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Deutscher
Caritasverband e.V.
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Dr. Peter Neher
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Datum 09.06.2015
Parlamentarischer Abend, Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des
Deutschen Caritasverbandes
„Flächentarif sichern – Arbeitnehmerrechte stärken“, 09. Juni 2015, 19:00 Uhr,
Deutsche Parlamentarische Gesellschaft, Berlin
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für die freundliche Einladung zu ihrem parlamentarischen Abend. „Flächentarif
sichern – Arbeitnehmerrechte stärken“, so der Titel, mit dem Sie diesen Abend umschrieben
haben. Dabei handelt es sich einerseits wohl um eine Aufgabenumschreibung für die Mitglieder der Mitarbeiterseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes. Andererseits aber handelt es sich – so nehme ich an – auch um einen tarifpolitischen Anspruch, der gesellschaftlich betrachtet, weit darüber hinausgeht und auf unterschiedliche Entwicklungen der jüngsten Zeit abhebt.
Lassen Sie mich kurz auf drei Punkte eingehen:
1. Der Dritte Weg und die Beteiligung der Gewerkschaften
2. Die Erarbeitung eines einheitlichen Sozialtarifs
3. Die jüngste Änderung der kirchlichen Grundordnung
1. Der Dritte Weg und die Beteiligung der Gewerkschaften
2012 wurden verschiedene Weichenstellungen für den Dritten Weg getroffen. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom November 2012 den Dritten Weg bestätigt und
gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Gewerkschaften in die Arbeitsrechtlichen Kommissionen eingebunden werden müssen, wenn der Streik in kirchlichen Einrichtungen ausgeschlossen werden soll. Sie haben so die Möglichkeit, sich an der dort stattfindenden Gestaltung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der Caritas zu beteiligen.
Beim Dritten Weg handelt es sich nicht, wie häufig dargestellt, um ein Sonderrecht. Vielmehr
nehmen die Kirchen ihr verfassungsrechtlich geschütztes Recht wahr, indem die Bischöfe
das staatliche Arbeitsrecht um eigene Regelungen ergänzen. Grundlegend für diese Tariffindung im Dritten Weg ist es, dass Ergebnisse zwischen Dienstnehmern und Dienstgebern im
Wege des Konsenses erreicht werden müssen.
Die Caritas ist bereit, die Gewerkschaften an diesen Verfahren zu beteiligen und die Arbeitsrechtlichen Kommissionen mit Mitgliedern der Gewerkschaften zu ergänzen. Die Delegiertenversammlung als oberstes Organ des Deutschen Caritasverbandes wird bei ihrer nächsten Sitzung im Oktober dieses Jahres eine entsprechende Änderung der Ordnung für die Ar-
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beitsrechtliche Kommission beraten und voraussichtlich auch beschließen, nachdem die
dazu nötigen rechtlichen Voraussetzungen seitens der Deutschen Bischofskonferenz mittlerweile geschaffen wurden.
Herzlich bedanke ich mich für die konstruktive Mitarbeit der Mitarbeiterseite an unseren
Überlegungen in der Caritas zur Weiterentwicklung der Ordnung der Arbeitsrechtlichen
Kommission, um dafür die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Es spricht für das gute Miteinander auf dem Dritten Weg in der Caritas, dass die Mitarbeiter und die Dienstgeber
diese Veränderung der Ordnung auch als ihr Anliegen aufgegriffen haben.
Gleichzeitig ermöglichen die Kirche und ihre Caritas den Gewerkschaften auch die Möglichkeit in kirchlichen Einrichtungen Mitglieder zu werben. Auch dies wurde durch die jüngste
Änderung der Grundordnung ermöglicht.
Umso mehr bedauere ich es, dass ver.di dieses Urteil des Bundesarbeitsgerichts nicht akzeptiert und dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt hat. Die Gestaltung des Dritten
Wegs unter der Beteiligung von Gewerkschaften kann nur schwer gelingen, wenn Organisationen, die beteiligt werden sollen, den Dritten Weg als Ganzes ablehnen. Eine sinnvolle Beteiligung der Gewerkschaften am Dritten Weg setzt deren Willen zur Mitwirkung voraus.
