Recht der Verwaltung I: Öffentliches Sachenrecht I

§ 1 – Öffentliches Sachenrecht I
A. Begriff und Funktion der öffentlichen
Sachen (ö.S.)
1. Öffentliches Sachenrecht (ö.SR):
inhomogener Sammelbegriff des staatlichen Verwaltungs(vermögens)rechts
2. Das ö.SR im „Verwaltungsrecht“
3. Besonderheiten des Rechts der ö.S.
– Grundsatz: keine ausschlaggebende
Geltung des BGB-Sachenrechts, da
staatliches Sonderrecht
– Voraussetzung einer ö.S.:
# Widmung = statusbegründender
Rechtsakt, und
# Indienststellung
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– Inhalt des Rechtsstatus als ö.S.:
Entstehung eines dinglichen öffentlichen Rechts i.S.e. unmittelbaren
Sachzuordnung (Person <–> Sache)
– Mögliche Formen der Ausgestaltung
dieser Sachzuordnung:
# „Öffentliches Eigentum“ = eigentumsgleiches Vollrecht an der ö.S.,
damit Einführung eines ö.-r. Sonderregimes –> absolute Verdrängung der BGB-Sachenrechtsordnung
# „Modifiziertes“ Privateigentum =
öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit
an der weiter (privat-)eigentumsfähigen Sache –> Überlagerung
der BGB-Sachenrechtsordnung
– Fall 1: Straßenbau in Rostock
– Fall 2: Hamburgisches Stadtsiegel
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Fall 2: Das Hamburger Stadtsiegel
B. erwirbt auf der Auktion eines Kunsthauses für
1.000,– EUR einen alten Bronzestempel, der ein
Siegel der Freien und Hansestadt Hamburg zeigt.
Als die Hansestadt dies zufällig erfährt, fordert sie
von B. die Herausgabe dieses Stempels und macht
geltend: Bei dem Siegelstempel handele es sich um
das Original des sog. IV. Hamburger Stadtsiegels,
das nachweislich seit 1306 zum Siegeln von Urkunden benutzt worden sei. Es sei 1810 außer Gebrauch gesetzt und danach im Stadtarchiv zur Prüfung der Echtheit alter Urkunden benutzt und im
übrigen unter Verschluß gehalten worden. Im Jahr
1944 sei der Stempel kriegsbedingt in einen Salzstock ausgelagert worden, wo er von Unbekannten
gestohlen worden sei.
– Lösung nach BGB-Sachenrecht
– Lösung nach Öffentlichem Sachenrecht
........................................................
(nach: BGH, NJW 1990, 899 ff.; VG Köln, NJW 1991, 2584 ff.; dazu
Manssen, JuS 1992, 745 ff., und Fechner, JuS 1993, 704; OVG Münster, NJW 1993, 2635 ff.; BVerwG, NJW 1994, 144 f.)
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B. Der Sachbegriff der ö.S.
– h.M.: jeder körperliche oder nicht
körperliche Gegenstand (Materie),
d.h. auch Luft(raum), Wasser(raum)
—> keine Anwendung der §§ 93–95
BGB (Sachzusammenhänge, Zubehör)
– Aber: keine Notwendigkeit, Materien
zu erfassen, die keiner allgemeinen
privatrechtlichen Herrschafts- oder
Nutzungsordnung unterstehen
– Keine ö.S. sind:
# Sachen in ausschließlicher Verfügungsmacht des Privateigentümers („tatsächlich öffentliche Sachen“), z.B. Park, Privatweg, Wald
# Sachen, die dem Finanzvermögen
zugeordnet sind
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C. Die einzelnen Arten der ö.S.
– Prägend für ö.S.: immer direkte
Gemeinwohlfunktion, aber mit unterschiedlicher Ausgestaltung der Nutzung, je nach konkreter ö.S.:
# ö.S. im Zivilgebrauch (extern)
• Gemeingebrauch
• Sondergebrauch
• Anstaltsgebrauch
# ö.S. im Verwaltungsgebrauch
(intern)
Die „Sachen“ der Öffentlichen Hand
Finanzvermögen
(z.B. Bankkonto,
Aktiendepot)
Öffentliche Sachen im weiteren Sinn
Ö.S. im externen (Bürger-)Gebrauch
(= Öffentliche Sachen i.e.S.)
ö.S. im Gemeingebrauch
(z.B. Straßen,
Gewässer [Verkehr])
ö.S. im Sondergebrauch
(z.B. Gewässer
[Nutzung])
Ö.S. im internen
(Verwaltungs-)Gebrauch
(z.B. Dienstwagen)
ö.S. im Anstaltsgebrauch
(z.B. Schwimmbad,
Stadthalle, Friedhof)
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I. Öffentliche Sachen im Zivilgebrauch
1. Gemeingebrauch ist
– Eröffnung der unmittelbaren Nutzung
– für die Allgemeinheit
– kraft Hoheitsakts (Widmung)
– ohne personelle Beschränkung und
– ohne weitere besondere Zulassung
– vorgesehen für:
