Welche Werte zeichnen einen geistlichen Leiter aus?

Welche Werte zeichnen einen geistlichen
Leiter aus?
Wie ich mich verhalte, welche Entscheidungen ich treffe und was ich für wichtig halte hängt von den
Werten ab, die mein Denken und Handeln bestimmen. Wenn ich es für einen sehr hohen Wert halte,
dass Menschen von Gott hören, dann bestimmt dieser Wert wie ich meine Prioritäten setze.
1. Grundwerte
Abgeleitet vom apostolischen Glaubensbekenntnis
Bekenntnis Artikel 1: Schöpferwert
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Werte haben etwas mit meinem Menschenbild zu tun. Ich kann einen Menschen nach seinem
„Funktionswert“ bewerten, dann hängt sein Wert an seiner Leistungsfähigkeit. Ich kann einen
Menschen aber auch unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit sehen, weil er seinen Wert und seine
Würde von Gott bekommt, der ihn geschaffen hat. Wer seinen Wert von dem Wissen „Geschöpf
Gottes“ zu sein bezieht, muss sich nicht erklären und rechtfertigen, warum er in dieser Welt lebt. Der
Mensch erleidet keinen „Wertverlust“, selbst wenn er in die Gesellschaft nichts mehr einbringen
kann. Die ethischen Diskussionen im Blick auf den Schutz des Lebens von der Zeugung bis zum Tod
sind Wertediskussionen.
Dass ich geschaffen bin ist wichtiger als dass ich schaffen kann!
Bibelwort: Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn. 1 Mose 1,27a
Bekenntnis Artikel 2: Glaubenswert
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in
den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu
richten Lebenden und die Toten.
Die reformatorischen Werte sind für den persönlichen Glauben der Leiter grundlegend:
Solus Christus: Als wahrer Gott und wahrer Mensch bringt allein Christus durch seinen
stellvertretenden Tod (2Kor 5,14f) den Sündern (zu denen auch die Leiter gehören) Heil und Leben.
Sola gratia: Das Heil kann nur „gratis“ zum Menschen kommen (Röm 11,6), hier zeigt sich das
bedingungslose Ja der Liebe Gottes für den Sünder durch Christus.
Sola scriptura: Die gnädige Nachricht vom Heil in Jesus Christus erreicht den Menschen allein durch
das göttliche Wort der Bibel (2Tim 3,15).
Sola fide: Glaube ist die dem Menschen angemessene Reaktion auf das in Christus geschehene Heil
(Eph 2,8). Der Glaube ist das von Herzen kommende Ja zu Jesus.
Bibelwort: So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn
glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Johannes 3,16
Welche Werte zeichnen einen geistlichen Leiter aus? Seminar LGV Innovationstag, 24.10.2015, M. Siehler
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Bekenntnis Artikel 3: Gemeindewert
Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung
der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Bibelwort: Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im
Brotbrechen und im Gebet. Apostelgeschichte 2,42
Die Gemeinschaftsbewegung hat sich immer auf Apg 2,42 bezogen. Aus dieser Stelle wird das eigene
Selbstverständnis begründet. Wesensmäßige Inhalte der Gemeinschaftsarbeit und ihre Werte für die
Gestaltung der Arbeit sind hier begründet.
LGV-Motto: „gemeinsam glauben leben“
„Gemeinsam glauben leben“ bedeutet: Unterschiedliche
Menschen versammeln sich gemeinsam unter dem Kreuz.
Vom Kreuz geht eine Dynamik der Zuwendung, des
Schutzes und des Segens aus. Unter diesem Motto, Logo und Leitbild sammeln sich die
unterschiedlichsten Gruppen, Gemeinden, Bezirke und Arbeitskreise im Gesamtgefüge des LGV.
2. Persönliche Werte
Werte der Achtsamkeit
Bibelwort: So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist
eingesetzt hat zu Ältesten, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben
hat. Apostelgeschichte 20,28
Bibelwort: 1 Petrus 5,2-4: „Sorgt gut für die Herde Gottes, die euch anvertraut ist. Hütet sie gern und
nicht widerwillig, sondern wie Gott es will. Kümmert euch nicht um sie um euch Vorteile zu
verschaffen, sondern weil ihr Gott gerne dienen wollt. Dabei sollt ihr die Menschen, die eurer Leitung
unterstellt sind, nicht bevormunden, sondern sie durch ein gutes Beispiel leiten. Und wenn der
oberste Hirte wiederkommt, werdet ihr mit seiner unbegrenzten Herrlichkeit belohnt werden.
