Die Eröffnung der Bahnstrecke Geislingen

Zeitpunkt der Stadtgeschichte 2000
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Vor 150 Jahren:
Die Eröffnung der Bahnstrecke Geislingen –Ulm über die Geislinger
Steige am 29. Juni 1850
Am 29. Juni 1850 war es soweit. Damals ertönte wohl im Geislinger Bahnhof der Pfiff
der Lokomotive, die den ersten Zug von Geislingen über die Steilstrecke der
Geislinger Steige hinauf nach Amstetten zog. Anderthalb Jahrhundert ist es nun her,
dass dieses letzte, steilste Teilstück der württembergischen Haupteisenbahnlinie
Heilbronn – Stuttgart – Geislingen – Ulm – Friedrichshafen nach dreijähriger,
beschwerlicher Bauzeit dem regulären, fahrplanmäßigen Verkehr übergeben wurde.
Heute gilt die Geislinger Steige, die in ihrer Streckenführung seither kaum eine
Veränderung erfahren hat, immer noch als technische Meisterleistung.
Doch zurück zu den Anfängen. Eigentlich erwartet man, dass in den Annalen der
Stadt Geislingen dieser Eröffnungstag eine besondere Beachtung gefunden hätte.
Doch die Hinweise darauf sind bescheiden. Weder in den Ratsprotokollen der
Stadtgemeinde noch in der Lokalpresse, dem Alp & Filsthal-Boten, lassen sich
redliche Quellen finden, dass dieser Tag gebührend gefeiert worden ist.
Alles deutet zunächst darauf hin, dass die Inbetriebnahme der Eisenbahnstrecke
nach Ulm ein völlig unspektakulärer Vorgang gewesen sein musste, vor allem wenn
man die einzige Notiz im Alp & Filsthal-Boten vom 26. Juni darüber in Betracht zieht.
Dort heißt es kurz und nüchtern:
'Nächsten Freitag den 28., Abends, findet die erste ordentliche Fahrt statt und wird
diese Bahnlinie am Samstag dem regelmäßigen Verkehr übergeben werden.'
Alp & Filsthalbote,
26. Juni 1850
Trotzdem darf man aller Wahrscheinlichkeit nach annehmen, dass die Eröffnung der
Bahnlinie hinauf auf die Alb nicht ohne Festakt stattgefunden hatte. Vermutlich war
der erste Zug mit Girlanden geschmückt und voll besetzt mit honorigen Fahrgästen,
die nicht nur aus der Stadtgemeinde kamen. Bestimmt war an diesem Samstagmorgen der Geislinger Bahnhof mit allerlei Publikum dicht bevölkert, das die Abfahrt
dieses ersten regulären Zuges nach Ulm miterleben wollte. Sicherlich wurde zu
diesem feierlichen Anlass von den Ehrengästen und Verantwortlichen die eine oder
andere Lobesrede zur Linieneröffnung gehalten und musikalisch umrahmt.
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Und wiederum lässt nur eine kleine Notiz im Alb & Filsthal-Boten dies alles nicht nur
vermuten, denn die Danksagung der 'Eisenbahner von der Geislinger Steige' an den
Akkordanten Buck bezieht sich natürlich auf den 'letztverflossenen'
Eröffnungssamstag, der mit der freien Fahrt nach Ulm im 'schön decorirten Wagen'
bei 'freier Zehrung' und 'schöner Musik' in bester Erinnerung blieb.
Warum das alles damals in
Geislingen kaum eine Zeitungsnotiz
wert war, darf wohl darauf zurückzuführen sein, dass die Mehrheit der
Geislinger Bürgerschaft sich gewiss
nicht entgehen ließ, diese
Eröffnungsfeier mitzuerleben. Was
brauchte es also darüber noch eine
ausführliche Berichterstattung?
Bestätigt werden diese Eröffnungsfeierlichkeiten allerdings durch die
Ankündigung in der Ulmer Zeitung,
nach der der erste Zug am 29. Juni
mit geladenen Fahrgästen in Ulm
gegen 12 Uhr eintraf und dort mit
Musik und Böllerschüssen empfangen wurde. Die Eröffnung des letzten
Teilstücks der württember-gischen
Hauptbahnlinie wurde also doch
gebührend gefeiert und es war
gewiss ein großer Festtag für die
Bevölkerung zwischen Geislingen
und Ulm.
