Bericht im FACTS über Goa Parties in der Schweiz

Bericht im FACTS über Goa Parties in der Schweiz
Im FACTS ist ein Artikel über Goa-Parties in der Schweiz erschienen.
Leider eine sehr einseitige Darstellung unserer Szene.
Zum Artikel im FACTS
Hier kannst Du FACTS Deine Meinung dazu preisgeben
Der Tourismus entdeckt ein neues Publikum: Goa-Fans, die in der Bergkulisse Partys feiern. Wanderer
stört das bunte Treiben.
Von Balz Rigendinger
Der Vollmond geht über den Zwölfihörnern auf. Ein neuer DJ betritt die Bühne. Für einen Moment herrscht Ruhe
auf der Alp. Die Masse wippt nicht mehr. Nur eine Frau regt sich noch. Es ist Juliane. Sie schwingt zwei Feuerbälle durch
die Luft, taktlos und schnell, als ob sie etwas vertreiben will. «Die Welt ist ganz klein jetzt», sagt die Ethnologiestudentin
aus Deutschland. «Ich bin hier der Mittelpunkt. Ich habe die Kontrolle. Die Bewegung löst alles auf. Ich bin geschützt
in meinem Kosmos.» Dann setzt die Musik wieder ein, laut und treibend; progressive Trance. Die 22-Jährige lächelt in
die Dunkelheit und schreit gegen die Bässe an: «Es ist alles so putzig hier. Ich liebe die Schweiz und die Schweizer. Ich
liebe diese putzigen Alpen!»
Eine Goa-Party bei Elm GL. Juliane braucht die Techno-Feste im Freien – dafür nahm sie zehn Stunden Fahrt in Kauf.
Nur um nach Elm zu gelangen, um dort ihr Feuer zu schwingen, um auf 1500 Meter über Meer 24 Stunden lang
durchzutanzen. Zu Julianes Füssen liegt eine Flasche Petroleum. Von der herrschenden Waldbrandgefahr hat die
Deutsche zwar etwas gehört, aber sie sagt gelassen: «Wenn es brennt, dann lösche ich mit meinen Füssen.» Sie
versetzt die Feuerbälle wieder in Schwingung und bewegt sich weiter – barfuss.
1300 Goa-Fans tanzen mit Juliane an diesem Wochenende bei der Bergstation der Sportbahnen Elm. Die Party heisst
«Psychotic Reloaded». Die Gondeln fahren dafür die ganze Nacht. Es ist der grösste Anlass in der Geschichte der
Bergbahn, aber keine grosse Goa-Party, sondern nur ein Hippie-Happening unter vielen. In dieser Nacht findet in der
ganzen Schweiz ein Dutzend solcher Techno-Trance-Partys statt – grosse und kleine, legale und illegale.
Und es werden immer mehr. Die Behörden sind beunruhigt, Wanderer und Naturschutzorganisationen protestieren, die
Polizei gelangt an die Grundeigentümer und will die Techno-Tänzer aus den Bergen vertreiben. Nach Schneebar und
Snow Parade sollen die Alpen nicht auch noch im Sommer zum Rummelplatz verkommen.
An den kommenden Wochenenden erleben die Schweizer Alpen, ihre Seitentäler, Tobel und Wälder einen Goa-PartyMarathon in unbekanntem Ausmass. Techno-Partys unter freiem Himmel stehen zum Beispiel auf der Alp Jäst bei
Melchtal auf 1517 Meter über Meer an, auf der Führenalp bei Engelberg auf 1800 Meter, im Urserental bei Andermatt
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auf über 2000 Meter oder auf 1600 Meter oberhalb von Rueras GR. Halligalli, Halluzinogene und Hasch bei Hitzkirch,
Holderbank und Huttwil.
Ärgernis Goa-Party. Weil die Veranstalter häufig mit einem Trick vorgehen, warnte vor kurzem die Kantonspolizei
Nidwalden sämtliche Gemeinden und andere Grundeigentümer: «Die Organisatoren suchen für eine private
Geburtstagsparty ein Lokal, eine Hütte, einen Picknickplatz oder dergleichen für dreissig bis vierzig Leute. Wenn eine
Lokalität gefunden ist, kommen einige hundert Teilnehmer zusammen. Die Umgebung wird bei solchen Veranstaltungen
massiv belästigt, sei es durch dröhnende Musik, durch wildes Parkieren, durch alkoholisierte und zum Teil verladene
Besucher.» Deshalb, sagt die Polizei, sei es nötig, dass Betroffene vor einer allfälligen Zusage an Organisatoren mit
den Ordnungshütern in Verbindung treten.