Ethische Werte für geistliche Leiter nach den Pastoralbriefen
1.Tim 3,1-7; Titus 1,5-9
Untadelig - unantastbar – jemand, dem man im juristischen Sinne nichts nachsagen kann.
Mann einer Frau – moralische und geschlechtliche Reinheit, ausschließlich dem eigenen Ehepartner
geweiht.
Nüchtern - wach, aufmerksam, klarer Kopf und Verstand, nicht berauscht, keine
Selbstüberschätzung, jemand der mit beiden Füßen auf dem Boden bleibt.
Maßvoll - besonnen, Verantwortungsbewusstsein, diszipliniert, der Sache entsprechendes Verhalten,
Verhältnismäßigkeit, ein klares Urteil und ein vor Gott bedachtes Reden und Handeln.
Würdig - sittsam, anständig, ordentlich, kein chaotischer Lebensstil.
Gastfrei - Liebe zu Fremden, offenes Haus, damit andere gelebten Glauben sehen und lernen
können.
Welche Werte zeichnen einen geistlichen Leiter aus? Seminar LGV Innovationstag, 24.10.2015, M. Siehler
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Geschickt im Lehren - einen biblischen Sachverhalt verständlich rüber bringen, Zusammenhänge
aufzeigen, dazu braucht es ein beständiges Leben in der Schrift.
Kein Säufer - nicht dem Alkohol verfallen, Quelle der Freude und Lebensbewältigung ist Jesus.
Keine Gewalt - keine Schläge austeilen – mit Hand oder Worten, nicht aufbrausend, nicht
unbeherrscht, jemand der keinen psychischen Druck aufbaut.
Gütig - freundlich, rücksichtsvoll und mild.
Nicht streitsüchtig - nicht Streit und Entzweiung fördern, sondern Frieden stiften, zusammenhalten.
Nicht geldgierig - nicht durch Geld, Macht oder Ehre motiviert sein, sondern durch Gottes Liebe.
Eigenes Spendenverhalten nicht als Machtinstrument nutzen.
Seinem eigenen Haus gut vorstehen/gehorsame Kinder - geordnetes, harmonisches Familienleben,
sich in vorbildlicher Weise um die Familie kümmern, Kinder zum Gehorsam erziehen, Familie als
Vater und Ehemann leiten. (Hier geht es nicht um den „Erfolg“ der Erziehung, sondern um das
Wahrnehmen der Verantwortung für die Familie!)
Guter Ruf bei denen, die draußen sind - guter, hilfsbereiter Nachbar und höflicher Mitbürger sein.
Kein Neubekehrter – Erfahrung und Reife sind für das leitende Amt nötig!
3. Werte in der Leitung
Die Aufgabe jeglicher Leitung ist „das Überleben der Organisation zu sichern“. Der Leitungskreis muss
sich also überlegen, wie er die Gemeinde so steuern kann, damit sie auch morgen ein Ort der
Begegnung mit Gott bleibt. Im Blick auf die Menschen dient die geistliche Arbeit des Leitungskreises
dem Ziel, Menschen für ein Leben unter der gnädigen Herrschaft Gottes zu gewinnen und sie auf
dem Weg der Nachfolge Jesu Christi zu fördern.
Folgende Werte helfen, dem Auftrag und dem Ziel der Leitung gerecht zu werden:
Vertrauen
Ein Leiter in der Gemeinde kann nur mit „Vertrauen“ leiten, niemals mit „Macht“. Deshalb
unterscheidet sich Leitung in der Gemeinde von Leitung in der Wirtschaft. In der Wirtschaft zählen
Stellung, Geld, Umsatz und Gewinn, damit kann ein Leiter in der Wirtschaft auch Entscheidungen
gegen den Willen der beteiligten Mitarbeiter durchsetzen. In der Gemeinde kann ein Leiter Dinge nur
weiterführen, wenn er das Vertrauen der Mitarbeiter hat. Es geht um dienende Leitung (Mt.20,2628). Vertrauen erwirbt sich ein Leiter durch Liebe (Wertschätzung der Einzelnen), Kompetenz und
Zuverlässigkeit.
