi Murakamis Zusammenarbeit mit dem Modehaus. Zuvor hatte Murakami bereits mit dem Modedesigner Issey Mijake132 gearbeitet. Auch Salvador Dali entwarf laut Anne Seibold133 im Jahr 1939 mit Elisa Schiaparelli die Kollektion „Commedia dell’ Arte“. Für das abgebildete Kleid (Abb. 10) entwirft Dali das Muster, welches später auf den Stoff aufgedruckt wird. Interessant ist, dass dieses Kleid im Englischen den Namen „Tear Dress“ und im Deutschen den bemerkbar abwertenden Namen „Fetzenkleid“ trägt. Auch Seibold schließt sich dieser Rezeption an, indem sie schreibt: Abb. 9: Elsa Schiaparelli „Tear Dress“ (1939) „Die Fetzen des Kleides sind lediglich auf den Stoff als Muster aufgedruckt.“134 Für mich sind jedoch weder Fetzen noch Tränen ersichtlich, sondern ein fallender Handschuh, der einen lilafarbenen Feuerball nach sich zieht. Im Übrigen ist die Tatsache, dass Künstler und 129 130 131 132 133 Künstler, * 1. Feb. 1962 in Tokyo Künstler, * 6. Aug. 1949 in Panama Vgl. Lipovetsky und Manlow, Luxury Stores, a. a. O., S. 161 Modedesigner, * 22. April 1938 in Hiroshima Lehrerin, Studium an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg in den Fächern Mensch und Umwelt, Deutsch und Kunst, * 1983 in Aalen (Deutschland) 134 Vgl. Seibold, Surrealismus Mode, a. a. O., S. 35 42 Künstlerinnen Mode oder Accessoires entwerfen kein Phänomen, das auf die Gegenwart oder der jüngeren Vergangenheit beschränkt ist. Ulrike-Annika Link135 schreibt hierzu: „Viele Künstler und Künstlerinnen verdienen sich [zu Beginn des 20. Jahrhunderts, T.W.] mit der Arbeit für Modeschöpfer und für die Textilindustrie ihren Lebensunterhalt. Zudem arbeiteten sie wie Picasso und Braque für das 'Ballets Russes’, als Kostümdesigner und -bildner. Dabei können sie ihre Ideen besser umsetzen, weil es weniger auf die Tragbarkeit der Kleidung, denn auf die Formen, die Raumveränderung und den künstlerischen Anspruch ankommt.“136 ModedesignerInnen und KünstlerInnen, die in beiden Bereichen tätig sind / waren Die experimentelle Künstlerin Sonia Delaunay137 versucht laut Link ab ca. 1914 das moderne Leben in ihren Stoffentwürfen einzufangen. Ab 1920 wendet sie sich verstärkt dem Design von Stoffen und Mode zu. Delaunay überträgt dabei die kubistische Formenund Farbensprache auf ihre Entwürfe. 1925 eröffnet sie in Paris ihren Modesalon. Link bemerkt, dass Sonia Delaunays Kreationen vornehmlich von „Avantgardisten“ getragen wurden, jedoch ihr Einfluss auf die Mode der 1920er und 1930er unbestritten sei.138 Abb. 10: Sonia Delaunay, Badeanzüge mit Mäntel und Schirm (1928) 135 Mitarbeiterin bei KomET, einer externen Institution des Rathauses Essen, sie schrieb ihr Doktorat am Institut für Kunst und Materielle Kultur im Fach Textilgestaltung der Universität Dortmund 136 Link 2008, S. 44 137 Künstlerin und Modedesignerin, *14. Nov. 1885 in Terk (Russland), † 5. Dez. 1979 in Paris 138 Vgl. Link Link, Ulrike-Annika: Kubistische Mode – Interaktion von Mode und Kunst am Beispiel Sonja Delaunays und Paul Poirets. S. 37 – 48. Hier: S. 41 – 43. In: Mann, Karin (Hg.): Mode und Kunst. Grenzgänge aus modeund textilwissenschaftlicher Sicht. Studienreihe Mode- und Textilwissenschaft, Baltmannsweiler, Schneider Verlag Hohengehren 2008 43 Zur Zeit des Jugendstils haben Künstler sogenannte Künstlerkleider für Frauen kreiert. Sabrina Kästner139 zufolge ging es den Künstlern „um die Erschaffung eines Gesamtkunstwerks“ und der „Ästhetisierung aller Lebensbereiche“. Von der Architektur über die Gestaltung des Innenraumes zu den Gegenständen des täglichen Gebrauchs bis hin zur „weiblichen“ Kleidung. Diese Bewegung fällt mit dem Wunsch von Frauenrechtlerinnen und Frauen der höheren sozialen Schichten zusammen, ihre Mode zu reformieren. 1896 fordern 1700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim „Internationalen Abb. 11: Peter Behrens „Women´s Dress“ (1901) Kongreß für Frauenwerke“ in Berlin die Abschaffung des Korsetts. In Deutschland wird für die Jugendstilkünstler Henry van de Velde140, Alfred Mohrbutter141, Richard Riemerschmid142 und Peter Behrens143 die Umgestaltung der Frauenmode Kästner zufolge zu einem neuen Betätigungsfeld.144 Helmut Lang145 hat 1986 sein gleichnamiges Modehaus gegründet. In den 1990ern machte er Karriere als Modedesigner. 2002 verkaufte Lang 51 % seines Unternehmens an das Modehaus Prada, an welches er im Jahr 2004 seine verbliebenen Anteile veräußerte. Seit 2004 ist Lang als Künstler tätig. Er arbeitet überwiegend Abb. 12: Helmut Lang „Three“ (2008) skulptural.146 139 Mitarbeiterin der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, Abteilung: Mode- und Textilwissenschaft 140 Architekt, Designer, Künstler, * 3. April 1863 in Antwerpen (Niederlande), † 25. Okt. 1957 in Zürich 141 Künstler, * 10. Dez. 1867 in Celle (Deutschland), † 21. Mai 1916 in Neubabelsberg ebd. Architekt, Künstler, * 20. Juni 1868 in München, † 13. April 1957 ebd. 142 143 Architekt, Künstler, * 14. April 1868 in Hamburg, † 27. Feb. 1940 in Berlin 144 Vgl. Kästner, Sabrina: Kleidung der Mode im Jugendstil - Das Leben als Gesamtkunstwerk. S. 5 – 25. Hier: S. 9 – 19. In: Mode und Kunst. Grenzgänge aus mode- und textilwissenschaftlicher Sicht. Baltmannsweiler, Schneider Verlag Hohengehren 2008 145 Modedesigner und Künstler, * 10. März 1956 in Wien 146 Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. http: / / de.wikipedia.org / wiki / Helmut_Lang (Zugriff: 6. März 2013) 44 Kleidungsstücke in der Kunst Cindy Sherman147 stellt in ihren inszenierten Fotografien Charaktere – nicht real existierende Individuen - nach. Sie bevorzugt alleine zu arbeiten und wählt jene Fotos aus, in welchen sie sich nicht mehr erkennt. Für ihre Verwandlungen verwendet sie unter anderem Make-up, Perücken, Schmuck, historische Kostüme und Kleidungsstücke. Sherman verwendet bereits existierende Kleidungsstücke und Kostüme.148 Abb. 13: Cindy Sherman „Untitled # 458“ (2007-08) Yinka Shonibare149 arbeitet konzeptuell. Die abgebildete Arbeit bezieht sich auf die gleichnamige Oper „Un Ballo in Maschera“ von Guiseppe Verdi150. Bekannt ist Shonibare für seine Installationen, die auf die europäisch-afrikanische Kolonialgeschichte verweisen. Bei diesen lässt er kopflose Schaufensterpuppen Kleidungsstücke tragen, die an historische Kleidung aus dem 18. Jahrhundert angelehnt ist. Shonibare lässt diese Kleidungsstücke für sich aus niederländischem Wachstuch fertigen. Diese von indonesischen Batikdrucken inspirierten Stoffe wurden im Zuge der afrikanischen Unabhängigkeitsbewegungen in den 1960er Jahren sehr populär, da AfrikanerInnen durch ihr Tragen ihrer Abb. 14: Yinka Shonibare „Un Ballo in Maschera” (2004) neu entdeckten afrikanischen Identität Ausdruck verleihen wollten. Ob dies überhaupt möglich war ist mehr als fraglich, da es sich bei diesen Stoffen um ein in den Niederlanden und Manchester hergestelltes Exportprodukt für den afrikanischen Markt handelt.151 147 Künstlerin, * 19. Jän. 1954 in Glen Ridge (Vereinigte Staaten von Amerika) 148 Vgl. Respini, Eva: Cindy Sherman, Buch zur Ausstellung Cindy Sherman im Museum of Modern Art vom 26. Feb. bis 11. Juni 2012 in New York, München, Schirmer Mosel 2012, S. 68 - 79 149 Künstler, * 1962 in London 150 Komponist, * 10. Okt. 1813 in Le Roncole (Italien), † 27. Jän. 1901 in Milan 151 Vgl. Kent, Rachel: Yinka Shonibare MBE, Buch zur gleichnamigen Ausstellung im Museum of Contemporary Art, Sydney, vom 24. Sept. 2008 bis 1. Feb. 2009, im Brooklyn Museum, New York, vom 26. Juni bis 20. Sept. 2009, im National Museum of African Art, Smithsonian Institution, Washington DC, vom 11. Nov. 2009 bis 7. März 2010, München, Prestel 2008, S. 12 45 Valie Export152 hat in dieser Arbeit zum einen ein bereits bestehendes Kleidungsstück überabreitet - eine „Mustang Jeans“153, welcher eine Öffnung im Genitalbereich hinzugefügt wurde. Zum anderen trägt sie ein scheinbar unverändertes Oberteil - eine reflektierende, schwarze, enganliegende Jacke mit Knöpfen. Ihr schulterlanges Haar ist toupiert, sie ist barfuß, in ihren Händen hält sie eine Schusswaffe. Abb. 15: Valie Export, „Genitalpanik“ (1969) 2.3 Wissenschaftlicher Diskurs: Ist Mode Kunst? Die zuvor beschriebenen Phänomene haben zu einer Aufweichung der Grenze zwischen Mode und Kunst geführt. Laut Linda Welters154 debattieren KunstkritikerInnen und ModeautorInnen nun schon seit Dekaden darüber, ob Mode eine Kunstform ist.155 Valerie Steele156 hat am 15. Juni 2012 im Wiener MUMOK157 einen Vortrag mit dem Titel Is Fashion Art? 158 gehalten, in welchem sie den bisherigen Diskurs nachzeichnet. Ich beziehe mit bei der nachfolgenden Darstellung des Diskurses Ist Mode Kunst? auf den erwähnten Vortrag. 