Interkulturelle Aspekte medizinischer Kommunikation Dr. Wolfgang Wegner Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Studienkolleg für ausländische Studierende KIT – Universität des Landes Baden-Württemberg und nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft www.kit.edu Warum interkulturelle Kommunikation? These: Wer mit Patienten aus anderen Kulturen arbeitet, muss ein Bewusstsein dafür entwickeln, welche Probleme es in der Kommunikation im Sprechzimmer oder am Krankenbett geben kann. 8 Dr. Wolfgang Wegner: Interkulturelle Aspekte medizinischer Kommunikation Interkulturelle Hotspots und Critical Incidents Hotspots (Hans Jürgen Heringer) bzw. Rich Points (Michael Agar): Verbale, nonverbale oder verbal-nonverbale Situationen, an denen häufiger interkulturelle Probleme auftreten. Bsp.: Begrüßung Critical Incidents (John C. Flanagan): Immer wiederkehrende Interaktionen, bei denen es zu Missverständnissen und Konflikten kommen kann. Bsp.: Anamnese-Gespräch 9 Dr. Wolfgang Wegner: Interkulturelle Aspekte medizinischer Kommunikation Kulturelle Dimensionen Direkte verbale Kommunikation Paraverbale Elemente: Betonung, Lautstärke, Stimmhöhe Wahrnehmung: Gerüche, Aussehen Zeitempfinden Denkweise: induktiv und linear im Westen vs. deduktiv und holistisch im Osten 10 Dr. Wolfgang Wegner: Interkulturelle Aspekte medizinischer Kommunikation Verbale Kommunikation Problemfeld „Gespräch“ Ungewöhnlicher Satzbau, Verkürzungen Schlag- und Stichwörterkommunikation: „operieren sofort“ Erhöhung von Stimmlage und Lautstärke Kleinkinderkommunikation: „Hier ist ihr Saaaft“ Problemfeld „indirekte Kommunikationsweise“ Ein „Ja“ ist nicht unbedingt ein „Ja“, sondern kann auch ein „vielleicht“ oder ein höfliches „Nein“ sein. umschreibende Begriffe, Metaphern oder Vergleiche 11 Dr. Wolfgang Wegner: Interkulturelle Aspekte medizinischer Kommunikation Verbale Kommunikation Problemfeld „Übersetzung durch medizinisches Personal und/oder Angehörige“ Polysemie Türkisch „ciğer“ = „Lunge“, „Leber“ „Falsche Freunde“ Englisch depression griechisch „né“ = „ja“ Ausspracheähnlichkeiten Chinesisch 去死 (qusi) = „sterben“ (Ähnlichkeit mit „tschüss“) Tabus 12 Dr. Wolfgang Wegner: Interkulturelle Aspekte medizinischer Kommunikation Nonverbale Kommunikation: Gestik und Mimik Nur wenige Gesten werden global verstanden. Intensität der Gesten: Nord-Süd- und West-Ost-Gefälle Interpretation nicht nach festgelegter Bedeutung, sondern nach Situation und kulturellem Hintergrund. Beispiel: Männer in arab. Staaten, die Hand in Hand gehen: Ausdruck der Freundschaft. Ablesen von Gefühlen im Gesichtsausdruck nicht in allen Kulturen möglich. Beispiel: Lächeln von Asiaten in erster Linie ein Kommunikationssignal Blickkontakt: direkt (Europa) vs. indirekt (Asien, Afrika) 13 Dr. Wolfgang Wegner: Interkulturelle Aspekte medizinischer Kommunikation Nonverbale Kommunikation: weitere Aspekte Körpersprache und Körperhaltung Unterschiedliche Körperdistanzzonen „Kontaktkulturen“: Vorderer Orient, Teile Afrikas, Russland Äußeres Erscheinungsbild: Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder Kultur (z.B. „Dastar“ der Sikhs in Indien) Religiös-kulturelles Symbol (z.B. Niqab, Burka) 14 Dr. Wolfgang Wegner: Interkulturelle Aspekte medizinischer Kommunikation Kulturstandards Kulturstandards sind „Werte, Normen, Regeln und Einstellungen in einer Kultur, die sich gerade im zwischenmenschlichen Bereich umfassend aus Wahrnehmung, Denken, Urteilen und Handeln ihrer Mitglieder auswirken.“ (Markowsky, R. / Thomas, A. (1995): Studienhalber in Deutschland. Interkulturelles Orientierungstraining für amerikanische Studenten, Schüler und Praktikanten. Heidelberg) 15 Dr. Wolfgang Wegner: Interkulturelle Aspekte medizinischer Kommunikation Literatur Flanagan, John C. (1954): The Critical Incident Technique. In: Psychological Bulletin 51, S. 327 – 358. Heringer, Hans-Jürgen (2007): Interkulturelle Kommunikation – Grundlagen und Konzepte. 2., durchges. Aufl. Tübingen, Basel. Wegner, Wolfgang: Mit Verständnis behandeln. Interkulturelle Kommunikation im Alltag von Praxis und Klinik. Kindle Edition 2013. 17 Dr. Wolfgang Wegner: Interkulturelle Aspekte medizinischer Kommunikation
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