Alp & Filsthalbote, 3. Juli 1850
Das Bauprojekt
Mit dem 'Gesetz betreffend den Bau von Eisenbahnen' vom 18. April 1843 wurde in
Württemberg das Eisenbahnzeitalter von staatlicher Seite eingeläutet. Die Hauptlinie
sollte nach langer Abwägung durch das Filstal geführt werden. Entscheidender
Grund dafür war, dass Oberbaurat Karl Etzel und sein aus Geislingen stammender
leitender Ingenieur Michael Knoll das wohl kalkulierte Wagnis eingingen, nach
detaillierter Vermessung eine Streckenplanung vorzulegen, die den Albaufstieg bei
Geislingen mit einem Steigungsverhältnis von 1 : 44,5 bewältigte. Auf einer Strecke
von 5,6 km mit sehr kleinen Kurvenradien sollte dabei – und das gilt bis heute – ein
Höhenunterschied von 112 m überwunden werden, d.h. je 100 m Streckenlänge
beträgt die Steigung des Schienenstrangs 2 m.
Zur Bewältigung dieser Steigung war und ist bis heute ein ganz erheblicher
Kraftaufwand nötig, um schwere Zuglasten über diese Steilrampe zu befördern. Zu
diesem Zweck wurde mit Beginn der Bauphase 1847 der Maschinenfabrik Eßlingen
der Auftrag erteilt, für den Zugdienst an der Geislinger Steige eine besonders
schwere Dampflokomotive herzustellen, die dann als sogenannte 'Alblokomotive' mit
der Inbetriebnahme der Bahnstrecke lange Jahre ihren Dienst tat. Anfangs gab es für
besonders schwere Züge bei der Bergfahrt Doppeltraktionen. Später ging man dann
zum Schubdienst über, wie er heute noch üblich ist.
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Der Eisenbahnbau und die Folgen
In der Rückschau kommt uns heute dieser erste Abfahrtspfiff der Lokomotive am 29.
Juni 1850 gleichsam wie der Dornröschenkuss vor, mit dem die Stadt und ihre
Region aus einem jahrhundertelangen Schlaf erweckt worden sind. Die
ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen waren kaum einzuschätzen, bestenfalls
von hellen Geistern zu erahnen. Anderes war unmittelbar nachvollziehbar und wurde
mit Erstaunen, vielleicht auch mit Entsetzen wahrgenommen.
Das Hufeisen im Eybtal, Juni 1933
Gravierende Landschaftsveränderungen
Der Eisenbahnbau rund um Geislingen bewirkte gravierende Eingriffe in die
natürlichen Geländeformen. Bereits einige Kilometer vor dem vehementen Anstieg
der Steige musste der Schienenstrang entlang des Tegelbergs zwischen Gingen und
Geislingen so viel an Höhe gewinnen, dass das Niveau des Geislinger Bahnhofs
erreicht werden konnte. Allein für das Hufeisen, den Dreiviertelbogen rund um den
heutigen Stadtteil Seebach waren umfangreiche Aufschüttungen quer durch die
sumpfige Talsohle des Eybtals und im Katzenloch notwendig, die vermutlich im Jahr
1846 getätigt wurden. Die Gleisanlagen im Bereich des Geislinger Bahnhofs mussten
auf möglichst lange Distanz eben gehalten werden, damit die Züge aus dem Stand
heraus genügend Anlaufgeschwindigkeit erreichten, um die Steigung in der Steige
bewältigen zu können.
Für den zu erwartenden Rangierbetrieb im Bahnhof waren einschneidende
Hangabgrabungen entlang des Schlossbergs nötig. Diese Erdmassen waren
wiederum zur Talseite hin als Dammaufschüttung entlang der heutigen
Bahnhofstraße zur Sicherung der Bahntrasse nötig.
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Blick auf den Geislinger Bahnhof 1910
Im oberen Bereich der Geislinger Steige, dort wo sich das Rohrachtal zur
steilwandigen Schlucht verengt, waren zahlreiche Sprengung nötig, um die Trasse in
den Berghang hinein zu verlegen, weil eben die Steilheit des Geländes keine andere
Wegführung zuließ. Die wohl markanteste Veränderung der Landschaft geschah mit
der Sprengung des Mühltalfelsens, der den Weg nach Amstetten versperrte.