152 Künstlerin, * 17. Mai 1940 in Linz 153 Vgl. Neuburger, Susanne (Hg.); Rüdiger, Barbara: Reflecting fashion. Kunst und Mode seit der Moderne, Buch zur Ausstellung Reflecting Fashion. Kunst und Mode seit der Moderne im Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig in Wien, 15. Juni – 23. Sept 2012, Wien, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig 2012, S. 81 154 Professorin an der Universität von Minnesota 155 Vgl. Welters, Linda: Fashion and Art. Introduction. S. 253 - 255. Hier: S. 253. In: The Fashion Reader, Oxford, Berg 2007 156 Modehistorikerin, Direktorin von The Museum at the Fashion Institute of Technology in New York, Begründerin der Fachzeitschrift Fashion Theory, * 1955 157 Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien 158 Vgl. Video-Aufzeichnung des Vortrages Is Fashion Art? von Valerie Steele vom 15. Juni 2012, http: / / www.mumok.at / online-resources / videoarchiv / valerie-steele / (letzter Zugriff am 1. April 2013) 46 2.3.1 Beschreibung der Diskussion Historische Wahrnehmung von Mode und Kunst Historisch wurden Mode und Kunst fast als etwas diametral Entgegengesetztes betrachtet. Mode wurde historisch als oberflächlich, frivol, weltlich, flüchtig, ständig wechselnd, kurzlebig wahrgenommen, so Steele, zudem wird die Mode schnell mit dem Körper assoziiert und besonders mit dem weiblichen, als auch mit der weiblichen Eitelkeit. Mode wurde Jahrhunderte lang als monströs und feminin wahrgenommen. Menschen der Viktorianischen Zeit haben die Mode mit einem Moloch, der Menschen verschlingt, oder mit einer kapriziösen Göttin, die aufgekratzt und frivol, ohne ersichtlichen Grund ihre Meinung ändern würde verglichen. Wohingegen Kunst als konstant und in Verbindung mit Schönheit gesehen wurde, sowie als eine Möglichkeit das Gute, das ewig Wahre zu erkennen - Kunst wurde als etwas absolut Transzendentales betrachtet. Steele bemerkt jedoch, dass diese der Kunst zugeschriebenen Attribute auf die Kunstgeschichte und Ästhetik des 19. Jahrhunderts verweisen, und in den letzten Jahren radikal hinterfragt wurden. Heute wird Kunst - im Besonderen Malerei, Bildhauerei, Literatur und Musik - als Hochkultur und Mode als Industrie wahrgenommen und Kunstkritiker beharren darauf zu sagen: Kunst ist Kunst und Mode ist eine Industrie. Denn die Mode hat einen Konflikt mit Permanenz, Wahrheit und Authentizität, sie wird als gefährlich betrachtet, denn wenn sie die Zitadelle der Kunst betritt, würde sie die „jungfräuliche“ Kunst besudeln. Für Steele ist dieser Hintergrund sehr wichtig zu wissen, denn wenn man über Mode in einem Kunstmuseum liest, kommt früher oder später jemand der sagt: „Wie kann man Raphael und Versace unter einem Dach zeigen!“ Mode wird von solchen als Antithese zur authentischen hohen Kunst gesehen. KünstlerInnen und die Themen Mode und Anti-Moden KünstlerInnen die sich mit dem Thema Mode auseinandersetzen, beschäftigen sich laut Steele explizit mit Aspekten der Mode, über die Leute aus der Welt der Mode nicht notwendigerweise sprechen wollen, wie Magersucht, Markenwahn, außer sich geratener Konsum. Silvie Fleury159 kommentiert zum Beispiel in ihren künstlerischen Arbeiten explizit die Konsumkultur. Künstle159 Künstlerin, * 24. Juni 1961 in Genf 47 rInnen nehmen textile Objekte, wie Schuhe oder Einkaufstaschen und machen sie zum Teil ihrer Arbeiten. Das sei ein neues Konzept von Kunst, so Steele, die anführt, dass sich im letzten Jahrhundert die Definitionen von Kunst sehr stark verändert haben; und bemerkt, dass die Frage ob Mode Kunst ist, davon abhängt, wie wir Kunst in der Gegenwart definieren. Avantgardekünstler und Intellektuelle kreieren Künstlerkleider in Europa als Alternative zur Mode. Steele nennt William Morris, Henry van de Velde, Gustav Klimt, und fügt hinzu, dass viele andere Anti-Moden in Reaktion zur damaligen Mode kreierten. Für Morris war, Steele zufolge, die Mode ein absonderliches Monster, geboren aus einer Leerstelle im Leben reicher Menschen heraus. Diese Künstler begannen, ihren Ehefrauen und Geliebten in künstlerische Kleider zu hüllen. Sie wollten, dass diese Kleider andauern würden und waren deshalb auf der Suche nach einem Idealtypus, der sich nicht mehr so stark verändern würde. Utopische AntiModen waren weiter interessant für die künstlerische Avantgarde im frühen 20. Jahrhunderts, die Futuristen (Giacomo Balla160) und Konstruktivisten (Varvara Stepanova161, Alexander Rodtschenko162) haben mit ihren Kleidern, die Mode damals und auch später beeinflusst. Steele betont jedoch, dass diese Arbeiten nicht im System der Mode entstanden sind, sondern am Rand oder in der Welt der Kunst - denn sie vertritt die Meinung, dass die Position der UrheberInnen entscheidend ist, ob die Arbeit später als Kunstwerk betrachtet wird oder nicht. So war Balla ein Künstler, der eine beschränkte Anzahl von Kleidungsstücken produzierte; meist für sich selbst, er war kein ausgebildeter Modedesigner. Mode im Kunstmuseum Seit den 1980ern und im Besonderen seit den 1990er wird, Steele zufolge, Mode in Kunstmuseen präsentiert. Dies hat auch zum Verschwimmen der Grenze Mode / Kunst beigetragen. Außerdem würden Werke aus der Haute Couture, welche von Hand und nicht für den Massenmarkt gemacht sind, oft als Kunstwerke betrachtet. Weiters bemerkt sie, dass zum Beispiel eine Arbeit von Cristóbal Balenciaga163, als Teil einer Ausstellung „much of the aura“ eines Kunstwerkes hat. 160 Künstler, * 18. Juli 1871 in Turin (Italien), † 1. März1 958 in Rom 161 Künstlerin, * 23. Okt. 1894 in Kaunas (Litauen), † 20. Mai 1958 in Moskau Künstler, * 23. Nov. 1891 in St. Petersburg (Russland), † 3. Dez. 1956 ebd. 162 163 Modedesigner, *21. Jän. 1895 in Gretaria (Spanien), † 23. März 1972 in Xàbia ebd. 48 Karl Lagerfeld164, hat sich in einem Interview mit Luke Leitch165 dagegen ausgesprochen, dass Mode in Museen gezeigt wird. Außerdem lässt Lagerfeld erkennen, dass er wenig von einer Modedesignerin hält, die sich als Künstlerin positioniert, denn er hat, eigenen Angaben zufolge, zu dieser Moderdesignerin gesagt: „Oh, don’t you make dresses anymore? […] If you call yourself an artist, than you are secondrate.”166 Steele bemerkt zu den Äußerungen von Lagerfeld, dass die Idee, es sei für ModedesignerInnen vermessen zu sagen sie seien KünstlerInnen, ziemlich weit in der Modewelt verbreitet ist. Abweichende Selbstpositionierung von ModedesignerInnen und Ausbildungsstätten Die Gruppe der ModedesignerInnen ist selbst gespalten, was die Frage: „Ist Mode Kunst?“ angeht. Einige betrachten sich als KünstlerInnen, andere nicht. Coco Chanel167 soll, Valerie Steele zufolge, gesagt haben: “A dress is neither a tragedy nor a painting; it is a charming and ephemeral creation, not an everlasting work of art.”168 Ein Zeitgenosse von ihr, nämlich Paul Poiret169, hat laut Nancy Troy170 im Jahr 1913 jedoch selbstbewusst bemerkt: „Ladies come to me for a gown as they go to a distinguish painter to get their portraits to put on canvas. I am an artist not a dressmaker.