Saubere Luft für die Warndtgemeinden e

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Saubere Luft für die Warndtgemeinden e.V.-Brunnenstraße 9 – 66352 Großrosseln
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
Bau- und Reaktorsicherheit
Frau Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks
Stresemannstraße 128 – 130
11055 Berlin
Datum: 03. August 2015
BI und Verein „Saubere Luft für die Warndtgemeinden e.V.“ bittet dringlich
um Unterstützung in einem grenzüberschreitenden Genehmigungsverfahren
der Total Petrochemie France und Überprüfung auf Einhaltung bestehender
EU-Gesetze
Sehr geehrte Frau Dr. Hendricks,
wir sind saarländische Bürgerinnen und Bürger in der Grenzregion Warndt und Anrainer zu dem
französischen Industriebecken Carling – St. Avold (F), bestehend aus petrochemischen Anlagen und
einem Kohlekraftwerk. Mit sehr großem Interesse verfolgen wir Ihr Engagement für die BI Saubere
Luft für das Erzgebirge mit ihren Sorgen und Nöten hinsichtlich der Geruchsbelästigung und
Schadstoffbelastung aus dem böhmischen Becken sowie Ihre aktuellen Aufklärungsabsichten zu
dem Endlager Bure mit Überprüfung auf Einhaltung grenzüberschreitender EU-Gesetze.
Die Bürger hier im Warndt klagen seit Jahrzehnten, wie im Erzgebirge auch über die fast identischen
Geruchsbelästigungen, Staubbelastungen und einhergehenden gesundheitlichen Beschwerdebilder.
Aufgrund der zu 70 – 80 % vorherrschenden Süd-Westwinde sind wir im Warndt auch die
hauptsächlichen Empfänger der Schadstoffe. Bemühungen einzelner Personen in den vergangenen
Jahrzehnten sind immer gescheitert. Weil der Unmut und die Beschwerden wuchsen, sich mit
Sicherheit auch ein geändertes Bewusstsein der Menschen zu Fragen des Gesundheits- und
Umweltschutzes einstellte, hat sich vor über zwei Jahren unsere Bürgerinitiative
zusammengeschlossen.
Wir haben mittlerweile sehr viele Informationen und Details über die dort ablaufenden industriellen
Prozesse mit ihren resultierenden Emissionen, französische Messergebnisse , umwelt- und
europarechtliche Regelwerke zusammen getragen und sogar eine eigene Bürger -
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Informationsveranstaltung mit professioneller Unterstützung einer Anwältin für Verwaltungs- und
europäischem Umweltrecht durchgeführt. Daran können Sie erkennen, dass wir mit hohem
persönlichem, nebenberuflichem und ehrenamtlichem Engagement arbeiten und unsere
Unterstützer und Mitglieder uns mittlerweile auch mit hohem finanziellem Aufwand zur Finanzierung
der externen Rechtsberatung zur Seite stehen. Unsere obersten Ziele sind Aufklärung, Transparenz,
Beteiligung und eine Verbesserung der Gesamtschadstoffbelastung
Die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung sind dadurch jedoch nicht weniger geworden; ganz im
Gegenteil. Wir bitten aus folgendem aktuellem Anlass um Ihre Unterstützung:
Verfügung Nr. 2015-BAEAT-2 vom 26. Mai 2015 Präfekt des Departements Moselle über das
Vorhaben von TOTAL Petrochemie France (TPF) zum Betrieb einer Produktionseinheit für C4-Harze
und einem Tanklager für Butadien.
Dabei handelt es um ein französisches Genehmigungsverfahren mit grenzüberschreitenden
Auswirkungen hinsichtlich Luft-, Wasser- und Bodenbelastung. Die Chemieplattform Carling –
St.Avold (F) soll zur größten Anlage Europas für C4 Harze ausgebaut werden. Das Gesamtprojekt des
Um- und Ausbaus wird unter dem Namen „Ambition Carling 2016“ mit ca. 180 Millionen angegeben.
Bereits in den zurückliegenden Jahren2012 /2013 gab es in diesem Rahmen
Erweiterungsmaßnahmen, allerdings ohne Öffentlichkeitsbeteiligung auf deutscher Seite, was
ebenfalls die Frage einer möglichen Missachtung von EU-Gesetzen aufwirft. Das nächste
Genehmigungsverfahren zum Bau einer Polypropylenanlage ist für Ende des Jahres angekündigt.