Die Geislinger Steige am Galgenberg um 1911, deutlich ist das weiße Kalkgesten der bergseitig
abgetragenen Böschung zur Bahntrasse erkennbar. Stadtarchiv Geislingen
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Zahlreiche weitere Felssprengungen dienten zur Verbreiterung der engen
Rohrachschlucht und vor allem zu deren Vertiefung bei der Ziegelhütte, um den
Steigungsgrad allmählich wieder in die Ebene des Bahnhofs Amstetten auslaufen
lassen zu können. Ursprünglich führte die Passage der Fahrstraße, deren Neubau
ins Jahr 1824 zurückreicht, am Talende nur durch einen schmalen Hohlweg steil auf
die Anhöhe der Albhochfläche hinauf. Dafür waren großräumige Abgrabungen und
Aufschüttungen zur Befestigung der Bahntrasse erforderlich, die das ursprüngliche
Bild der Landschaft an dieser Stelle völlig verändert haben.
Zwei T3-Lokomotiven in Doppeltraktion vor einem Güterzug bei der Ziegelhütte, Juni 1905. Schön Ist
die bergseitig Felsformation des Weiß-Jura zu erkennen, die abgetragen werden musste, um den
Übergang aus dem Talkopf des Rohrachtals in die Trockentalebene des Amstetter Bahnhofs zu
erhalten. Stadtarchiv Geislingen
Namensverschiebungen
Der Begriff 'Geislinger Steige' steht heute synonym für eine der immer noch steilsten
Eisenbahnrampen Mitteleuropas, und er ist schlicht zu einem Markenzeichen für die
damalige Superlative im Bahnbau geworden. Nicht umsonst haben sich später die
Erbauer der Gebirgsbahnen in der Schweiz und Österreich an der Geislinger Steige
orientiert und diese Steilstrecke hinauf auf die Alb als Maßgabe für ihre Planungen
zugrunde gelegt.
Historisch betrachtet ist der Begriff 'Steige' nicht durch den Bau der Eisenbahnlinie
definiert. Er bezieht sich generell auf den Albaufstieg hier im Nadelöhr des Rohrachtals bei Geislingen. Diese Fahrsteige war seit alters her ein Verkehrsengpass, deren
Bezeichnung als Geislinger Steige mit dem ehemaligen Straßenverlauf und mit dem
1824 erfolgten Ausbau der Staatsstraße zusammenhängt.
Doch die Geislinger Steige als Eisenbahnlinie ist gut hundert Jahre nach dem
Bahnbau Ursache dafür, dass das württembergische Statistische Landesamt die
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Namensergänzung 'an der Steige' für den Geislinger Gemeindenamen am 24. März
1952 festlegt und die nun amtliche Bezeichnung 'Geislingen an der Steige' im
Staatshandbuch verbindlich einführt.
Das Ende der Beschaulichkeit im Landstädtchen Geislingen
Die Bauarbeiten bei Geislingen begannen also bereits im Frühjahr 1846, wenn man
die ersten Einträge im Beschäftigungsverzeichnis der Eisenbahnarbeiter zugrunde
legt. Wahrscheinlich waren das Dammaufschüttungen im Eybtal, um die Bahntrasse
im großen Bogenrund zur Ebene des Geislinger Bahnhofs zu bringen.
Mit dem eigentlichen Bau der Geislinger Steige wurde 1847 begonnen. Zur
Streckentrassierung mussten anfangs erhebliche Erdbewegungen und
Felssprengungen stattfinden, um schließlich die Schienen verlegen zu können. Das
wohl spektakulärste Ereignis war die Sprengung des Mühltalfelsens oberhalb der
Schimmelmühle im Rohrachtal am 14. September 1847. Zu diesem Zeitpunkt liefen
die Eisenbahnarbeiten bereits auf Hochtouren und es waren wohl weit über 3000
Arbeiter an der Bahntrasse beschäftigt.