“171 164 Modedesigner, * 10. Sept. 1933 in Hamburg 165 Stellvertretender Moderedakteur, mit einer wöchentlichen Kolumne bei The Telegraph 166 Leitch, Luke: Karl Lagerfield: 'Call yourself an artist? Than you are second rate', Interview mit Karl Lagerfeld, Artikel vom 16. Mai 2012, http: / / fashion.telegraph.co.uk / news-features / TMG9267278 / Karl-Lagerfield-Callyourself-an-artist-Then-you-are-second-rate.html (letzter Zugriff: 3. April 2013) 167 Modedesignerin, * 19. Aug. 1883 in Saumur (Frankreich), † 10. Jan. 1971 in Paris 168 Steele, Valerie: Vortrag: Is Fashion Art? im Wiener MUMOK vom 15. Juni 2012, Videoaufzeichnung unter: http: / / www.mumok.at / online-resources / videoarchiv / valerie-steele / (letzter Zugriff am 1. April 2013) 169 Modedesigner / Künstler, * 20. Apr. 1879 in Paris, † 28. Apr. 1944 ebd. Professorin für Kunstgeschichte an der Standford University 170 171 Troy, Nancy: Couture Culture. A Study in Modern Art and Fashion. Cambridge (Massachusetts), The MIT Press 2003, S. 47 49 Die Uneinigkeit der ModedesignerInnen zieht sich bin in die Gegenwart hinein und steht heute sicher auch in Verbindung mit den voneinander abweichenden Positionierungen der Ausbildungsstätten. Steele führt an, dass in Wien die Ausbildung an der Universität für Angewandte Kunst erfolgt, das New Yorker Fashion Institute of Technology wurde immer als Hochschule für die Modeindustrie gesehen und das Londoner Central Saint Martins College of Art and Design positioniert sich wieder als Kunsthochschule, wo zum Beispiel Alexander McQueen und Hussein Chalayan studiert haben. Peter Aspden172 zufolge hat Chalayan gesagt: “Central St Martin’s was a proper art institution, fashion just happened to be one of it’s departments. It was a fantastic place to understand the body in a cultural context. We were like body artists, but we also hat to learn how to make our clothes sell.”173 Laut Steele haben sich auch einige Modedesigner in der Vergangenheit als Künstler positioniert, so zum Beispiel Charles Frederick Worth 174. Worth hat sich wie Richard Wagner175 in einer Künstlerpose portraitieren lassen; das war Teil seiner Strategie, denn er positionierte sich nicht als demütiger Damenschneider, sondern als großartiger, genialer Künstler, was sein Prestige erhöht hat - zumindest in der Welt der Mode, wie Steele bemerkt. Worth verkörperte für Steele den frühen männlichen Modeschöpfer des 20. Jahrhunderts. Die Damenschneiderin der Arbeiterklasse zu dieser Zeit kniete vor ihrer Kundschaft und arbeitet am Kleid, Worth hingegen berührt das Kleid nicht, er war der Künstler, das Genie; er zeigte auf das Kleid der Kundschaft und seine Assistentinnen machten die Handarbeit. Steele zieht eine Parallele zu jenen Malern aus der Renaissance, die sich von Kunsthandwerkern zu Künstlern erhoben haben, um in den freien Künsten zu arbeiten. So haben zu Beginn des 20. Jahrhunderts Damenschneider, voran Worth, begonnen sich als großartige Künstler zu präsentieren. Worth neigte auch dazu, seiner Kundschaft nur wenige Wahlmöglichkeiten zu lassen und diktierte ihr eher was sie später tragen würde. Und in Übereinstimmung mit dem romantischen Bild des Künstlers betonte er, dass er Inspiration für das Entstehen seiner Kleider benötigen würde. Zudem holte sich Worth Inspirationen aus der Kunst - eine weitere Strategie, mit der Worth seine Arbeit zusätzlich aufwertete, so Steele. Worth war im Übrigen auch ein Pionier was das Hineinnähen von Etiketten in Kleidungen angeht. Er tat das um wie Künstler mit ihrer Unterschrift, seine Arbeit zu 172 173 Hat eine Kolumne bei der Financial Times, in der er über Kunst schreibt. Aspden, Peter: Hussein Chalayan’s east-west fusion, Artikel vom 27. Aug. 2010, http: / / www.ft.com / intl / cms / s / 2 / 7c248452-b169-11df-b899-00144feabdc0.html#axzz2PDi7Jgq0 (Zugriff: 1. April 2013) 174 175 Modedesigner / Künstler, *13. Nov. 1826 in Bourne (Großbritannien), † 10. März 1895 in Paris Komponist, Dramatiker, Dichter, Dirigent, * 22. Mai 1813 in Leipzig, † 13. Feb. 1883 in Venedig 50 authentifizieren, so Steele, die bemerkt, dass dadurch weniger die Hand- als die Kopfarbeit des Modeschöpfers sichtbar wurde. Diese Form der Signatur hat den Wert der Kleider von Worth nicht nur damals, sondern auch heute verändert. Bei Auktionen werden die Arbeiten von Worth um einen weitaus höheren Preis als jene seiner Zeitgenossen verkauft, und die Arbeiten von Worth sind um das 10fache teurer, wenn sie ein Etikett eingenäht haben. Paul Poiret begründete 1903 sein Modehaus in Paris und bald wurde es zum Zentrum für Avantgardemode. Steele zufolge war Poiret stark beeinflusst von der Avantgardekleidung, die er in Wien gesehen hatte, und von den Avantgarde-Kostümdesignern des Ballet Russe (George Braque176 und Pablo Picasso177). Wie Worth vor ihm, hatte auch Poiret nicht nur das Auftreten eines Künstlers, so Steele, sondern er förderte zusätzlich auch anderer Künstler und kreierte eine kleine Kunstwelt um sich. Laut Steele positionierte sich auch Elsa Schiaparelli als Künstlerin und bezeichnete Poiret als „Leonardo der Mode“ - der sie im Übrigen ermutigte Mode zu machen. Schiaparelli arbeitete häufig mit Künstlern, wie Salvador Dali oder Jean Cocteau178, von denen sie sich verstanden fühlte. In den späten 1930ern kam Schiaparellis Stil groß in Mode, was Coco Chanel eifersüchtig machte, denn Schiaparelli war ihre größte Konkurrenz, die nun mehr Aufmerksamkeit und mehr der großartigen Kundschaft abbekam. Poiret und Schiaparelli sahen Mode als eine Form von Theater oder Performance und in diesem Sinne als eine verkörperte Kunst. Der Modeschöpfer und seine geniegleiche mediale Wahrnehmung Nach nach dem 2. Weltkrieg hatte sich die Modewelt dramatisch verändert. Dazu kam, dass es in den 1940ern und 1950ern ein Überwiegen von männlichen Modedesignern gab, über die zunehmend in einer Weise geschrieben wurde, als wären sie quasi geniale Künstler. Jacques Fath179 hat, laut Valerie Steele, gesagt: 176 Künstler, * 13. Mai 1882 in Argenteuil (Frankreich), † 31. Aug. 1963 in Paris 177 Künstler, * 25. Okt. 1881 in Málaga (Spanien), † 8. Apr. 1973 in Paris Künstler, * 5. Juli 1889 in Maisons-Laffitte (Frankreich), † 11. Okt. 1963 in Milly-la-Forêt ebd. 178 179 Modedesigner, * 6. Sept. 1912 in Maisons-Laffitte, † 13. Nov. 1954 in Paris 51 „Fashion is an art, art is creative and men are the creators.“180 Cristóbal Balenciaga wurde von Zeitgenossen und auch von Modehistorikern schon zu Lebzeiten als Genie angesehen. Balenciaga war aber zu bescheiden, um sich als Künstler zu bezeichnen. Laut Karin Schacknat 181 habe Balenciaga aber gesagt: „A couturier must be an architect for the cut, a sculptor for the form, a painter for the colours, a musician for the harmony and a philosopher for the style.“182 Charles James183 war, laut Valerie Steele, für Balenciaga ein Künstler: “Charles James is not only the greatest American couturier, but the world's best and only dressmaker who has raised it from an applied art to a pure art form.”184 Balenciaga hat nur Haute Couture verkauft und hatte einen sehr kleinen Kundenkreis. Steele bemerkt, dass eine Arbeit von Balenciaga, die in einem Museum gezeigt wird, viel von der Aura eines Kunstwerkes hat; jedoch war Balenciaga für sie ein Modedesigner und kein Künstler. Weil jedoch die Arbeit in Ausstellungen gezeigt und an Sammler verkauft wird und Kunstkritiker über sie schreiben, erwirbt sie mehr und mehr kunstgleiche Qualitäten. Für Steele ist der Diskurs, der fragt, ob Mode Kunst ist, eines der wichtigsten Elemente sei, das hilft Mode in Kunst zu transformieren. Die Japanische Moderevolution In den späten 1970ern und frühen 1980ern revolutionierte japanisches Modedesign die westliche Mode. Der Avantgardestil von Yohji Yamamoto, Rei Kawakubo und Issey Miyake war so dramatisch anders, deshalb wurden sie auch zu Beginn von den westlichen Modejournalisten abgelehnt. Letztendlich ist es diesen Designern aber gelungen, sowohl eine radikal neue Ästhetik, als auch eine neue Einstellung zur Beziehung von Körper und Kleidung, sowie eine neuerliche Betonung von Mode als Kunst zu begründen und das obwohl alle drei offiziell gesagt haben, Mode sei keine Kunst. 