Psalm 121 „Ich hebe meine Augen auf…“ Ein interessantes

Psalm 121
EIN WALLFAHRTSLIED
Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat.
Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht.
Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht.
Der HERR behütet dich; der HERR ist dein Schatten über deiner rechten Hand,
dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts.
Der HERR behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele.
Der HERR behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!
„Ich hebe meine Augen auf…“
Ein interessantes Sprachbild. Worauf oder auf wen habe ich denn meine
Augen „geworfen“, von wo ich sie schleunigst weg und auf-heben sollte?
Was bindet meine Aufmerksamkeit, was trübt meine Sicht, was nimmt
meinen Blick gefangen? Was führt dazu, dass mein Blick gesenkt, mein
Kinn auf die Brust gesunken, meine Haltung gedrückt ist?
„Ich hebe meine Augen auf…“
Die Pilgerfahrt nach Jerusalem
Dieser Psalm ist ein Wallfahrtslied. Es wurde auf dem steilen Anstieg nach
Jerusalem gesungen. Die Pilger hatten dabei die Stadt bereits vor Augen.
Nach der langen, beschwerlichen Reise freute man sich, ans Ziel zu
gelangen!
Jerusalem war ja Hauptstadt und religiöses Zentrum der Israeliten
zugleich. Jerusalem war und ist die Stadt Gottes, die Stadt des Friedens.
Hier wohnte man in Sicherheit, hier war man in der Nähe des Königs. Hier
stand auch der von Salomo gebaute Tempel als Zeichen der Gegenwart
Gottes.
Die Pilgerfahrt nach Jerusalem war für die Juden der Höhepunkt des
Jahres. Man reiste zu einem der Feste hin; zum Passahfest oder zum
Laubhüttenfest zum Beispiel, und man blieb gewöhnlich eine ganze
Woche dort.
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Es war eine fröhliche Woche: Es gab Gottesdienste mit viel Musik und
Reigentanz! Es wurden Opfer gebracht, und dann schlossen sich an die
Zeremonie gemeinsame Mahlzeiten an. Es gab Fleisch, so viel man
mochte! Man traf die Verwandten. Man konnte neue Kontakte schließen
und Freundschaften pflegen.
Die jährliche Wallfahrt war so etwas wie die Ferienreise der Israeliten.
Verständlich, dass man sich darauf freute! Manches Kind wird das Jahr
über den Eltern in den Ohren gelegen haben: Mama, Papa, wann gehen
wir wieder nach Jerusalem?
Das Leben ist eine Pilgerfahrt
Die Bibel vergleicht das Leben eines Menschen, der Gott vertraut, mit
einer solchen Wallfahrt. Der Wanderer oder Pilger kommt am Ende seines
Lebensweges in die Gegenwart seines Herrn, er ist eingeladen zu einem
großen Fest. Und dieses Feiern dauert dann nicht bloß acht Tage; es hört
nie mehr auf!
Wer so unterwegs ist, spricht dann nicht mehr bloß vom Sterben oder
Abschiednehmen, sondern vom Heimkehren, er spricht nicht vom
Ausgang aus dem irdischen Dasein, sondern vom Eingang in die
himmlische Wirklichkeit, er spricht nicht von der Vergänglichkeit, sondern
vom ewigen Leben.
Doch diese Reise unseres Lebens ist kein Spaziergang. Sie fordert uns
ganz. Durststrecken müssen durchquert werden, Gefahren lauern, es gibt
Absturzmöglichkeiten oder gar Räuber; so wie auf der Pilgerreise nach
Jerusalem. Man kann sogar „auf der Strecke bleiben“. Darum gilt es sich
vorzusehen und die Reise gut zu planen.
Worauf kommt es dabei an?
1. Wir brauchen das richtige Ziel!
„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?“ V. 1
Wer sich in Israel auf die Reise machte, wusste genau, wohin er wollte.
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Nicht irgendwo hin, nicht in irgendeine Stadt – Jerusalem musste es sein,
die Gottesstadt, zum Tempel sollte es gehen, dorthin, wo Gottes Ehre
wohnt.
Wohin bist Du unterwegs? Was ist das Ziel Deines Lebens? Was hast Du
vor Augen, wenn Du morgens aufstehst, wenn Du Pläne machst und
Entscheidungen triffst und die Weichen für Deinen Lebenszug immer neu
stellst?