Das Rohrachtal mit der Schimmelmühle im Talgrund, am Talhang entlang verläuft die Geislinger
Steige, dort musste der Mühltalfelsen im Volksmund der ‚General‘ genannt gesprengt werden, der den
Weg versperrte. Unter der Bahntrasse sieht man noch die Geröllhalde des gesprengten Felsens.
Wenn man bedenkt, dass das Oberamtsstädtchen Geislingen zum damaligen
Zeitpunkt gerade mal 2345 Einwohner hatte, war es eine riesige Herausforderung
hier im Umfeld der Stadt ein Heer von über 3.000 Eisenbahnarbeiter nicht nur zu
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beherbergen, sondern auch zu verpflegen, mit Werkzeugen auszustatten und unter
ihnen für Ruhe und Ordnung zu sorgen; eine nicht einfache Aufgabe, angesichts der
Hungerjahre 1846/47.
Die Verantwortung für das
gesamte Bauprojekt trugen die
beiden Ingenieure Wilhelm
Pressel und Michael Knoll.
Michael Knoll entstammte einer
angesehenen Geislinger Familie.
Sein Vater Johann Friedrich
Knoll war Elfenbeinschnitzer,
Schultheiß und Feldvermesser.
Am 16. Dezember 1844 wurde
Michael Knoll technisches Mitglied der Eisenbahnkommission
mit dem Titel "Oberbaurat". Ihm
wurde der Bau der Ostbahn von
Esslingen bis Ulm übertragen.
Somit erhielt er die schwierigste
Aufgabe des ganzen Bahnbaus,
den Albübergang zwischen
Geislingen und Ulm. Unter seiner
Leitung wurde die Geislinger
Steige innerhalb von drei Jahren
fertig gestellt.
Ölportrait von Michael Knoll, um 1840,
Stadtarchiv Geislingen
Der regionale Aufbruch ins technische Zeitalter
Mit der Eröffnung der letzten Teilstrecke der Eisenbahnlinie zwischen Stuttgart und
Ulm bekam die Bürgerschaft von Geislingen den Anschluss an die damalige große
Welt. Die hier auf dieser West-Ost-Achse zusammenlaufenden Verkehrsadern
brachten für die Stadt Geislingen den raschen Aufbruch ins technische Zeitalter. Mit
dem Jahr 1850 begann die infrastrukturelle Erschließung der Region in
verkehrstechnischer, wirtschaftlicher und eine tiefgreifende Veränderung in
soziokultureller Hinsicht.
Die Eisenbahn war das technische Zugpferd, das im Filstal für Industrie, Gewerbe
und Handel belebend und erfrischend wirkte. Bereits der Bau der Bahnlinie brachte
kapitalträchtigen und risikofreudigen Unternehmern die Chance, sich als
Akkordanten am Bahnbau zu beteiligen, indem sie Zuliefer-, Versorgungs- und
Dienstleistungsaufträge übernahmen und dabei gut verdienten. In Geislingen hatten
dies Schultheiß Buck von Stubersheim, der Kapellmüller Daniel Straub und
Amtspfleger Zeh frühzeitig erkannt. Diese drei Akkordanten konnten nach
Fertigstellung der Steige je 30.000 Gulden Gewinn für sich verbuchen, wobei zum
Beispiel der Wert der Einrichtungen seiner Reparaturwerkstätte, die Daniel Straub
während des Steigenbaus bei der Ziegelhütte leitete, nicht einkalkuliert ist. Im Jahr
1850 mit Beendigung des Steigenbaus war es für ihn ein Leichtes aus seiner
Ausbesserungswerkstatt in der Kapellmühle die Straub'sche 'Eisengießerei und
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Maschinenfabrik' zu gründen und anschließend hier vor Ort Mühleneinrichtungen zu
produzieren. Die wichtigste Voraussetzung für seine Fabrikgründung war natürlich
der Bahnanschluss, ohne den Straub seine Güter nicht wettbewerbsfähig zu seinen
Kunden hätte transportieren können.
Die Kapellmühle mit der Maschinenfabrik und Eisengießerei, um 1860, Stich von A. Kappis, Museum
im Alten Bau Geislingen
Aus Mühlen wurden Fabriken – Die industrielle und wirtschaftliche Entwicklung
Nur mit Hilfe der Eisenbahn war der Warentransport zu den Märkten gewährleistet.