180 Steele, Vortrag: Is Fashion Art?, a. a. O. 181 Autorin 182 Schacknat, Karin: Brilliant utopias and other realities. S. 314 – 329. Hier: S. 315. In: Fashion and Imagination. About Clothes and Art, Arnhem, ArtEZ Press 2009 183 Modedesigner, * 18. Juli 1906 in Sandhurst (Großbritannien), † 23. Sept. 1978 in New York City 184 Steele, Vortrag: Is Fashion Art?, a. a. O. 52 Steele führt an, dass Germano Celant185 und Ingrid Sischy186 dann in einem vielbeachteten Leitartikel eines Kunstmagazines geschrieben haben, dass japanische Modedesigner Kunstähnliches in der Mode machen. In weiterer Folge sei um Celant und Sischy herum ein Diskurs entstanden, der das System der Mode aufgebrochen hat und: “So that you could in fact say, that before and after the Japanese fashion revolution fashion was doing different things”.187 Diese Dekonstruktion der westlichen Mode durch Yohji Yamamoto, Rei Kawakubo und Issey Miyake war entscheidend: Nicht nur Modejournalisten sondern auch Kunstkritiker begannen darüber zu sprechen, dass zumindest einige Arten von Mode Kunst sein könnten, und dieser Diskurs hat sich, so Steele, dann in den 1990ern beschleunigt. Ausstellungen zu Mode und Kunst In weiterer Folge gab es mehr und mehr Ausstellungen über Mode und Kunst, so auch “Art / Fashion“ (1997) im Guggenheim Museum in New York oder „Addressing the Century. A Hundred Years of Art and Fashion“ (1998) in der Londoner Hayward Gallery. Es begann sich ein mehr und mehr theoretischer sowie ästhetischer Rahmen zu bilden, mit dem Versuch Mode in derselben Form wie wir Kunst zu verstehen und zu analysieren. Eine Hauptfigur war laut Steele, Richard Martin188, der eine der ersten dieser Ausstellungen mit dem Titel „Fashion and Surrealism“ im Jahr 1987 machte. Martin war der Idee sehr zugetan, dass Mode wie Kunst behandelt werden sollte. Er hatte viele Artikel geschrieben, um die üblichen Argumente wieso Mode keine Kunst sein kann, zu entkräften. Mode ist trivial. Nein, sie ist eine kulturelle und künstlerische Form. Mode benötigt viele Leute. Ja, in der Renaissance hatten die Künstler auch viele Assistenten oder man denke an bestimmte Arten des Kinos, die nun auch als Kunst gelten, die benötigen auch einen Regisseur und viele andere, damit ein Film entstehen kann. Martin hat Kunst als visuelle Kultur verstanden und gemeint, dass so Mode leichter in das Bild von Kunst hineinpasst und Gemeinsamkeiten wie Form, Farbe, Muster und Textur hervorgehoben. 185 Kunsthistoriker, Kunstkritiker, Kurator, * 1940 in Genua 186 Autorin Steele, Vortrag: Is Fashion Art?, a. a. O. 187 188 Kunst- und Modehistoriker, Kurator, * 4. Dez. 1946 in Bryn Mawr, Pennsylvania, † 8. Nov. 1999 in New York 53 Nach den Ausstellungen die Mode und Kunst nebeneinander präsentiert haben, sind Ausstellungen aufgetaucht, in denen Mode mit Kunst verlinkt wurde, indem beide explizit aufeinander verwiesen. Kuratoren / Kuratorinnen und KritikerInnen haben dann begonnen über die Schnittstellen von Mode und Kunst zu debattieren. Modeschauen und Modefotografie Als nächstes haben WissenschaftlerInnen das Phänomen Modeschau untersucht. Alexander McQueens189 Shows waren generell für Steele erstaunliche theatralische Phänomene. Wenige andere Designer - im Speziellen nennt Steele Chalayan - kreierten Shows, die wie eine Art Performance Kunst waren, Leute wie McQueen haben zusätzlich zu Kleidung, eindrucksvolle Bilder von Schönheit, Glamour und sogar Grauen kreiert. Wachsende Aufmerksamkeit wurde dann der Modefotografie geschenkt. Steele führt an, dass auch im Museum of Modern Art Modefotografie gezeigt wurde, und das obwohl dort bis heute das Ausstellen von Mode abgelehnt wird. Der Diskurs an sich und seine möglichen Folgen Steele thematisiert auch den Diskurs selbst und weist auf die soziologischen Überlegungen von Pierre Bourdieu hin, der den Kunstdiskurs an sich analysiert hat, und schreibt: „Der Diskurs über das Kunstwerk ist kein bloß unterstützendes Mittel mehr zum besseren Erfassen und Würdigen, sondern ein Moment der Produktion des Werkes, seines Sinns und Werts.“190 2.3.2 Fazit des bisherigen Diskurses Es gibt bei der Frage, ob Mode Kunst ist, bis heute absolut keinen Konsens, sondern es ist eine aktive Diskussion im Gange. 189 Modedesigner, * 17. März 1969 in London, † 11. Feb. ebd. 190 Bourdieu, Regeln der Kunst, a. a. O., S. 276 54 3 Praxisteil: Arbeiten von Hussein Chalayan und Rei Kawakubo Aufbauend auf dem im vorigen Abschnitt dargestellten theoretischen Grundgerüst sollen nun im zweiten Hauptteil der vorliegenden Arbeit praktische Beispiele des Grenzbereiches Mode / Kunst dargestellt werden. Anhand den im Kapitel 2.1.2 und Kapitel 2.1.4 angeführten Definitionen von Mode und Kunst wurde nach Arbeiten von ModedesignerInnen gesucht, die sich im Grenzbereich Mode / Kunst bewegen. Die so gewählten Arbeiten sind Werke des Modedesigners Hussein Chalayan und der Modedesignerin Rei Kawakubo beschrieben werden. Es soll der Frage nachgegangen werden, welche Merkmale die beschriebenen Werke aufweisen, die den Glauben in der Betrachterin / im Betrachter erwecken es handle sich um ein Kunstwerk. Zu diesem Zweck wird zuerst das Werk selbst beschrieben. Des Weiteren wird darauf eingegangen, in welchen Räumen die Arbeiten präsentiert wurden. Die Arbeiten der beiden Modedesigner / Künstler werden außerdem daran definiert, wie sie selbst und wie andere sowie auch Medien über die Werke sprechen. Deshalb wird auch dieser Diskurs über die Werke behandelt. Abschließend werden die daraus gezogenen Erkenntnisse zur Beantwortung der Frage nach dem Kunst-Glauben der BetrachterInnen herangezogen. 55 3.1 Arbeiten von Hussein Chalayan 3.1.1 „Remote Control Dress“: Kollektion „Before Minus Now“ (Frühling / Sommer 2000) Abb. 16 Abb. 17 Abb. 18 Abb. 19 Abb. 16 - 19: Hussein Chalayan „Remote Control Dress“ (Frühling / Sommer 2000) Formale Beschreibung von „Remote Control Dress“ „Remote Control Dress“ ist Teil der Kollektion „Before Minus Now“ (Frühling / Sommer 2000) von Hussein Chalayan und besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff, Tüll, elektronischen Elementen und einer Fernbedienung. Im Übrigen stammt der Titel nicht von Hussein Chalayan, sondern von AutorInnen, die über diese Arbeit schreiben.191 191 Vgl. Chalayan, Hussein: Siehe Fotos der Kollektion Before Minus Now - alle Arbeiten sind ohne Titel angeführt, http: / / chalayan.com / collection / view / album / id / 52 (Zugriff: 14. April 2013) 56 In welchen Räumen wurde „Remote Control Dress“ zum Beispiel präsentiert? Sadler’s Wells Theatre, London, Fashion Show / Performance, 1999192 Groninger Museum, Groningen (Niederlande), Ausstellung „Hussein Chalayan“, 2005193 Museum of Contemporary Art Tokyo (MOT), Ausstellung „Hussein Chalayan from fashion and back“, 2010194 Wie wurde über „Remote Control Dress“ gesprochen? Sue-an van der Zijpp195 schreibt: „Before Minus Now focused on the relation between mankind, technology and nature. The Sources of inspiration for this collection were 'intangible' phenomena like gravity, the forces of expansion and the weather, as well as tectonic forces that cause all kinds of shapes in nature. […] Chalayan again presented a fibreglass dress like in Geotropics and Echoform, this time in the shape of a Remote Control Dress. During the presentation, a boy came onto the catwalk, to 'operate' the synthetic dress with this remote control. His electronic instructions opened up the panels of the dress to reveal the soft tulle inside. The idea of directing living beings with a simple remote control system is a light-hearted hint at the human tendency to want to control life, as well as at our sometimes exaggerated expectations of technology.”196 Pamela Golbin197 schreibt: „In Before Minus Now, Chalayan focused on invisible forces as a means to construct form. The