Bei dem aktuellen Verfahren zeigen sich deutliche Anzeichen das europäische Richtlinien
missachtet werden und bei den Bürgern sowie den Gemeinden- und Stadträten aus den betroffenen
Anrainerorten gleichermaßen auffällig sind. Zahlreiche umfangreiche Einwendungen wurden
innerhalb der gesetzten Frist im Rahmen der grenzüberschreitenden Bürgeranhörung (enquete
publique) bei dem Anhörungsleiter in Frankreich eingereicht. Dabei haben sich viele Bürgerinnen,
Bürger und kommunale Räte auf deutscher Seite, sowie eine französische Gemeinde gegen das
Vorhaben ausgesprochen, aufgrund von Auffälligkeiten, die sich aus den unvollständig vorliegenden
ins Deutsche übersetzen Unterlagen deutlich ergeben. Wir erkennen auch das viele Unterlagen wie
z.B. die Umweltverträglichkeitsprüfungen und die Gefahrenanalysen mit Katastrophenschutzplänen
fehlen und sehen die europäische Wasserrahmenrichtlinie, die Luftqualitätsrichtlinie sowie die
Espoo – und Arhus Konventionsrichtlinie nicht umgesetzt. Als Beispiel eines Einwandes möchten wir
Ihnen die bisher umfänglichste veröffentlichte Stellungnahme der CDU Stadtratsfraktion Völklingen
zur Verfügung stellen: http://www.cdu-fraktion-voelklingen.de/stellungnahme-zur-geplantenerweiterung-der-chemieplattform-carling/
Weder wurden uns die gesamten Genehmigungsunterlagen zum Verfahren in deutscher Sprache mit
der Begründung eines zu hohen finanziellen Aufwandes vorgelegt, noch wurden die Bedenken über
die lediglich angesetzte Mindesteinwendungsfrist von 30 Tagen für ein derart großes Projekt
angenommen, geschweige denn auf die Bitte um Verlängerung der Bürgeranhörung eingegangen, die
im Übrigen auch vom saarl. Umweltministerium ausgesprochen wurde. Die Bürgeranhörung wurde
stattdessen am 29.07. beendet.
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Unseren BI-Mitgliedern wurde in Frankreich vor Ort sogar erklärt, dass die deutschen Einwendungen,
die bei den französischen Behörden eingegangen sind, zum Antragsteller Total Petrochemie France
aus Kostengründen zur Übersetzung weiter gereicht wurden. Wir fragen uns, wie ein behördliches
Verfahren zum Antragsteller ausgelagert werden kann und wer die Richtigkeit der Übersetzung
überprüft bevor sie erneut zur Endbeurteilung der Präfektur vorgelegt wird?
Das Misstrauen in der Öffentlichkeit gegenüber der Total Petrochemie France wird zusätzlich
untermauert aufgrund Presseartikel im Républicain lorrain und im Handelsblatt über laufende
Verfahren wegen des Verdachts fahrlässiger Tötung und Korruption. Link:
1) http://www.republicain-lorrain.fr/edition-de-saint-avold-creutzwald/2015/07/14/plateforme-decarling-six-ans-apres-l-explosion-le-proces-de-total-fixe
2) http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/anklage-gegen-total-in-frankreichenergiekonzern-muss-wegen-bestechungsvorwuerfen-vor-gericht/11032576.html
Der Betreiber selbst spricht in den Genehmigungsunterlagen von einem akzeptierbaren
Gesundheitsrisiko hinsichtlich nicht vermeidbarer krebserregender, schleimhautreizender,
erbgutschädigender und reproduktionstoxischen Schadstoffemissionen.
Selbst die Bitten unseres saarländischen Umweltministers Hr. Reinhold Jost an die französische
Präfektur weitere maßgeblichen Unterlagen , wie die Umweltverträglichkeitsprüfung und
Risikoanalyse zur Verfügung zu stellen oder eine Bürgerinformationsveranstaltung auf deutscher
Seite durch zu führen, wurden ignoriert.
Die französische Seite erweckt nun viel mehr den Eindruck, das weiter fortzuführen, was über
Jahrzehnte gängige Praxis war: Gebaut wird, wie man es sich denkt und die Anrainerstaaten werden
im besten Fall gerade mal noch über die Ergebnisse informiert. Durch die grenznahe
Chemieplattform Carling, den Atommeiler Cattenom und das nun angekündigte Atomendlager Bure
fühlt sich die saarländische Bevölkerung nun vollends bedroht.
Wir fragen uns wo bleiben die grenzüberschreitenden Genehmigungsverfahren und wann greift
endlich das EU-Recht, nach dem auch die Anrainerstaaten vollumfänglich eingebunden werden und
in das Verfahren selbst eingreifen können?