# öffentliche Straßen = Straßen,
Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind
# schiffbare Gewässer als Wasserwege (Verkehrsfunktion)
# Gewässer als Reservoir (Haushaltsfunktion) – Ausnahme:
• nur für Baden, Waschen, Trinken, Eissport
# Luftraum (str.)
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2. Sondergebrauch ist
–
–
–
–
Eröffnung der unmittelbaren Nutzung
kraft Hoheitsakts (Widmung)
mit personeller Beschränkung und
mit besonderer Zulassung nach Ermessen (begünstigender VA)
– vorgesehen für
# Gewässer als Reservoir (Haushaltsfunktion) – Regelfall:
• immer bei Entnehmen und Ableiten,
Aufstauen und Absenken von Wasser,
Einleiten und Einbringen von Stoffen in
das Wasser
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3. Anstaltsgebrauch
– Eröffnung der unmittelbaren Nutzung
– für ein organisiertes u. abgegrenztes
Sachsubjekt öffentlicher Verwaltung
# mit oder
# ohne Rechtspersönlichkeit
# nicht: privatrechtlich betrieben
• (z.B. Stadtwerke AG)
– kraft Hoheitsakts (Widmung)
– mit personeller Beschränkung
• (z.B. bei kommunalen Einrichtungen:
Einwohner der Gemeinde)
– mit besonderer Zulassung (begünstigender VA)
# und Anspruch auf Zulassung (bei
kommunalen Einrichtungen)
• (z.B. Stadthalle, Schwimmbad)
• ohne Anspruch auf Zulassung (bei
anderen Einrichtungen)
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– Problem: dingliche Sachherrschaft?
# keine unmittelbare Nutzung durch
den Bürger aufgrund dinglichen
Rechts an der Sache, sondern
# vermittelte Nutzung nur nach Begründung und Ausgestaltung
eines individuellen Zugangs- und
Benutzungsverhältnisses
# h.M. daher bei Anstaltsgebrauch:
• stillschweigende (fingierte) Widmung –> sachenrechtliche
Dienstbarkeit für Anstaltszweck
• und (nachfolgende) Zulassung
des Bürgers zur Nutzung
• Aber: Begründung dinglicher Sachherrschaft nur durch oder aufgrund Gesetzes
zulässig, das regelmäßig fehlt
•
Folge: Verzicht auf dingliche Sachherrschaft –> öffentlich-rechtliche Nutzungsordnung soll für ö.S. ausreichen
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– Problem: Nutzungsverhältnisse bei
Anstaltsgebrauch
# Nutzungsverhältnis öffentlichrechtlich geprägt, daher
# Unabhängigkeit von Organisationsform der Anstalt: wahlweise
• Eigenbetrieb (z.B. Schwimmhalle)
• rechtsfähige Anstalt (z.B. ZDF)
• juristische Person des PrivatR
(z.B. Stadthalle GmbH; Stadtwerke AG)
# Rechtsformen der Anstaltsnutzung
durch den Bürger: wahlweise
• öffentlich-rechtlich (durch VA /
Vertrag oder Rechtsnorm [Satzung]
i.V.m. tatsächlicher Inanspruchnahme)
• privatrechtlich (durch Vertrag)
• zweistufig (Zulassung [„Ob“] ö.-r.,
Abwicklung [„Wie“] privatrechtlich)
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# Durchsetzung der Nutzung einer
ö.S. bei privatrechtlicher Organisation (Beispiel: P und Stadthalle
Rostock GmbH):
• Benutzungsverhältnis
P. – GmbH kann (Ausnahme:
Beleihung) immer nur privatrechtlich sein;
• kein zivilrechtlicher Kontrahierungszwang für GmbH;
• Anspruch der P. auf Benutzung
der ö.S. nur gegenüber HRO als
Inhaber der dinglichen Sachherrschaft;
• daher (h.M.): Anspruch der P.
gegenüber HRO, gerichtet auf
(gesellschaftsrechtliche) Einwirkung auf die GmbH, sie zuzulassen (Ingerenzanspruch).
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– Umfang der Nutzung einer ö.S. im
Anstaltsgebrauch
# Grundsatz: Festlegung der Zweckbestimmung in der Widmung
–> ordentliche Benutzung mit Zulassungsanspruch, dabei
• freiwillige Benutzung oder
• Benutzungspflicht aufgrund gesetzlichen Anschluß- und Benutzungszwangs (z.B. Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Straßenreinigung, Fernwärme)
# Nutzung außerhalb der Zweckbestimmung der ö.S. –> Sonderbenutzung ohne Zulassungsanspruch
(Ermessen), wenn
• zweckfremde Personen
• zweckfremde Nutzung
vorliegt
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II. Öffentliche Sachen im
Verwaltungsgebrauch
–
–
–
–
Eröffnung der unmittelbaren Nutzung
ausschließlich für die Verwaltung
kraft Hoheitsakts (Widmung) (?)
mit funktioneller Beschränkung auf
den internen Dienstbetrieb
# Zugang für Dritte nur im Rahmen
der jeweiligen Verwaltungsaufgaben –> keine unmittelbare
öffentlich-rechtliche Nutzungsbefugnis
# Zulassung externer Nutzer nur
nach Ermessen (begünstigender
VA) (z.B. Konzert in der Aula der Univ.)
# Benutzungsrechte Dritter nach
Privatrecht (z.B. Kantine im Finanzamt)
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III. Öffentliche Sachen im
»Kirchengebrauch« – „res sacrae“
– Ausgangspunkt: Kirchen als Körperschaften des Öffentlichen Rechts
(Art. 140 GG / Art. 137 V WeimRV)
– Konsequenz (h.M.): dem Gebrauch
dieser Kirchen unmitttelbar dienende
Sachen
# z.B. Kirchengebäude
# z.B. kirchliche Friedhöfe
# z.B. Kultgegenstände
sind öffentliche Sachen
• im Anstaltsgebrauch (z.B. Kirche,
Friedhof) oder
• im (kirchlichen Verwaltungsgebrauch (z.B. Oberkirchenrat, Palais des
Erzbischofs)