designer was particularly interested in phenomena that become visible entities. He explored the powers of expansion, magnetism and erosion and how these can be applied to garments in order to create shape. […] Chalayan’s fibreglass remote-control Aeroplane Dress was transformed with the touch of a button. The boy was consequently 192 Golbin, Pamela: A synoptic Guide to Hussein Chalayan’s mainline collections 1993 – 2011. S. 279 – 274. Hier: S. 271. In: Hussein Chalayan. New York, Rizzoli 2011 193 Vgl. Van der Zijpp, Sue-an: Introduction to the Collections. S. 16 – 45, S. 52 – 105, S. 112 – 153, S. 158 – 191. Hier: S. 191. In: Hussein Chalayan. Buch zur gleichnamigen Ausstellung im Groninger Museum, Groningen (Niederlande), 17. April bis 4. Sept. 2005, Rotterdam, NAI Publishers 2005 194 Vgl. Hasegawa, Yuko: Hussein Chalayan : from fashion and back. Buch zur gleichnamigen Ausstellung im Museum of Contemporary Art Tokyo, 3. April bis 20. Juni 2010, Tokyo, Bijutsu 2010, S. 40 f. 195 Kuratorin für Zeitgenössische Kunst am Groninger Museum (Niederlande) Van der Zijpp, Introduction Collections, a. a. O., S. 70 196 197 Autorin, * Peru 57 metamorphosed through an artificial, man-made force that combined the elements of magnetism and technological advances.”198 3.1.2 „Table Dress”: Kollektion „Afterwords“ (Herbst / Winter 2000) Abb. 20 Abb. 21 Abb. 22 Abb. 23 Abb. 20 - 23: Hussein Chalayan „Table Dress“ (Herbst / Winter 2000) Formale Beschreibung von „Table Dress“ Diese Arbeit von Hussein Chalayan war Teil seiner Herbst / Winter Kollektion des Jahres 2000 und wurde während einer 20 minütigen Performance199 präsentiert. „Table Dress“ besteht aus einem hellblauen Oberteil, einem dunklen langen enganliegenden Unterrock und einem Überrock aus Holz, den man ebenso als runden Tisch verwenden kann. Auch dieser Titel stammt nicht von Husein Chalayan, sondern von AutorInnen, die über diese Arbeit schreiben. In welchen Räumen wurde „Table Dress“ zum Beispiel präsentiert? Sadler’s Wells Theatre, London, Fashion Show / Performance, 2000200 198 199 200 Golbin, Chalayan’s mainline collections, a. a. O., S. 271 Vgl. Hasegawa, Chalayan, a. a. O., S. 92 Golbin, Chalayan’s mainline collections, a. a. O., S. 271 58 Tate Modern, London, Ausstellung „Century City“, Afterwords Installation, 2001201 Museum of Contemporary Art, Chicago, Ausstellung „Skin Tight: The Sensibility oft he Flesh“, Afterwords Installation, 2004202 Groninger Museum, Groningen (Niederlande), Ausstellung „Hussein Chalayan“, Retrospektive, 2005203 Museum of Contemporary Art Tokyo (MOT), Ausstellung „Hussein Chalayan from fashion and back“, 2010204 Wie wurde über „Table Dress“ gesprochen? Emily King205 schreibt: “In February 2000 Chalayan produced one of his most spectacular fashion week coups de theater, his Autumn / Winter 2000 collection titled Afterwords. That this show took place just after the 1999 launch of the fashion website Style.com is coincidental, yet Afterwords does seem to represent the epitome of the thematically driven fashion ritual in the immediate pre-online age.”206 Sue-an van der Zijpp schreibt: „Chalayan linked the refugee theme to the idea of hiding and camouflaging valuable possessions or carrying them along in flight. The show was presented in a stark, white setting with chairs and a round 1950s-style coffee table. Behind this set, viewers could vaguely see a Bulgarian female choir through a semi-transparent screen. Their singing was penetrating and the choir was clearly visible on a monitor in the 'living room'. After the appearance of an average family, consisting of a father, mother, grandmother and children, a strange transformation took place at the end of the show. Models dressed in simple underslips removed the covers from the chairs and wore them as a dress. The chairs themselves folded up to become suitcases and the coffee table was turned into a skirt, with the result that eventually the room remained behind empty and lifeless.”207 201 Van der Zijpp, Introduction Collections, a. a. O., S. 191 202 Contemporary Fashion Archive (Cfa): Afterwords, Installation, Hussein Chalayan, 2000, http: / / www.contemporaryfashion.net / index.php / none / none / 3900 / uk / exhibition.html (Zugriff: 16. April 2013) 203 Vgl. Van der Zijpp, Introduction Collections, a. a. O., S. 191 204 Vgl. ebd., S. 29 205 Autorin King, Emily: Rituals Renewed. S. 8 – 15. Hier: S. 8. In: Hussein Chalayan. New York, Rizzoli 2011 206 207 Ebd., S. 80 59 3.1.3 Ohne Titel: Kollektion „Temporal Meditations“ (Frühling / Sommer 2004) Abb. 24 Abb. 25 Abb. 24 und 25 (Detail des Stoffmusters): Hussein Chalayan (Frühling / Sommer 2004) Formale Beschreibung dieser Arbeit aus der Kollektion „Temporal Meditations“ Diese Arbeit von Chalayan ist Teil der Kollektion „Temporal Meditations“ (Frühling / Sommer 2004). Sie besteht aus gemustertem Stoff. Die Schultern der Trägerin als auch die Knie sind sichtbar. Entlang der Schulterpartie und dann weiter von der von der linken Schulter diagonal zum rechten Knie verläuft eine mehrfach gewellte Stoffbahn. In welchen Räumen wurde diese Arbeit aus der Kollektion „Temporal Meditations“ zum Beispiel präsentiert? BETC, Paris, Modeschau, 2003 Groninger Museum, Groningen (Niederlande), Ausstellung „Hussein Chalayan“, Retrospektive, 2005208 Museum of Contemporary Art Tokyo (MOT), Ausstellung „Hussein Chalayan from fashion and back“, 2010209 208 Vgl. Van der Zijpp, Introduction Collections, a. a. O., S. 150 209 Vgl. Hasegawa, Chalayan, a. a. O., S. 31 60 Wie wurde über die Kollektion „Temporal Meditations“ gesprochen? Susannah Frankel210 schreibt: “Most often mentioned is that Chalayan is a Turkish Cypriot. Anny correlation may be quite literal. For example, look closely at the seemingly Hawaiian-style prints that characterise the designer’s Spring / Summer 2004 collection, Temporal Meditations, and these prints turn out to depict the Turkish Cypriot seafront complete with the requisite highrise architecture that any beach holiday resort today has succumbed to. In the print’s background, images of historical battle scenes between the Ottomans and Venetians hint at less picturesque truths about the continuously war-torn island. Les obvious is the fact that, while working on this collection, Chalayan also actually collaborated with a genetic anthropologist who performed a DNA test on him and helped him trace not only his own genetic makeup but also that of the different ethnic groups that inhabit island.”211 Pamela Golbin schreibt: “Chalayan’s native Cyprus and its history of migration served as central themes for Temporal Meditations. Using genetic anthropology as a key in determining ethnic movements across space and time, Chalayan traced historical migration patterns of Greek and Turkish Cypriots. […] What seemed to be colourful Hawaiian prints were actually pictures of the Cypriot coastline in the 1950s, one of the most turbulent and violent periods in the island’s history. Historical battle scenes were portrayed around a hotel swimming pool against the backdrop of palm trees with a nearby aeroplane ready to depart.”212 210 211 212 Moderedakteurin bei The Independent Frankel, Susannah: Border Crossing. S. 16 – 34. Hier: S. 18 f. In: Hussein Chalayan. New York, Rizzoli 2011 Golbin, Chalayan’s mainline collections, a. a. O., S. 272 61 3.1.4 Hussein Chalayan spricht über seine Beweggründe und Arbeitsweise „Well I’m a fashion designer but I think I’m more like a fashion artist because of the way I work. I express my ideas through the body, […] And I feel the body is the center of everything we do. […] So, I always like clothes which are compositions of my ideas. I try to create a “mini life” with the clothes. And then through use and movement, I think that life goes further. I find that idea really exciting. That in a way the body gives the ideas a further life.”213 „I think I also see the body and fashion as a kind of a world science. I see it like a science. […] I mean science as a study. So, I feel like I have a narrative way of thinking. I’m a storyteller. And I really say it through the clothes and the shows. I also just really like clothes, just on their own, without having a meaning. […] I’m trying to understand things through the work because there are a lot of things I don’t understand. I hope that the work creates its own sense of life. […] But essentially I think that my work is in that gap between fantasy and reality. I’m trying to make ordinary life more interesting for myself and I’m trying to share it with people. So, I guess I lie between really bored with life and being really excited with life. And I think the work is sort of there to create a balance.