«Ich gebe zu, wir betreiben hier eine Vertreibungspolitik», kommentiert Nidwaldens Kripo-Chef Fritz Dängeli den Aufruf.
Doch genug sei genug: «Wir erhielten Berge von Reklamationen», sagt er. Sind die Partys erst in Gang, kann die
Polizei kaum mehr durchgreifen. Den Strom abzustellen ist unmöglich: «Sie haben Generatoren», sagt der Kripochef.
«Also müsste man jene, die den Generator bewachen, gewaltsam entfernen. Doch das ist gefährlich.» Denn mit zwei,
drei Polizisten könne man keinen Anlass von mehreren hundert Leuten einfach auflösen. Bis jetzt ist Dängelis
Strategie, das Treiben im Ansatz zu unterbinden, aufgegangen: «Seit wir informiert haben, ist Ruhe», stellt er befriedigt
fest. Die Veranstalter weichen auf andere Kantone aus. Verschiedene Polizeikorps aber haben den Nidwaldner Vorstoss
aufmerksam zur Kenntnis genommen. «Kollegen aus drei Kantonen haben sich bei uns gemeldet», bestätigt Dängeli.
Die Szene soll verschwinden.
Immerhin hatte die Polizei Jahre Zeit, um sich mit Taktiken und Ritualen dieser unorthodoxen Party-Gemeinde
auseinander zu setzen. Schon in den späten Achtzigerjahren liessen Goa-Guerillas die Generatoren in den Wäldern
laufen und die Bässe über Felder wummern. Als vor zehn Jahren eine Polizeipatrouille etwa im Zürcher Sihltal
auftauchte, um die Stecker zu ziehen, konnten sich die Veranstalter noch mit einer simplen Schummelei aus der Affäre
ziehen. «Wir sind eine religiöse Vereinigung und feiern hier unser Osterfest», beschied man den Polizisten – worauf sie
der Legende nach ehrfurchtsvoll abzogen.
Doch heute ist die Ordnungsmacht sensibilisiert. Darum verfeinern die Veranstalter illegaler Partys ihre UntergrundMethoden stetig. Um keine unerwünschte Nachtlärm-Störung zu erfahren, suchen sie sich laufend exotischere Orte
für den Anlass. Sie kommunizieren über Handy oder E-Mail. Sie teilen den Ort ihrer Veranstaltung erst im letzten
Moment mit. Sie richten für fast jede Party eine eigene Homepage ein. Sie verwenden Szene-Codes. Und sie limitieren
die Flugblätter, welche sie persönlich verteilen. Plakate gibt es nie.
Anders auf der Alp Schabell ob Elm. «Wir haben alle Bewilligungen eingeholt», sagt Organisator Pascal Ammann, 25.
«Auch die Polizei ist informiert», fährt er fort, «und die Behörden wissen Bescheid.» Als Veranstalter setzt Ammann
auf Konsens und Professionalität. Ihn interessieren nur legale Partys, denn einzig damit lässt sich Geld verdienen. «Die
Goa-Szene hat ein kommerzielles Potenzial», sagt Ammann offen und träumt von einer Existenz als Profi-Veranstalter.
Die Party in Elm ist für ihn ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Sie ist darum bis ins letzte Detail organisiert. Sogar die
6,5 Tonnen Material – 60'000 Watt an Licht und Ton – sind nach den Vorgaben der schweizerischen Schall- und
Laserverordnung installiert worden.
Ammanns wichtigster Trumpf aber ist der Gewinn der Sportbahnen Elm als Partner. Der Veranstalter bringt die Massen,
und die Bergbahnen beseitigen allfällige Skepsis – eine Rechnung, die aufgeht. Bahndirektor Bruno Landolt unternahm
viel, damit die Party von allen nur erdenklichen Stellen den Segen erhalten hat. Landolt begutachtete das
Festivalgelände mit einem Wildhüter. Er involvierte die Gemeinde in die Standortwahl. Er informierte die Bevölkerung
in der Lokalpresse und schrieb dazu allen einen Brief.