Konfliktkompetenz
Ein Leiter muss auf der einen Seite erkennen, welche Konflikte nötig sind und angegangen werden
müssen. Die Frage ist dann, wie das geschehen kann. Auf der anderen Seite muss er erkennen, wo er
in der Gefahr steht, sich auf einen unnötigen oder unlösbaren Konflikt einzulassen. Wenn ein Leiter
erkennt, dass ein unlösbarer Konflikt vorliegt, ist es besser, den Konflikt auf sich beruhen zu lassen.
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Bei einem Leiter geht es nicht darum, sich durchzusetzen, sondern sich selbst und den Anderen in ein
ausgewogenes Verhältnis zu setzen. Weiter muss ein Leiter lernen sich in den vorhandenen
Strukturen zu bewegen. Es gilt zu unterscheiden, was ich verändern kann und welche Gegebenheiten
ich so nehmen muss wie sie sind.
Wertschätzung
Wertschätzung drücke ich aus, wenn ich der anderen Sichtweise genauso viel Berechtigung gebe wie
meiner eigenen. Wertschätzung vermittelt ein Gefühl der absoluten Verantwortlichkeit für die
„Wirklichkeit“, die jeder für sich herstellt. Wertschätzung heißt also, dass dem anderen erlaubt wird
die Dinge so zu sehen, wie er sie sieht, ohne ihn auf der Beziehungsebene abzustrafen.
Aus der vorgeordneten Position des Leiters kann keine Definitionsmacht für die allgemeingültige
Sichtweise abgeleitet werden. Wertschätzung wird nicht nur durch das Ernstnehmen der Meinung
des Anderen vermittelt, sondern auch durch schlichte Aufmerksamkeit.
Ein Leiter gewinnt dann Autorität, wenn er die Nähe zu den Anderen sucht und auf Abstand zu sich
selbst geht. Aktive Zuwendung und Beziehungspflege ist eine wesentliche Aufgabe der Leiter.
Kommunikation
Menschenführung ist vor allem Kommunikation! Untersuchungen bestätigen, dass Führungskräfte
bis zu 90% der Zeit ihres Arbeitsalltags mit Kommunikationsaufgaben beschäftigt sind, davon fast die
Hälfte in Sitzungen, Besprechungen oder Gesprächen. Für einen gelingenden Sitzungsablauf ist es
notwendig auf die Beziehungsebene zu achten, ihr muss grundsätzlich Vorrang gewährt werden.
Wenn es auf der Beziehungsebene zu Störungen kommt, kann sachlich nichts mehr voran gebracht
werden. Deshalb kann es sinnvoll sein, Sitzungen auch einmal zu unterbrechen, um in einer
Diskussion auf der Metaebene die Beziehungsebene zu klären. Als Regel gilt: Erst zur sachlichen
Erörterung zurück, wenn sich auch alle wieder ungehindert auf diese Ebene einlassen können. Leiter
müssen das Gespräch führen. Das Gelingen der Kommunikation liegt in ihrer Verantwortung. Deshalb
ist die Vorbereitung der Gesprächsführung (Zeit, Ort, Teilnehmer, Ziel, Zeitrahmen etc.) eine explizite
Leitungsaufgabe.
Ein idealtypischer Gesprächsverlauf sowohl in Sitzungen als auch in persönlichen Gesprächen folgt
dem Schema: Kontaktphase - Informationsphase – Argumentationsphase – Beschlussphase –
Abschlussphase. Weiter ist die 50% Regel, nach der der eigene Gesprächsanteil nicht höher als 50%
sein sollte, hilfreich.
Beteiligung
Eine wesentliche Aufgabe des Leitungskreises ist die Berufung, Förderung und Begleitung von
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Durch Beteiligung am gemeinsamen Auftrag wächst nicht nur die
Identifikation mit der Gemeinde, Beteiligung fördert auch das Wachstum im geistlichen Bereich.
Mitarbeit in der Gemeinde ist immer ein Beziehungsgeschehen. Mit der Aufgabe wird gleichzeitig
Gemeinschaft gelebt. Deshalb ist es wichtig Aufgaben in Teams zu erledigen. Wenn die Balance
zwischen Aufgabe und Beziehung nicht mehr stimmt, können Mitarbeiter leicht müde und frustriert
werden.
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