“214 „I think everything is connected. And I think that a lot of my interests have things in common, that is technology, anthropology, story, space, meaning of space, meaning of a nation, meaning of culture, how geography has affected culture because I come from a very complicated place [Chalayan hat seine ersten 12 Lebensjahre in Zypern verbracht, dann ist er mit seinem Vater nach London gezogen, T.W.]. […] I’m interested in all these things that are covered up by nationalism. I think what it comes down to, is looking at how social, sexual, political mainstreams cover up reality. And in a way I’m trying to uncover it.”215 „I design most things and then I get help because I can’t do everything, for example I can’t do the technical parts. So, I have a team, of course.”216 213 Hasegawa, Chalayan, a. a. O., S. 84 214 Ebd., S. 85 Ebd. 215 216 Ebd. 62 “And through the work I meet a lot of people and then the relationships, even that is a part of the work.”217 „In a way, what we are doing is we’re creating a micro-geography with the body and with the clothes, and what we’re really doing is showing the monuments as the peak of the process, the ultimate stage of the project. Because that’s kind of my pinnacle, everything fits in around it. If I can show something that shows the pinnacle, then I can share the whole project in its entirety rather than just a piece top or a nice shirt. But of course I think it’s nice that people can just enjoy the clothes because they’re nice clothes. It’s the process that has led to their creation, but I think That if I was to have my own shop, or my own corner, ideally, I would show a bit more of the process, or at least the monuments.”218 In dem Gespräch von Hussein Chalayan mit Yuko Hasegawa219, aus dem die hier angeführten Zitate stammen, spricht Chalayan von „monuments“ und „monumental pieces“ denen er „wearable dresses“ gegenüberstellt. 220 Abgedruckt wurde dieses Gespräch in dem Buch Hussein Chalayan from fashion and back; die darin enthaltenen Abbildungen von Chalayans Arbeiten zeigen auch die von mir ausgewählten Werke. Ich nehme daher an, dass es sich hierbei um die erwähnten Monuments handelt, von denen Chalayan seine tragbaren Kleidungsstücke herleitet. 217 Ebd. 218 Ebd., S. 92 219 Kuratorin am Museum of Contemporary Art Tokyo (MOT), Professorin der Tama Art University in Tokyo, * 1967 in der Präfektur Hyogo (Japan) 220 Vgl. Hasegawa, Chalayan, a. a. O., S. 91 f. 63 3.2 Arbeiten von Rei Kawakubo 3.2.1 Ohne Titel: „Body Meets Dress, Dress Meets Body“ Kollektion (Frühling / Sommer 1997) Abb. 26 Abb. 27 Abb. 26 und 27: Rei Kawakubo / Comme des Garçons (Frühling / Sommer 1997) Formale Beschreibung dieser Arbeiten aus der „Body Meets Dress, Dress Meets Body” Kollektion Die abgebildeten Arbeiten sind Teil der „Body Meets Dress, Dress Meets Body“221 Kollektion Frühling / Sommer 1997 von Rei Kawakubo und ihrem Modehaus Comme des Garçons. Beide Arbeiten wurden aus synthetischem Gingham222, Gänsedauen sowie anderen Federn und elastischem Mischgarn gefertigt. Bekannt geworden ist diese Kollektion auch unter dem Namen „Bump Collection“.223 Das Wort „Bump“ kommt aus dem Englischen und bedeutet soviel wie Höcker, Erhebung oder Beule. Gleich mehrere dieser dominieren, die jeweilige Silhouette. Beide Arbeiten bedecken den Großteil des Körpers - sichtbar sind Kopf, Arme und Fesseln bzw. Teile der Waden. Beide Teile der Kollektion verfügen über eine Taillierung und eine Art Rockteil, welches sich im Becken- bzw. im Becken- und Hüftbereich asymmetrisch wölbt. 221 Vgl. English, Bonnie: Japanese Fashion Designers. The Work and Influence of Issey Miyake, Yohji Yamamoto and Rei Kawakubo. Oxford, Berg 2011, S. 73 222 Vgl. Kawakubo, Rei: „Dress, spring / summer 1997“, http: / / www.metmuseum.org / toah / works-of-art / 1998.516.1a,b (Zugriff: 20. April 2013) 223 Vgl. English: Japanese Fashion Designers, a. a. O., S. 72 f. 64 In welchen Räumen wurden Teile der „Body Meets Dress, Dress Meets Body“ Kollektion zum Beispiel präsentiert? Musée national des Arts d’Afrique et d’Océanie, Präsentation der Kollektion Frühling / Sommer 1997224, 1996 Kölnischen Kunstverein, Köln, Ausstellung „Thomas Grünfeld, Déformation Professionnelle“, 1997225 Museum Boijmans Van Beuningen (Niederlande), Installation „Installing Allusions“, 2009226 Kunstmuseum Wolfsburg, Ausstellung „Art & Fashion. Zwischen Haut und Kleid“, 2011227 Wie wurde über die Kollektion „Body Meets Dress, Dress Meets Body“gesprochen? Lydia Kamitsis schreibt: “Rei Kawakubo, accustomed to challenging sartorial rules, set off shockwaves in October 1996 with her ‘bumps’ collection in the Museum of African and Oceanic Arts. The incongruous protuberances on the clothes she presented, without any theatrical effect and in total silence, disturbed accepted aesthetic standards at a time when plastic surgery was leading to a certain uniformity of the human body.”228 Gertrud Lehnert schreibt: „Kawakubo zeigte 1997 Kleider mit Buckel und Beulen, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellten und in den darauffolgenden Saisons sogleich von anderen aufgegriffen und variiert wurden.“229 José Teunissen schreibt: „Today we see that fashion’s avant-garde is calling into question the creation of a physical ideal. The Quasimodo ‘bump’ dress by Comme de Garçon of 1997 for example, shocked the world of the glossies. Here the feminine curves were shifted to very peculiar places, like the back and the abdomen. The fact that the border between a perfect body 224 Vgl. ebd. S. 79 225 Vgl. Kittelmann, Udo (Hg.): DP. Déformation Professionnelle. Gummis, misfits & Kleider von Comme de Garçons, Oktober 1997, Katalog zur Ausstellung Thomas Grünfeld. Déformation Professionelle im Kölnischen Kunstverein, Köln, Oktober 1997, Ostfildern-Ruit, Cantz 1999 226 Vgl. Brüderlin, Markus (Hg.): Art & Fashion. Zwischen Haut und Kleid. Buch zur gleichnamigen Ausstellung, Kunstmuseum Wolfsburg, 5. März bis 7. Aug. 2011, Bielefeld u.a., Kerber 2011, S. 98 227 Ebd. S. 23 Kamitsis, History of Fashion Shows, a. a. O., S. 100 f. 228 229 Lehnert, Gertrud: Mode. Ein Schnellkurs. Köln, DuMont 2008, S. 179 65 and disfigurement was only a question of inches was minutely illustrated by Rei Kawakubo of Comme des Garçon.