Woher erwartest Du Hilfe? Wem vertraust Du im Letzten? Von wem
machst Du Dich abhängig?
„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat.“
Mach das doch heute Morgen neu fest:
- Ich will dem Herrn vertrauen, nicht mir selbst und meinem Können
und Wissen und Wollen.
- Ich will mich von IHM abhängig machen und nicht von Menschen
und ihren Versprechungen.
- Ich will auf Gott ausgerichtet bleiben, nach seinem Reich und seiner
Gerechtigkeit trachten.
- Und wenn ich morgen wieder zur Arbeit gehe, bin ich doch
unterwegs zum Himmel, will Menschen in Gottes Art begegnen und
Jesus Ehre machen, bin ganz hier und doch ausgerichtet auf die
Ewigkeit.
2. Wir brauchen einen, der uns behütet!
Es fällt auf, dass nach dem Auftakt des Psalms nun in jedem weiteren Vers
das Wort hüten oder behüten oder Hüter vorkommt.
„Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft
nicht. Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht. Der HERR
behütet dich; der HERR ist dein Schatten über deiner rechten Hand, dass
dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts.
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Der HERR behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. Der HERR
behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!“ V. 3 ff.
Ist Dir bewusst, wie sehr Du den brauchst, der Dich behüten will und
behüten kann?
Das Wort hüten kommt ja aus der Hirtensprache, vom Schafe hüten.
Und man kann sich das bildlich vorstellen, wie der Hüter, der Hirte, seine
Herde begleitet, gangbare Wege findet und saftige Weide.
Viele von uns lieben den Psalm 23, der die Begleitung des Hirten
wunderbar beschreibt: Psalm 23 gemeinsam sprechen.
Es reicht nicht, nur zu begreifen, dass ich einen Wegbegleiter, einen
Hüter, einen guten Hirten brauche, sondern es bedarf auch der inneren
Entscheidung und Festlegung. Es gilt, Vertrauen zu wagen:
„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln!“
Interessant, dass in unserem Psalm beim Behüten Gottes vom kleinen
Moment, von Tag und Nacht, genauso die Rede ist wie vom großen
Ganzen, von der Ewigkeit.
Und es ist vom Stolpern oder Ausrutschen und von anderen Gefahren für
den Leib genauso die Rede wie von den Gefährdungen für unsere Seele.
Gottes Hüten und Behüten ist also umfassend und stetig!
Und noch etwas fällt auf:
Der Psalm beginnt in der ersten Person: „Ich hebe meine Augen auf...“
Der Beter erzählt seine Erfahrungen. Er berichtet von dem, der seine Hilfe
geworden ist.
Doch dann wechselt er vom Ich zum Du: „Er wird deinen Fuß nicht
gleiten lassen... Er behütet dich...“ Das ist ein Zuspruch, ein göttliches
Angebot.
Die beiden Schlussverse sind schließlich als Segenswunsch oder gar als
Befehl (der Hörer wird dem Herrn anbefohlen) abgefasst: „Der Herr
behüte dich!“
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Im Hebräischen kann das zugleich die Zukunftsform bedeuten: „Der Herr
wird dich behüten vor allem Übel, er wird deine Seele behüten. Der Herr
wird deinen Ausgang und Eingang behüten von nun an bis in Ewigkeit“.
3. Aber…?
Mancher wird hier im Blick auf sein Leben nun vielleicht fragen:
Aber warum bin ich dann trotz meines Vertrauens zu Gott hingefallen,
warum bin ich ein gebranntes Kind, warum hat man mir übel
mitgespielt, warum ist meine Seele verletzt?
Vielleicht gibt es sogar die eine oder andere Antwort darauf, vielleicht
aber auch nicht.
Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir uns mit unseren Fragen und
unseren inneren und äußeren Verletzungen dem Hüter unseres Lebens
neu anvertrauen.
Stefan Vatter erzählte vor zwei Wochen von dem weisen Indianer, der
den Kampf des Glaubens, den Kampf zwischen Zweifel und Vertrauen,
verglich mit dem Kampf zweier Wölfe in unserer Seele. Der eine Wolf ist
schwarz und der andere weiß.
Was meinst Du, welcher siegen wird?
Der, dem Du zu fressen gibst!
