Alter Mann – was nun ? Ältere Väter – eine

 ANDROLOGY LETTER
Alter Mann – was nun ? oder Ältere Väter – eine genetische Zeitbombe ? Wichtig zu wissen: Immer häufiger werden Männer erst im späteren Leben Väter – genetisches Risiko, Abortrisiko und perinatale Sterblichkeit steigen. Immer mehr Männer imitieren zudem unbewusst den Lebensentwurf ihrer Väter – und die Natur reagiert darauf auf wundersame Weise. Die Segnungen der modernen Reproduktionstechniken sind heute leicht verfügbar und ermöglichen es älteren Paaren gesunde Kinder auch im späteren Leben zu planen. War der Trend zum ersten Kind im fortgeschrittenen Alter zunächst ein weibliches Phänomen, gilt er heute auch für Männer. So stieg in Deutschland das Alter der Väter zwischen 1991‐1999 um 2.8 Jahre. 1993 zeugten die 35‐54jährigen Männer in England ein Viertel aller Kinder, 2003 bereits über 40%. Die Frage muss deshalb lauten, ob sich aus diesem Trend heute und vor allem bei zukünftiger Weiterentwicklung gesundheitliche Risiken für die Nachkommen ergeben ? Das Alter hinterlässt eindeutige und tiefe Spuren am Reproduktionssystem des Mannes: ‐ abnehmende Hodengrösse ‐ stetig abnehmende Testosteronproduktion ‐ vermindertes Ejakulatvolumen
‐ Abnahme der Spermienmotilität
‐ Erektile Dysfunktion bei 30‐40% in der 8.Dekade
‐ Beachtliche Zunahme der Chronic Male Genital Inflammation (von 6% bei 25jährigen auf über 13% bei 40jährigen)
Die älter werdenden Leydigzellen produzieren in den Mitochondrien immer mehr Reaktive Sauerstoffspezies ROS – mit hoher Wahrscheinlichkeit eine der Hauptursachen der oben aufgeführten Veränderungen. In der IVF Technik zeigen sich erstaunlicherweise aber keine Abnahme der Fertilisierungs‐Rate und der Implantationen, jedoch eine geringere Blastozystenformation. Gehäufte Aborte und Chromsomenabnormitäten bei älteren Vätern? Bis zu 70% aller Schwangerschaften enden in einem Abort, meist unbemerkt. Neben den bekannten Risikofaktoren wie erhöhtes mütterliches Alter, mütterlicher Alkoholkonsum und mütterliche Endokrinopathien, haben Schwangerschaften von Vätern die älter als 50 Jahre sind ein doppelt so hohes Risiko in einem Abort zu enden. Besonders bei Frauen, die älter als 30 Jahre sind, geht ein erhöhtes väterliches Alter mit einem erhöhten Abortrisiko einher. Schema Non‐Disjunction Die Hälfte aller Aborte entstehen durch Aneuploidien, die allermeisten aber sind mütterlichen Ursprunges. 4.7 % aller Spermien können auch bei gesunden Männern abnorme Chromosomenzahlen aufweisen. Interessanterweise steigt die Zahl aneuploider Spermien bei infertilen Männern mit geringer Spermienqualität. Allerdings steigt altersabhängig nur die Zahl numerischer Geschlechtschromosomenanomalien, eine erhöhte Inzidenz für numerische Störungen der Autosomen konnte nie belegt werden. Ein Zusammenhang zwischen dem Alter der Väter und der Häufigkeit eines Down‐Syndromes besteht offensichtlich nicht – im Gegenteil: die Zahl der Kinder mit Down Syndrom ist bei jungen Vätern (unter 20 Jahren) deutlich höher! Auch andere klinisch relevante Chromosomenaneuploidien wie die Trisomie 13, Trisomie 28, das Turner Syndrom und das Klinefelter Syndrom zeigen keine Beziehung zwischen väterlichem Alter und Krankheitshäufigkeit Genetische Risiken durch Ältere Väter ? Genetische Mutationen sind das Resultat von fehlerhafter DNA