«Wir haben erkannt, dass wir auch im Sommer etwas bieten müssen», gibt Landolt an. Er habe sich schon vor
Ammanns Anfrage zum Ziel gesetzt, den Sommerumsatz zu verdoppeln. Da kam der Vorschlag mit der Goa-Party dem
Bahndirektor gerade recht. So karrten die Sportbahnen Elm die hölzerne Munggenbar, die Schneebar vom Winter,
eigens für den Anlass wieder aus dem Tal, um das Partyvolk auf der Restaurant-Terrasse zu bedienen. Jetzt heisst sie
«Schabell-Bar».
Personal wurde angeheuert, Alcopops wurden eingekauft, und um gutes Wetter wurde auch gebetet. Mit Erfolg. Die
Kasse stimmte am Schluss für alle. Die Goa-Gemeinde glich mit Eintrittsgeldern und Konsumation schliesslich die rund
50'000 Franken an Unkosten aus. Der Bahndirektor sagt zufrieden: «Ein solcher Anlass ist für Elm auch Werbung.»
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Elm kenne man sonst wegen Vreni Schneider oder Elmer Citro. Dieses Festival aber transportiere ein anderes Image an
eine andere Zielgruppe.
Auch das Partyvolk in Elm ist vom mystischen Martinsloch im Fels begeistert, dem Wahrzeichen der Region, doch die
Wanderer, die traditionelle Zielgruppe in den Glarner Bergen, haben wenig Freude. «Bin ich hier am falschen Ort?»,
fragt sich etwa Bergfreund Gottfried Schindler. Eigentlich wollte der Rentner aus der Innerschweiz einen gemütlichen
Nachmittag im Bergrestaurant verbringen. Nun vibriert der Boden. Schindler ist schockiert, seine Wanderkollegen sind
erzürnt: «Das ist eine Schändung der Natur. Wie kann man nur so etwas bewilligen?», tönt es aus dem Kreis einer
Zürcher Wandergruppe. Und Rentner Gottfried Schindler doppelt nach: «Das Gogo-Zeug gehört nicht hierher, das
gehört in eine Schlucht.» Solche Kritik nimmt Bahndirektor Landolt gelassen. «Der Anlass findet nur einmal im Jahr
statt», sagt er, da könne man Toleranz erwarten.
Zweifel am Partywesen nahe der Baumgrenze meldet auch die Umweltschutzorganisation Pro Natura an. Sie war es, die
im Winter vergeblich versuchte, die Snow Parade in Graubünden verbieten zu lassen. Der Lärm, argumentierte die
Organisation damals, stelle für den Wildbestand einen erheblichen Stressfaktor dar. Pro-Natura-Sprecher Peter
Rüegg macht auch sommerspezifische Einwände geltend: «Sind sich die Party-Organisatoren überhaupt bewusst, in
welch sensiblen Gebieten diese Anlässe stattfinden?», fragt er. Und erklärt: «In diesen Höhenlagen erholt sich die
Vegetation extrem langsam.» Dass die Alpen immer mehr zum Rummelplatz verkommen, erfülle ihn mit Unbehagen.
Unbehagen verspüren aber auch Einzelne der Elmer Tanzmarathon-Gemeinde – allerdings aus andern Gründen. Die
Sonne ist aufgegangen, und die Nacht war lang. Morgens um sieben weisen die Goa-Anhänger vereinzelt
Stresssyndrome auf. Sie frieren und schwitzen gleichzeitig, ihre Glieder zucken nur noch halb kontrolliert. «Wir nehmen
keine synthetischen Drogen, nur Natur, also Pilze und Marihuana», sagt ein 33-Jähriger aus dem Aargau und fährt
stockend fort, LSD, das sei ein Streitfall, weil irgendwie beides. Pilz und Pille, schwierige Entscheidung, aber eigentlich
egal … Nebenan liegt einer im Gras und jagt mit dem Zeigefinger einem Heugümper hinterher. Das Insekt entkommt.
Der Übermüdete zupft sich einen Halm und betrachtet ihn minutenlang. Dann kippt er zur Seite und ergibt sich vollends
der Schwerkraft.
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