2. Die Erarbeitung eines einheitlichen Sozialtarifs
Speziell im Bereich der Altenhilfe erleben wir einen Wettbewerb, der immer häufiger über
den Preis entschieden wird. Private Anbieter können ihre häufig tariffreien und niedrigen
Löhne als Wettbewerbsvorteil ausspielen. Anbieter, wie die Caritas, die sich zu Recht an ein
Tarifwerk mit höheren Löhnen halten, geraten unter Druck und müssen dies als Wettbewerbsnachteil erleben. Dieser Wettbewerb, der vor allem über die Löhne geführt wird, führt
zudem zu einer Zersplitterung der Tariflandschaft.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen führen Vertreter der Wohlfahrtsverbände seit einiger Zeit Gespräche über die verbindliche Festlegung von Mindeststandards tariflicher Arbeitsbedingungen in bestimmten Bereichen sozialer Arbeit. Damit soll es einen allgemeinverbindlichen Rahmen geben, der das wettbewerbsbedingte Lohndumping vor allem bei privaten Anbietern und durch einzelvertragliche Lösungen erschwert. Speziell die unteren
Lohngruppen brauchen Mindeststandards und bedürfen der Stärkung von Arbeitnehmerrechten. Nirgendwo sonst wirkt sich der Lohnwettbewerb wie im Sozialbereich so deutlich aus.
Gleichzeitig wird ein solcher Sozialtarif nicht ohne höhere Kosten und damit einem höheren
Refinanzierungsbedarf verbunden sein. Bedenkt man, dass der Wettbewerb auch politisch
gewollt ist, muss darüber gesprochen werden, inwieweit nun höhere Kosten im Sozialbereich
ebenfalls politisch gewollt sind. Denn für die Durchsetzung von Mindeststandards braucht es
den Willen der politisch Handelnden. Es geht nicht an, in politischen Schaufensterreden über
zu geringe Entlohnungen zum Beispiel in der Pflege zu klagen und sich gleichzeitig gegen
entsprechende Kostensteigerungen zu wenden. Diese Problematik ist nicht allein durch die
Wohlfahrtsverbände zu lösen.
Bei all diesen Überlegungen für einen einheitlichen Sozialtarif ist es für den Vorstand des
Deutschen Caritasverbandes selbstverständlich, dass die Bedingungen des Dritten Weges
eingehalten werden und an dieser Stelle wohlfahrtspolitische und arbeitsrechtliche Fragestellungen und Zuständigkeiten nicht vermischt werden dürfen.
3. Die jüngste Änderung der kirchlichen Grundordnung
Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf die Änderung der kirchlichen Grundordnung
eingehen. Die jüngsten Änderungen, die sich vor allem auf die Loyalitätsobliegenheiten beziehen, zeugen aus meiner Sicht von einer Auseinandersetzung aber auch von einem intensiven Ringen der Bischöfe mit der Lebenswirklichkeit von nicht wenigen Mitarbeitenden.
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Zum Leben gehört sowohl die Möglichkeit des Scheiterns als auch die des Neuanfangs. So
misst die katholische Kirche dem Sakrament der Ehe eine hohe Bedeutung zu, und gleichzeitig widerspricht es dem kirchlichen Selbstverständnis, Menschen in ihren Brüchen allein
zu lassen. Beides muss sich im kirchlichen Arbeitsrecht niederschlagen. So handelt es sich
nach der Änderung der Grundordnung bei einer erneuten Heirat oder dem Eingehen einer
eingetragenen Lebenspartnerschaft nur dann noch um einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß, wenn diese Handlung anhand konkreter Umstände objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis zu erregen und damit die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen.
In der Konsequenz dieser Änderungen wird es notwendig sein, das bisherige Verständnis
von Loyalität, das vor allem auf die individuelle Lebensführung der Mitarbeitenden abzielt,
weiterzuentwickeln. Es ist notwendig, einen Loyalitätsbegriff zu entwickeln, der auch im Sinne einer institutionellen Loyalität zu verstehen ist. Nicht die Lebensführung allein ist entscheidend, sondern das loyale Mittragen und Gestalten der Einrichtungsziele im Dienst des
Evangeliums, damit eine kirchliche Einrichtung ihren Auftrag und ihre kirchlichen Sendung
erfüllen kann. Was institutionelle Loyalität ausmacht, ist damit angedeutet, aber natürlich
noch konkreter zu beschreiben und weiterzuentwickeln. Hier ist in naher Zukunft eine Auseinandersetzung notwendig, zu der ich Sie, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtungen und ihrer Vertreterinnen und Vertreter in der Arbeitsrechtlichen Kommission herzlich
einladen möchte.
„Flächentarif sichern – Arbeitnehmerrechte stärken“ – mit diesem Motto verbinden sich viele
aktuelle Diskussionen, in denen Sie als Vertreterinnen und Vertreter der Mitarbeitenden gefragt sind. Aber auch darüber hinaus ist es sinnvoll, diese Debatten in und mit einer Gesellschaft zu führen, die sich in einem ständigen Veränderungsprozess befindet. Für dieses Anliegen wünsche ich Ihnen heute Abend, aber auch darüber hinaus, gute und anregende Diskussionen.
Prälat Dr. Peter Neher
Präsident
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