Also gib Deinem Glauben Nahrung, damit Dein Zweifel verhungert!
Dieser Psalm ist so etwas wie Nahrung für unseren Glauben.
Noch etwas:
Die Stimmung in Deutschland angesichts des Flüchtlingsstroms beginnt
nun, wie von vielen erwartet, zu kippen, oder zumindest realistischer zu
werden.
Nach großer Euphorie und medienwirksamer Willkommenskultur wird
nun mehr und mehr deutlich, was das für eine Aufgabe ist und welche
Veränderungen uns möglicherweise in unserem Land und in Europa
bevorstehen.
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Auch Christen warnen davor, dass das Willkommen den vielen
muslimischen Flüchtlingen gegenüber zumindest aus Sicht von
islamistischen Strategen auch verstanden werden kann und verstanden
wird als Einladung, Europa für den Islam zu gewinnen.
Mir fehlt bei solchen Warnungen, – die ich übrigens nicht für „an den
Haaren herbei gezogen“ halte, – mir fehlt bei den Warnern manchmal der
Glaube an die Kraft des Evangeliums und die Überzeugung, dass in dem
geistlichen Kampf, der um diese Erde und ihre Menschen tobt, der Sieger
Jesus Christus heißt!
Sicherlich – von einem kraftlosen und nur noch kulturellen Christentum
ist nicht zu erwarten, dass es dem Islam und seinen Verfechtern etwas
entgegenzusetzen hat. Da sind eher Vermischungstendenzen und
gutgemeinte Verbrüderungsversuche zu erwarten.
Doch gleichzeitig wachen Jesusleute aus den unterschiedlichsten
Gemeinden auf und bringen den Flüchtlingen die Liebe Jesu und weisen
sie auch auf Jesus hin.
Einer unserer iranischen Brüder bat mich, ihm doch einige kleine Bücher
über Jesus zu besorgen, damit er sie beim Einsatz in einer der
Auffangstationen, wo er mithilft, bereit hat, falls sich ein Gespräch ergibt
und jemand nach Jesus fragt und mehr wissen möchte. Jetzt braucht er
Nachschub.
Wenn wir bereit sind, Menschen in der Liebe und im Geist Jesu zu
begegnen, dann wird es solche Anknüpfungspunkte geben, weil Jesus
selbst der ist, der Menschen sucht und findet und sich von ihnen finden
lässt!
Und er wirkt kraftvoll und befreiend und heilend – davon werden in den
nächsten Gottesdiensten hören, wenn sich unsere neuen Geschwister
vorstellen werden, die sich taufen lassen bzw. sich der Gemeinde
anschließen möchten.
Und noch etwas:
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Ist Euch aufgefallen, dass in unserem Psalm vom „Hüter Israels“ die Rede
ist?
Das ist Er bis heute, und das bleibt Er auf ewig. Auch angesichts der neuen
Unruhen und der Ungewissheiten im Nahen Osten wird der Hüter Israels
für sein Volk sorgen und es hüten.
Dasselbe gilt auch für Seine Gemeinde aus allen Völkern: Die Pforten der
Hölle werden sie nicht überwältigen, sagt Jesus (vgl. Mt. 16, 18).
Darum lasst uns nicht Angst verbreiten, sondern Vertrauen stärken und
Liebe üben, anstatt Hass zu schüren.
Also, das Angebot Gottes, unser Hüter zu sein, steht. Nimmst du es an?
Willst du deine Hand in Gottes starke Vaterhand legen und dich von ihm
führen, schützen und ans Ziel bringen lassen?
Vers 8 ist ein typischer Beerdigungsvers – er wird genommen als eine Art
letzte Ansprache an den Verstorbenen.
Aber eigentlich ist es ein Wort für die Lebenden:
Der Herr behüte Dich so, dass Du in Seinem Frieden sterben und dann
dem lebendigen Gott begegnen kannst.
Wärst Du zum Sterben bereit?
Vielleicht musst Du den guten Hirten noch an das eine oder andere
heranlassen, um wirklich Frieden zu haben. Dieser Gottesdienst bietet
sich dazu an! Nutze ihn!
Amen.
Volkmar Glöckner 2015 mit Impulsen aus einer Predigt von Walter
Lüscher
(zu
finden
unter
(http://www.erf.de/service-undshop/predigten/die-lebensreise/117-792?range=detailDataset)