Folglich entstanden das ganze Filstal entlang im Umfeld der Bahnlinie Fabriken, die
Tausende von Leuten beschäftigten und damit Tausenden von Familien ein
Auskommen bescherten. In Geislingen und Altenstadt erwuchsen aus anfänglich
kleinen Familienbetrieben innerhalb zweier Generationen großindustrielle
Aktienbetriebe, die hier mehrere tausend Beschäftigte hatten. So entstand aus der
1850 gegründeten Maschinenfabrik Straub & Sohn 1883 die Maschinenfabrik AG, in
der der Turbinenbau vorherrschte und die ab 1929 in der heutigen Heidelberger
Druckmaschinen AG in Amstetten aufgegangen ist.
Aus der 1853 gegründeten ehemaligen Plaquéfabrik Straub & Schweizer erwuchs im
Zusammenschluss mit der Versilberungsfabrik Ritter & Co. aus Esslingen im Jahre
1880 die Württembergische Metallwarenfabrik AG, die bis heute der größte
Arbeitgeber im Filstal ist.
Zahlreiche Tuch- und Leineweber fanden in der 'Mechanischen Spinnerei und
Weberei' in Altenstadt, einem Textilgroßbetrieb, der 1853 von der Schweizer
Industriellenfamilie Staub unter der Federführung von Johann Heinrich Staub
gegründet wurde, ihr Auskommen. Bereits vier Jahre später gründete Arnold Staub
ein Tochterwerk zwischen den Ortschaften Kuchen und Gingen, mit dem damals
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größten Websaal Europas. Beide Betriebe wurden 1883 in der Süddeutschen
Baumwolle-Industrie AG integriert.
Neben diesen Großbetrieben entwickelten sich weitere mittelständische Geschäfte
und Fabrikbetriebe wie das Portland-Zementwerk Carl Hägele und Sohn, die Carl
Maurersche Druckerei, die Kartonagenfabrik Eduard Ehemann, die Eisengroßhandlung Leonhard Hagmeyer oder das Bauunternehmen Eugen Heller.
Kunstmühlen, Bierbrauereien, Gerbereien, die hiesige Elfenbein- und Hornwarenfabrikation, und andere zahlreiche Handwerksbetriebe erblühten im Anschluss an
den Bau der Eisenbahnlinie.
Es war die Eisenbahn, die diese Industrialisierung in Gang setzte. Mit der
Verkehrsanbindung Geislingens war die Voraussetzung gegeben, dass hier
industriell produziert werden konnte, weil eben diese Industrieprodukte mit Hilfe der
Eisenbahn direkt, preisgünstig und zuverlässig zu den Märkten und andererseits
billige Arbeitskräfte hierher zu den Fabriken transportiert werden konnten. Die
Eisenbahn war sozusagen die Triebfeder dafür, dass Industrie nicht mehr nur dort
entstehen konnte, wo der Bedarf an entsprechenden Gütern war, sondern auch an
entfernteren Plätzen, wo es bessere Bedingungen gab, wie etwa günstigeren
Grundstückserwerb, weitläufige Ausdehnungsmöglichkeiten, billigere Arbeitskräfte
oder steuerliche Vergünstigungen, die eine Fabrikgründung in der Provinz lukrativ
machten. Die Verkehrsanbindung durch die Eisenbahn war die infrastrukturelle
Voraussetzung dafür.
Hartmut Gruber
Literatur:
Karlheinz Bauer: Geschichte der Stadt Geislingen an der Steige, 1975, Bd. 2,
S. 258ff.
Rudolf P. Pavel: Geislinger Steige & Täleskätter, 1982
Bernhard Stille: Filsthalbahn und Alpüberquerung, 1985
Walter Ziegler: Daniel Straub und die Anfänge von MAG und WMF Geislingen –
Korrekturen und Ergänzungen zu seinem Lebensbild, in: Hohenstaufen/Helfenstein,
1991, Bd. 1, S. 41ff.
Hartmut Gruber: Die Geislinger Steige – ein schwäbisches Jahrhundertbauwerk, 150
Jahre Eisenbahngeschichte, Begleitbuch zur Jubiläumsausstellung 2000,
Veröffentlichung des Stadtarchivs Geislingen, Bd. 16, S. 11ff.