“230 Bonnie English231: „This is absolutely clear in her spring / summer 1997 ‘dress becomes body’ creations, commonly referred to as the ‘Bump’ collection […], and again in her 2010 collection, where padded sections are added to the clothes to distort the contours of the body including the shoulders, back and hips, allowing the actual clothing to critique the notion of the perfect female shape.”232 3.2.2 Ohne Titel: „White Drama“ Kollektion (Frühling / Sommer 2012) Abb. 28 Abb. 28: Rei Kawakubo / Comme des Garçons (Frühling / Sommer 2012) Formale Beschreibung dieser Arbeit aus der Kollektion „White Drama“ Die hier abgebildete Arbeit ist Teil der Kollektion „White Drama“ (Frühling / Sommer 2012) von Comme des Garçons, dem Modehaus von Rei Kawakubo. Die Kollektion bestand in Summe aus 33 Stücken.233Diese Arbeit ist ganz in Weiß gehalten und hat eine Schlauchform mit vier sichtbaren Öffnungen, die den Blick auf Gesicht, Hände und zwei weiße Schuhe freigeben - der übrige Körper ist verdeckt. Die Arme liegen am Körper an, im Bereich der Oberschenkel treten 230 Lehnert, Gertrud: Frauen machen Mode. Coco Chanel, Jil Sander, Vivienne Westwood u.a.m. Modeschöpferinnen vom 18. Jahrhundert bis heute. Dortmund, edition ebersbach 1998, S. 213 231 Professorin für Kunsttheorie an der Griffith University (Australien) English: Japanese Fashion Designers, a. a. O., S. 72 232 233 Vgl. Newell, Caroline: Comme des Garçons, S. 149 – 145. Hier: S. 142. In: i-D magazine, The Royalty Issue, No. 318, 2012 66 die Hände durch zwei Öffnungen aus dem schlauchartigen weißen Kleid. Die Oberfläche dieser Arbeit wirkt organisch. Im Bereich der Taille sind weiße Rosen sichtbar. In welchen Räumen wurden Teile der Kollektion „White Drama“ präsentiert? Palais de la Femme, Präsentation der Kollektion234, Paris Fashion Week, 2011 Les Docks en Seine - Cité de la Mode et du Design, Ausstellung „Comme des Garçons: White Drama“, 2012235 Wie wurde über die Kollektion „White Drama“ gesprochen? Caroline Newell236 schreibt: „COMME DES GARÇONS’ spring / summer 12 collection was one of the standout shows of the season. Conceptual, original and aw-inspiringly beautiful, it was a thought provoking and emotional collection that left editors reeling. Never one to offer explanation for her work, Rei Kawakubo’s meaning may be unclear, but the emotions she provoked were not. Hope, beauty, serenity and strength washed over the audience like a tide, as the all-white collection of bridal gowns, corsetry, flowers and headdresses played through life’s most important milestones – birth, marriage, death and transcendence. A Comme des Garçons show is always one of Paris Fashion Week’s hottest tickets, but this season was one of their best ever.”237 Sie schreibt weiter: „Typically, the house offered up no official explanation, aside from Comme des Garçons president Adrian Joffe’s short summary of the collection’s key ideas: 'Everything that makes you happy and sad in life.”'238 Edward Enninful239: „'In Japan, the colour white represents death, whereas in the west it symbolises purity, marriage and new life.'”240 234 Ebd. S. 142 235 Vgl. Vogue: Ankündigung der Ausstellung „White Drama“, http: / / www.vogue.de / people-kultur / kultur-tipps / ausstellung-comme-des-garcons-cristobal-balenciaga (Zugriff: 22. April 2013) 236 „Fashion Editor“ bei i-D magazine, * Großbritannien 237 Newell: Comme des Garçons, a. a. O., S. 141 238 Ebd., S. 142 „Fashion Director“ von i-D magazine, * in Ghana 239 240 Newell: Comme des Garçons, a. a. O., S. 142 67 Gary Card241: „'White is rarely completely white, the light and colours around a white object will change its tone completely.' […] 'I like how it mimics other colours, in this respect white can be anything and everything.'”242 Sally Singer243: „'The clothes were exceptionally beautiful and explicitly about beauty: about satin and flowers and the excessive femininity of girlish dreams and bridal daydreams. The styling seemed to comment on those hopes and fantasies. Some people interpreted the show as saying that marriage is a prison; I tend to disagree.'”244 Caroline Newell schreibt: „The venue for Comme des Garçons spring / summer 12 show was the Salvations Army’s Palais de la Femme in Paris – a centre that provides refuge to women in need. […] If one looks closely, hands were disturbingly absent throughout the collection, concealed inside long exaggerated trumpet sleeves that swept the floor or trapped inside capes and dresses constructed to pin a woman’s arms to her sides. A sinister detail that emphasised the trapped nature and immobility of these solemn brides.“245 241 „Set Designer“, * Bournemouth (Großbritannien) 242 Newell: Comme des Garçons, a. a. O., S. 142 243 „Creative Director“ bei Vogue Newell, Caroline: Comme des Garçons, a. a. O., S. 142 244 245 Ebd. 68 3.2.3 Rei Kawakubo spricht über ihre Beweggründe und Arbeitsweise „'With all collections, I start abstractly … I try to find two to three disparate themes, and think about techniques to express them not in a straight way. This is always the longest part of the process.'”246 „'I am looking for things that don’t exist. It is like working on a Zen koan [riddle].'“247 „'One instant of satisfaction and I worry that I won’t be able to come up with the next creation. I always have to have that hunger. As long as I continue to do what I’m doing, I feel that I have to keep pushing on.''”248 „'[…] I like it when something is not perfect. Hand-weaving is the best way to achieve this, but since this isn’t always possible, we loosen a screw on the machines here and there so they can’t do exactly as they are supposed to.'”249 „'I’ve always attempted to create as complete an environment as possible for my clothes, so furniture was a natural progression,' […] 'It was a chance to be creative in a different way.'”250 „'Many designers cater to their idea what they think men would like to see women as,' […] 'And I think it takes courage to do something that might not be the established way the men would like to see women as. And because it is the accepted way it also means the clothes sell better. It’s commercial, because every culture is the same that way now. It becomes part of the system, even though designers must feel like they’re doing what everybody else is doing – it becomes a vicious circle. It’s safe. You have to break out of that if you want to do something different.'”251 246 247 English, Japanese Fashion Designers, a. a. O., S. 74 Ebd. S. 70 248 Sims, Josh: Rei Kawakubo. Comme undone. S. 116 – 123. Hier: S. 121. In: i-D magazine, The Expressionist Issue, No. 249, 2004 249 Sudjic, Deyan: Rei Kawakubo and Comme des Garçons. New York, Rizzoli 1990, S. 80 Sudjic, Rei Kawakubo, a. a. O., S. 121 250 251 Sims: Rei Kawakubo. Comme undone, a. a. O., S. 122 f. 69 „'I do not design with the image of a particular character or body-type in mind, it’s a way of life that I design for. I’m designing for a woman to be able to feel confident. We must break away from conventional forms of dress for the new woman of today. We need a strong new image, not to revisit the past.'”252 „'I’ve always said I’m not an artist. For me fashion design is a business,' […] 'It’s just one of the ways of doing business. It’s my job. It’s what I do. But it also stems perhaps from wanting people to be free and independent. It’s a good way of encouraging people to be like that, through fashion design. It’s a convenient and simple way of giving that independence, because everybody has to wear clothes. Fashion design is a good way of expressing values that are important to me: work hard, get strong, work together, live for what you believe in. For me, fashion design is just an expression of what I feel about life. But it is also commercial.'”253 Interessant ist, dass Kawakubo selbst „fine art“254 also Bildende Kunst an der Keiō Universität in Tokyo studiert hat und über keine formale Ausbildung als Modedesignerin verfügt, da sie über Umwege in die Modewelt gefunden hat. Ich denke, Kawakubos Selbstpositionierung als NichtKünstlerin steht deshalb mit ihrer persönlichen Definition von Kunst in Verbindung, weil sie sich aufgrund ihrer Ausbildung an der Keiō Universität vertiefend mit Kunst auseinander gesetzt haben muss. 252 253 254 Sudjic, Rei Kawakubo, a. a. O., S. 81 Sims, Josh: Rei Kawakubo. Comme undone, a. a. O., S. 123 Vgl. Sudjic: Rei Kawakubo, a. a. O., S. 41 70 3.3 Schlussfolgerungen 3.3.1 Was lässt die Betrachterin / den Betrachter glauben, dass es sich um ein Kunstwerk handelt? Wie im Kapitel 2.1.4 beschrieben verwende ich den folgenden Kunstbegriff: Kunst ist alles Menschengemachte, von dem geglaubt wird es sei Kunst. Aus diesem Grund liegt der Glaube im Fokus bei der Beantwortung der Frage, ob die soeben