Replikation. Nach der Pubertät teilt sich eine Spermatogonie jährlich 23mal, so dass ein Spermium eines 45jährigen Mannes 770 Zellteilungen hinter sich hat. Bei jeder Zellteilung können de novo Mutationen entstehen. Späte Spermatiden haben zudem keinen DNA Repairmechanismus und die Schutzmechanismen des Seminalplasmas nehmen im Alter eindeutig ab. Spermien älterer Männer zeigen damit mehr de novo Mutationen und sind zudem verletzlicher als Spermien jüngerer Männer. Ältere Väter stellen deshalb ein eindeutiges Risiko für autosomal‐dominante Erbkrankheiten dar: Bei der Achondrodysplasie finden sich in 50% aller Fälle Väter, die über 35 Jahre alt sind. Auch die für das Apert Syndrom, das Marfan‐Syndrom und die Myositis calcificans verantwortlichen Mutationen sind bei älteren Vätern siginifikant häufiger anzutreffen. Zudem haben Töchter von über 40jährigen Vätern ein 1.6fach erhöhtes Lebenszeitrisiko an Mamma Karzinom zu erkranken. Bei Nachkommen von Männern über 40 Jahren ist das Risiko für das sog. Autismus Spektrum Disorder ASD 5.7fach erhöht. Ein 1.66fach höheres Schizophrenie‐Risiko haben Nachkommen von Männern über 50 Jahre während bipolare Störungen 1.37fach häufiger auftreten sollen, wenn die Väter das 55. Lebensjahr zurückgelegt haben. Unabhängig vom Alter der Mutter haben Kinder Älterer Väter einen um zwei Stufen tieferen IQ und nachweisbar geringe Einschränkungen im Non‐verbalen Bereich. Heute gilt das Hauptinteresse im Zusammenhang mit all diesen Beobachtungen der Epigenetik: die im Alter abnehmende oder ungenügende Methylierung könnte der Schlüssel zu den altersbedingt gehäuften Erkrankungen sein. Schema Methylierung Der Non‐Genomic Vererbungsweg, die Epigenetik, betrifft die Methylierung bzw Acetylierung von DNA und Histonen. Damit werden Transkription und Expression einzelner Gene an‐ oder abgeschaltet. Höchst bemerkenswert sind nun moderne Studien die belegen, dass angeborene Unterschiede in der Methylierung mit dem elterlichen Alter zusammenhängen. Irrtümer im epigenetischen Prozess wie elterliches Imprinting könnten ernsthafte Folgen haben. Nicht nur Umwelt und endogene Faktoren sondern auch väterliches Alter kann als epigenetischer Fussabdruck Anfälligkeiten der Nachkommen für gewisse Krankheiten bedingen! Kann die Natur auf das Phänomen der Älteren Väter reagieren ? Schematische Darstellung der Telomere Telomere sind lineare DNA Sequenzen am Ende eines Chromosoms und schützen vor Clumping, Zusammenschluss mit Nachbarchromosomen und DNA Verlust. Bei jeder Zellteilung werden die Telomere kürzer – dies endet schliesslich in der Apoptose. Der Telomer‐verlust ist demnach ein Marker für das Altern – Männer verlieren ihre Telomere schneller als Frauen. Je länger eine Telomersequenz nun ist, desto länger kann das entsprechende Chromosom aktiv und gesund bleiben. Interessanterweise haben nun Söhne von Älteren Vätern Spermien mit längeren Telomeren. Dies wird heute als adaptives Signal aus der väterlichen Erbmasse gedeutet, in dem die Natur diese Söhne darauf vorbereitet, ebenfalls erst im fortgeschrittenen Alter eigene Kinder zu zeugen. Das Phänomen, dass immer mehr Söhne älterer Väter deren Lebensentwurf unbewusst nachahmen, scheint bereits eine Reaktion nach sich gezogen zu haben... Dr.Christian Sigg Regensbergstr 91 8050 Zürich email [email protected]