Wir möchten jedoch auch deutlich machen, dass unsere Anliegen sich nicht ausschließlich um das
aktuelle Genehmigungsverfahren drehen, sondern auch um eine allgemeine Verbesserung der
Luftqualität in unserer Region, einer Gesamtbetrachtung der Situation in den saarländischen
Anrainerorten des Industriebeckens Carling-St.Avold (F) durch Umsetzung eines Luftreinhalteplans
und mehr kontinuierlichen Messungen aller relevanten Schadstoffe und Feinstaub, aber auch dem
Ergründen gesundheitlicher Risiken sowie einem chemischen Zuordnen der immer wieder
auftauchenden chemischen, stechenden oder süßlichen Geruchsbelästigungen.
Die politischen Kräfte auf kommunaler Ebene und auf Landesebene scheinen sich aufgrund einer
derart geballten Problematik überfordert zu fühlen. Die zuständigen Behörden, Bürgermeister und
Räte sehen sich wohl auch aufgrund finanzieller Zwänge in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt.
Umweltminister Reinhold Jost ist zwar der erste Minister, der sich der Problematik tatsächlich
angenommen hat, für mehr Transparenz und eine bessere Kommunikation über die Landesgrenzen
sorgt, einige Messkampagnen und ein Forschungsprojekt mit Geruchssensoren auf den Weg brachte,
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jedoch erbrachten all seine Bemühungen bisher für den Bürger keine Antworten auf die Fragen bzgl.
Gesundheitsgefährdung und der Geruchsbelästigung „was riechen wir oder was atmen wir ein“ .
Aufgrund zahlreicher Gespräche mit führenden Politikern sowohl auf der kommunalen als auch auf
der Landesebene wurde immer klarer, dass dem Saarland aufgrund der kritischen Haushaltlage die
nötige Manpower, die technische Ausrüstung und die finanziellen Mittel fehlen aber auch die
Einflussnahmemöglichkeiten in Richtung der französischen Seite nur bedingt möglich sind.
Bei der Recherche der durchgeführten umfänglichen Luftuntersuchungen des Landes Sachsen im
Erzgebirge fallen uns große Parallelen zu unserem Fall auf, welch große Bemühungen nötig waren,
um überhaupt die Gerüche den Verursachern zu zuordnen und dennoch sind immer noch nicht alle
Fragen der Bürger beantwortet . Jedoch ist deutlich zu erkennen, dass im Erzgebirge bereits mehr
Erkenntnisse vorliegen als bei uns. Aus diesem Grund möchten wir Sie bitten und fragen, ob ein
Austausch der Resultate hinsichtlich der eingesetzten Messverfahren, die zum erfolgreichen
Zuordnen der Geruchsereignisse geführt haben, aber auch der Messverfahren, die sich als
ungeeignet heraus gestellt haben, mit unserem Ministerium und Landesuntersuchungsamt
stattfinden könnte? Auch das aktuelle Mercaptane-Messprojekt im Erzgebirge könnte in der
Ursachenforschung der saarländischen Bevölkerung hilfreich sein.
Sehr geehrte Frau Ministerin Hendricks wir hoffen, dass wir Ihnen mit unseren knappen
Ausführungen unsere besondere Problemlage vor Ort darstellen und wegen des laufenden
Verfahrens auch die Dringlichkeit verdeutlichen konnten. Wir sind auf Ihre Hilfe, auch im Rahmen
europarechtlicher Möglichkeiten angewiesen. Wir bitten auch um Prüfung, ob eine Einflussnahme
über die europäische Kommission an das zuständige Gericht in Straßburg möglich ist, da dieses
Gericht als zuständige Gerichtsstelle in den Genehmigungsunterlagen angegeben wird.
Unsere Arbeit lässt sich auch auf unserer Homepage www.bi-saubereluft.de und seit kurzem auch
auf Facebook verfolgen.
Gerne stehen wir Ihnen für Fragen und einen weiteren Informationsaustausch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Heike Schreiner, 1. Vorsitzende
Adriano Pitillo, 2. Vorsitzender
Martin Becker, Schriftführer
Folgende Adressaten werden über dieses Schreiben in Kenntnis gesetzt:
Saarländisches Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Bürgermeister der Kommunen
Völklingen, Großrossseln, Wadgassen, Überherrn, Fraktionsvorsitzende der Kommunalparlamente
und Landtag, Vorsitzende des Umwelt- und Gesundheitsausschuss des saarländischen Landtages,
Petitionsausschuss Landtag , Bund für Umwelt- und Naturschutz Saarland
sowie 1 Tag später
als öffentlicher Brief auf unserer Homepage für Mitglieder und Unterstützer des Vereins