dargestellten Arbeiten Kunstwerke sind oder nicht. Im Folgenden möchte ich anführen, was mich daran glauben lässt und andere BetrachterInnen glauben lassen kann, dass es sich bei den in der vorliegenden Auseinandersetzung näher betrachteten Arbeiten um Kunstwerke handelt: • Hussein Chalayan positioniert sich als „Fashion Artist“255. Er fusioniert in diesem Begriff die Themenbereiche Mode und Kunst zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Wegbereiter für diese Fusion waren Charles Frederick Worth und Paul Poiret, die sich selbst Mitte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits als Künstler bezeichneten und sich dadurch vom Schneiderhandwerk abhoben. • Chalayan hat am Londoner Central Saint Martins College of Art and Design studiert, welches sich als Kunsthochschule positioniert. • Eine besondere Bedeutung hat in Rei Kawakubos Fall der Diskurs, in dem die Frage aufgeworfen wird, ob Mode Kunst ist. Denn der Diskurs selbst ist, so Pierre Bourdieu, ein Moment der Produktion des Werkes. Denn obwohl sich Kawakubo nicht als Künstlerin sieht, da Mode für sie „business“256 ist, stehen ihre Arbeiten unter Verdacht Kunstwerke zu sein. Modeautorinnen / -autoren ziehen ausgehend von ihren Arbeiten Verbindungen zu klassischen Avantgardebewegungen257, und zählen Kawakubo zur ModeAvantgarde258 der Gegenwart. 255 Hasegawa, Chalayan, a. a. O., S. 84 256 Vgl. Sims, Josh: Rei Kawakubo. Comme undone, a. a. O., S. 123 Vgl. Vinken: Mode nach der Mode, a. a. O., S. 121 257 258 Vgl. Teunissen: Fashion and Art, a. a. O., S. 17 71 • Alle vorgestellten Arbeiten von Kawakubo und Chalayan - außer jene ohne Titel aus Chalayans Kollektion „Temporal Meditations“ - erfüllen nicht die Kriterien für (Kleider-) Mode, welche im Kapitel 2.1.2 wie folgt definiert wurden: (Kleider-) Mode ist tragbar, findet Nachahmung und unterliegt einem Wandel. „Table Dress“ (Holz), „Remote Control Dress“ (glasfaserverstärkter Kunststoff mit elektronischen Elementen) und die zwei Arbeiten aus der „Bump Collection“ (Beulen / Höcker / Erhebungen) sowie das Werk ohne Titel aus der Kollektion „White Drama“ (immobile Arme) sind im Alltag untragbar, aufgrund der verwendeten Materialien und des gültigen Dresscodes sowie meines persönlichen Empfindens. • Bei „Remote Control Dress“ werden zusätzlich zum glasfaserverstärktem Kunststoff elektronische Elemente mitverarbeitet, dadurch öffnet Chalayan für mich die Tür zu den Hybrid Arts259. Bei dieser zeitgenössischen Variante von Kunst wird eine künstlerisch wissenschaftliche Herangehensweise mit einer sehr hohen Affinität für neue Technologien kombiniert. • Die Arbeit ohne Titel aus Kawakubos Kollektion „White Drama“ ist für mich zudem wie ein Kunstwerk lesbar. Es gibt einen Titel, zwar nicht für die erwähnten Arbeiten, jedoch für die ganze Kollektion: „White Drama“. Gezeigt wird ein Brautkleid in Weiß - der Farbe der Trauer in Japan. Das Kleid wird von einer jungen Frau getragen, die Kopfbedeckung - ein Hybrid aus Brautschleier und Kopftuch - ist mit dem enganliegenden die Arme fixierenden Kleid verschmolzen. Durch den bedeckten Kopf wird für mich die Brücke zu Rollen von Frauen in islamischen Kulturen und der eigenen Vergangenheit geschlagen, man denke nur an das europäische Mittelalter und die Kopfbedeckungen für verheiratete Frauen. Diese Arbeit ist für mich vielschichtig und komplex zu lesen. Zudem wurde sie von einem Kollektiv (Comme des Garçons, dem Modehaus von Rei Kawakubo) produziert und auch signiert (eingenähtes Etikett). • Ebenso verhält es sich bei Chalayans Arbeit ohne Titel aus der Kollektion „Temporal Meditations“ - auch diese Arbeit ist für mich wie ein Kunstwerk zu lesen. Chalayan nimmt sich der Elemente Form und Inhalt an und erzeugt durch ihre diametrale Entgegengesetztheit einen starken Bruch. Die Form ist die eines aufregenden kurzen Kleides, mit einer wunderschönen gewellten Applikation, die entlang der Schulterpartie und weiter entlang der Köperdiagonale verläuft. Der Inhalt sind Stoffmuster, die Kampfszenen 259 Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. http://en.wikipedia.org/wiki/Hybrid_arts#Festivals.2C_shows.2C_conferences_related_to_hybrid_arts (Zugriff: 14. April 2013) 72 aus der zypriotischen Geschichte darstellen (Zypern ist Chalayans ehemalige Heimat). Geschichte schreibt sich in das Bewusstsein der Menschen ein und wird durch diese ab diesem Zeitpunkt verkörpert - so wie auch (Kleider-) Mode u.a. eine Verkörperung von Geschichte ist. • Alle Arbeiten von Hussein Chalayan und Rei Kawakubo, welche im Rahmen von Modeschauen präsentiert werden, sind wie Kunstwerke käuflich. Da es sich um Prêt-à-porter / Ready-to-wear260 handelt, sind die Stückzahlen niedrig und vergleichbar mit kleinen Auflagen bei Kunstdrucken, welche ebenso technische Reproduktionen sind. • Zudem „signieren“ Chalayan und Kawakubo ihre Arbeiten durch die Verwendung eines Etikettes. Bereits Charles Fredericke Worth, der sich selbst bereits Mitte des 19. Jahrhunderts als Künstler positionierte, erkannte die Bedeutung dieser Geste, und signierte seine Kleider auf diese Weise. • Alle vorgestellten Arbeiten Chalayans und Kawakubos - außer die jüngste, jene ohne Titel aus Kawakubos Kollektion „White Drama“ (Frühling / Sommer 2012) - waren bereits in einem Kunstmuseum ausgestellt. BesucherInnen von Kunstmuseen können allein aufgrund des Ortes davon ausgehen, dass ihnen Kunstwerke präsentiert werden. Die vorliegende Arbeit steht unter dem Titel: Künstlerische Grenzüberschreitung zwischen Mode und Kunst? Ich habe versucht eine Antwort auf die Frage zu finden, was die präsentierten Werke Chalayans und Kawakubos zu Arbeiten des Grenzbereiches Mode / Kunst handelt. Die ausgewählten Arbeiten von Kawakubo und Chalayan sind für mich unter zu Grunde Legung der von mir gewählten Kunstdefinition Kunstwerke, weil ich daran glaube, dass es sich um Kunstwerke handelt. Daran glauben lassen mich die oben erwähnten Indizien. Für mich ist Mode nach dieser eingehenden Auseinandersetzung eine angewandte Form von Kunst. Aufgrund dieser Sichtweise muss ich die von mir gestellte Frage, ob die exemplarischen Arbeiten von Kawakubo und Chalayan Werke des Grenzbereiches Mode / Kunst sind verneinen: Es wird zwar im Allgemeinen vorausgesetzt, dass die beschriebenen Arbeiten dem Bereich Mode angehören, weil sie von ModedesignerInnen hergestellt werden. Die ausgewählten Arbeiten erfüllen jedoch nicht die Kriterien der von mir zu Grunde gelegten Mode- 260 In einer Fabrik gefertigte Kleidung in standardisierten Größen 73 definition um als (Kleider-) Mode gelten zu können, da sie in mehrfacher Weise im Alltag untragbar sind. Meiner Meinung nach handelt es sich deshalb um Kunstwerke, die in der Welt der Mode einer Form von Kunst - entstanden sind. Das kritische Element in dieser Diskussion und Bewertung sind allerdings die zugrunde gelegten Definitionen für Mode und Kunst – welche nie final bestimmt werden können. Solange es im wissenschaftlichen Diskurs keinen kritischen Konsens über die zugrundeliegenden Definitionen gibt, kann es auch keinen Konsens darüber geben, ob die von mir ausgewählten Arbeiten Kunstwerke, Mode oder ein Hybrid aus beiden darstellen. 74 4 Literaturverzeichnis Aspden, Peter: Hussein Chalayan’s east-west fusion, Artikel vom 27. Aug. 2010, http: / / www.ft.com / intl / cms / s / 2 / 7c248452-b169-11df-b899-00144feabdc0.html#axzz2PDi7Jgq0 (Zugriff. 1. April 2013) Art, Philosophy of: Artikel in: The New Encyclopædia Britannica in 30 Volumes, 15th Edition, Volume 2, Chicago 1982 Barthes, Roland: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn. Kritische Essays III. Frankfurt am Main, Suhrkamp 1990, übersetzt von Dieter Hornig, L'obvie et l'obtus. Essais critiques III, Paris, Edition du Seuil 1982 Baudelaire, Charles: Das Schöne, die Mode und das Glück. Constatin Guys, der Maler des modernen Lebens. 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